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Boxen und Homosexualität
Nach seriösen Schätzungen ist jeder 10te Deutsche homosexuell. D.h. in jeder Fußballmannschaft ist mindestens einer oder eine homosexuell – statistisch gesehen. Das führt natürlich immer wieder zu einem heiteren „Schwule Raten“ bei der deutschen Fußballnationalmannschaft. Dann hört man so etwas wie: „Der sieht doch schwul aus. – Der läuft wie ein Schwuler. “ usw. Tatsache ist, dass sich bis jetzt kein bekannter Fußballer in Deutschland als Homosexueller geoutet hat. Vermutlich ist das auch nicht ratsam. Der bekannteste bekennende schwule Fußballer ist Justinus Soni Fashanu. Der englische Fußballprofi wagte in seiner aktiven Zeit ein Coming-out. Am Ende erhängte er sich in seiner Garage.
Den 10% Homosexuellen steht eine statistisch nicht erfasste Zahl von Homophoben gegenüber. Man braucht nur zu irgendeinem Fußballspiel zu gehen, um eine Unzahl von homosexuellenfeindlichen Sprüchen zu hören, und das ohne dass ein bekennender Homosexueller auf dem Platz steht. Das ist auch ein Grund dafür, dass bis jetzt kein homosexueller Spitzensportler den Schritt in die Öffentlichkeit wagte.
Nun hat der Federgewichtler und bekennende Schwule Orlando Cruz (24 Kämpfe, 20 Siege, 10 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden) am 12.12.2013 gegen Orlando Salido einen WM Kampf bestritten und durch TKO verloren. Wie nicht anders zu erwarten war, waren die internationalen Medien begeistert. Endlich outete sich ein Spitzensportler und endlich hatte man eine Story. Es gab eine Unmenge an Vorberichten und sogar Berichte über seine Niederlage. Eine große deutsche Zeitung titelte: „Schwuler Boxer weint nach verlorenem WM-Kampf“.
Einige Kollegen meinten zu wissen, dass Cruz der erste bekennende, homosexuelle aktive Profiboxer ist, was Unsinn ist. Die für Universum Box-Promotion boxende Michele Aboro (21 Kämpfe, 21 Siege, 12 durch KO) war eine bekennende Lesbe, war ihrer Karriere nicht gut tat. Obwohl sie Weltmeisterin in Super Bantamgewicht und mit Sicherheit die beste Boxerin ihrer Zeit war, wenn nicht sogar eine der besten Boxerinnen aller Zeiten, konnte oder wollte man sie nicht vermarkten. Zu offensichtlich war es, dass sie Frauen liebt. Sie bekam schlicht keine Kämpfe mehr.
Andere Journalisten erinnerten sich an den Fall Emile Griffith (112 Kämpfe, 85 Siege, 23 durch KO, 24 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden). Griffith war einer der ganz großen Boxer. Sein Kampfrekord liest sich wie ein Who Is Who des Boxens seiner Zeit. Er war Weltmeister im Welter-, Junior Mittelgewicht und Mittelgewicht. Griffith boxte dreimal gegen Benny Kid Paret. Beim Wiegen vor ihrem letzten Kampf am 24.03.1962 im Madison Square Garden in New York, heizte Paret die Stimmung auf, indem er Griffith verbal mit homosexellenfeindlichen Sprüchen beleidigte.
Der Kampf war brutal und episch. Griffith musste in der sechsten Runde zu Boden, wurde angezählt und kam wieder hoch. Hiernach zermürbte er seinen Gegner. In der zwölften Runde stellte er Paret in einer Ringecke und ließ ihn nicht mehr raus. Paret, der nicht umfallen konnte nahm Schlag um Schlag. Als der Ringrichter endlich dazwischen ging, rutschte Paret zu Boden. Noch im Ring fiel er ins Koma. Zehn Tage später starb er im Krankenhaus. Millionen Menschen hatten den Kampf im Fernseher gesehen.
Griffith boxte weiter, aber er versuchte nie wieder, einen seiner Gegner KO zu schlagen. In seiner zweiten Autobiographie von 2008 machte er seine Homosexualität öffentlich, was für einen Skandal sorgte. Griffith kommentierte die Reaktionen u. a. wie folgt: „Ich muss immer daran denken, wie seltsam das ist… Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, was mich zu einem schlechten Menschen macht. Wenn ich auch nicht im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt.“
Die Zuschauer, die den Cruz vs. Salido Kampf in Las Vegas verfolgten, reagierten wie man es erwarten konnte. Sie buhten Cruz aus und beschimpften ihn. Es gab sogar Sprechchöre, die ihn als Stricher bezeichneten. Offensichtlich gab es im Thomas & Mack Center eine große Anzahl an homophoben Boxfans. Homophobie wird in den Sozialwissenschaften „unter den Begriff gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gefasst“, d.h. sie ist nicht krankhaft abnorm, sondern eher nur banal dumm.
Wikipedia definiert: „Homophobie bezeichnet also einerseits eine irrationale Angst vor den eigenen, nicht in das Selbstbild passenden und deshalb abgewehrten und ins Unbewusste verdrängten, weiblichen bzw. männlichen Persönlichkeitsanteilen und andererseits die daraus resultierenden Gefühle wie Ekel, Verachtung und Hass und drittens die durch homophobe Personen in die Gesellschaft getragenen Vorurteile, Verfolgungstendenzen und Gewaltpotentiale. Aus tiefenpsychologischer Sicht handelt es sich bei Homophobie – wie bei Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus – um eine meist unbewusste Angst, die eigene Identität in Frage zu stellen.“ Ganz platt ausgedrückt: Homophob sind die Männer und Frauen, die eigentlich selber homosexuell sind und sich nicht trauen.
Offen gelebte und selbstbestimmte Sexualität kann sich ein Spitzensportler, der mit seinem Sport Geld verdienen will, nicht leisten. Dementsprechend wirkt es immer ein wenig seltsam, wenn jemand einen anderen als vermeintlichen Homosexuellen outet. Der wohl bekannteste Fall eines Outing von einem Fremden war das von Rosa von Praunheim. Der Schwulenaktivist und bekennende Homosexuelle von Prauheim oder auch Holger Bernhard Bruno Mischwitzky, geboren als Holger Radtke, bezeichnete am 10. Dezember 1991 den Moderator Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling in der Sendung „Explosiv – Der heiße Stuhl“ von RTL-Plus als schwul. Später nannte er dies einen „Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der AIDS-Krise“.
Manuel Charr (26 Kämpfe, 25 Siege,15 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) oder auch Diamond Boy, geboren als Mahmoud Omeirat Charr, bezeichnete im September den Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko in der Sendung „Promi Big Brother“ von SAT1 als schwul. Leider sind seine altruistischen Gründe hierfür unbekannt.
Mich persönlich interessiert nun die sexuelle Orientierung von Menschen immer nur dann, wenn ich selber an ihnen als Sexpartner interessiert bin. D.h. mir ist es egal, was Orlando Cruz, Wladimir Klitschko und Manuel Charr im Bett so machen. Mich interessiert nur, was sie im Ring machen.
© Uwe Betker
Die traurige Geschichte des Wilfred Benítez (3)
Am 14. Januar 1979 bekam Benítez seine Chance im Weltergewicht gegen den Weltmeister der WBC Carlos Palomino. Palomino war durch einen TKO-Sieg in Runde 12 im Empire Pool (Wembley) gegen den Engländer John H. Stracey Weltmeister geworden. Danach hatte er seinen Titel erfolgreich gegen den guten Armando Muniz (21.01.1977, TKO 15), den Europameister Dave Green (14.06.1977, KO 11), den eher durchschnittlichen Italiener Everaldo Costa Azevedo (13.09.1977, W15), den unterdurchschnittlichen Jose Palacios (10.12.1977, KO 13), gegen den starken Japaner Ryu Sorimachi (11.02.1978, KO 7), gegen den eher schwachen Mimoun Mohatar (18.03.1978, TKO 9) und schließlich erneut gegen Armando Muniz (27.05.1978, W 15) verteidigt. Palomino war einer der Lieblinge der mexikanisch-stämmigen Boxfangemeinde in Süd-Kalifornien.
Für Benítez waren die Vorbereitungen auf dem Kampf überschattet von den Querelen zwischen seinem Vater, der immer noch sein Trainer war, und dem Trainer, den sein Manager Jimmy Jacobs für ihn engagiert hatte. Emile Griffith, selber ein legendärer Boxer und später ein sehr guter Trainer, konnte sich nicht mit Benítez Vater über die Taktik für den Kampf einigen. Griffith setzte sich am Ende durch und Benítez gewann nach Punkten durch Mehrheitsentscheidung. Die Punktrichter werteten 142:145, 146:143 und 146:142.
Nach einer Titelverteidigung gegen den zähen Harold Weston (25.03.1979, W 15) bekam es Benítez mit dem „Golden Boy“ und aufstreben Superstar Sugar Ray Leonard zu tun. Leonard wollte seinen ersten WM-Titel holen, und Benítez wollte überhaupt nicht mehr trainieren. Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Benítez 2 oder 9 Tage für diesen Kampf trainiert hatte, fest steht aber, dass seine Vorbereitung unzureichend war. Daher war es schon fast zwangsläufig, dass er am 30.11.1979 in Las Vegas die erste Niederlage seiner Profikarriere hinnehmen musste. Es war ein intensiv geführter Kampf zweier Techniker mit ausgeprägten Defensivkünsten. Benítez musste in der dritten Runde zu Boden und in der sechsten Runde bekam er durch einen unabsichtlichen Zusammenprall der Köpfe einen Cut auf der Stirn. In der 15ten und letzten Runde wurde er erneut zu Boden geschlagen, der Ringrichter Carlos Padilla zählte ihn an und gab den Kampf noch einmal frei. Es folgte ein kurzer Schlagabtausch und der Ringrichter stoppte den Kampf 6 Sekunden vor dem Schlussgong. Leonard zollte ihm und seinen boxerischen Fähigkeiten nach dem Kampf seinen Respekt.
Nach dieser Niederlage stieg Benítez wieder eine Gewichtsklasse auf, in das Halbmittelgewicht. Dort besiegte er am 23. Mai 1981 den WBC-Titelträger Maurice Hope. Dabei handelte es sich um jenen Hope, der als Europameister den späteren Weltmeister im Mittelgewicht Vito Antuofermo (01.10.1976, TKO 15) geschlagen und dem deutschen Weltmeister Eckhard Dagge (15.03.1977) ein Unentschieden abgetrotzt hatte, bevor er Rocky Mattioli, den Bezwinger Dagges, (04.03.1979) durch TKO in Runde 9 besiegte. Danach verteidigte der Rechtsausleger seinen Titel noch drei Mal erfolgreich gegen Mike Baker (25.09.1992, TKO 7), Rocky Mattioli (17.07.1980, TKO 11) und Carlos Maria del Valle Herrera (26.11.1980, W 15).
Der Kampf gegen Hope wurde mit unglaublichen Härte und Verbissenheit geführt. Benítez musste viel einstrecken, aber Hope noch mehr. Benítez schlug Hope zuerst zwei Zähne aus, bevor er ihn dann in der 12ten Runde TKO schlug. Der KO wurde zum KO des Jahres gekürt. Der Kampf war wohl der Höhepunkt von Benítez’ Karriere. Er war 22 Jahre alt und der jüngste Dreifachweltmeister aller Zeiten. Aber seine große Zeit neigte sich schon dem Ende zu.
© Uwe Betker
Homosexualität und Boxen (1.)
Wenn man an die berühmte und oft kolportierte Zahl 10 glaubt, ist jeder zehnte Mann und jede zehnte Frau homosexuell. Das müsste dann auch heißen, dass es in der Fußball Nationalmannschaft und in jeder Bundesliga Mannschaft mindestens einen Schwulen gibt. Wer sich anhört, was Fußballern aus der gegnerischen Fankurve so zugerufen wird, könnte der Prozentsatz auch in Richtung 100% gehen.
Jetzt könnte man mit einem „Heiteren Schwulen Raten“ anfangen. Man könnte z.B. vor seinem geistigen Auge eine beliebige Fußballmannschaft Revue passieren lassen und jeden Zehnten für schwul erklären. Oder man könnte nach Anzeichen für Homosexualität anhand von Kleidung, Haarschnitt, Sympathie und Antipathie suchen. Aber was sind untrügliche Anzeichen für einen Homosexuellen und was sind dann noch Anzeichen für einen homosexuellen Boxer? Fehlender Punch? Schnelle Beine? Gutes Aussehen?
Fest steht: Will man den Schwulen und Lesben „auf die Schliche kommen“, muss man raten, weil es heute immer noch nicht möglich ist, einen „männlichen Sport“ als Profi auszuüben und seine Homosexualität nicht zu verstecken. Oder doch?
Wie viele homosexuellen Boxer kennen wir? Von wie vielen wissen wir, dass sie „es“ sind? Ich kenne nur zwei. Der Erste ist Emile Griffith (112 Kämpfe, 85 Siege, 23 durch KO, 24 Niederlagen, 2 durch KO und 2 Unentschieden). Richtig der große Emile Griffith. Nur zur Erinnerung: Griffith war von 1961 bis 1965 Weltmeister des WBC und der WBA (d.h. vereinigter Weltmeister aller Verbände) im Weltergewicht. Von 1966 bis 1968 war er Weltmeister des WBC und der WBA (d.h. wieder vereinigter Weltmeister aller Verbände) im Mittelgewicht. Beide Male verlor er seinen Titel, um ihn sich dann direkt wieder zu erkämpfen. Und 1962 holte er sich nebenbei auch noch den Titel im Halbmittelgewicht.
Ein tragischer Unfall überschattet seine Karriere. Er schlug einen seiner Gegner, Benny Paret, tot. Es war das dritte Aufeinandertreffen der Beiden. In der ersten Begegnung (01.04.1996) nahm Griffith dem Mann aus Kuba den Weltergewichtstitel ab, indem er ihn in der 13. Runde KO schlug. Den Rückkampf (30.09.1961) verlor er knapp nach Punkten. Der dritte Kampf (24.03.1962), der im Madison Square Garden stattfand, stand unter keinem guten Vorzeichen. Beim Wiegen nannte Paret den Mann aus St. Thomas/Jungferninseln einen „maricón“ – einen Schwulen, einen weibischen Kerl. Die anwesende Presse hielt diese antihomosexuellen Ausfälle für eine “normale” Provokation vor einem Kampf.
In der sechsten Runde hatte Paret Griffith nahe an einem KO, aber die Glocke rettete Griffith. In der zwölften Runde stellte Griffith seinen Gegner in einer Ringecke und ließ ihn nicht mehr heraus. Er schlug auf einen Mann ein, der ohne Bewusstsein war, aber noch auf seinen Füßen stand. Als der Ringrichter endlich den Kampf stoppte, rutschte Paret in der Ringecke zu Boden und erlangte nicht mehr das Bewusstsein. Zehn Tage später starb er.
In den 60er Jahren wäre es das Ende der Karriere für einen Athleten oder Prominenten gewesen, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Griffith outete sich nicht und seine Karriere ging weiter. 1990 wurde er in die „International Boxing Hall of Fame“ aufgenommen. Bis heute hält er den Rekord in geboxten Runden in WM Kämpfen: 310 geboxte Runden. Erst 2008, mit siebzig Jahren und wohl wissend, dass ihm die Dementia pugilistica nicht mehr viel Zeit lässt seine Geschichte zu erzählen, sprach Emile Griffith in seiner Autobiographie erstmals über seine seit Jahren vermutete Homosexualität. Dabei zieht er ein sehr bitteres Resümee:
„I keep thinking how strange it is … I kill a man and most people understand and forgive me. However, I love a man, and to so many people this is an unforgivable sin; this makes me an evil person. So, even though I never went to jail, I have been in prison almost all my life.” (Ich muss immer daran denken, wie seltsam das ist… Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, was mich zu einem schlechten Menschen macht. Wenn ich auch nie im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt).
© Uwe Betker