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Gastbeitrag: Von Pflichtaufgaben und leichten Sparringsrunden
Pflichtaufgaben und leichte Sparringsrunden – auf diese kurzen Nenner lässt sich der Kampfnachmittag am 20.02.2021 im Wuppertaler Red Panther Kampfpalast zusammenfassen. Doch der Reihe nach.
Gleich im ersten Kampf, eine Mittelgewichtsbegegnung, wurde Markc Lambertz seiner Favoritenrolle gerecht. Bereits in der dritten von acht Runden gegen Mirko Sikora beendete er das Gefecht standesgemäß – aber auch zu früh. Mit einer krachenden Rechten an die Schläfe schickte er seinen 23-jährigen Kontrahenten ins vorzeitige Wochenende. Dabei war von der ersten Runde an deutlich zu sehen, dass der Kölner Mirko Sikora chancenlos nach Wuppertal gereist war. Bereits von der ersten Sekunde an dominierte Lambertz seinen Gegenüber nach belieben. Er war beweglicher, rouchierte und veränderte stetig seine Position im Ring. Sikora, hüftsteif und mit einem hochgereckten Kinn, das für Lambertz wie ein Fadenkreuz wirken durfte, kam zu keiner zwingenden Aktion und unterforderte Marc Lambertz auf ganzer Linie. So entwickelte sich eher eine Trainingseinheit statt eines ernstzunehmenden Boxkampfes, in der Lampertz jede Anweisung seines Trainers Rüdiger May umsetzte. Bis vielleicht eine nicht: sich nämlich Zeit zu lassen.
So kam es, wie es kommen musste. Nach der Ringpause zur dritten Runde erhöhte Lambertz den Druck auf seinen Gegner. Nach rund zwei Minuten erodierte Sikora. Er konnte schlicht dem Druck nicht standhalten. Schlag um Schlag prasselten in einer Kombination von Geraden und Haken Stöße auf ihn ein, wobei einer den Körper sehr schmerzhaft traf. Der gebürtige Wipperfürther wurde vom GBA Ringrichter Arno Pockrandt angezählt. Sofort nach Freigabe des Kampfes setzte dann eine Schlaghand an die Stirn Sikoras dem Kampf ein vorzeitiges K.o.-Ende. Sikora wollte sich wohl so früh nicht aus dem Kampf verabschieden, doch die Gesundheit des Sportlers hat Vorrang.
Wie auch im zweiten Kampf des Tages, den auf sechs Runden angesetzten Vergleich zwischen Martin Houben und Ismail Altintas im Halbschwergewicht. Auch hier ungleiche Kräfteverhältnisse, auch hier zwei faire Sportler, die boxen wollten, und auch hier entschied die Gesundheit des Sportlers über das Adrenalin des Kämpfers. In der Ringpause zur fünften Runde wurde der Kampf in Abstimmung von Arzt, Ringrichter und Betreuer beendet. Zu schwer waren die Treffer und der Verdacht auf eine gebrochene Nase ließen keine Alternative zu und bescherten Houben mit seinem neunten Sieg im zehnten Kampf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Altintas seinem Kontrahenten einen mutigen, wenn auch chancenlosen Kampf geliefert, in dem er schwere Kopftreffer hinnehmen musste, die letztlich zum Abbruch des Kampfes führten.
Verwunderlich war dies nicht. Der 27-jährige Houben boxte überlegt und überlegen. Für ihn schien dieser Kampf eher in die Sparte Sparring unter Wettkampfbedingungen zu laufen, denn er packte einige Technik-Einheiten in dem Kampf. Ausgehend von seiner größeren Reichweite konzentrierte er sich in der ersten Runde auf die Beinarbeit. Er bewegte sich viel und hielt seinen rund zehn Zentimeter kleineren Gegenüber auf Distanz. Seine Angriffe bereitete Houben vorwiegend mit einer Führhand-Geraden vor, die er mit einem Haken zum gegnerischen Körper abschloß. Zu häufig landete diese jedoch auf der Deckung und entfaltete deshalb weniger Wirkung, als seine harten Geraden an den Kopf des 32-jährigen Kölners Altintas.
Dieses Gesamtbild setzte sich auch in den weiteren Runden fort. Houben boxte ungefährdet und Altintas stemmte sich zeitweise mit seinem hinteren Fuss in dem Ringboden wie ein Sprinter in einem Startblock, um die harten Stöße Houbens zu entschärfen.
Nur einmal – in Runde zwei – wurde dieses überlegene Gesamtbild durch eine sehenswerte Aktion Altintas, der mit einer von außen kommenden Schlaghand als Haken, super eingedreht, Houben am Kopf trifft. Allerdings wurde die Aktion wegen angeblicher Innenhand vom Ringrichter zurückgepfiffen. Schade.
Die beiden weiteren Kämpfe des Nachmittags waren kaum der Rede wert. Besonders der dritte Vergleich zwischen Orhan Guelsen (mit 16 Jahren jüngster Profi), der haushoch überlegen war, und Idress Schenwary war keine Werbung für den Profiboxsport. Dieses Aufeinandertreffen sollte eher als Grundlage für eine Diskussion um die Kampffähigkeit und die sportliche Kompetenz einiger Sportler dienen, bevor sie ins Quadrat treten dürfen. Wobei gilt: Jeder, der in den Ring steigt, verdient Respekt. Doch nicht jeder hat dort auch etwas zu suchen.
Mit größeren Erwartungen startete der Wuppertaler Lokalmatador Marco Martini ein Comeback. Nach dreijähriger Abstinenz endete dieses jedoch bereits in der zweiten Runde. Mit einem Leberhaken schickte er seinen Gerner Dogan Kurnaz auf die Bretter.
Noch ein Zusatz: Es fühlt sich falsch an, wenn mehr Rettungssanitäter im Raum sind als Sportler und Betreuer. © Manfred Fammler
Ein unterhaltsames Pressetraining von Manuel Charr
Das Sportstudio Baaden in Köln war am Dienstagabend Schauplatz eines Pressetrainings des Schwergewichtlers Manuel Charr (26 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Der 29-jährige Charr will am 12.04.2014 im Telekom Dome in Bonn gegen Kevin Johnson (35 Kämpfe, 29 Siege, 14 durch KO, 5 Niederlagen, 1 Unentschieden) antreten, um seinen Anspruch auf einen WM-Kampf zu untermauern. Am 08.09.2012 boxte er bereits um den WM Gürtel der WBC. Damals unterlag er Vitali Klitschko. Er verlor aufgrund einer Cutverletzung. Nun schickt er sich an erneut, einen Weltmeister herauszufordern. Dabei hat er seit kurzem den Rapper Prince Kay One als Veranstalter an seiner Seite.
Das Pressetraining als solches war ungewöhnlich, einmal weil Security an der Türe des Gyms stand und kontrollierte, wer hineinging, und dann auch wegen der Uhrzeit. Das Training war nämlich auf 20:30 Uhr angesetzt. Was aber noch ungewöhnlicher war als die Uhrzeit, war die Länge. Die Pressevertreter und einige Fans sahen ein komplettes Training.
Die fünf Sparringspartner und Charr wärmten sich erst gemeinsam durch Laufen, gymnastische Übungen und Schattenboxen auf. Dann zog sich Charr Kopf- und Mundschutz an und es begann das Sparring. Jeder Sparringspartner stand zwei Runden mit Charr im Ring, d.h. Charr absolvierte zehn Runden Sparring. Um es ganz direkt zu sagen: Er sah gut und topp fit aus. Lediglich seine Führhand kam nicht lang genug. Es schien fast so, als wäre Ellenbogen oder Schulter verletzt.
Von den Sparringspartnern fielen mir zwei besonders auf: Da war einmal Boris Estenfelder (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO), der wirklich gut aussah. Der ungeschlagene Schwergewichtler hätte eigentlich nach zweieinhalb Jahren Pause im Mai sein Comeback machen sollen, aber die Veranstaltung wurde abgesagt. Estenfelder wirkte stabil und zeigte Drang nach vorne zu gehen. Er war der eine von den beiden Boxer, die Charr am meisten abverlangten.
Der zweite war der Cruisergewichtler Sokrates. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der bekannte Amateurboxer Ehsan Maudodi, der im Vorprogramm des Johnson-Kampfes sein Profidebüt geben soll. Der schlanke und leichte Sokrates zeigte schnelle Beine und boxte schön im Rückwärtsgang.
Nach den zehn Runden Sparring demonstrierte Charr noch ein Runde lang virtuos den Umgang mit dem Reflexball. Der Reflexball hängt mit einem elastischen Seil an einem Stirnband. Er wird weg geboxt und schnellt wieder zurück, usw. Zum Abschluss zeigte er noch Schattenboxen, wobei er gleichzeitig noch mit einem Tennisball dribbelte und philosophisch dozierte. Schließlich wurde er von seinem Trainer Clive Salz gestreched.
Insgesamt war das Pressetraining unterhaltsam und interessant.
© Uwe Betker
Blaue Flecke für soziale Zwecke
Wenn an 16. November in Ludwigsburg die Fäuste fliegen, tun sie das für gute Zwecke. Der Gewinn und die Spenden dieses Abends gehen je zur Hälfte an die Lern-Stiftung Hück in Pforzheim und an die Weltorganisation der SOS-Kinderdörfer. Hauptkampf des Abends ist das Aufeinandertreffen von Uwe Hück und Luan Krasniqi im Schwergewicht. Der Ex- Europameister Krasniqi macht kein Comeback, sondern er stellt sich in einem Boxkampf Uwe Hück, dem Konzern-Betriebsratsvorsitzenden und stellv. Aufsichtsratsvorsitzenden der Porsche AG, der auch zweifacher Europameister im Thaiboxen ist. Hück engagiert sich für die von ihm gegründete Lern-Stiftung Hück, die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen helfen soll. Für Kinder steigt er und Krasniqi in den Ring.
Es wäre ungerecht, über den sportlichen Wert des Charity-Boxens die Nase zu rümpfen. Zumal das Vorprogramm einige absolute Leckerbissen für Boxfans bereithält. Die ersten vier Kämpfe stehen unter dem Motto: Die Jungen Wilden – Nachwuchs-Profiboxer – die Stars von übermorgen. Hier sind der 21jährige Cruisergewichtler Tobias Voss (3 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO) der vom K1 und Thaiboxen kommt, der 25jährige Halbschergewichtler Arijan Sherifi (2 Kämpfe, 2 Siege) und der 23jährige belgische Halbschwergewichtler Marc De Bonte (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO) der vom Kickboxen kommt. Alle drei Boxer sind mir unbekannt, aber sie hören sich viel versprechend an. Den Hauptkampf der Jungen Wilden bestreitet im Schwergewicht der 25jährige Franz Rill (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO). Dieser relativ unerfahrene Profiboxer bekommt es mit Fabio Tuiach (28 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) zu tun. Was eine gute und aber auch mutige Kampfansetzung ist.
Der zweite Teil der Vorkämpfe stehet unter dem Mott: Die Stars von Morgen. Hier tritt als Erstes der ungeschlagene Timo Schwarzkopf (12 Kämpfe, 12 Siege, 7 durch KO) gegen Junior Witters (49 Kämpfe, 41 Siege, 22 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) im Weltregewicht an. Witter „the Hitter“ war einer der dominierenden Persönlichkeiten des Junior Weltergewichts Ende des letzten Jahrzehnts. Im Jahr 2000 unterlag er dem großen Zab Judah in einem IBF WM Kampf nach Punkten. 2002 wurde er Britischer Meister und Commonwealth Meister. Ein Jahr später wurde er Europameister und schlug er die guten Salvatore Battaglia und Andriy Kotelnik. Am 15.09.2006 wurde er durch einen Punktsieg gegen DeMarcus Corley Weltmeister der WBC. Seinen Titel verteidigte er zweimal erfolgreich, wobei er am 07.09.2007 Vivian Harris in der siebten Runde KO schlug. Jener Harris der Oktay Urkal zweimal in Deutschland besiegt hatte. Am 10.05.2008 verlor er seinen Titel gegen seht starken Timothy Bradley, der zurzeit als bestes Weltergewichtler gilt. Es folgten weitere Niederlagen, u. a. gegen Davon Alexander, um den WBC Titel, den heutigen IBF Champion im Weltergewicht, Von seinen letzten fünf Kämpfen konnte er vier gewinnen.
Für Schwarzkopf spricht, dass Witter seinen letzten Kampf, der mehr als ein Jahr zurück liegt verloren hatte und dass er ungeschlagen ist. Witter boxt sehr offen und lässt seine Linke tief hängen, Mit seinen 39 Jahren dürften seine Reflexe nicht mehr so gut sein wie früher, wodurch er anfälliger ist. Für Witter spricht die Erfahrung und seine Fähigkeit Schläge zu absorbieren. Ich muss gestehen, dass ich diese Kampfansetzung vom Management von Schwarzkopf für sehr mutig halte. Der Kampf könnte ein Jahr zu früh für Schwarzkopf kommen. Wenn er jedoch gewinnt, ist er schon in naher Zukunft bereit einen WM Kampf zu machen.
In dem folgenden Kampf kämpft im Schwergewicht Erkan Teper (11 Kämpfe, 11 Siege, 7 durch KO) gegen Martin Rogan (20 Kämpfe, 16 Siege, 8 durch KO). Der Nordire ist die Nummer 39 der unabhängigen Weltrangliste, sieben Plätze hinter Teper. Teper ist zwar Favorit in dieser Begegnung, aber ein Selbstläufer ist diese für ihn nicht.
Im letzten Kampf des Abends, bevor Hück und Krasniqi den Ring betreten, bestreitet der ludwigsburger Lokalmatador Özlem Sahin (16 Kämpfe, 15 Siege, 5 durch KO, 1 Unetschiden). Die Minimumgewichtlerin tritt gegen Maria Rosa Tabbuso (20 Kämpfe, 13 Siege, 3 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unetschiden). Tabbuso boxte zweimal gegen Regina Halmich, war Europameisterin in Super Fliegengewicht und kämpfte zweimal um eine Weltmeisterschaft. Auch diese Ansetzung verspricht spannend zu werden. Zumal, wenn die Gerüchte zutreffend sind, dieser Kampf der letzte von Sahin, der amtierenden Interims Weltmeisterin WIBF im Junior Fliegengewicht, vor einem WM Kampf im Minimumgewicht Anfang nächsten Jahres. Für ein letztes Aufgallop vor einen WM Kampf ist Tabbuso eigentlich zu stark und zu gefährlich.
Wie schon geschrieben, über den sportlichen Wert des Hauptkampfe Hück gegen Krasniqi kann man diskutieren, das Vorprogramm ist so gut und, dass es nicht wenige Veranstaltungen, die von den großen Veranstaltern und TV Sendern so gezeigt werden in den Schatten stellen wird.
© Uwe Betker
Vier Profikämpfe in Düsseldorf
Im Freudenreich Professional Boxing Gym in Düsseldorf fand am Freitag, dem 13.
Oktober 2013 wieder eine Boxshow statt. Die Gym-Veranstaltungen haben inzwischen schon Tradition. Auch diesmal wurde für einen guten Zweck geboxt; es war wieder eine Benefiz Box-Gala zu Gunsten des Deutschen Kinderhospizvereins. Die Veranstaltung war ausverkauft. Es gab nicht mal eine Abendkasse, weil alle Eintrittskarten bereits nach drei Stunden Vorverkauf restlos weg waren.
Es gab vier gute Profikämpfe zu sehen. Den ersten bestritten die Mittelgewichtler Jay Spencer (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO) und Miroslaw Lerch. Der Lokalmatador Spencer machte hier seinen dritten Profikampf und damit seinen sechsten Boxkampf überhaupt. Sein Gegner Miroslaw Lerch gab sein Profidebüt. Spencer boxte die ersten 10 Sekunden verhalten, um aber dann aber sein Gegenüber zu attackierten. Er schlug meist eine gute linke Grade, gefolgt von mehreren Haken zum Kopf. Lerch war zwar von Anfang an in der Defensive, konnte jedoch ein ums andere Mal kontern. Die zweite Runde folgte dem Muster der ersten, allerdings mit dem Unterschied, dass Spender noch mehr Druck machte. Ein linker Kopfhaken fällte Lerch, der flach auf dem Rücken liegend ausgezählt wurde. Die Uhr blieb bei 57 Sekunden in der Runde zwei stehen. Spencer, der ja eigentlich noch ein Anfänger in Sachen Boxen ist, zeigte eine beeindruckende Leistung.
Im zweiten Kampf des Abends trafen im Halbschwergewicht Niko Lohmann (5 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) und Salvatore Vancardo (9 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO, 3 Niederlagen, 2 Unentschieden) aufeinander. Beide sind bereits vor einem Jahr an gleicher Stelle gegeneinander angetreten. Damals war der Kampf sehr eng und wurde dann auch Unentschieden gewertet. Lohmann, der den Kampfnamen Karl Stahl führt, ist in vielen Kampfsportarten zu Hause. In seinem ersten Kampf als Profiboxer erreichte er gegen Vancardo nur ein Unentschieden. Beide hatten vor den Kampf angekündigt, dieses Ergebnis wollten sie revidieren.
Die erste Runde war noch recht ausgeglichen. Stahl war der physische stärkere, Vancardo der technisch bessere Boxer. Stahl versuchte mit Kraft, Vancardo mit Körpertreffern zum Ziel zu kommen. Ab Mitte der zweiten Runde konnte man dann aber sehen, wie sich der Altersunterschied mehr und mehr bemerkbar machte. Stahl, auch immerhin schon 31 Jahre, stellte seinen 8 Jahre älteren Gegner immer wieder an den Seilen, wo er ihn mit Schlägen eindeckte. Es kam einem fast so vor, als würde man dem Alterungsprozess von Vancardo im Zeitraffer zusehen. Zwar konnte er in der folgenden Runden manchmal noch mit Einzelschlägen durchkommen, aber es war nur seiner Tapferkeit und seiner Routine geschuldet, dass er überhaupt den Schlussgong erreichte. Am Ende der vier Runden stand ein 39:38 Punktsieg für Lohmann, der für den Unterlegenen schon sehr schmeichelhaft war.
Der dritte Kampf des Abends, der im Cruisergewicht ausgetragen wurde, war mit Spannung erwartet worden. Alex Mogylewski (22 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO, 8 Niederlagen, 6 durch KO) gab nach 22 Monaten Ringabstinenz sein Comeback. Sein Gegner war Jakub Wojcik (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 1 Niederlage). Er hatte zwar bis dahin nur einen Profikampf bestritten, konnte aber mit einer insgesamt guten Bilanz als Amateur aufwarten. Mogylewski fand in der ersten Runde nicht in den Kampf. Wojcik boxte explosiver, traf häufiger und besser. Mogylewski wirkte seltsam gehemmt und kam mit der Rechtsauslage von Wojcik nicht zurecht. Er stürmte auf seinen Gegner zu, ohne die Aktion mit der Führhand vorzubereiten. Auch seine Rechte kam nur mit Verzögerung. Im Laufe des Kampfes wurde Mogylewski dann aber schon besser. Obwohl Wojcik auch in der zweiten Runde noch die präziseren Treffer landen konnte, wurde sein Gegenüber nun immer stärker. Im dritten Durchgang überrollte Mogylewski ihn buchstäblich, und er wurde auch getroffen. Zu Beginn der Runde musste er eine Rechte zum Kopf nehmen. Um Zeit zu gewinnen und einem KO zu entgehen, spuckte er seinen Mundschutz aus. Bis zum Rundenende machte er dies noch zweimal, wofür er auch jeweils mit einem Punktabzug bestraft wurde. Am Anfang der vierten Runde musste er wieder eine Rechte zum Kopf nehmen, die ihn sichtlich erschütterte. Wieder spuckte er seinen Mundschutz aus, um nicht KO zu gehen. Nur, dieses Mal hatte der gute GBA Ringrichter Roman Morawiec genug davon und disqualifizierte ihn. Der vorzeitige Sieg von Mogylewski kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er noch Ringrost hat. Für ihn und seinen Trainer Stefan Freudenreich ist noch viel zu tun.
Den Hauptkampf des Abends bestritten Robert Tlatlik (14 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO) und Maurycy Gojko (64 Kämpfe, 21 Siege, 7 durch KO, 40 Niederlagen, 8 durch KO, 3 Unentschieden) im Leichtgewicht. Beide zeigten Boxen auf hohem technischem Niveau. Tlatlik, der jüngere und schnellere Boxer, zeigte schnelle Hände. Er verteilte gut auf Körper und Kopf. Gojko konterte und immer wenn Tlatlik Druck raus nahm kam er. Ab der vierten Runde zollte Gojko dem hohen Tempo Tribut. Tlatlik öffnete immer häufiger durch linke Körpertreffer die Deckung von Gojko und kam mit rechten Kopfhaken und Uppercuts durch. Bis zum Ende der sechsten und letzten Runde suchte Tlatlik den KO, aber er schaffte es nicht. Der sehr erfahrenene Gojko knickte zwar im letzten Durchgang nach einem Leberhaken ein, aber er berührte nicht mit einem Knie den Boden, weshalb er zu Recht nicht angezählt wurde. Der Punktrichter wertete 60:53 für Tlatlik.
© Uwe Betker
Ein Hauptkampf Jürgen Brähmer vs. Tony Averlant?
Eduard Gutknecht (26 Kämpfe, 24 Siege, 9 durch KO, 2 Niederlagen) verlor am 02.02.2013 gegen Jürgen Brähmer (41 Kämpfe, 39 Siege, 30 durch KO, 2 Niederlagen) seinen Europameistertitel der EBU, European Boxing Union, im Halbschwergewicht. Der frischgebackene Europameister heißt Jürgen Brähmer. Jener Jürgen Brähmer, der einst als Jahrhunderttalent gehandelt wurde, dann vom Boulevard das Etikett Knastboxer bekam und heute als geläuterter Paulus des deutschen Profiboxens gilt.
Auch seine sportliche Karriere war ein auf und ab. Sein unaufhaltsam erscheinender Aufstieg wurde am 27.05.2007 jäh gestoppt durch eine überraschende Punktniederlage gegen seinen Stallkollegen Mario Veit. Dann stand zwischen ihm und dem Weltmeister-Titel nur Hugo Hernan Garay. Am 22.11.2008 gewann Garay klar nach Punkten. 2009 wurde er, dank der cleveren Stallregie von Universum Box-Promotion, doch noch Weltmeister der WBO, World Boxing Organisation – und das kampflos. Genauso kampflos, verlor er den Titel dann auch ein Jahr später wieder.
Aus der Konkursmasse von Universum Box-Promotion wechselte Brähmer Anfang dieses Jahres zu Sauerland Event. Dort gab er sein erfolgreiches sportliches Comeback. Er siegte über seinen Stallkollegen Eduard Gutknecht. Nun soll er am 27. April in Hamburg gegen Tony Averlant (27 Kämpfe, 18 Siege, 4 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) kämpfen. Averlant verlor nicht nur seinen letzten Kampf. Vorher hat er, ausgerechnet gegen Gutknecht, verloren. Dieser Kampf soll nun der Hauptkampf von Sauerland für die ARD sein.
Der geplante Hauptkämpfer Marco Huck (38 Kämpfe, 35 Siege, 25 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) muss seinen WM Titel der WBO im Cruisergewicht bei einem anderen Veranstalter, nämlich Don King, verteidigen. Also wurde kurzerhand Brähmers Europameisterschaft zum Hauptkampf. Aber hätte man nicht einen besseren Gegner finden können? Muss es denn gerade der Gegner sein, den Gutknecht geschlagen hat, u. z. im letzten Kampf vor seinem Titelverlust? Muss es ein Gegner sein, der seinen letzten Kampf verloren hat? Ist sich Sauerland Event denn nicht bewusst, dass alle Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Rundfunkbeitrag für sie und ihre Veranstaltungen bezahlen? Kann man da nicht zumindest eine bessere Kampfansetzung verlangen?
© Uwe Betker
Eine Vorschau auf Cecilia Braekhus vs. Mia St John
Cecilia Braekhus (21 Kämpfe, 21 Siege, 5 durch KO), die amtierende Weltmeisterin WBA, WBO und WBC (World Boxing Association, World Boxing Organization und World Boxing Council) boxt am 13.04.2013 in Frederikshavn, Dänemark gegen Mia St John. Der Name Mia St John (61 Kämpfe, 47 Siege, 18 durch KO, 12 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden) hatte mal Bedeutung im Frauenboxen. Ihre größten sportlichen Erfolge liegen schon etwas länger zurück. 1999 zierte sie das Cover des amerikanischen Boxsportfachmagazins Playboy. Immerhin konnte sie auf 11 Seiten ihr boxerisches Können zeigen. Zur gleichen Zeit war sie bei dem amerikanischen Veranstalter Top Rank unter Vertrag. Dort feierte sie als „Queen of the Four-Rounders“, als Königin der Vierrunder, ihre größten sportlichen Triumpfe. Kritiker gaben ihr den Ehrentitel „Bunny Boxer“.
2005 wurde sie dann Weltmeisterin im Leichtgewicht der IFBA, International Female Boxers Association. Um diesen grandiosen Weltmeistertitel wurde unglaubliche achtmal innerhalb von 12 Jahren geboxt. In ihrem viertletzten Kampf, am 20.03.2012, bekam sie von Rola El Halabi erst schwer Prügel und ging dann bereits in der 5. Runde TKO. Danach boxte sie gegen eine Dame namens Tammy Franks, die ihre letzten zehn Kämpfe alle verloren hatte. Hiernach machte sie eine nahezu zweijährige Pause. Bei ihrem Comeback besiegte sie überraschend Christy Martin, wodurch sie den vakanten Titel des WBC, World Boxing Council, gewann. Bereits in ihrer ersten Titelverteidigung gegen Tiffany Junot, war sie ihren Titel wieder los. Nun darf die 45 Jahre alte Mia St John gegen Cecilia Braekhus antreten. Man muss weder Prophet noch Boxsportexperte sein, um vorherzusagen, dass sie nicht den Hauch einer Chance hat zu gewinnen.
© Uwe Betker
Ein zu schneller Abbruch, zwei Go-Go Girls und drei gute Kämpfe
Am Sonntag gab es in Heerlen, im Südosten der niederländischen Provinz Limburg, in einem Sportzentrum, eine wirklich sehr sehenswerte Veranstaltung. Im Vorprogramm gab es 15 Amateurboxkämpfe zu sehen. Außerdem waren im abgesperrten Innenraum zwei kleine Bühnen aufgebaut, auf denen zwei Go-Go Tänzerinnen in jeder Ringpause die aktionslose Zeit verkürzten. Ich bin dafür, dass bei jeder Boxveranstaltung auch Go-Go Tänzerinnen auftreten sollten.
Vier Profikämpfe gab es zu sehen. Davon waren die ersten beiden Profidebüts. Im ersten Kampf traf im Cruisergewicht der Debütant Gian Carlo Liesdek (1 Kampf, 1 Sieg) auf Antonio Manuel (14 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 9 Niederlagen, 1 Unentschieden). Liesdek begann aggressiv und punktete mit seiner Linken. Manuel, mit großen, auf seinen Rücken tätowierten Engelsflügeln, war zu passiv. Im zweiten Durchgang wurde er dann doch aktiver und versuchte mit einzelnen Haken sein Ziel zu treffen, was ihm aber nur sehr selten gelang. In der dritten Runde wurde er dann noch stärker und zwang Liesdek, immer wieder weg zu tanzen. Letztlich war Manuel in seinen Aktionen aber doch zu unkontrolliert. In der vierten und letzten Runde war Liesdek wieder Herr im Ring. Er zeigte immer wieder einen guten Jab und schöne Meidbewegungen. Sein Punktsieg war verdient.
Im zweiten Kampf des Abends boxten Robbie Hageman (1 Kampf, 1 Unentschieden) und Radwan Boeka (2 Kämpfe, 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden) im Mittelgewicht gegeneinander. Hagemann, der sein Profidebüt gab, und Boeka lieferten sich einen unglaublichen Kampf. Obwohl die erste Runde schon sehr schnell und hart umkämpft war, steigerten sich Tempo und Härte der Auseinandersetzung von Runde zu Runde. Die vierte und letzte Runde war parktisch ein ununterbrochener Schlagabtausch. Am Ende stand ein gerechtes Unentschieden.
Ein paar Worte zu den Ring- und Punktrichtern der Professional Boxing Netherlands. Sie waren alle durch die Bank weg unauffällig und sehr gut. Schlechtere Punktrichter, und von denen es ja bekanntlich sehr viele gibt, hätten dem Debütanten Hageman den Sieg zugeschanzt.
Im dritten Kampf gab Dimitri Sartison (32 Kämpfe, 30 Siege, 18 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) sein Comeback, nach seiner TKO Niederlage in Runde 12 gegen Karoly Balzsay, am 21.04.2012. In diesem Kampf hatte er versucht, WBA Weltmeister im Super Mittelgewicht zu werden. Sein Gegner in Heerlen war Artem Solomko (33 Kämpfe, 11 Siege, 4 durch KO, 21 Niederlagen, 8 durch KO, 1 Unentschieden). Nun sollte man eigentlich meinen, dass ein Mann wie Solomko, der einen eindeutig negativen Kampfrekord hat, kein Problem für Sartison sein sollte. Dem war nun aber nicht so.
In der ersten Runde sah es noch so aus, als ob Sartison seinen Aufbaukampf lässig hinter sich bringen sollte. Aber Solomka wehrte sich tapfer. Obwohl er bereits in der zweiten Runde stark aus der Nase blutete, wurde er von Runde zu Runde stärker. Nicht dass Solomko auch nur die Spur von einer Chance gehabt hätte. Dafür war er schlicht zu limitiert. Aber der notorisch spät startende Sartison kam einfach nicht in den Kampf. Er quälte sich geradezu über die sechs Runden. Seine neunmonatige Ringabstinenz war ihm deutlich anzumerken. Er fand schlicht nicht die richtige Distanz und sein Timing war auch nicht gut. Trotzdem war sein haushoher Punktsieg nie in Gefahr.
Im letzten Kampf trafen im Mittelgewicht Gevorg Khatchikian (18 Kämpfe, 18 Siege, 7 durch KO) und Jetmir Kuqi (10 Kämpfe, 7 Siege, 4 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) aufeinander. Khatchikian gilt als eines der größten Talente im Super Mittelgewicht. Der auf 8 Runden angesetzte Kampf war bereits nach zirka 2 Minuten und 45 Sekunden zu Ende. Ein kleiner Cut über dem rechten Auge von Kuqi führte zum Abbruch. Der Abbruch kam, so wie ich es gesehen habe, viel zu früh. Es musste nur einmal mit dem Handtuch drüber gewischt werden und die Blutung war schon gestoppt. Aber der Ringarzt sah es anders. Die Zuschauer hätten gerne mehr von dem Kampf gesehen. Die wenigen Minuten, die der Kampf gedauert hatte, waren nämlich eng und ausgeglichen.
Die Veranstaltung in Heerlen war sehr gut. – Ach, habe ich das eigentlich schon erwähnt?: – Ich bin dafür, dass bei jeder Boxveranstaltung auch Go-Go Tänzerinnen auftreten.
© Uwe Betker