Box-Blog

Archive for Dezember 2018

Gastbeitrag: „Boxkampf für direkte Demokratie von Joseph Beuys“

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„Anlässlich der documenta 5 von Harald Szeemann (unter der Mitwirkung von Jean-Christophe Ammann) in Kassel 1972, fand am letzten Tag der Ausstellung im Museum Fridericianum als Abschiedsaktion ein Boxkampf statt zwischen Joseph Beuys (1921–1986) und dem jungen Kasseler Kunststudenten Abraham David Christian (*1952). Beuys, der seit 1964 sehr prominent auf allen documenta Ausstellungen vertreten war, hatte 1972 sein Düsseldorfer Informationsbüro der Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung für 100 Tage nach Kassel verlegt. Während dieser Zeit war er persönlich anwesend und diskutierte unermüdlich mit den Ausstellungsbesuchern über das Parteiensystem und direkte Demokratie durch Volksabstimmung. Er konstatierte dazu „Rede stehen ist auch eine Kunstform“ und bezeichnete ganz generell „Sprache als die erste Form von Plastik“. Für Beuys, der das Museum immer als einen Ort der permanenten Konferenz begriff, war das Büro für direkte Demokratie sein künstlerischer Beitrag und die Realisierung seines erweiterten Kunstbegriffes der „sozialen Plastik“.

Joseph Beuys, Boxkampf für direkte Demokratie, 1972,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018,
Foto: Axel Schneider

Der ebenfalls aus Düsseldorf stammende Bildhauer Abraham David Christian hatte Beuys bereits in den ersten Tagen der documenta in einem hitzigen Streitgespräch zu einem Boxkampf herausgefordert. Dieser Kampf fand schließlich am 8. Oktober 1972 um 15 Uhr im sogenannten „Denk-Raum“ des Konzept- und Nouveau Realiste-Künstlers Ben Vautier statt. In der Raummitte war auf einem flachen Podest ein klassischer Boxring errichtet. Beide Akteure kämpften mit freiem Oberkörper und mit Boxhandschuhen. Christian trug zusätzlich einen Kopfschutz aus Leder und einen Zahnschutz. Beuys blieb bis auf die Boxhandschuhe ungeschützt. Unter reger Anteilnahme zahlreicher Zuschauer gewann er schließtlich den Dreirundenkampf nach Punkten.

Die aus der Aktion resultierende Plastik Boxkampf für direkte Demokratie zeigt in einer extrem schmalen, fünf Meter breiten Zinkblech-Vitrine die Aktionsrelikte des Boxkampfes. Das Werk war richtungsweisend für die documenta-Arbeiten von Joseph Beuys, der wie kein anderer Künstler die documenta bis 1986 geprägt hat. Sein gesellschaftspolitischer Ansatz Anfang der 1970er-Jahre kann als Maßstab für folgende documenta-Ausstellungen bis in die unmittelbare Gegenwart gesehen werden.

1978 äußert sich Beuys zum Boxkampf wie folgt: „Ich bin überhaupt kämpferisch. In einem solchen Zeitalter, in dem wir leben, in dem der Mensch angelegt ist auf tatsächliche Freiheit, muss dieser Kampf natürlich anders sein als jemals in der Geschichte. Er muss sich ganz ins Innere verlegen, muss ein Kampf der Ideen, des Geistes sein. Jeder andere Kampf ist ein sinnloser Kampf. Wenn ich zum Beispiel, wie auf der documenta 1972, einen Boxkampf bestreite, dann ist das ein Boxkampf für direkte Demokratie, das heißt: Für einige Zuschauer wird eine Kampfsituation dargestellt. Die drückt aber symbolisch nichts anderes aus als diesen Kampf für eine humane Zukunft.“ (Joseph Beuys im Gespräch mit Gerd Courts, Kölner Stadtanzeiger, 1978)“ [Pressetext]

Das Werk ist seit kurzem im MMk, im  MUSEUMMMK FÜR MODERNE KUNST, in Frankfurt am Main zu sehen.

Foto: Patrick Korte vs. Kamil Kulczyk

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29. Dezember 2018 at 23:59

Foto: Werner Kreiskott vs. Gogita Gorgiladze (mit Ringrichter Thomas Hackenberg)

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Foto: Sherif Morina vs. Said Mundi

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29. Dezember 2018 at 23:59

Foto: Antonio Hoffmann

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(C) Uwe Betker

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29. Dezember 2018 at 23:59

Foto: Nummerngirl

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(C) Uwe Betker

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29. Dezember 2018 at 23:59

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Foto: René Oeffner vs. Yesilat Berkta (mit Ringrichter Kornelius Bernds)

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Die Nackte und der Boxer

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Es gilt eine Künstlerin zu entdecken bzw. wieder zu entdecken: Birgit Jürgenssen. Ihr widmet die Kunsthalle Tübingen bis zum 17.02.2019 eine Werkpräsentation „Ich bin / I am“ mit rund 200 Werken.

„Birgit Jürgenssen (1949-2003) gehörte neben Valie Export und Maria Lassnig zur Avantgarde der 1970er Jahre in Österreich. An kunsthistorische Traditionen, wie den Surrealismus, anknüpfend, entwickelte sie im Stillen ein eigenständiges Œuvre, das neben einem großen Fundus an Zeichnungen auch Skulpturen, experimentelle Objekte, Videos und vor allem Fotografie umfasst. […]

Dreh- und Angelpunkt im Werk von Birgit Jürgenssen ist dabei der Körper. Dieser ist nicht nur Gegenstand ihrer Zeichnungen, sondern auch die Erfahrungsinstanz, aus der heraus sie diese entwickelt. In den Zeichnungen der 1970er Jahre hat sie mit seismografischem Spürsinn festgehalten, was dem begrifflichen und damit bewussten Erfassen vorausgeht: Zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität, gesellschaftsbedingte Schönheitsvorstellungen und Geschlechterverhältnisse werden von ihr mit subversivem Humor selbstironisch ebenso reflektiert wie tiefere Schichten ihrer eigenen Identität. [Pressetext]“

Die Ausstellung zeigt, „dass Birgit Jürgenssen Bilder und Symbole unserer gesamten Kulturgeschichte mit eigener geistiger und emotionaler Energie aufgeladen und so für die Gegenwart aktualisiert hat. Ihr körperbezogener Ansatz erhält gerade heute, in einer Zeit, in der es durch die Digitalisierung zu einer zunehmenden Verflachung der Alltagswahrnehmung kommt, eine neue Aktualität. Ihr Werk, das aus dem Intimen kommt, steht nicht zuletzt für ein authentisches, innengeleitetes Leben und letztlich auch für den selbstbestimmten und emanzipatorischen Impuls der Kunst.

(…) Birgit Jürgenssen gilt neben Valie Export als eine der wichtigsten österreichischen Künstlerinnen der Feministischen Avantgarde. Sie wollte »die gängigen Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen in der Gesellschaft zu gewiesen werden« und mit denen sie persönlich häufig konfrontiert war, aufzeigen und die Missverständnisse des Alltags darstellen. Mit beißender Ironie, provokant und subversiv spielte Jürgenssen unterschiedliche Identitätskonzepte durch.“ [Pressetext]

Birgit Jürgenssen
Ohne Titel (The Hour of the Feather), 1976
Farbstift, Bleistift auf Büttenkarton, 44 x 55,5 cm
Estate Birgit Jürgenssen. Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien und Alison Jacques Gallery, London

In dem Werk „The Hour of the Feather“ spielt Jürgenssen mit weiblichen und männlichen Rollenbildern. Federn schweben über dem Körper einer nackten Frau, die auf eine Massagebank liegt. Einerseits verweisen die Federn auf die Frauen zugeschriebene Sanftheit. Gleichzeitig nehmen sie andererseits aber auch Bezug auf die zu erwartenden federleichten Berührungen des Massierenden. An der Stelle des Masseurs erscheint jedoch ein Boxer in Boxerhose, Boxstiefeln und mit bandagierten Händen.

Man könnte dieses Bild verstehen als eine Parabel dafür, dass die Wünsche der Frauen nicht kompatibel sind mit dem, was Männer ihnen bieten können. Dies wäre eine feministische Deutung.

Man könnte das Bild auch als ein surrealistisches Werk betrachten, in dem mit  den Sehgewohnheiten des Betrachters gespielt wird. Eine alltägliche Szene wird verfremdet durch Versatzstücke aus einem anderen Kontext. Dafür sprich die ungewöhnliche Uhrzeit, die man auf der gezeichneten Uhr links oben ablesen kann.

Das Bild gibt Rätsel auf und das ist ja auch gut so.

Die sehr besuchenswerte Schau ist bis zum 17.02.2019 in der Kunsthalle Tübingen zu sehen.

(C) Uwe Betker

Foto: René Oeffner vs. Yesilat Berkta

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21. Dezember 2018 at 23:59

Foto: Nummerngirl

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(C) Uwe Betker

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21. Dezember 2018 at 23:59

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