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Regina Halmich schlägt Tyron Zeuge
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Verbandes Deutscher Sportjournalisten „sportjournalist“ widmet sich ein Artikel von Ulf Zimmermann dem Boxsport bzw. dem Profiboxen in Deutschland. Er unternimmt eine Bestandsaufnahme der Medien- bzw. TV-Präsens von Boxen in Deutschland.
Der Titel „Boxen am Boden“ nimmt das Ergebnis der Untersuchung vorweg. Mit der Niederlage von Wladimir Klitschko am 29. April 2017 gegen Anthony Joshua und seinem anschließenden Rücktritt am 03. August ging eine Ära zu Ende. Nicht nur Klitschko hat sich vom Boxen verabschiedet, sondern auch sein TV-Partner RTL. Zumindest macht RTL nun eine Pause, nachdem der auserkorene Klitschkonachfolger Marco Huck zwei Niederlagen in drei Kämpfen kassiert hat.
Zu Recht wird bemerkt, dass die Klitschko-Ära bei RTL den schleichenden Niedergang des Boxens verschleiert hat. Das ZDF stieg schon 2010 bei Universum Box-Promotion aus und verabschiedete sich damit vom Boxen. Die ARD folgte 2014 und beendete die Zusammenarbeit mit Sauerland. Das Interesse an den damaligen Protagonisten Arthur Abraham und Felix Sturm waren rapide gesunken. Hinzu kamen Widerstände innerhalb der ARD gegen das Boxen.
Sieht man mal vom Internet ab, bleiben nur Sat. 1 und MDR zurück. Der MDR überträgt die Veranstaltungen des SES-Boxstalls aus Magdeburg. In diesen Fällen sind wohl beide Seiten mit der Zusammenarbeit zufrieden. Sat. 1 zeigt manchmal noch Boxer aus dem Team Sauerland, das im Augenblick allerdings nur einen Weltmeister, nämlich Tyron Zeuge, hat.
Schaut man sich dann noch die Einschaltquoten an, dann sieht man, wie sehr das Boxen in Deutschland in die Knie gegangen ist.
Zur Hochzeit des Boxens erreichten Axel Schulz vs. Frans Botha (RTL, 9.12.1995) 18,03 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von 68 % entspricht, Henry Maske vs. Graciano Rocchigiani II (RTL, 14.10.1995) 17,59 Millionen, gleich 73,2% und Henry Maske vs. Virgil Hill I (RTL, 23.11.1996) 17,52 Millionen, gleich 59,6%.
Die Gebrüder Klitschkos kamen dem noch mal sehr nahe. Wladimir Klitschko vs. David Haye (RTL, 2.7.2011) sahen 15,50 Millionen, Vitali Klitschko vs. Shannon Briggs (RTL, 16.10.2010) sahen 13,29 Millionen und Wladimir Klitschko vs. Ray Austin (RTL, 10.3.2007) sahen 12,89 Millionen.
Alle, die als Nachfolger von Henry Maske gehandelt wurden, erreichten niedrigere Quoten. Thomas Ulrich vs. Cleveland Nelson (Sat.1, 1.4.2000) erreichte 8,04 Millionen, Dariusz Michalczewski vs. Fabrice Tiozzo (ZDF, 25.2.2005) 7,87 Millionen und Luan Krasniqi vs. Lamon Brewster (ZDF, 28.9.2005) 7,62 Millionen.
In ähnlichen Regionen bewegte sich auch Regina Halmich. Halmich vs. Shmoulefeld Finer (ZDF, 30.11.2007) sahen 8,80 Millionen, Halmich vs. Elena Reid II (ZDF, 3.12.2005) sahen 6,49 Millionen und Halmich vs. Reka Krempf (ZDF, 13.1.2007) sahen 6,33 Millionen.
Tyron Zeuge verliert selbst im direkten Vergleich zu Regina Halmich. Zeuge vs. Paul Smith (Sat.1, 17.6.2017) interessierten 1,43 Millionen, Zeuge vs. lsaak Ekpo (Sat.1, 25.3.2017) 1,57 Millionen und Zeuge vs. Giovanni de Carolis (Sat.1, 5.11.2016) 1,72 Millionen.
Sat.1 Hauptkämpfer Tyron Zeuges Quoten jedenfalls bleiben weit hinter denen von Regina Halmich zurück. Er ist keine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Er ist eher bescheiden im Auftreten. Für seinen letzten Kampf gegen Paul Smith blieben 1,43 Millionen Menschen zur späten Abendstunde vor ihren Bildschirmen sitzen.
Sat. 1-Sportchef Alexander Rösner, der boxaffin betont: „Jede Sportart braucht nationale Identifikationsfiguren, so auch das Boxen.“ Die Frage aber, die sich dann automatisch stellte, lautete: Kommen denn neue Boxer, die in die Fußstapfen von Henry Maske, oder zumindest von Thomas Ulrich, Dariusz Michalczewski, Felix Sturm und Arthur Abraham treten können, ohne darin zu versinken.
Rösner und Team Sauerland verweisen auf den Supermittelgewichtler Leon Bauer (13 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO, 1 Unentschieden). Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer und ein Sportler allein hält eine Sportart noch nicht am Leben. Matthias Bolhöfer, der RTL Sprecher, formulierte es so: „Es muss jemand sein, der hier eine hohe Akzeptanz hat. Die Zuschauer wollen Identifikation“.
„Nationale Identifikationsfiguren“ mit boxerischem Können, davon bin ich persönlich überzeugt, gibt es in Deutschland genug; und sie könnten auch eine „hohe Akzeptanz“ bei den Zuschauern erreichen. Das Problem ist nur, diese Boxer werden wohl noch einige Zeit brauchen, um zu reifen.
© Uwe Betker
Über das Doping im deutschen Profiboxen und die Verantwortung der TV-Sender
Wenn man sich auf Boxveranstaltungen umhört, dann gibt es eine Frage die alle umtreibt: Wie werden sich aber die deutschen TV-Sender im Allgemeinen und Sat.1 im Besonderen zu dem immer größer werdenden Problem des Doping beim Profiboxen positionieren? Der Dopingfall Felix Sturm kann als Nagelprobe dafür betrachtet werden, wie die deutschen TV-Sender mit Doping im Berufsboxen umgehen wollen.
Es ist ruhig geworden um Felix Sturm. Wir erinnern uns: Felix Sturm war am 20.02.2016, in seinem Kampf gegen Fjodor Tschudinow – dabei ging es um den Titel Super Champion der WBA im Super Mittelgewicht – vermutlich gedopt. In seiner A-Probe fand sich die anabole Substanz Hydroxy-Stanozolol. Als dies bekannt wurde, stellte sich „ran“-Sportchef Alexander Rösner noch hinter Sturm. „Wir kennen Felix Sturm nur als fairen Sportsmann“. Der 37-jährige Sturm selbst stritt damals jegliches Fehlverhalten ab und kündigte an, die Öffnung der B-Probe veranlassen zu wollen. Seither hat aber keiner mehr etwas von der Öffnung der B-Probe gehört.
Nun sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, wieso man nichts mehr vom Dopingfall Sturm gehört hat. Mir persönlich erscheinen die folgenden zwei am plausibelsten:
– Sturm hat die B-Probe öffnen lassen, seine Unschuld wurde bewiesen und dann hat er einfach nur vergessen, es der Öffentlichkeit auch mitzuteilen.
– Sturm hat die B-Probe gar nicht öffnen lassen.
Falls nun Sturm die B-Probe nicht hat öffnen lassen, kann man das wohl getrost als Schuldeingeständnis ansehen.
Spinnen wir den Gedanken einfach weiter: Wir werden weiter nichts von Sturms Urin und dem Hydroxy-Stanozolol hören. Sturm pausiert und steckt damit dann die bekannt drakonische Strafe des BDBs – die Höchststrafe für Doping ist, soweit ich weiß, ein Jahr, locker weg. Dann wird Sturm vermutlich wieder boxen wollen. Und er will natürlich, dass Sat.1 seinen Kampf überträgt und ihm dafür eine erkleckliche Summe auf sein Konto überweist. Wird Sat.1 dann wohl mitmachen?
Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage: Sind die deutschen Fernsehsender außer der Einschaltquote noch irgendwem oder -was verpflichtet, z.B. so etwas wie Ethik oder Moral?
Verlassen wir aber mal den Fall Sturm und stellen wir uns einfach vor, ein Boxer X will oder kann einen gegen ihn erhobenen Dopingvorwurf nicht entkräften. Damit ist er ein Doper. Punkt. Jemand der wissentlich dopt, betrügt ganz einfach jemand anderen. Dementsprechend ist ein Doper kein Sünder („Dopingsünder“), sondern ein Betrüger. Er hat einen Anderen gegebenenfalls um den Sieg, um einen Titel und um viel Geld betrogen.
Sollte sich der Eindruck verfestigen, dass Profiboxer alle dopen, so ist davon auszugehen, dass solche kriminellen Betrüger den Sport für mindestens eine Generation zerstören. So etwas konnte man ja schon wunderbar am Radsport beobachten. Ein Jan Ulrich hat einer ganzen Generation von deutschen Fahrern die Möglichkeit auf Ruhm und gutes Geld genommen.
Jemand, der dopt, ist m. E. schlicht ein Krimineller. Wird ein TV-Sender dann weiter die Kämpfe des kriminellen Betrügers übertragen, nur weil er ein Quotengarant ist? Oder wird er die Kämpfe nicht übertragen, weil ein TV-Sender einen Betrüger nicht zusätzlich noch belohnen will.
Wie schon gesagt, es geht hier nicht um Adnan Catic, denn eventuell ist ja seine Unschuld bereits bewiesen. Es geht hier darum, ob deutsche TV Sender kriminelle Betrüger grundsätzlich belohnen wollen.
© Uwe Betker
Offener Brief an Sky Sport
Sehr geehrter Herr Weber!
Bitte helfen sie den Boxfans in Deutschland. Sie wissen natürlich, dass Profiboxen, wenn es denn halbwegs gutes Boxen ist, gute Einschaltquoten bringt. Ich bin sogar davon überzeugt, dass man einfach mit gutem Boxen schon gute Einschaltquoten erreichen kann. Wie ja bereits unschwer zu sehen ist, ist die Akzeptanz des deutschen Fernsehpublikums sehr hoch. Um vom Fernsehpublikum geliebt oder zumindest akzeptiert zu werden, braucht ein Boxer weder gut auszusehen noch besonders intelligent zu sein. Er oder sie muss noch nicht einmal alle seine Kämpfe gewinnen. Warum also steigen Sie nicht ins Boxen ein?
Natürlich kann Sky, wie jeder andere Fernsehsender, den Fehler machen, sich an einen Veranstalter zu binden. Mir persönlich wäre es allerdings sehr viel lieber, wenn ein TV-Sender auch mal eine kreativere und bessere Lösung finden könnte. Sky könnte z.B. einen Vertrag mit einem Promoter machen und sich die Option sichern, bis zu 50% der Veranstaltung mit Fremdboxern zu bestücken. In Deutschland gibt es genug gute Boxer, die keinen Promotervertrag haben und mit denen ohne weiteres ein eigener exzellenter Boxstall zu bestücken wäre. Auch könnte man Boxern eine Chance geben, die bei kleinen Veranstaltern unter Vertrag sind.
Die deutschen Fernsehzuschauer warten nur darauf, einfach mal gutes Boxen zu sehen. Herr Weber haben Sie den Mut es auszustrahlen und erlösen Sie uns bitte vom schlechten Boxen.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Betker
P.S.: Wenn Sie aus den Fehlern der anderen Fernsehsender lernen, was ich hoffe, werden sie, egal wie und mit wem sie Boxen zeigen, es mit Wladimir Iljitsch Uljanow halten. Angeblich ist von ihm: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ – Sie sollten eine gewisse Kontrolle über die Kampfpaarungen ausüben und sich nicht jeden Dreck als Gold verkaufen lassen. Sie brauchen jemanden, der ihre bzw. die Interessen ihrer Zuschauer aktiv, auch gegen die Widerstände eines Veranstalters, wahrnimmt und das Matchmaking kontrolliert. Hiermit möchte ich mich auf diese Stelle bewerben. Ich würde mich freuen, wenn ich Sie in einem persönlichen Gespräch von meinen Fähigkeiten überzeugen könnte.
© Uwe Betker
Gedanken zur Niederlage von Felix Sturm (2)
Am 01.09.2012 verlor Felix Sturm (42 Kämpfe, 37 Siege, 16 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) in Oberhausen gegen den Australier Daniel Geale (29 Kämpfe, 28 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage). Damit verlor er seinen Titel „Super Champion“ der WBA (World Boxing Association), den er allerdings nach den Regularien des Verbandes gar nicht hätte tragen dürfen. Sein Bezwinger Geale war und ist Weltmeister der IBF (International Boxing Federation) im Mittelgewicht.
Sicher, eine Niederlage ist erst einmal nichts Besonderes. Schließlich verliert ja in fast allen Boxkämpfen einer der beiden Kontrahenten den Kampf. Dennoch, die Niederlage von Sturm verdient doch eine nähere Betrachtung. Sturms Haussender SAT1 konzentrierte sich schließlich nur auf Felix Sturm. Aber, SAT1 wird Felix Sturm vermutlich nur zeigen, wenn dieser einen WM-Kampf oder so etwas Ähnliches bestreitet.
Gegen wen kann nun Sturm boxen? Logisch wäre natürlich ein Rückkampf mit Geale. Dessen Manager Gary Shaw hat aber bereits abgewunken. Sturm müsste also tief in die Tasche greifen, um Geale wieder von Australien nach Deutschland zu locken. Dass Sturm eine Rückkampfklausel vor dem Kampf abgelehnt hat, dürfte ihn jetzt ärgern. Mich würde schon interessieren, wer ihn da eigentlich beraten hat.
Ein Kampf gegen Gennady Golovkin (24 Kämpfe, 24Siege, 21 durch KO), dem WBA Weltmeister, würde sportlich auch Sinn machen. Aber wieso sollte Sturm gerade jetzt gegen den Mann boxen, dem er so lange aus dem Weg gegangen war. Sollte Sturm dies aber machen, so ist dürfte das dann wohl ein Akt der Verzweiflung sein.
Eine utopische Option wäre ein Kampf gegen den WBC Weltmeister Sergio Gabriel Martinez (54 Kämpfe, 50 Siege, 28 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden). Der Argentinier Martinez ist in den USA ein großer Star. Daher müsste Sturm schon in die USA reisen, um gegen ihn anzutreten. Ich persönlich halte es auch für sehr zweifelhaft, ob Sturm eine Chance gegen ihn hätte.
Hassan N’Dam N’Jikam (27 Kämpfe, 27 Siege, 17 durch KO), der Interims Weltmeister der WBO wäre auch noch eine mögliche Wahl. Nun boxt der aber schon am 20.10.2012 gegen Peter Quillin (27 Kämpfe, 27 Siege, 20 durch KO). Nach diesem Kampf wird er in diesem Jahr dann sicherlich nicht mehr in den Ring steigen. Damit dürften die möglichen Gegner im Mittelgewicht benannt sein. Außer, Sturm kann SAT1 davon überzeugen, einen Nichttitelkampf zu zeigen, z. B. gegen Matthew Macklin (33 Kämpfe, 29 Siege, 20 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO).
Natürlich hat er auch noch die Möglichkeit eine Gewichtsklasse hoch zu gehen und gegen Arthur Abraham (38 Kämpfe, 35 Siege, 27 durch KO, 3 Niederlagen) oder Robert Stieglitz (45 Kämpfe, 42 Siege, 23 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) zu boxen. Aber warum sollte Arthur Abraham, der WBO Weltmeister, gegen ihn boxen wollen? Er boxt bei der ARD und Sauerland Event hat mit Sicherheit kein Interesse daran, dass SAT 1 weiter Sturm-Kämpfe überträgt. Noch vor kurzem erklärte Sturm, Abraham wolle sich über einen Kampf mit ihm profilieren. Ein Vergleich der Einschaltquoten widerlegt diese Vorstellung allerdings.
Ein Kampf mit dem Exweltmeister Robert Stieglitz wäre eine gute Ansetzung. Das Problem dürfte sein, dass SAT1 sich wohl nur darauf einlassen wird, wenn es ein WM-Ausscheidungskampf wird. Auf Stieglitz dürften andererseits aber noch massive juristische Probleme zukommen, denn er hat mutmaßlich seinem noch Noch-Schwiegervater mit einem Kantholz schwere Schädelverletzungen zugefügt.
Oscar De La Hoya (45 Kämpfe, 39 Siege, 30 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO), der ehemalige Weltmeister im Superfeder-, Leicht-, Junior Welter-, Welter-, Junior Mittel- und Mittelgewicht, wäre auch als Gegner in Frage gekommen. Gerüchten aus den USA zu Folge wollte De La Hoya für Sturm seine Handschuhe wieder anziehen. In New Jersey, gegenüber von New York wurde eine neue Arena gebaut und der Rückkampf sollte die Arena einweihen. Aber ein Kampf gegen einen Adnan Catic, der keinen Titel mitbringt, dürfte für De La Hoyas Firma Golden Boy Promotion keinen Sinn machen.
Wenn ich richtig addiert habe, hat Felix Sturm als Profi bereits 321 Runden geboxt. Hinzu kommen unzählige Sparringsrunden und 143 Amateurkämpfe. Da kann man schon fragen, wie viele Kämpfe er da noch in sich hat. Die Situation für ihn ist schwierig und wir dürfen gespannt sein, wen er uns als nächsten Gegner präsentieren wird.
© Uwe Betker
Gastbeitrag von Andreas Grunwald: Warum der stagnierende Boxsport dringend frischen Wind braucht
Aus der ehemals glänzenden Gelddruck-Maschine „Profiboxen“ ist ein schwächelndes Motörchen geworden, welchem langsam der Sprit ausgeht. Während noch vor 30 Jahren eine Weltmeisterschaft im Schwergewicht von der halben Welt zu den unmöglichsten Uhrzeiten am TV verfolgt wurde, locken heutzutage selbst hochkarätige Box-Events nur noch ein paar schlappe Millionen Zuschauer vor die Glotze.
Die Boxwelt ist aufgerieben in einige große und viele kleine Verbände. In jeder Gewichtsklasse gibt es eine Unzahl an Weltmeistern, Super-Weltmeistern, Interims-Weltmeistern und darüber hinaus noch etliche geradezu lächerliche Titel, die dem Hirn eines billigen Fantasy-Roman-Autors entsprungen sein könnten.
Die Zuschauer fühlen sich anhand von dubiosen Punktrichter-Urteilen, von handverlesenen und medial zu Hochkarätern aufgepuschten Schwachmaten als Gegner für alteingesessene Weltmeister, von Weltmeistern, die ernsthaften Konkurrenten um ihre Titel mit den abstrusesten Strategien aus dem Weg gehen und der undurchschaubaren „Politik“ der großen Verbände und Veranstalter für dumm verkauft und genießen die Fernseh-Prime-Time lieber bei „Wetten Dass“ oder dem Tatort, als sich den 25. „Kampf des Jahres“ innerhalb eines
Jahres anzusehen.
Die Strukturen sind verkrustet, der mediale Rummel für die Vermarktung der immer uninteressanter werdenden Kämpfe verschlingt Unmengen an Geld, welches die Veranstalter an anderer Stelle wieder einsparen müssen, und das Interesse der großen Sendeanstalten lässt proportional mit der sinkenden Einschaltquote immer mehr nach, wodurch dem schwächelnden Markt noch mehr Geld entzogen wird.
Einer der Ersten, der die Zeichen der Zeit erkannt hat, war Kalle Sauerland. So kam ihm 2009 die brilliante Idee, ein Turnier der besten Supermittelgewichtler aus allen Verbänden, das „Super Six“ ins Leben zu rufen, weil das quotenbringende (und damit geldbringende) Zuschauervolk kein Kirmesboxen mehr sehen will, sondern stattdessen wirklich die Besten gegen die Besten.
Der organisatorische Aufwand, dieses Turnier zu stemmen, die Boxer, die Veranstalter und die Verbände vertraglich unter einen Hut zu bringen und dabei auch die Interessen der übertragenden Sendeanstalten sowie die Beschaffung und Verteilung der erforderlichen Geldmittel mit allen Beteiligten abzustimmen und juristisch dingfest zu machen, war wahrscheinlich DIE Managerleistung der Boxgeschichte.
In der praktischen Umsetzung erwies sich das Super-Six-Turnier dann allerdings als ein unberechenbarer Popans. Einige Boxer stiegen mitten im Turnier ohne Begründung einfach aus, andere verletzten sich und konnten nicht mehr antreten, und es musste mit so vielen Unwägbarkeiten gekämpft werden, dass sich die ganze Schose wie zäher Honig über zwei Jahre in die Länge zog und am Ende trotz eines hochklassigen Finals nur noch als eine Karikatur seiner selbst einen Abschluss fand.
Dennoch ist der von Sauerland eingeschlagene Weg der richtige. Das Boxen braucht drei Dinge: Einschaltquote, Einschaltquote und Einschaltquote! Und der Weg dahin kann nur über neue Ideen führen, die dem Zuschauer und Quotenbringer ein Höchstmaß an Spektakel und echtem Weltklasse-gegen-Weltklasse-Boxen garantiert!
Nehmen wir einmal die Sauerland-Idee „Super-Six“ als Initialzündung und spinnen den guten Ursprungsgedanken zu einer neuen Idee weiter: Statt eines Turniers, aus welchem nach Monaten oder Jahren nur ein einziger Kämpfer als Sieger hervorgeht, könnte man auch an einem einzigen Abend zur Prime-Time ein fünf- bis sechsstündiges TV-Event anbieten, in welchem die vier oder fünf besten Boxer einer Gewichtsklasse aus Europa gegen die vier oder fünf besten Boxer vom amerikanischen Kontinent antreten. Es finden also vier oder fünf Kämpfe an einem Abend statt, wobei die jeweiligen Paarungen erst frühestens am Abend vor dem Event live im TV ausgelost werden.
Welcher Kontinent am Kampfabend dann die meisten Siege errungen hat, hat gewonnen. Selbstverständlich gibt es für jeden Kampf der Kontinente auch einen Rückkampf; die eingeladenen Boxer können sich durch interessante Ausscheidungskämpfe qualifizieren, kein Boxer muss seinen persönlichen Titel aufs Spiel setzen, die Zuschauer bekommen endlich das, was sie sehen wollen, und die Kohle fließt für alle Beteiligten wieder in Strömen. Diese Länder- oder Kontinentalkämpfe können so durchaus eine ständige Institution werden (wie es ja auch beispielsweise im Golfsport jedes Jahr einen Team-Cup Europa gegen Amerika gibt) und würden auch immer interessant bleiben, weil sich immer neue Leute an die Spitze ihrer jeweiligen Kontinente boxen, so dass sich die Besetzungen der jeweiligen Teams ständig verändern werden.
Die Vorstellung, im Cruisergewicht kämpfen so erbitterte Rivalen wie Marco Huck, Denis Lebedew, Ola Afolabi und Firat Arslan abendfüllend Seite an Seite in einem Europa-Team gegen das Team Amerika mit Joan Pablo Hernandez, Steve Cunningham, Antonio Tarver und Guillermo Jones, ist einfach nur elektrisierend.
Und die halbe Welt würde auch wieder vor dem Fernseher sitzen.Verehrte Deutsche Promoter, es gibt viel zu tun. Packt es an!
Herzlichst, Euer Andreas Grunwald, Ringfotograf (Sportfotodienst Stuttgart)
(C) Andreas Grunwald
Wofür steht Vitali Klitschko?
Im Durchschnitt sahen 13,29 Millionen Zuschauer, also 57,2 Prozent, wie der Schwergewichtsweltmeister Vitali Klitschko seinen Titel gegen den US-amerikanischen Herausforderer Shannon Briggs verteidigte. Warum?
Warum schauen sich so viele Menschen ausgerechnet einen Boxkampf an, der sportlich ein Muster ohne Wert ist? Der Mann aus Brooklyn war die Nummer 48 (!) der unabhängigen Weltrangliste. Kaum ein Mensch glaubte ernsthaft an seine Chance: Zu langsam, zu alt, zu klein, zu schwach, zu…
An Briggs kann es also nicht liegen.
Was hat Vitali Klitschko an sich, dass die Deutschen ihn so sehr mögen, dass sie in Scharen in die Arenen strömen, um ein oft, so finde ich, grottiges Vorprogramm über sich ergehen zu lassen, wenn sie denn überhaupt was sehen, da sie in einer so großen Arena viel zu weit weg sitzen. Und dann sehen sie sich einen Kampf an, in dem ein Ukrainer die ganze Zeit über seinen langen linken Arm wie eine Lanze ausgestreckt lässt, um möglichst jeden Annäherungsversuch seines Gegners zu unterbinden. Oder er würgt den Infight buchstäblich ab, indem er sich auf seinen Gegner legt. Beide Aktionen könnte ein nicht wohlwollender Ringrichter auch unterbinden.
Aber auch ganz abgesehen von diesen beiden Aktionen finde ich persönlich seinen Stil langweilig. Um es noch mal deutlicher zu sagen, was Klitschko im Ring macht, macht er gut. Aber er macht es so gut und ist dadurch so überlegen, dass es mich nur noch langweilt. Außerhalb von einigen europäischen Ländern scheint meine Meinung auch allgemein geteilt zu werden. Aber wie kommt es nun, dass die Deutschen diesen ukrainischen Boxer so lieben. Bei Henry Maske kann ich die Begeisterung ja noch verstehen. Maske stand für die vollzogene und geglückte Wiedervereinigung Deutschlands. Aber wofür soll Vitali Klitschko stehen?
© Uwe Betker