Box-Blog

Ein Blick runter (1)

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Es gibt Gewichtsklassen, die werden in Deutschland schlicht nicht wahrgenommen. Das geht sogar so weit, dass die ARD offensichtlich keine Kämpfe unterhalb des Mittelgewichts zeigen will. Das heißt konkret, dass man als Amateur schon Weltmeister oder Olympiasieger werden muss, um in einer der unteren Gewichtsklassen eine Chance als Profi zu bekommen und im Fernsehen boxen zu dürfen. Meiner Meinung nach ist eine solche Einschränkung des Blicks ähnlich sinnvoll wie sich nur Bundesligaspiele von süddeutschen Vereinen anzusehen.
Zum einen gibt es eine Fixierung auf das Schwergewicht. Zum anderen sind Kämpfe in den leichteren Gewichtsklassen wohl zu schnell. Die Zuschauer in den Hallen können sie von den höheren Rängen aus nur schwer verfolgen. Es wäre also denkbar, dass die Verantwortlichen der TV-Stationen Angst davor haben, ihre Zuschauer bei einer Sportsendung zu überfordern. Hinzu kommt, dass aufgrund der Schnelligkeit der Kämpfe und ihres höheren technischen Niveaus von den Fernsehkommentatoren sehr viel mehr Sachverstand verlangt werden müsste, was auch ein Problem sein könnte. Außerdem gibt es weniger spektakuläre KOs. Es spricht also vieles gegen die niedrigeren Gewichtsklassen. Dafür aber spricht eigentlich nur Eins, nämlich die Qualität des Boxens.
Was ich sagen möchte, ist, dass sich auch ein Blick runter ins Bantamgewicht lohnt. Das dürfte nämlich zurzeit wohl die aufregendste Gewichtsklasse sein. Eine sehr interessante Boxveranstaltung in diesem Bereich hat, aus den besagten Gründen, in Deutschland praktisch keine Resonanz bekommen. Der amerikanische TV-Sender Showtime veranstaltet aktuell ein Turnier im Bantamgewicht. Das ist die fünftleichteste Gewichtsklasse, deren oberes Limit bei 53,525 kg liegt. Hier waren die vier Besten in ihrer Gewichtsklasse zu sehen. – Offensichtlich hat man aus den Problemen beim Super-Six-Turnier gelernt und daher das Teilnehmerfeld kleiner gehalten.
In der ersten Runde trafen am 11.12.2010 Yonnhy Perez (21 Kämpfe, 20 Siege, 4 durch KO, 1 Unentschieden), der amtierende Weltmeister der IBF auf Joseph Agbeko (29 Kämpfe, 27 Siege, 22 durch KO, 2 Niederlagen), den ehemaligen Weltmeister der IBF. Der Kolumbianer Perez war die Nummer 4 der unabhängigen Weltrangliste. Agbeko, der seinen Titel gegen Perez verloren hatte (31.10.2009), kommt aus Ghana und ist in der unabhängigen Weltrangliste nicht mehr vertreten, weil er seit seinem Titelverlust nicht mehr in den Ring gestiegen war.
Agbeko holte sich seinen Titel trotz der langen Kampfpause durch einen Punktsieg (113-115, 112-116 und 111-117) wieder zurück. Es wird bereits spekuliert, dass die Runde 6 dieses Kampfes zur Runde des Jahres gewählt werden wird. In ihr gab es einen drei Minuten dauernden ununterbrochenen Schlagabtausch.
Den zweiten Kampf der ersten Runde bestritten Abner Mares (21 Kämpfe, 20 Siege, 13 durch KO, 1 Unentschieden) und Vic Darchinyan (38 Kämpfe, 35 Siege, 27 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden). Der Mexikaner Mares war die Nummer 6 der unabhängigen Weltrangliste. In seinem letzten Kampf (22.05.2010) erreichte er gegen Perez ein Unterschied. Sein Gegner war die Nummer 2 der Rangliste. Der Australier Darchinyan war von 2004 bis 2007 Weltmeister im Fliegengewicht nach Version IBF, dann von 2008 bis 2009 Weltmeister im Superfliegengewicht der Verbände IBF, WBA und WBC und bis 2010 der WBC und WBA.
Mares konnte sich auch durch einen äußerst knappen Punktsieg (115-111, 112-115 und 111-115) gegen Darchinyan durchsetzen. Mares musste in der zweiten Runde das erste Mal in seiner Karriere zu Boden und lag nach Punkten hinten, als er seine Aufholjagd begann.
Im Finale des Turniers treffen nun Joseph Agbeko und Abner Mares aufeinander.
In keinem der beiden großartigen Kämpfe gab es ein KO. Dafür schlug jeder einzelne der beteiligten Boxer gefühlt häufiger als Wladimir und Vitali Klitschko in allen ihren Profikämpfen zusammen. Im Bantamgewicht gibt es auch ganz seltsame Dinge zu sehen bzw. es gibt Dinge nicht zu sehen. Es gibt keinen, der seinen Arm wie eine Lanze ausstreckt, um den Gegner nicht an sich ranzulassen. Auch gibt es keinen, der sich auf seinen Gegner legt, um den Kampf zu unterbinden. Es wird einfach geboxt. Daher lohnt es sich schon mal einen Blick runter in die niedrigeren Gewichtsklassen zu werfen. Es wäre zu wünschen, dass auch deutsche Veranstalter und deutsche TV-Anstalten ihre Vorbehalte gegen die leichteren Boxer überdenken würden. Dann bekäme vielleicht das Publikum besseres Boxen zu sehen und wer weiß, vielleicht gefällt es ja auch den Zuschauern.
© Uwe Betker

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