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Die traurige Geschichte des Wilfred Benítez (4)
Nach dem Sieg über Hope verteidigte Benítez am 14.11.1981 durch einen Punktsieg seinen Titel erfolgreich gegen den ungeschlagenen Carlos Santos, der später Weltmeister im Junior Mittelgewicht werden sollte. Danach maß er seine Kräfte mit der Boxlegende aus Panama Roberto Duran. Die „Manos de Piedra“, die „Hände aus Stein“, hatten vorher schon Sugar Ray Leonard seine erste Niederlage beigebracht und ihm den Titel abgenommen. Benítez zeigte noch ein letztes Mal sein boxerische Klasse. Er gewann einstimmig nach Punkten. Die Punktrichter werteten 143:142,145:141 und 144:141.
Einen Kampf später, am 03.12.1982 traf er auf Thomas Hearns. Hearns war gegen den sehr guten Pipino Cuevas (02.08.1980, TKO 2) Weltmeister der WBA im Weltergewicht geworden, um dann, vier Titelverteidigungen später, gegen Sugar Ray Leonard (16.09.1982, TKO 14) zu unterliegen. Benítez unterlag Hearns nach Punkten. Die Wertung war 137:146, 139:144 und 142:142. Hearns sagte danach: „Nobody makes me miss like that.“
Benítez war erst 24 Jahre alt, aber er war bereits am Ende. Er konnte bis zu seinem Karriereende 1990 nie wieder auch nur annähernd solche Leistungen wie in seiner Jugend bringen. Praktisch gegen alle guten Boxer unterlag er in der Folgezeit. Er versuchte sein Glück im Mittelgewicht unter der Führung seiner neuen Trainer Victor Machado und Cus D´Amato. Aber er unterlag Mustafa Hamsho (16.03.1983, L 12). Wieder mit seinem Vater in der Ecke verlor er gegen und Davey Moore (14.07.1984, TKO 2), wobei er sich den Knöchel brach, und dann noch gegen Matthew Hilton (15.02.1986, KO 9). Kurze Zeit später hängte er die Handschuhe ganz an den Nagel.
Da Benítez aber sein ganzes Geld verschwendet hatte, startete er 1990 ein Comeback, diesmal mit Emanuel Steward in seiner Ecke. Von 4 Kämpfen konnte er nur 2 gewinnen. Hiernach war dann endgültig Schluss. Er war 32 Jahre alt und hatte 14 Jahre als Profi geboxt. Sein Kampfrekord: 62 Kämpfe, 53 Siege, 31 durch KO, 8 Niederlagen, 4 durch KO, 1 Unentschieden. Er war ein technisch guter und aggressiver Boxer mit einem sehr schnellen Jab und herausragenden Defensivfähigkeiten. 1996 wurde er in die International Boxing Hall of Fame aufgenommen. Der Hall of Fame Matchmaker Teddy Brenner nannte ihn: “The best fighter in the world.”
Heute ist Wilfred Benítez ein kleines unstet lächelndes Kind, das seine Körperfunktionen nicht unter Kontrolle hat, im Körper eines 52 Jahre alten Mannes, der auf Almosen angewiesen ist. Eine traurige Geschichte.
© Uwe Betker
Die traurige Geschichte des Wilfred Benítez (3)
Am 14. Januar 1979 bekam Benítez seine Chance im Weltergewicht gegen den Weltmeister der WBC Carlos Palomino. Palomino war durch einen TKO-Sieg in Runde 12 im Empire Pool (Wembley) gegen den Engländer John H. Stracey Weltmeister geworden. Danach hatte er seinen Titel erfolgreich gegen den guten Armando Muniz (21.01.1977, TKO 15), den Europameister Dave Green (14.06.1977, KO 11), den eher durchschnittlichen Italiener Everaldo Costa Azevedo (13.09.1977, W15), den unterdurchschnittlichen Jose Palacios (10.12.1977, KO 13), gegen den starken Japaner Ryu Sorimachi (11.02.1978, KO 7), gegen den eher schwachen Mimoun Mohatar (18.03.1978, TKO 9) und schließlich erneut gegen Armando Muniz (27.05.1978, W 15) verteidigt. Palomino war einer der Lieblinge der mexikanisch-stämmigen Boxfangemeinde in Süd-Kalifornien.
Für Benítez waren die Vorbereitungen auf dem Kampf überschattet von den Querelen zwischen seinem Vater, der immer noch sein Trainer war, und dem Trainer, den sein Manager Jimmy Jacobs für ihn engagiert hatte. Emile Griffith, selber ein legendärer Boxer und später ein sehr guter Trainer, konnte sich nicht mit Benítez Vater über die Taktik für den Kampf einigen. Griffith setzte sich am Ende durch und Benítez gewann nach Punkten durch Mehrheitsentscheidung. Die Punktrichter werteten 142:145, 146:143 und 146:142.
Nach einer Titelverteidigung gegen den zähen Harold Weston (25.03.1979, W 15) bekam es Benítez mit dem „Golden Boy“ und aufstreben Superstar Sugar Ray Leonard zu tun. Leonard wollte seinen ersten WM-Titel holen, und Benítez wollte überhaupt nicht mehr trainieren. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Benítez 2 oder 9 Tage für diesen Kampf trainiert hatte, fest steht aber, dass seine Vorbereitung unzureichend war. Daher war es schon fast zwangsläufig, dass er am 30.11.1979 in Las Vegas die erste Niederlage seiner Profikarriere hinnehmen musste. Es war ein intensiv geführter Kampf zweier Techniker mit ausgeprägten Defensivkünsten. Benítez musste in der dritten Runde zu Boden und in der sechsten Runde bekam er durch einen unabsichtlichen Zusammenprall der Köpfe einen Cut auf der Stirn. In der 15ten und letzten Runde wurde er erneut zu Boden geschlagen, der Ringrichter Carlos Padilla zählte ihn an und gab den Kampf noch einmal frei. Es folgte ein kurzer Schlagabtausch und der Ringrichter stoppte den Kampf 6 Sekunden vor dem Schlussgong. Leonard zollte ihm und seinen boxerischen Fähigkeiten nach dem Kampf seinen Respekt.
Nach dieser Niederlage stieg Benítez wieder eine Gewichtsklasse auf, in das Halbmittelgewicht. Dort besiegte er am 23. Mai 1981 den WBC-Titelträger Maurice Hope. Dabei handelte es sich um jenen Hope, der als Europameister den späteren Weltmeister im Mittelgewicht Vito Antuofermo (01.10.1976, TKO 15) geschlagen und dem deutschen Weltmeister Eckhard Dagge (15.03.1977) ein Unentschieden abgetrotzt hatte, bevor er Rocky Mattioli, den Bezwinger Dagges, (04.03.1979) durch TKO in Runde 9 besiegte. Danach verteidigte der Rechtsausleger seinen Titel noch drei Mal erfolgreich gegen Mike Baker (25.09.1992, TKO 7), Rocky Mattioli (17.07.1980, TKO 11) und Carlos Maria del Valle Herrera (26.11.1980, W 15).
Der Kampf gegen Hope wurde mit unglaublichen Härte und Verbissenheit geführt. Benítez musste viel einstrecken, aber Hope noch mehr. Benítez schlug Hope zuerst zwei Zähne aus, bevor er ihn dann in der 12ten Runde TKO schlug. Der KO wurde zum KO des Jahres gekürt. Der Kampf war wohl der Höhepunkt von Benítez’ Karriere. Er war 22 Jahre alt und der jüngste Dreifachweltmeister aller Zeiten. Aber seine große Zeit neigte sich schon dem Ende zu.
© Uwe Betker
Die traurige Geschichte des Wilfred Benítez (2)
Wilfred Benítez wurde am 12. September 1958 in der Bronx in New York als jüngstes von acht Kindern geboren. Er wuchs mit Boxen auf. Sein Vater Gregorio („Goyo“) boxte als Junge in Puerto Rico selber. Er organisierte Boxkämpfe für seine Söhne auf Spielplätzen und nahm von den vorbeikommenden Zuschauern einen Vierteldollar Eintritt. Einer der älteren Brüder wurde ebenfalls später Profi. Frankie Benítez boxte von 1973 bis 1980 im Leichtgewicht (30 Kämpfe, 24 Siege, 15 durch KO, 5 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden). Wilfred besuchte regelmäßig ein Gym in der Nachbarschaft, wo er das Boxen lernte, indem er seine Brüder und andere Boxer beobachtete.
Mit sieben zog Wilfred Benítez mit seiner Familie nach Puerto Rico, wo er dann an dem regionalen Golden Gloves Turnier teilnahm. Mit 15 Jahren, im November 1973, begann er seine Profikarriere. Nachdem er die ersten 11 Kämpfe in Folge gewonnen hatte, 10 durch KO, ging er zurück nach New York, wo er am 16.09.1974 auf einen gewissen Al Hughes im Felt Forum traf. Der Kampf als solcher ist kaum erwähnenswert. Er gewann durch TKO in Runde 5. Bemerkenswert ist aber, dass Benítez erst ein paar Tage vorher 16 Jahre alt geworden war und er eigentlich gar nicht in New York boxen durfte. Er hatte aber eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt, die ihn älter machte.
14 Kämpfe später stand er am 6. März 1976 im Hiram Bithorn Stadium (San Juan, Puerto Rico) der kolumbianischen Boxlegende Antonio Cervantes gegenüber. „Kid Pambele“ war der WBA Weltmeister im Junior Weltergewicht. Cervantes war 1972 Weltmeister gegen Alfonso Frazer (28.10.1972, KO 10) geworden und hatte in den folgenden Jahren den Titel neun Mal erfolgreich verteidigt. Besonders seine Ringschlachten gegen die großen Nicolino Locche (17.03.1973, TKO 10) und Esteban De Jesus (17.05.1975, W 15) begründeten seinen Ruf als viertbesten Junior Weltergewichtler aller Zeiten.
Im Kampf zwischen Benítez und Cervantes trafen zwei der größten Defensivkünstler der Boxgeschichte aufeinander. Im Gegensatz zu einigen späteren Kämpfen in seiner Karriere, war er hier optimal vorbereitet, und er war motiviert. So gewann er den auf 15 Runden angesetzten Kampf nach Punkten. Die Punktrichter werteten 148:144, 147:142 und 145:147, alle zu seinen Gunsten. Damit wurde er mit seinen 17 Jahren und 5 Monaten in seinem 26. Profikampf zum jüngsten Boxweltmeister aller Zeiten. Viele High School Klassenkameraden von Benítez saßen im Publikum.
Er verteidigte seinen Titel dreimal (Emiliano Villa, 31.05.1976, W 15; Tony Petronelli, 16.10.1976, TKO 3 und Ray Chavez Guerrero, 03.08.1978, TKO 15) und machte noch vier Nicht-Titelkämpfe, von denen er drei gewann und in einem ein Unentschieden erreichte. Ein angesetzter Rückkampf mit Cervantes fand nicht statt, weil Benítez sich bei einem Autounfall verletzte. Da er es anschließend versäumt hatte, schnell genug einen neuen Termin für den Rückkampf anzusetzen, erkannte ihm die WBA den Titel ab.
Nach dem Titelverlust ging er endgültig eine Gewichtsklasse höher. Die Nicht-Titelkämpfe hatte er bereits im Weltergewicht absolviert. Hier machte sich sein Hang zur laxen Vorbereitung auf seine Kämpfe immer mehr bemerkbar; es wurde sogar mehr und mehr zu einem chronischen Verhalten. Für seinen Kampf gegen Harold Weston (02.02.1977), der immerhin die Nummer 10 der Rangliste war, nahm er sich nur 12 Tage Vorbereitungszeit. Er spielte im Ring den Clown und erreichte nur ein Unentschieden. Für Bruce Curry (18.11.1977), dem Bruder von Donald Curry, der später Weltmeister im Weltergewicht werden sollte, nahm es sich nur knapp eine Woche Zeit. Er musste denn auch gegen die neue Nummer 10 dreimal zu Boden und erreichte nur einen schmeichelhaften Punktsieg durch Mehrheitsentscheidung. Den Rückkampf (04.02.1978) gewann er etwas deutlicher, aber nicht glänzend, nach Punkten.
© Uwe Betker
Die traurige Geschichte des Wilfred Benítez (1)
Es gibt immer wieder Meldungen die mich an meiner Liebe zum Boxen zweifeln lassen. So las ich unlängst, dass es dem großen Wilfred Benítez sehr schlecht geht. Er zahlt einen unglaublich hohen Preis für seinen Ruhm als Boxer.
Heute lebt Benítez in Sain Just, etwas außerhalb von San Juan, der Hauptstadt von Puerto Rico in einem kleinen und beengten Betonhaus, in einer Kleine-Leute-Gegend. Er leidet unter einer unheilbaren Degenerierung seine Gehirns, die sich Post-Traumatische Encephalitis nennt. Seine Hirnschädigung ist eine direkte Folge der Schläge, die er während seiner Amateur- und Profikarriere nehmen musste. Sein Zustand verschlimmerte sich seit der ersten Diagnose 1989 rapide. 1994 fiel er sogar in seinem Wohnzimmer ins Koma. Vor mehreren Jahren wurde auch noch ein Diabetes festgestellt.
Benítez hat sich mental zurückentwickelt zu einem Kind, das andauernd lächelt und vor sich hin starrt. Es ist nicht sicher, ob er sich überhaupt an irgendetwas aus seiner Vergangenheit erinnern kann. Seine Familie sagt ja, und auf Aufforderung geht er in Boxpose, macht Schattenboxen und zeigt Meidbewegungen. Gleichzeitig aber erkennt er nicht das Haus, in dem er lebt, und fragt immer wieder, ob der andere wisse wo er wohne und ob er ihn nach Hause bringen können.
Auf dem linken Auge ist er nahezu blind. Er kann keinem Gespräch folgen und hat keine Kontrolle mehr über seine Körperfunktionen. Er schläft nur sporadisch und nicht länger als 90 Minuten und wandert ununterbrochen umher. Er muss 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche ununterbrochen betreut werden. Seine Familie hat diese Aufgabe übernommen, besonders seine ältere Schwester Yvonne, die diese Aufgabe von ihrer Mutter Clara Rosa Benítez übernommen hat, die 2008 verstarb.
Die Millionen, die Benítez während seiner Karriere verdient hat, sind verschwunden, ebenso die Weltmeistergürtel. Heute lebt er von einem Stipendium von 14.000 Dollar im Jahr von der Regierung von Puerto Rico und einer Pension von 250 Dollar vom World Boxing Council.
© Uwe Betker