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Über Nummerngirls
Nummerngirls sind immer wieder ein Thema hier. Manchmal wird betont, dass sie besonders ansehnlich sind, manchmal auch, dass sie fehlen, dass sie wieselflink durch den Ring sprinten, dass sie die Karten so halten, dass die Zahl nicht zu lesen ist oder so, dass man sie gar nicht erst sieht. Nummerngirls sind hier ein Running Gag, über den offensichtlich doch einige schmunzeln können. Schreibe ich über Nummerngirls, werde ich immer kurz danach darauf angesprochen. Ein Promoter stellte mich mal neben seine Nummerngirls und ließ uns photographieren. „Ich will nicht, dass du behautest ich hätte hier keine Nummerngirls gehabt.“ Es ist sogar schon einmal vorgekommen, dass ein Offizieller – den Namen habe ich vergessen – eines Verbandes, der mir jetzt nicht einfallen will, mich glaubte abkanzeln zu können, indem er sich über mein Schreiben über die Damen mit den Schildern ausließ. Tatsächlich gefiel ihm aber vermutlich nicht, was ich über die Aktivitäten seines Verbandes geschrieben hatte. – Nun ist es an der Zeit, sich mal ernsthaft über ein so wichtiges Thema wie Nummerngirls Gedanken zu machen.
Bei Wikipedia gibt es bis auf eine Definition kaum weitere Informationen. „Nummerngirl ist der aus der Umgangssprache stammende Name für diejenige Dame, welche zwischen den Runden von Kampfsportarten, wie z. B. Boxen, Kickboxen oder Mixed Martial Arts, den Ring betritt und dem Publikum ein Schild mit der Nummer der folgenden Runde hochhält. Nummerngirls tragen meistens einen Badeanzug oder einen Bikini und sollen das Publikum während der Kampfpause unterhalten.
Der Begriff stammt ursprünglich vom Revuetheater und vom Zirkus her, bei denen traditionell jede Einzeldarbietung („Nummer“) von einem Nummerngirl angekündigt wurde oder wird.“ Als Quelle wird Sat1 angeben.
Das Magazin „The Ring“ veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom Mai/Juni 1965 das Foto eines Nummerngirls. Dieses wurde bei einer Boxveranstaltung im Hacienda Hotel in Las Vegas aufgenommen. Die 1965 abgebildete Dame, in der für heutige Verhältnisse züchtigen Korsage, war wohl eines der ersten Nummerngirls, dessen Foto publiziert wurde. Die Bildunterschrift lautet: „If something like this caught on around the country, gates receipts automatically would fatten.” Auf halbwegs gut Deutsch: „Wenn so etwas wie dies sich im ganzen Land durchsetzt, würden die Einnahmen an der Abendkasse automatisch fetter werden.“ – Nummerngirls setzten sich nicht nur in den USA durch, sondern weltweit. Kaum eine größere Veranstaltung will inzwischen auf sie verzichten.
Die genaue Geburtsstunde der Nummerngirls liegt im Dunkel der Boxgeschichte. Aber vermutlich ist die Dame aus „The Ring“ eine der ersten überhaupt gewesen. Mitte der 60er Jahre wurde Las Vegas mehr und mehr ein Zentrum des Profiboxens. Las Vegas steht in den USA für Unterhaltung, und Nummerngirls werteten die Profiboxveranstaltungen auf; sie unterhielten und unterhalten das Publikum in den Rundenpausen.
Auch was die Vorgänger der Nummerngirls anbelangt, so breitet sich das Dunkel der Boxgeschichte darüber aus. In den 30er Jahren jedenfalls waren Männer im Anzug zu sehen, die zum Teil Zigarre rauchten, die die Karten mit den Nummern in die Höhe hielten. Ich selbst kann mich an eine Filmaufnahme aus den 40er Jahren erinnern, wo ein Mann im Anzug einen flatternden Lappen mit einer Nummer drauf, der an eine Startnummer in der Leichtathletik erinnerte, vor sich hertrug. Es gibt aber insgesamt kaum filmische oder photographische Dokumente von diesen Herren. Sie waren schlicht nicht attraktiv und unterhaltsam genug.
Obwohl doch die Vorgänger der Nummerngirls Nummernmen waren, tat sich das Boxpublikum mit Nummernboys schwer. Auch deren Geburtsstunde liegt im Dunkel. Ich kann mich aber noch daran erinnern, wann und wo ich selbst den ersten in Deutschland gesehen habe. Das war bei der Veranstaltung von Universum Box-Promotion am 13.05.2000 in den Satory Sälen in Köln. Es war auch die erste reine Frauenboxveranstaltung. Es boxten Heidi Hartman, Silke Weikenmeier, Daisy Lang, Marischa Sjauw, Regina Halmich und Michel Aboro. Beim Hauptkampf des Abends, den Michel Aboro bestritt, gab es Nummernboys, also gut gebaute junge Männer mit freiem Oberkörper. Damals kamen die bei einem großen Teil des Publikums, das ja den Anblick von Männern mit nacktem Oberkörper schließlich gewohnt gewesen sollten, nicht gut an. Es gab auch Pfiffe.
Heute gehen boxaffine Zuschauer sehr viel entspannter mit Nummernboys um. Es gibt Promoter, die bei Boxkämpfen von Männern Nummerngirls und Kämpfen von Frauen Nummernboys auftreten lassen. Inzwischen gibt es dafür keine Pfiffe mehr. Offensichtlich fühlen sich die Zuschauerinnen durch Nummernboys unterhalten. Und das ist doch wohl die Hauptaufgabe von Nummerngirls wie Nummernboys, neben ihrem Job, eben die Rundennummern anzuzeigen.
© Uwe Betker
Böse und dunkle Gedanken über den BoxSport
Wenn ich den BoxSport schon einmal geschenkt bekomme, denn gekauft bekommt man ihn wohl nur auf Flughäfen und auf großen Bahnhöfen, bin ich immer wieder gerührt, dass es dieses Fachblatt für Boxen noch gibt. Voll Ehrfurcht öffne ich es dann und bin überrascht, wie wenig ich hier übers Boxen finde, was mich überhaupt interessiert.
Wenn ich den BoxSport dann wieder zuklappe und das Magazin von außen noch einmal genauer betrachte, das Papier befühle und eventuell daran rieche, beschleichen mich böse und dunkle Vorstellungen, die vermutlich komplett aus der Luft gegriffen sind. Dennoch möchte ich diese Gedanken hier niederschreiben, um sie einmal loszuwerden – sozusagen als Exorzismus. Eventuell werde ich ja hiernach wieder zu einem Abonnenten.
Hier nun meine vollkommen abwegigen Gedanken:
Der Boxsport berichtet gar nicht übers Boxen. Der Boxsport berichtet prinzipiell nur über ein paar wenige Boxer, nämlich die in Deutschland boxenden Weltmeister, und dann noch über einige wenige Veranstalter, nämlich die großen. Über Veranstaltungen wird nur berichtet, wenn der Promoter vorher Werbung geschaltet hat. Dementsprechend gibt der BoxSport den Sport des Boxens ähnlich exakt wieder, wie die Zeitschrift Gala alle Gesellschaftsschichten widerspiegelt.
Der Chefredakteur und Herausgeber Hans Reski, genehmigt sich selber ein Gehalt von 12.000 Euro monatlich, also etwas über 60% des Gesamtbudgets für die Zeitschrift. Das erklärt dann auch, warum die Autoren und Fotografen so schlecht bezahlt werden. Hinzu kommen noch einmal 20% der Einnahmen durch Werbung und Anzeigen, die Reski selber akquiriert. Wenn er also vor oder während einer Veranstaltung ein paar Seiten Werbung an den Veranstalter verkauft bekommt, dann könnte sich auch sein Blick auf diese Veranstaltung verändern. Jeder ist viel milder gestimmt, wenn er satt und zufrieden ist.
Ich bin jetzt total erleichtert, dass ich diesen Exorzismus vollzogen habe. Die vollkommen abwegigen und absolut unzutreffenden Gedanken, die ich hier mitgeteilt habe, sind verschwunden und ich bin erleichtert und glücklich. Aber wo habe ich nur die Postkarte für das Abo gelassen?
© Uwe Betker