Posts Tagged ‘BDB Ringrichter’
Gastbeitrag: Ein großer Kampfabend in der Classic Remise in Düsseldorf
Die Classic Remise ist häufig Schauplatz von Boxveranstaltungen gewesen. Wobei zahlreiche Kämpfe im Rahmenprogramm das Entree nicht wert waren. Dass es auch anders geht, bewies der letzte Wettkampfabend am 27. November 2021. Durchgängig niveauvolle und sportliche Kämpfe erlebten die rund 400 pandemiegeplagten Zuschauer, wobei Martin Houben seiner Favoritenrolle im Hauptkampf in der letzten von achten Runden gerecht wurde und ein anderer Kampf furios zu Ende ging.
Apropos Ende: Zwei Niederschläge in der letzten Runde, zwei hervorragende Treffer mit der Schlaghand bescherten Martin Houben in der letzten von acht Runde einen klassischen K.O., nachdem er in einigen Runden zuvor doch etwas die Kontrolle nach einem starken Beginn über das Kampfgeschehen verloren hatte. Insbesondere in den ersten beiden Runden dominierte der 28-jährige Geilenkirchener seinem marokkanischen Gegenüber nach Belieben. Immer wieder stieß er seine Führungshand lang, hart und präzise ins Gesicht von Mohamed Boulahya. Bereits ab der zweiten Runde musste die Cuting-Crew des 29jährigen Exil-Kölners das Nasenbluten stoppen. Selbst in der dritten Runde, in der Houben dominierte, aber den Dampf etwas herausnahm, fand Boulahya kein Mittel gegen die langgestoßene Führhand. Drei Runden demnach das gleiche Bild: Martin Houben in der Ringmitte, eine starke Führungshand und verzweifelte Versuche des Gegners, ein Gegenmittel zu finden.
Warum Houben dann in der vierten Runde diese erfolgreiche Linie verließ, bleibt sein Geheimnis. Nun konnte Boulahya seines Zeichens mehr Kampfkraft entwickeln und vermehrt dem Kampfgeschehen seinen Stempel aufdrücken.
In der fünften Runde schien es fast so, als würde Houben taumeln und die Frage stellte sich ein, ob die Kraft hält und der Kampf zugunsten des Marokkaners kippt.
Spürte Boulahya genau dies? Sah er seine Chance, durch eine K.O. noch das Steuer herumreißen zu können? Denn nach Punkten lag Houben uneinholbar vorne.
In der siebten Runde allerdings schien sich Houben wieder gefangen zu haben. Langsam fand er die Marschrichtung der ersten Runden zurück. Wobei der Marokkaner stets nicht ungefährlich blieb. Bis eben in der achten Runde. Zwei Mal schlug es am Kopf von Boulahya ein, zwei Mal setzte Houben eine harte Schlaghand als Haken an den Kopf des Marokkaners. Konnte er beim ersten Mal nach dem Gang auf die Bretter laut BDB Ringrichter noch in den Kampf zurückkehren, gingen beim zweiten Niederschlag die Lichter aus. Dieser zweite Niederschlag war so stark, dass er selbst Sekunden nach dem Kampfabbruch, als er wieder stand, er noch einmal stürzte.
So bleibt es bei der nahezu weißen Weste von Martin Houben, der seine Kampfstatistik auf zwölf Siege, davon acht durch K.O., bei einer Niederlage hochschraubte. Der Weg zu einem Titelkampf scheint nun geebnet.
Mit einer furiosen vierten Runde endete der Kampf zwischen Malik Aksakal und Gabor Kovacs. Zwar konnte sich Aksakal als Sieger feiern lassen und dies knapp verdient, aber was die beiden Kämpfer ab dem Ende der dritten und insbesondere in der vierten Runde im Quadrat zeigten war großartig.
Der 24-jährige Aksakal soll mehr erreichen, er soll aufgebaut werden und dafür sollte sein 22-jähriger Kontrahent dienen. Doch dieser verstand das dienen irgendwie anders.
Mit einem Hauch von Arroganz versuchte Aksakal aus dem Felix-Sturm-Stall seine Stärken auszuspielen, dominierte die ersten Minuten und setzte in der ersten Runde als Hauptaktion den Aufwärtshaken mit der Schlaghand ein. Problem dabei: kaum Treffer. Erst nach etwa der Hälfte der zweiten Runde kämpfte und boxte er besser und attackierte den Ungarn erfolgreich. Allerdings, und daran muss er noch arbeiten, vernachlässigte er nach seinen Angriffen häufig die eigene Deckung, so dass er mehr Treffer nehmen musste als nötig. Bei anderen Gegnern hätte dieses Manko durchaus ein böses Ende nehmen können.
Doch wie gesagt, das furiose Ende sollte noch folgen. Bereits in der zweiten Hälfte der dritten Runde dreht Kovacs auf. Der junge Ungar zeigte, dass er nicht als Kanonenfutter von der Donau an den Rhein gereist ist und brachte seinen Kontrahenten zum Stauen. Und dann die vierte und letzte Runde des Kampfes. Häufig landete der Zahnschutz im Ringstaub. Beide Sportler kämpften mit offenem Visier, verloren ihren Zahnschutz, wobei schwierig zu werten ist, ob oder wer den Zahnschutz absichtlich wegen des übergroßen Drucks um Pause flehend aus dem Mund spuckte. Warum allerdings nur der Ungar Kovacs einen Punkt abgezogen bekam, ist ein weiteres Mysterium der Sportart. Fair und gerecht war das nicht. Entweder beide oder keiner! Nach dem Schlussgong reckte Malik Aksakal beide Fäuste in den Hallenhimmel.
Ihm gleich tat es auch Eduard „Edi“ Müller. Der 29-jährige besiegte in seinem vierten Profikampf den Kroaten Anto Nakic nach Punkten und konnte seine makellose Kampfbilanz auf vier Siege bei keiner Niederlage hinaufschrauben. Wobei der Kampfverlauf enger war, als das Punktrichterurteil dies widerspiegelte.
In seinem zweiten Profikampf bekam es Mario Beniesch mit dem Ungarn Krisztian Santa zu tun. Allgemein war dies ein auf den ersten Blick ereignisarmer Kampf. So hätte das Gefühl aufkommen können, dass Beniesch nur Kampferfahrung gewinnen sollte. Dagegen spricht aber, dass sein Gegenübers sehr viel erfahrener war als er und eine nahezu ausgeglichen Kampfbilanz (16 Siegen, 18 Niederlagen und zwei Unentschieden) aufwies. Es war also eine mutige Kampfansetzung und der Ungar kam nicht zum verlieren. Eventuell hätte der Rechtsausleger Beniesch noch häufiger den Weg über die Schlaghandseite seines Gegners suchen können, was eine unangenehme Gangart für jeden Normalausleger ist. Nach vier Runden war Schluss und der 27-jährige Deutsche fuhr seinen zweiten Sieg im zweiten Profikampf ein.
Zurückgespult an den Beginn des erfolgreichen und sehr unterhaltsamen Boxabends in der Classic Remise. Ilias Kallouch und Mansour Mohammadi machten den viel versprechenden Auftakt. Bereits in der ersten Runde verdeutlichte Kallouch seine Zielrichtung und schickte seinen 25-jährigen Gegenüber mit einem linken Haken in den Ringstaub. Von der ersten Kampfsekunde an dominierte der erst 20-jährige mit Führhandgeraden und -haken das Ringgeschehen.
In der zweiten Runde ließ es der 20-jährige Deutsche dann etwas langsamer angehen, nicht aber, ohne die besseren Treffer zu setzen. Zwar glichen sich die Aktionen mit zunehmender Dauer an, doch gefährdet war sein vierter Sieg im fünften Profikampf bei einer Niederlage nie.
Seine makellose Bilanz konnte Anas El Abid gegen Ferenc Hafner auf fünf Siege anheben. Bereits in der zweiten Runde schickte er seinen 45-jährigen Gegenüber auf die Bretter – und zwar nach dem dritten Niederschlag in einer Runde. Abid dominierte den Kampf. Er hat sauber geboxt, seine Chance gesehen und ebendiese genutzt.
© Manfred Fammler
Von Punktrichtern des BDB
Schon wieder ist ein, wie ich finde, grauen- und erbrechenerregendes Fehlurteil zu beklagen. Dem bis dahin ungeschlagenen Istvan Szili (18 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage) gab man am 23.08.2013 in Galati in Rumänien gegen Gökalp Özekler (17 Kämpfe, 15 Siege, 6 durch KO. 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden) nur ein Unentschieden, weil zwei deutsche Punktrichter ihm den Sieg nicht zusprechen wollten.
Die Veranstaltung in Rumänien wurde vom hamburger Veranstalter EC Boxpromotion auf die Beine gestellt. Das mag auch erklären, dass zwei bekannte BDB Punktrichter, nämlich Frank Michael Maass und Holger Wiemann am Ring saßen und ein bekannter BDB Ringrichter, nämlich Manfred Küchler, den Kampf leitete. Es gab auch einen rumänischen Punktrichter, Mihai Leu, der seine Sache ordentlich machte. Er punktete, wenn auch ein wenig zu knapp mit 115:113 für Szili.
Die Punktrichter des Bundes Deutscher Berufsboxer werteten den Kampf allerdings anders. Maass punktete 114:114, also unentschieden, Wiemann 113:115 für Özekler. Der Kampf wurde also Unterschieden gewertet. Nun könnte man natürlich argumentieren: eine Unentschieden ist doch keine Fehlentscheidung. Aber wer sich eine Aufzeichnung des Kampfes ansieht, kann eigentlich nur Istvan Szili als eindeutigen Sieger sehen. Man kann m.E. Gökalp Özekler ernsthaft nur dann mehrere Runden zusprechen, wenn man ständiges Halten und Klammern als boxerische Aktionen wertet. Ich muss schon sehr in meinem Gedächtnis kramen, um mich an einen Kampf zu erinnern, bei dem ein Boxer so viel klammerte. Damit wären wir dann auch bei der Leistung des Ringrichters Küchler, der das ständige Klammern von Özekler nicht ein einziges Mal ermahnte, geschweige denn eine Verwarnung aussprach – in meinen Augen eine unterirdische Ringrichterleistung.
Immer und immer wieder bekommt man bei solchen offensichtlichen Fehlendscheidungen dann die gleichen Ausreden zu hören. Da wird z.B. gesagt, Punktrichter werten einen Kampf unterschiedlich, weil sie an unterschiedlichen Seiten des Rings sitzen. Oder: nur vom BDB geschulte Punktrichter können die Feinheiten des Profiboxens wirklich sehen und werten. Oder …
Eigentlich braucht man all diesen doch sehr alten und abgeschmackten fadenscheinigen Ausreden nur eine Feststellung entgegenhalten: Fehlentscheidungen in Deutschland bzw. bei deutschen Veranstaltungen sind immer zu Gunsten der Veranstalter. Ich kann mich in den Jahrzehnten, in denen ich nun Boxen verfolge, nur an eine einzige gravierende Fehlentscheidung erinnern, die zu Ungunsten eines Heimboxers lautete. Und das war bei einer Kleinringveranstaltung von Mario Guedes.
Was mich bei all dem wirklich beunruhigt, ist die Tatsache, dass Fehlurteile scheinbar immer irgendwie weitere nach sich ziehen. Frank Michael Maass, der für mich unverständlicherweise Özekler ein Unentschieden gab, sah z.B. auch Susi Kentikian gegen Nadia Raoui siegen und gab ihr außerdem ein Unentschieden gegen Melissa McMorrow. Holger Wiemann sah als Einziger Rola El Halabi gegen Lucia Morelli ein Unentschieden erreichen. Ringrichter Küchler disqualifizierte Cisse Salif in seinem Kampf gegen Alexander Petkovic für Tiefschläge, die nur er sah.
Das Muster ist eindeutig: Fehlentscheidungen fallen immer zu Gunsten von Heimboxern. Gökalp Özekler bleibt damit Interkontental Champion der World Boxing Organisation im Mittelgewicht. Und Promoter Erol Ceylan hat sich als deutscher Veranstalter in die Reihe der „Opfer von Fehlurteilen“ eingereiht.
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Zahl der Fehlurteile in Deutschland nimmt rapide zu. Man könnte schon geradezu von einer Epidemie sprechen, die sich hier ausbreitet. Die Einzigen, die das nicht sehen wollen, sind die Offiziellen, die großen Veranstalter und ein Teil der Fernsehsender. Liest man aber im Ausland irgendetwas über Boxen in Deutschland, so stößt man unweigerlich auf die Feststellung: In Deutschland ist es nahezu unmöglich, nach Punkten zu gewinnen. – Leider ist das die Wahrheit.
Man könnte sich natürlich auf den Standpunkt stellen: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Aber nach dieser Maxime können letztlich nur die Veranstalter handeln, die einen lukrativen Fernsehvertrag haben und deren Sendern es egal ist, wenn Boxer um ihre Siege betrogen werden und damit schlich ihre Zuschauer für dumm verkauft werden. Nur diese Veranstalter können sich nämlich Titelkämpfe kaufen, bzw. sie nach Deutschland holen.
© Uwe Betker