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Überlegungen zum Angebot von Jan Jungmayr an Tom Schwarz und Ulf Steinforth
Das Angebot liegt auf dem Tisch. Jan Jungmayr will nach einer über zwanzigjährigen Pause innerhalb eines Jahres Deutscher Meister im Schwergewicht bei den Profis werden. Dabei hat er bis jetzt nichts, was ihn zu einem solchen Titelkampf qualifiziert. Er war ein erfolgreicher DDR-Amateurboxer, aber die DDR gibt es ja nun schon lange nicht mehr. Jungmayr ist auch schon 46 Jahre alt und seinen einzigen Profikampf hat er am 05.10.1997 bestritten. Er verlor damals nach Punkten gegen Peter Hrivnak, der damals folgenden Kampfrekord hatte: 10 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen, 6 durch KO. Auf dem ersten Blick erscheint die Herausforderung von Tom Schwarz (21 Kämpfe, 21 Siege, 13 durch KO), dem Deutschen Meister im Schwergewicht, also mutig und abwegig.
Studiert man das Angebot aber mal genauer, so kommt man nicht umhin zu festzustellen: Da ist jemand, der sich Gedanken gemacht und sich seine Sache sehr ganz genau überlegt hat. Das Angebot sieht nämlich so aus, dass jeder der Beteiligten dabei nur gewinnen kann. Der einzige, der etwas zu verlieren hat, ist Jan Jungmayr, der das Risiko eingeht, sich womöglich lächerlich zu machen.
Im einzelnen beinhaltet das Angebot: Das Profiboxen in Deutschland bekommt einen neuen TV-Sender, der Boxen überträgt. Das ist etwas, das jeder Boxfan sich nur wünschen kann. Dieser TV-Sender ist offensichtlich bereit, zwei Veranstaltungen mit Jungmayr zu übertragen und eine Öffentlichkeit hierfür zu schaffen. Es soll nämlich nicht nur die Veranstaltung übertragen werden, sondern der Sender will auch noch die Vorbereitungsphase von Jungmayr begleiten und hierüber berichten. Auch sieht es danach aus, als stünde der MDR, der Haussender von Steinforth, dem Projekt von Jungmayr positiv gegenüber.
Sollten Tom Schwarz und sein Veranstalter Ulf Steinforth das Angebot annehmen, dann können sich beide erst mal zurücklehnen und entspannt der Dinge harren, die da kommen. Jungmayr ist schließlich derjenige, der liefern muss. Er muss unter Beweis stellen, dass er ein würdiger Herausforderer für die Deutsche Meisterschaft ist. Dass er richtiger Herausforderer ist, will und muss er vor dem Kampf gegen Schwarz in einem anderen Kampf erstmal beweisen. Er muss gegen einen Schwergewichtler gewinnen, der in der Weltrangliste so weit oben steht, dass er um die Deutsche Meisterschaft boxen könnte, wenn er denn Deutscher wäre. M.a.W, das Risiko liegt bei Jungmayr.
Ein sehr schöner Nebeneffekt des ganzen Plans wäre noch, dass bei den Kämpfen von Jungmayr vorbildliche Dopingkontrollen nach den WADA-Richtlinien durchgeführt würden. Hinzu käme, dass erstmals eine reelle Chance besteht, dass alle deutschen Profiboxverbände, wenigsten in einer Gewichtsklasse, einen gemeinsamen Titelträger hätten.
Wenn also Tom Schwarz und sein Veranstalter Ulf Steinforth das Angebot annehmen, dann kann Schwarz nicht nur die wohl höchste Börse seiner Karriere kassieren, sondern er kann womöglich, sollten BDB, GBA, BDF mitspielen, nach fast 14 Jahren der erste Deutsche Meister im Profiboxen werden, der keinen Gegen-Meister hat.
Letztlich fallen mir also keine vernünftigen Gründe ein, die gegen einen Kampf zwischen Tom Schwarz und Jan Jungmayr sprechen könnten. Bleiben noch die irrationalen Gründe. Was kann gegen einen solchen Kampf sprechen? Eigentlich kann ich mir nur einen Grund vorstellen: Angst. Wenn es nicht zu diesem Kampf kommt, dann heißt das für mich, Ulf Steinforth und Tom Schwarz haben Angst. Steinforth hätte Angst davor, sein Deutscher Meister im Schwergewicht könnte einen dann 47-jährigen Mann womöglich nicht besiegen. Mit einer Niederlage würde sich seine Investition in Schwarz allerdings in Rauch auflösen. Und Schwarz hätte Angst, einen Mann zu boxen, von dem er nur einen Kampf zu sehen bekommen hat und den er folglich nicht vollständig ausrechnen kann.
Wir werden sehen, wie Steinforth und Schwarz auf das vorliegende Angebot reagieren werden.
Jeder kann das Angebot nun lesen.
(C) Uwe Betker
Die Diskussion über den Fall Fritz Sdunek – der Fall eines Säulenheiligen
Fritz Sdunek war bis vor einigen Wochen der Säulenheilige des Boxens. Wie ein Heiliger auf einer Säule stand er über dem Sumpf und dem Dreck des Profiboxens in Deutschland. Er war sakrosankt. Es gab buchstäblich Keinen der ein böses Wort über ihn fallen ließ. Er war das Beispiel dafür, dass man Profiboxen betreiben kann, ohne Menschen zu verletzen und ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Er war die Inkarnation der Menschlichkeit im Profiboxen.
Nun hat sich aber das Bild vom „Heiligen“ Fritz verändert. Die sechs Minuten 22 Sekunden lange Dokumentation „Zeitreise: Der Boxer Dirk Schäfer“, die in verschieden Dritten Programmen der ARD lief und in der Mediathek der ARD immer noch zu sehen ist, hat dies verursacht. Worum geht es in der kurzen Dokumentation?
Dirk Schäfer, der sich heute als Straßenmusiker in Schwerin durchschlägt, war einer der talentiertesten Boxer der DDR. Der für Traktor Schwerin boxende Schäfer war zweimal DDR-Meister im Bantamgewicht. Große internationale Titel holte er nicht weil, weil die Staatssicherheit seine Boxkarriere zerstörte. Hierbei war auch der Inoffizielle Mitarbeiter Sicherheit (IMS) „Frank“ beteiligt. Er schrieb in einem Bericht über den junge Boxer Schäfer, dass er „idiotisch und überspitzt denken“ würde. In mindestens 15 weiteren Fällen, in den Stasi-Akten über Traktor Schwerin, hatte der IMS „Frank“ Informationen geliefert. Er war wohl bewusst eingesetzt worden, auch um Privates zu erfahren. „Frank“ berichtete über Westkontakte und Elternhäuser.
Jener schon angesprochener IMS, der die Berichte verfasst hatte, mit dem Decknamen „Frank“ hatte die Registriernummer: II 278/70. Dieselbe Nummer befindet sich in der Klarnamenkartei. Der Klarname lautet: Fritz Sdunek. Die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern Anne Drescher sagt in der Doku: „Die eigentliche IM-Akte zu ,Frank‘ existiert nicht mehr, aber die Berichte lassen sich relativ eindeutig zuordnen. Wir können davon ausgehen, dass Fritz Sdunek der IMS war und als solcher Berichte geliefert hat.“
Diese sehr sachlichen Worte, in einer recht unterkühlten Dokumentation erhitzen nun die Gemüter in der Boxszene. Denn die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern sagt, dass Fritz Sdunek höchstwahrscheinlich ein IMS war, sein Schützlinge ausspioniert hat und an der Zerstörung von Karrieren beteiligt war. – Das passt nicht zu dem Bild, was bis jetzt alle von Fritz Sdunek hatten.
Die Reaktionen auf die „Enthüllungen“ waren heftig. Die Einen sprachen davon, dass uralte Geschichten aufgewärmt würden. Andere schlossen hier an und forderten, dass man die Vergangenheit ruhen lassen solle. Wiederum andere relativierten und gaben zu bedenken, dass damals eine andere Zeit war. Wiederum Andere meinten, dass Andenken an einem Verstorbenen mit Dreck beworfen würde und das man prinzipiell solche Vorwürfe nur erheben dürfe, wenn den Beschuldigte noch lebt und sich verteidigen kann.
Kleine Anmerkung: Dirk Schäfer, das Opfer der Stasi, wurde, soweit ich das überblicken konnten, bei den Reaktionen auf die Dokumentation kein einziges Mal nur erwähnt. Damit ist er zynisch betrachte, zum zweiten Mal Opfer der Stasi geworden.
Keiner derjenigen, die sich so geäußert haben, würde vermutlich Enthüllung von Historiken und Journalisten über gesellschaftlicher Verfehlungen und Straftaten betreffend ablehnen, nur weil der „Täter“ verstorben ist oder weil es in der Vergangenheit geschehen ist. In diesem speziellen Fall aber, ist die Empörung über die Enthüllung groß. Denn es geht um Fritz Sdunek, dem Säulenheiligen Fritz Sdunek. Jenem Mann, über den Keiner etwas Kritisches sagen konnte. Und genau deswegen kochen die Emotionen auch so hoch.
Man könnte argumentieren, dass man schon sehr naiv seien musst um glauben zu können, dass jemand im Sport der DDR nach oben kommen konnte, ohne ein gerüttelt Maß an Kontakten bzw. einer Mitgliedschaft bei dem „VEB Horch und Guck“. Genau das ist der Punkt. Vermutlich jeder, und damit schließe ich mich explizit ein, der mit Boxen hierzulande zu tun hat, wollte dies glauben. Dadurch wurde Fritz Sdunek erst zu unseren Säulenheiligen. Und nun mussten wir mit ansehen, wie unser Fritz von seiner Säule gestürzt wurde.
Was wird bleiben, wenn die Diskussion um Fritz Sdunek abgeflaut und die Dokumentation aus der Mediathek der ARD verschwunden ist? Dirk Schäfer wird weiterhin mit Straßenmusik sein Lebensunterhalt bestreiten. Das Leben vieler Anderer hatten die staatlichen Organe der DDR deformiert. Unser Blick auf Fritz Sdunek wird sich vermutlich ändern. Wir werden nicht mehr den Heiligen Fritz sehen, sonder den Menschen Fritz Sdunek. Einen Menschen, fast so wie wir alle, mit Stärken und Schwächen, der versuchte alles gut zu machen und dabei auch Dinge schlecht gemacht hat. Eigentlich gefällt mir der neue Fritz Sdunek auch.
© Uwe Betker
Die hohe Hürde bei RTL
Jeder Veranstalter von Boxveranstaltungen träumt davon einen TV Vertrag mit RTL zu bekommen. Man kann davon ausgehen, dass schon viele Veranstalter wie auch Möchtegernveranstalter bei dem Sender in Köln an die Tür geklopft haben. Aber nur wenige Veranstalter hatten bis jetzt Erfolg, nämlich Sauerland Promotion und Klitschko Management Group. Der Grund dafür ist, dass RTL die Hürde mittlerweile sehr hoch gelegt hat.
Als im Dezember 1992 RTL anfing Boxen zu zeigen, war dies aus der Not geboren. Den Programmverantwortlichen war aufgefallen, dass ihnen attraktiver Sport im Programm fehlte. Die Berichterstattung der Fußball-Bundesliga war gerade Sat 1 zugefallen, und RTL brauchte nun dringend Ersatz. Da es aber nur sehr wenige TV-taugliche Sportarten gibt, kam man schnell aufs Boxen. Boxen gilt als eine Sportart, die angeblich jeder versteht. Andererseits stand Boxen aber im Ruf, dass am Ring Personen sitzen, die nicht werbewirksam sind. Henry Maske, der Boxer mit dem Image eines Gentleman, kam da gerade recht. Bis September 2000 zeigte RTL Sauerland Veranstaltungen. Die Boxer hießen Henry Maske, Markus Beyer, Axel Schulz, Sven Ottke, Torsten May und andere. Sauerland setzte bewusst auf deutsche Boxer. Und es gab auch genug gut ausgebildete Boxer aus der zusammengebrochenen DDR. Nach 8 Jahren war dann, nicht zuletzt auch wegen sinkender Quoten, Schluss und Sauerland wechselte zur ARD.
Sechs Jahre später, 2006, stieg RTL wieder ins Boxen ein, u. z. mit Wladimir und Vitali Klitschko. Die Geschäftsverbindung hält bis heute noch an, weil beide Partner davon profitieren. Folgende Zahlen werden kolportiert: Die Boxer Klitschko bekommen 3 bis 3,5 Millionen Euro pro Kampf vom TV-Partner RTL. Hinzu kommen geschätzte 4 bis 5 Millionen Euro für die Veranstalter Klitschko, denn die Brüder Klitschko vermarkten und veranstalten selber, aus Eintrittsgeldern, vor allem aber aus den anteiligen Erlösen aus dem internationalen Verkauf der Fernsehrechte. Schließlich kommen noch Werbe- und Sponsorengelder hinzu. Insgesamt sollen die Klitschkos bis zu zehn Millionen Euro kassieren.
RTL gibt so viel Geld natürlich nur aus, wenn Radio Télévision Luxembourg auch auf seine Rechnung kommt. Bis zu 15,56 Millionen Zuschauern schalten beim Boxen ein. Das ist ein Marktanteil von 70 Prozent der für die Werbewirtschaft relevanten Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Dabei ist anzumerken, dass diese werberelevante Zielgruppe Mitte der 80er Jahre in Deutschland von Helmut Thoma, Programmdirektor des damaligen winzigen Senders RTL, eingeführt worden ist, um der quotenstärkeren Konkurrenz mit älteren Zuschauern etwa entgegenzusetzen. Heute hecheln alle TV Sender dieser Erfindung von Herrn Thoma, die keinerlei Grundlage in der Realität hatte, hinterher.
Dass ist nun die Hürde von RTL. Der Privatsender zeigt nur Boxen, wenn eine bestimmte Anzahl von Zuschauern garantiert ihren Fernseher einschalten. Es werden zwei Zahlen immer wieder kolportiert: 6.000.000 und 8.000.000. Ein Veranstalter muss glaubhaft machen können, dass sechs oder acht Millionen Zuschauer einschalten werden. Erst dann ist RTL offenbar bereit, Boxen auch zu zeigen. Solche Zahlen bringen aber eben nur die Klitschkos und noch ein Kampf zwischen Arthur Abraham und Robert Stieglitz oder Felix Sturm gegen Abraham oder Stieglitz.
An einem normalen Freitag- oder Samstagabend sind daher eher Sendungen zu sehen wie:
Geheimnisse der Körpersprache – Die Thorsten Havener Show, Familienduell Prominenten
Special und die Wiederholungen von Spielfilmen wie Mr. & Mrs. Smith und Lockout – also
Konfektionsware, die eine einigermaßen gute Quote bringen und außerdem nicht viel kosten. Es ist schon wirklich schade, dass
RTL nicht versucht, einen unattraktiven Sendeplatz zu finden, um dort dann gutes Boxen zu
zeigen. Gutes Boxen muss ja nicht teuer sein. Auch müsste man sich ja nicht an einen
Veranstalter binden. Man müsste nur Boxen zeigen wollen. Persönlich bin ich sogar davon überzeugt, dass
der Sender dabei dann sogar den einen oder anderen Boxer finden würde, der später die 6 oder 8
Millionen Zuschauer an einem Samstagabend an die Bildschirme lockt.
© Uwe Betker