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Regina Halmich schlägt Tyron Zeuge

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In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Verbandes Deutscher Sportjournalisten „sportjournalist“ widmet sich ein Artikel von Ulf Zimmermann dem Boxsport bzw. dem Profiboxen in Deutschland. Er unternimmt eine Bestandsaufnahme der Medien- bzw. TV-Präsens von Boxen in Deutschland.
Der Titel „Boxen am Boden“ nimmt das Ergebnis der Untersuchung vorweg. Mit der Niederlage von Wladimir Klitschko am 29. April 2017 gegen Anthony Joshua und seinem anschließenden Rücktritt am 03. August ging eine Ära zu Ende. Nicht nur Klitschko hat sich vom Boxen verabschiedet, sondern auch sein TV-Partner RTL. Zumindest macht RTL nun eine Pause, nachdem der auserkorene Klitschkonachfolger Marco Huck zwei Niederlagen in drei Kämpfen kassiert hat.
Zu Recht wird bemerkt, dass die Klitschko-Ära bei RTL den schleichenden Niedergang des Boxens verschleiert hat. Das ZDF stieg schon 2010 bei Universum Box-Promotion aus und verabschiedete sich damit vom Boxen. Die ARD folgte 2014 und beendete die Zusammenarbeit mit Sauerland. Das Interesse an den damaligen Protagonisten Arthur Abraham und Felix Sturm waren rapide gesunken. Hinzu kamen Widerstände innerhalb der ARD gegen das Boxen.
Sieht man mal vom Internet ab, bleiben nur Sat. 1 und MDR zurück. Der MDR überträgt die Veranstaltungen des SES-Boxstalls aus Magdeburg. In diesen Fällen sind wohl beide Seiten mit der Zusammenarbeit zufrieden. Sat. 1 zeigt manchmal noch Boxer aus dem Team Sauerland, das im Augenblick allerdings nur einen Weltmeister, nämlich Tyron Zeuge, hat.
Schaut man sich dann noch die Einschaltquoten an, dann sieht man, wie sehr das Boxen in Deutschland in die Knie gegangen ist.
Zur Hochzeit des Boxens erreichten Axel Schulz vs. Frans Botha (RTL, 9.12.1995) 18,03 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von 68 % entspricht, Henry Maske vs. Graciano Rocchigiani II (RTL, 14.10.1995) 17,59 Millionen, gleich 73,2% und Henry Maske vs. Virgil Hill I (RTL, 23.11.1996) 17,52 Millionen, gleich 59,6%.
Die Gebrüder Klitschkos kamen dem noch mal sehr nahe. Wladimir Klitschko vs. David Haye (RTL, 2.7.2011) sahen 15,50 Millionen, Vitali Klitschko vs. Shannon Briggs (RTL, 16.10.2010) sahen 13,29 Millionen und Wladimir Klitschko vs. Ray Austin (RTL, 10.3.2007) sahen 12,89 Millionen.
Alle, die als Nachfolger von Henry Maske gehandelt wurden, erreichten niedrigere Quoten. Thomas Ulrich vs. Cleveland Nelson (Sat.1, 1.4.2000) erreichte 8,04 Millionen, Dariusz Michalczewski vs. Fabrice Tiozzo (ZDF, 25.2.2005) 7,87 Millionen und Luan Krasniqi vs. Lamon Brewster (ZDF, 28.9.2005) 7,62 Millionen.
In ähnlichen Regionen bewegte sich auch Regina Halmich. Halmich vs. Shmoulefeld Finer (ZDF, 30.11.2007) sahen 8,80 Millionen, Halmich vs. Elena Reid II (ZDF, 3.12.2005) sahen 6,49 Millionen und Halmich vs. Reka Krempf (ZDF, 13.1.2007) sahen 6,33 Millionen.
Tyron Zeuge verliert selbst im direkten Vergleich zu Regina Halmich. Zeuge vs. Paul Smith (Sat.1, 17.6.2017) interessierten 1,43 Millionen, Zeuge vs. lsaak Ekpo (Sat.1, 25.3.2017) 1,57 Millionen und Zeuge vs. Giovanni de Carolis (Sat.1, 5.11.2016) 1,72 Millionen.
Sat.1 Hauptkämpfer Tyron Zeuges Quoten jedenfalls bleiben weit hinter denen von Regina Halmich zurück. Er ist keine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Er ist eher bescheiden im Auftreten. Für seinen letzten Kampf gegen Paul Smith blieben 1,43 Millionen Menschen zur späten Abendstunde vor ihren Bildschirmen sitzen.
Sat. 1-Sportchef Alexander Rösner, der boxaffin betont: „Jede Sportart braucht nationale Identifikationsfiguren, so auch das Boxen.“ Die Frage aber, die sich dann automatisch stellte, lautete: Kommen denn neue Boxer, die in die Fußstapfen von Henry Maske, oder zumindest von Thomas Ulrich, Dariusz Michalczewski, Felix Sturm und Arthur Abraham treten können, ohne darin zu versinken.
Rösner und Team Sauerland verweisen auf den Supermittelgewichtler Leon Bauer (13 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO, 1 Unentschieden). Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer und ein Sportler allein hält eine Sportart noch nicht am Leben. Matthias Bolhöfer, der RTL Sprecher, formulierte es so: „Es muss jemand sein, der hier eine hohe Akzeptanz hat. Die Zuschauer wollen Identifikation“.
„Nationale Identifikationsfiguren“ mit boxerischem Können, davon bin ich persönlich überzeugt, gibt es in Deutschland genug; und sie könnten auch eine „hohe Akzeptanz“ bei den Zuschauern erreichen. Das Problem ist nur, diese Boxer werden wohl noch einige Zeit brauchen, um zu reifen.
© Uwe Betker

Andy Bowen vs. Jack Burke – Der längste Boxkampf aller Zeiten

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Am 06. April 1893 fand im „Olympic Club“ von New Orleans der längste Boxkampf aller Zeiten statt. Der Kampf ging über sage und schreibe 110 (!) Runden und er dauerte über sieben Stunden. Es standen sich Andy Bowen und Jack Burke dabei gegenüber, die ihre Kräfte miteinander maßen. Es ging um die „Meisterschaft des Südens“ im Leichtgewicht. Das Preisgeld für den Sieger betrug 2.500 Dollar. Dass an diesem Tag allerdings Geschichte geschrieben werden sollte, konnte vorher keiner wissen.
Nur wenige Jahre vorher war das Preisboxen in den gesamten Vereinigten Staaten noch verboten gewesen. Erst 1890 wurde es im Bundesstaat Louisiana wieder erlaubt. New Orleans entwickelte sich zu einer der Box-Metropolen der USA. Man hielt sich zwar an die „Queensberry“-Regeln, aber das Boxen jener Zeit, war erheblich härter als heute. Viele Männer wurden damals Preisboxer, weil das für sie einfach eine Möglichkeit war, ihre prekären Lebensumstände zu verbessern. Und für diese Chance waren diese Männer damals bereit, alles zu geben. Sie waren sogar bereit, ihr Leben dafür zu geben, denn viele starben tatsächlich erheblich früher.
Die „Queensberry“-Regeln sind in den 1880er Jahren eingeführt worden und hatten sich 1893 durchgesetzt. Damit waren viele Standards, die wir heute kennen, ins Regelwerk aufgenommen: das Tragen von Boxhandschuhen, eine Rundendauer von drei Minuten, Pausen von einer Minute und das Anzählen bei Niederschlägen bis zehn. Die Rundenzahl war aber, wenn nicht anders vereinbart, noch nicht begrenzt und der Kampf war erst dann zu Ende, wenn ein eindeutiger Sieger feststand. Wie schon gesagt: Preisboxen war damals härter als heute.
Andy Bowen wurde am 05.02.1864 in New Orleans geboren. Er war 165cm groß und wirkte stämmig. Er war hart und zäh. Er konnte austeilen und er konnte nehmen. Er vertraute, zu Recht, mehr seiner Ausdauer und seiner Kraft als seinem doch überschaubaren boxerischen Können. Er arbeitete als Schmied und auf Baumwollfeldern. Seinen Kampfrekord kann man, wie bei allen seinen Zeitgenossen, nur näherungsweise rekonstruieren. Verbürgt sind jedenfalls 26 Kämpfe (15 Siege, 7 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO, 5 Unentschieden).
Er hatte es schwer sich in New Orleans als „Heimboxer“ zu etablieren, denn er hatte einen duklen Teint. Er wehrt sich zeitlebens gegen die Kategorie „Farbiger“. Er behauptet von sich spanische Vorfahren gehabt zu haben. Obwohl einige Zeitungen über ihn als Farbigen berichteten schaffte er es, vom Publikum angenommen zu werden.
An dem besagten Tag, am Donnerstag, dem 06. April 1893, stieg Andy Bowen als Favorit in den Ring. Er war der erfahrenere Boxer und er war der Heimboxer. Er hatte 1890 sogar einen Kampf bestritten, der als Weltmeisterschaft im Leichtgewicht promoted worden war. Dabei unterlag er Jimmy Caroll durch KO in Runden 21. Bowen war vorher schon mehrmals im „Olympic Club“ in New Orleans aufgetreten. 8.500 Zuschauer wollten den Kampf um die „Meisterschaft des Südens“ im Leichtgewicht sehen. Bowen wog 129 und Burke 130 Pfund, also 58,51 bzw. 58,96 Kg.
Bowen traf auf den erst 18-jährigen Jack Burke. Burke wurde am 01.01.1869 in Chicago, Illinois, geboren. Weil er in Galveston, Texas, lebte, vermarktete er sich als „Texas“ Jack Burke und das ermöglichte es den Veranstaltern, diesen Kampf als „Meisterschaft des Südens“ zu bewerben. – Schon damals verwendeten Promoter, wie man sieht, windige Titel, um das Publikum zu ziehen. – Burke hatte bis dahin siebenmal geboxt. Fünfmal hatte er gewonnen, einmal durch KO verloren und einmal hatte er ein Unentschieden erreicht. Einmal, bei einem Sieg, hatte er 43 Runden geboxt.
Der Kampf begann um 21 Uhr. Beide Kontrahenten gingen ein hohes Tempo. Offensichtlich waren beide bemüht, ein schnelles und vorzeitiges Ende des Kampfes herbeizuführen. – Dazu kam es aber nicht. In diesem Kampf gab es keinen Niederschlag, ein Novum in dieser Zeit. Stunde um Stunde prügelten Bowen und Burke aufeinander ein. Keiner wollte aufgeben.
In der 50. Runde wurden die beiden Boxer sichtlich langsamer. In der 51. Runde fragte Bowen Burke, warum er nicht mehr so hart zurückschlüge. Burke antwortete: “I can’t both my hands are gone.“ Burke hatte sich an beiden Händen Fingerknöchel gebrochen. Aber er kämpfte weiter.
Je länger der Kampf dauerte, umso müder wurden die Akteure und die Zuschauer. Die Zuschauer, die blieben, führten ihren Kampf – gegen den Schlaf. Ein Kollege von der Lokalzeitung „Daily Picayune“ gab auf: „Die 89. Runde ist soeben eingeläutet worden und über Bowen wird gesagt, er hätte sich ein Handgelenk gebrochen. Angesichts der Länge des Kampfes und der Uhrzeit halte ich es nicht für ratsam, noch weiter über den Fight zu berichten oder auf das Ende zu warten.“ Bowen boxte trotz seines gebrochenen Handgelenks weiter.
Irgendwann konnten auch Andy Bowen und Jack Burke nicht mehr. Keinem von ihnen gelang es mehr, als der Gong zur 111. Runde ertönte, aus seiner Ecke aufzustehen und sich wieder zum Kampf zu stellen. Der Ringrichter John Duffy brach den epischen Kampf ab und er klärte ihn zu einem „no contest“. Es war 04:43 Uhr morgens. 7 Stunden und 19 Minuten hatten sie gekämpft.
Einen Monat später schon, am 31. Mai 1893, stieg Andy Bowen erneut in den Ring. Er boxte gegen Jack Everhardt. Um die siebzehnte Runde herum brach er sich die linke Hand. Er boxte mit einer Hand weiter. Der Kampf dauerte 85 Runden, also über vier Stunden. Er gewann. Es folgten 1884 zwei Unentschieden.
Am 14.12.1894 folgte eine Niederlage gegen Kid Lavigne, “The Saginaw Kid”. Er boxte erneut im Auditorium Club, New Orleans. In der 18. Runde wurde er niedergeschlagen und ging zu Boden. Dabei schlug sein Kopf auf dem Boden auf und wachte nicht mehr auf. Er zog sich einen Schädelbruch zu. Einen Tag später starb Andy Bowen im Krankenhaus. – Andy Bowen ist einer der ganz Großen.
George (Kid) Lavigne, oder besser George Henry Lavigne, geboren am 06.12.1869, gestorben am 09.03.1928, boxte bis 1909 weiter. Sein vermutlicher Rekord: 58 Kämpfe, 37 Siege, 21 durch KO, 9 Niederlagen, 4 durch KO, 11 Unentschieden. Er war vom 01.06.1896 bis zum 03.07.1899 Weltmeister im Leichtgewicht. Mehr an Informationen fand ich nicht.
Über Jack Burke wissen wir nur unwesentlich mehr. Es ist nicht zweifelfrei bewiesen, ob er nach seiner epischen Ringschlacht jemals wieder in den Ring stieg. Eine sehr seriöse us-amerikanische boxhistorische Internetseite geht davon aus, dass er noch sechs Mal in Ring stieg. Andere Darstellungen widersprechen. Aus romantischen Gründen hoffe ich, dass er nie wieder geboxt hat. Sicher ist, dass er zuletzt in Plainfield, New Jersey lebte und dort im April 1942 an den Folgen eines Autounfalls im Mublenberg Hospital verstarb. In seiner Heimatstadt war allgemein bekannt, dass er einen 110-Runden-Kampf bestritten hatte.
© Uwe Betker