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Eine große Show in Roeselare
Im Zentrum der belgischen Provinz Westflandern fand am Samstag eine bemerkenswerte Veranstaltung statt, deren Austragungsort die Eventhal Schiervelde in Roeselare war. Zu sehen gab es fünf Amateur- und sechs Profiboxkämpfe.
Den Anfang machten im Weltergewicht Houssain Ghulian (10 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) und Brice Bula Galo (11 Kämpfe, 10 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlage). Der amtierende belgische Meister Bula Galo hatte nur wenig Mühe in dem Kampf. Er bestimmte ihn. Bereits nach wenigen Sekunden kam er in seiner eigenen Ecke mit einer harten Graden zum Kopf durch, die Ghulian erschütterte. Wenig später nahm Ghulian Kopftreffer in einer neutralen Ecke und ging das erste Mal zu Boden. Das wiederholte sich kurze Zeit später noch einmal. Den dritten Niederschlag gab es, als der nun im Rückwärtsgang agierende Ghulian durch einen Schrittfehler aus der Balance geraten war und gleichzeitig Treffer nehmen musste. Der Ringrichter Hassan Naji hatte genug gesehen und winkte den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1, nach 2:15 Minuten: Brice Bula Galo.
Es folgte eine Ehrung für den unvergessenen „Löwen von Flandern“, Jean Pierre Coopman. Die belgische Schwergewichtslegende kämpfte am 20. Februar 1972 in Puerto Rico gegen Muhammad Ali. Er unterlag durch KO in Runde 5. Coopman bekam einen Ehrengürtel der Europäischen Boxunion überreicht.
Im zweiten Kampf des Abend trafen im Super Leichtgewicht Ahmed El Hamwi (28 Kämpfe, 18 Siege, 1 durch KO, 8 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) und Luka Leskovic (32 Kämpfe, 5 Siege, 1 durch KO, 25 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) für einen Sechsrunder aufeinander. El Hamwi machte von Anfang an Druck. Er trieb seinen Gegner vor sich her und kam immer wieder mit Rechten zum Kopf durch. Leskovic hielt sporadisch dagegen und versuchte mit heiler Haut aus den Ring zu kommen. El Hamwi arbeitete gut mit der Führhand aber aus einem unerfindlichen Grund schlug er so gut wie keine rechte Grade. So einseitig wie der Kampf war, so einseitig war auch das Punkturteil. Einstimmiger Sieger nach Punkten (60:54, 60:52 und 60:54): Ahmed El Hamwi.
Nach einer kurzen Pause begann die TV Übertragung. Im Super Mittelgewicht boxten Timo Rost (7 Kämpfe, 6 Siege, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Constantin Pancrat (16 Kämpfe, 7 Siege, 1 durch KO, 8 Niederlagen, 1 Unentschieden) in einem Sechsrunder gegeneinander. Rost suchte direkt den Abtausch. Mitte der ersten Runde öffnete er einen Cut am linken Auge von Pancrat. Die Runde wurde intensiv geführt. In der zweiten und dritten Runde agierte Rost verhaltener, stellte sich immer wieder in Doppeldeckung vor seinen Gegner, ließ diesen agieren und blockte die Schläge ab, um dann zu kontern. In der vierten Runde dominierte Rost das Geschehen im Ring mit seiner Führhand. Immer wieder kam er dann mit Links-Rechts-Kombinationen durch die Mitte zum Kopf durch. Mehrfach ließen Aufwärtshaken den Kopf von Pancrat nach hinten schnappen. In der fünften und sechsten Runde boxte Rost für die Galerie. Er bestimmte den Kampf nach Belieben, er spielte geradezu mit Pancrat und performte. In der letzten Runde startete Pancrat noch ein paar verzweifelte Angriffe, um sich der drohenden Niederlage entgegenzustemmen. Die aber konnte Rost souverän abkontern Die Punkrichter werten 58:56, 57:57 und 57:57, damit gab es durch Mehrheitsentscheidung ein Unentschieden – was ich persönlich aber nicht so gesehen habe – für mich ein Fehlurteil.
Im Mittelgewicht maßen Sasha Yengoyan (49 Kämpfe, 42 Siege, 25 durch KO, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden) und Nikola Matic (56 Kämpfe, 16 Siege, 11 durch KO, 40 Niederlagen, 8 durch KO) ihre Kräfte. Der Kampf lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Yengoyan wollte den KO, bekam ihn aber nicht. Yengoyan versuchte von der ersten Sekunde an, seinen Gegner KO zu schlagen. Der wollte das aber aus verständlichen Gründen nicht. Matic erkannte schnell, dass seine boxerischen Mittel für einen Sieg nicht reichen würden. Also versuchte er, Yengoyan den Kampf kaputt zu machen. Einstimmiger Punktsieger (60:54, 60:54 und 59: 56): Sasha Yengoyan.
Hiernach stiegen zwei Frauen in den Ring, Oshin Derieuw (11 Kämpfe, 11 Siege, 4 durch KO) und Gülsum Tatar (4 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO, 1 Niederlage). Der Achtrunder wurde im Super Leichtgewicht geführt. Derieuw begann verhalten. Sie hatte offensichtlich Respekt vor der Schlagkraft ihrer Gegnerin. Sie trug Tatar zwar immer wieder den Kampf an, aber mit großer Vorsicht. Tatar setzte die besseren Treffer. Derieuw wurde im zweiten Durchgang stärker. Mitte der Runde kam sie mit einer schönen 1-2-Kombination zum Kopf durch. Hierdurch bestärkt, versuchte sie in der nächsten Runde mehr zu machen. Sie boxte an und versuchte zu punkten. Tatar aber hielt sie sich mit ihrer steifen Rechten Derieuw vom Hals. In der vierten Runde kam Derieuw praktisch nicht an ihre Gegnerin heran. In den folgenden Runde erhöhten beide Boxerin den Druck. So kam es zu vielen schönen Abtauschen. Über dem rechten Auge von Tatar bildete sich eine Schwellung. Die Runden sechs und sieben gingen an Derieuw, die die Distanz gefunden hatte und mutiger geworden war. Die achte Runde war dann wieder hart umkämpft. Tatar suchte den KO, aber er kam nicht. Einstimmige Punktsiegerin (79:73, 78:74 und 78:74): Oshin Derieuw. Der Kampf war, so wie ich ihn gesehen habe, sehr viel enger.
Den Hauptkampf des Abends bestritten Yves Ngabu (20 Kämpfe, 20 Siege, 14 durch KO) und Micki Nielsen (27 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 2 Niederlage). Ngabu machte die zweite Titelverteidigung seines Europameistertitels im Cruisergewicht. Beide Kontrahenten lieferten sich einen richtig guten Kampf, wenn er auch nicht immer schön anzusehen war, denn es wurde immer wieder geklammert. Am Anfang gab es nur ein sehr kurzes Abtasten und schon ging es zur Sache. Insgesamt wurde der Kampf hart geführt. Ab der fünften Runde hatte Nielsen schwer Nasenbluten. Aber er machte Ngabu das Leben schwer. Einstimmiger Punktsieger (119:111, 117:112 und 117:112): Yves Ngabu.
© Uwe Betker
Gastbeitrag: Düsseldorf feiert Timo Rost
Düsseldorf feiert seinen neuen Lokalmatador im klassischen Faustkampf in der Classic Remise. Nach acht Runden stand Timo Rost als einstimmiger Sieger nach Punkten im Super Mittelgewicht fest. Eine Tatsache, die sein beherzt kämpfender Gegner Tiran Metz nicht wahrhaben wollte und noch lange nach der Urteilsverkündung wütend als „Fehlurteil“ wertete. Sein größter Fehler an diesem Abend.
Dabei zeigte sich Metz als die erwartet harte Nuss, die der 27-jährige Timo Rost zu knacken hatte. Der Essener sollte ein ernstzunehmender Gegner in der noch jungen Profikarriere des Düsseldorfers werden. Um den anfangs übermotivierten Rost jedoch in die Grenzen zu zwingen, geschweige denn an den Rand einer Niederlage zu bringen und sich ernsthaft über das Urteil beschweren zu können, hätte Metz mehr Leistung zeigen müssen. Doch Einzelaktionen reichen im heutigen Profiboxen nicht mehr aus, insbesondere in einer Gewichtsklasse in der zwischen unterschiedlichen Distanzen hin- und hergependelt werden und Schnelligkeit und Beinarbeit eine gewisse Rolle spielen kann. Kurzum: Metz zeigte zu wenig. Rost wurde seiner Rolle als Favorit gerecht und ließ sich durch den auf acht Runden angesetzten Kampf von Beginn auf einer Welle der Euphorie tragen.
Zum Kampf: Erst ab der dritten Runde konnte Timo Rost seine besseren boxerischen und konditionellen Qualitäten zeigen. Vorher hielten sich beide Boxer zu sehr damit auf, sich durch klammern zu neutralisieren. Unabhängig, von wem dieses Stilmittel hauptsächlich eingesetzt wurde. Erst als sich Rost in der dritten Runde mehr bewegte, dadurch zwar längere Wege an den Ringseilen gehen musste, nahm sein Kampf Gestalt an und er bekam Zugriff auf den 32-jährigen Metz, der mit einer Bilanz von 22 Kämpfen, davon 15 Siege, drei Niederlagen und vier Unentschieden in die Düsseldorfer Classic Remise anreiste.
Rosts bis dato schönste Kombination, die mit einem linken Haken zum Kopf aus der „neuen“ Halbdistanz ins Ziel fand, schoss der Lokalmatador in der vierten Runde ab. In diesem Moment hatte er die exakte Entfernung gefunden. Metz reagierte wie häufig an diesem Abend mit Einzelaktionen, die allerdings selten trafen oder Rost in Verlegenheit brachten. Wobei es der Lokalmatador seinem Gegner auch zeitweise sehr leicht machte. Seine Deckung befand sich wiederholt nicht dort, wo sie der Erfinder des Spiels sowie Rosts Trainer Rüdiger May sehen wollte.
Wobei Deckung ein Thema ist, die richtige Distanz ein anderes. Ab der sechsten Runde zeigte sich Rost häufig zu weit vom Gegner entfernt, um nach diversen Kombinationen nachsetzen zu können. Ein bis zwei Schritte in Richtung Gegner aber außerhalb dessen Reichweite hätten den Druck auf Metz erhöhen können, der durch die zu große Entfernung die Gelegenheit bekam, sich positionieren und Einzelaktionen starten zu können.
Groß war der Schrecken unter den Besuchern allerdings in der siebten Runde als der Ringarzt in Rosts Ecke gerufen wurde. Nach einem unabsichtlichen Kopfstoß zeigte sich ein Cut über Rosts linkem Auge. Doch er boxte weiter, wobei Metz diese Verletzung auch nicht in den letzten beiden Runden konkret anvisierte, im Gegensatz zu anderen Kämpfern. So gelangten beide Sportler in die letzte Runde, in der Rost noch einmal Druck machte und signalisierte, dass er über mindestens acht Runden gehen kann. Ein deutliches Signal für künftige Herausforderungen?
Ein abschließendes Wort zu Tiran Metz, der sich nach dem einstimmigen Urteil zugunsten von Timo Rost ungerecht behandelt fühlte. Er hat gut gekämpft und damit einen interessanten Boxabend mitgestaltet – und ein guter Kämpfer sollte kein schlechter Verlierer sein.
Während Timo Rost sein vorgegebenes Soll erfüllte, blieb Sherif Morina (Dinslaken) dahinter zurück. Sechs Runden im Weltergewicht à drei Minuten bekam er, um den neun Jahre älteren Juma Waswa (Uganda) von seinen boxerischen Fähigkeiten zu überzeugen, geschafft hat er es nicht. So endete der Vergleich mit einem Unentschieden, das Teile des Publikums zu Ungunsten des Uganders als Fehlurteil werteten. Der 37-jährige hatte sich mit einer couragierten Leistung in die Herzen des Publikums gekämpft.
Dabei schien zu Beginn des Vergleichs alles seinen gewohnten Lauf zu gehen. In den ersten beiden Runden setzte Sherif seinen Gegner dermaßen unter Druck, als wolle er in seinem achten Profikampf den fünften KO feiern. Geschickt entschärfte er durch eine starke Deckung die linke Schlaghand des Rechtsauslegers Wasma zum Körper oder zum Kopf und setzte seinerseits gute Akzente.
Doch ab der dritten Runde zeigte sich Sherif immer ratloser. Ein Plan B schien nicht im Handgepäck versteckt worden zu sein. Seinen Ausdruck erreichte die scheinbare Unsicherheit Sherifs mit einer Tiki-Taka-Boxserie, als er Wasma an den Ringseilen stellen konnte. Doch statt eines willensstarken Auftretens passierte – nichts. Ohne Herz, ohne Dynamik, fast gleichgültig, gleichwohl als würde im Kino eine falsche Filmspule eingelegt werden und der Vorführer merkt es nicht, vergab Morina diese Situation.
Somit wurde Wasma mit zunehmendem Kampfverlauf mutiger. Der Ugander entzog sich den Attacken des 28-jährigen Deutschen und setzte hier und da seine Nadelspitzen, zumal Sherif zunehmend seine Deckung vernachlässigte. Wasma konterte, wenn er die Chance sah, wich aus, wenn er Platz fand, blieb stets gefährlich und trug seinerseits viel dazu bei, dass sich am Ende das Unentschieden für Sherif eher als eine Niederlage anfühlte.
Zwei interessante Begegnungen, bleibt die dritte Paarung des Kampfabends. Darin traf der Kölner René Oeffner (22) im Halbschwergewicht auf Marko Kuvac (Bosnien und Herzegowina). Um es vorweg zu nehmen: Oeffner verbrachte mehr Zeit beim Aufwärmen als im Ring. Drei Mal ging der 31-jährige Kovac bereits in der ersten von sechs Runden zu Boden. Danach hatte der BDB Ringrichter Maurizio Rinaudo ein Einsehen mit allen Beteiligten. Oeffner verbesserte seine Kampfbilanz damit auf 13 Siege bei 14 Kämpfen, davon neun durch KO.
Übrigens: Einen Europameister bekamen die rund 600 Besucher doch zu sehen. Die Cheerleader des SC Unterrath überbrückten als amtierende Deutscher Meister und Europameister die Kampfpause und begeisterten.
Die zahlreichen Fans von Rost feierten noch lange den Sieg ihres Helden in der Düsseldorfer Classic Remise, welche ein toller Rahmen für die Veranstaltung war.
(C) Manfred Fammler
Die ultimativ subjektive Liste 2017
Boxer des Jahres
Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) stieg am 29.04.2017 im Wembley Stadion in London zum letzten Mal in den Ring. Er verlor gegen Anthony Joshua. Es hätte vermutlich keiner vorher ernsthaft erwartet, dass Klitschko im Herbst seiner Karriere noch einmal zu einer solchen Leistung fähig wäre.
Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Alexander Mengis und Eduard Gutknecht zahlen einen hohen Preis für ihre Liebe zum Boxen.
Boxerin des Jahres
2017 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.
KO des Jahres
Im Viertelfinale der World Boxing Super Series, im Turnier im Cruisergewicht, knockte der Kubaner Yunier Dorticos (22 Kämpfe, 22 Siege, 21 durch KO) den Russen Dmitry Kudryashov (23 Kämpfe, 21 Siege, 21 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) in der zweiten Runde durch eine perfekte Rechte zur Schläfe aus.
Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben und bei denen Boxer um den Sieg betrogen wurden.
Rookie des Jahres
Sherif Morina (6 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO) ist seit eineinhalb Jahren Profi. Er boxt im Weltergewicht und boxt mit hohem Risiko, sowohl was seinen Kampfstil als auch was die Auswahl seiner Gegner anbelangt.
Überschätzter Boxer des Jahres
Christian Hammer (27 Kämpfe, 22 Siege, 12 durch KO, 5 Niederlagen, 2 durch KO) alias Cristian Ciocan boxte am 15. Dezember 2017 um den WBO International Titel im Schwergewicht gegen Alexander Povetkin (34 Kämpfe, 33 Siege, 23 durch KO, 1 Niederlage). Auf meinem Punktzettel gewann er keine Runde.
Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.
Punktrichter des Jahres
Urs Schneider (BDB), ein Punktrichter der in seiner ganzen Karriere noch kein einziges Fehlurteil gefällt hat: Hinzu kommt ein vorbildlicher Auftritt als Supervisor.
Ringrichter des Jahres
Jens-Uwe Baum (GBA) agiert unauffällig und unaufgeregt, auch wenn es im Ring hektisch wird.
Absteiger des Jahres (männlich)
Der am 22.12.2014 verstorbene Erfolgstrainer Fritz Sdunek war so etwas wie der Säulenheilige des deutschen Boxens. Eine Reportage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigte, dass er wohl doch so heilig nicht war.
Absteiger des Jahres (weiblich)
Gab es sie?
Aussteiger des Jahres
Der Wuppertaler Schwergewichtler und Kultboxer Werner Kreiskott (46 Kämpfe, 25 Siege, 17 durch KO, 19 Niederlagen, 8 durch KO, 2 Unentschieden) machte im Oktober seinen letzten Kampf. Er war ein Boxer, der seine Kämpfe gewann, der aber auch verlor und beides machte er mit Würde. Viele werden ihn im Ring vermissen. Alle aber sind, wie ich, froh, dass er den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt gewählt hat.
Veranstalter des Jahres
Die 15-jährige Ranee Schröder dürfte wahrscheinlich immer noch die jüngste Promoterin der Welt sein. Sie war Veranstalterin des WBF WM-Kampfes im Cruisergewicht zwischen Serdar Sahin und Javier Sanabria auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“ am 18. November 2017 in der Messe Essen.
Veranstaltung des Jahres
Die GBA ging am 18. November 2017 neue Wege, um Werbung für das Profiboxen in Deutschland zu machen: Sie veranstaltete selber eine Profiboxveranstaltung, und zwar in der Messehalle Halle 7 der Messe Essen. Auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“, einer Verbrauchermesse, gab es Profiboxen zu sehen und die Zuschauer waren die Messebesucher, die vorbei kamen.
Boxevent des Jahres
Da findet eine Schwergewichtsweltmeisterschaft in Deutschland statt und die Halle ist nicht ausverkauft. Da wird jemand, der seit ewiger Zeit in Deutschland lebt, Weltmeister im Schwergewicht und ein Teil der Presse fragt nach seinem Pass. In der Arena Oberhausen fand am 15.11.2017 eines der seltsamsten Boxevents aller Zeiten statt: Manuel Charr vs. Alexander Ustinov.
Fehlentscheidung des Jahres
Am 04. März 2017 gab Araik Marutjan sein Profidebüt gegen Serhii Ksendzov. Sauerlands neuer Mittelgewichtler Marutjan dominierte den Kampf. Dann erlitt er einen Achillessehnen-Abriss und konnte nicht weiter boxen. Im Ring wurde offenbar ein “No Contest“ verkündet. Später wandelte der BDB das Urteil in einen Sieg für Marutjan um.
Trainer des Jahres
Habe ich nicht gesehen.
Entgleisung des Jahres
Malte Müller-Michaelis und Gerhard Pfeil schrieben in „Der Spiegel“: „Die Promoter witterten das schnelle Geld. Statt Talente ordentlich auszubilden, schickten sie unfertige Athleten ins Feuer. Durchschnittsboxer wie Sven Ottke oder Markus Beyer wurden zu Weltmeistern hochgejazzt.“
Boxkampf des Jahres (männlich)
Im Wembley Stadion in London versuchte Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) am 29.04.2017 gegen Anthony Joshua noch mal Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Vorher hatte kaum jemand geglaubt, dass der einundvierzigjährige Herausforderer Klitschko zu einer solchen Leistung, wie er sie dann zeigte, nochmal fähig sein würde. Womöglich hätte er den Kampf sogar gewinnen können, hätte er in den Kunstpausen von Joshua nur konsequent angegriffen. Seine Ecke aber, allen voran sein Bruder Vitali, verhinderten dies.
Boxkampf des Jahres (weiblich)
Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) besiegte am 05.08.2017 in Essen auf sehr beeindruckende Weise Sandy Coget (16 Kämpfe, 8 Siege, 7 Niederlagen, 1 Unentschieden). Durch einen technisch sehr gut und hart geführten Kampf verteidigte Sahin ihren UBO Weltmeister- und ihren WBF Interconti-Titel.
Comeback des Jahres (männlich)
Habe ich übersehen.
Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.
Bester Show Act des Jahres
Der Ringsprecher Dave Kaufmann sang bei der Freiluftveranstaltung in Gelsenkirchen am 08. Juli 2017 „New York, New York“ – großartig.
Ringsprecher des Jahres
Thomas Bielefeld ist die Stimme des Profiboxens in Deutschland.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Leichtgewichtler Gabor Veto (31 Kämpfe, 31 Siege, 23 durch KO) hat 2017 nicht geboxt. Dennoch verdient er einen WM Kampf. Er sitzt in einer Falle: Er lebt in der Schweiz, ist Ungar und ist zu stark, um ohne Not eine Chance auf einen Titelkampf zu bekommem.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Leichtgewichtlerin Beke Bas (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) dürfte reif für eine WM sein. Sie eine Kriegerin, die nach vorne geht und den Sieg erkämpfen will.
Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (männlich)
Der in Kanada lebende Kolumbianer Oscar Rivas (22 Kämpfe, 22 Siege, 16 durch KO) wird nie genannt, wenn es um einen WM Kampf geht. Der 22-jährige ist einer denen, die im Schwergewicht ganz weit oben mitmischen könnten.
Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (weiblich)
Verena Kaiser (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) ist Weltmeisterin der WIBF und GBU im Weltergewicht.
Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (männlich)
Irgendwelche Come-Back-Kämpfe von Boxern, die durch sind und nur noch einmal Kasse machen wollen, obwohl sie schon genug Geld verdient haben.
Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (weiblich)
Alle schlechten.
Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (männlich)
Einen Kampf von Agit Kabayel (17 Kämpfe, 17 Siege, 12 durch KO) gegen einen Top-Ten Mann im Schwergewicht.
Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (weiblich)
Ein Aufeinandertreffer der beiden deutschen Minimumgewichtlerinnen Tina Rupprecht (7 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO) und Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) wäre einer der besten Frauenboxkämpfe, die 2018 weltweit möglich wären.
© Uwe Betker
Zwei Profiboxkämpfe in Kelmis/Belgien
Kelmis ist eine der neun Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien. Es liegt der belgischen Provinz Lüttich, praktisch direkt hinter Aachen. Hier nun fand am 25. April 2015 in der Halle des Sportzentrums eine Boxveranstaltung statt. Nicht nur war es die erste Veranstaltung mit Profis überhaupt in Kelmis, sondern damit sollte auch die Wiedergeburt des Profiboxens im deutschsprachigen Belgien eingeleitet werden. Bislang gab es zwar noch keine Profiboxer aus der Region, aber dies soll sich bald ändern. Es gab zunächst 8 Amateurkämpfe zu sehen, die zum Teil sehr gut waren. Dann gab es eine Pause, in der der größere Teil des Publikums, der sich eine VIP Karte gegönnt hatte, erst einmal aß. Es gab Krabbencocktail, Geflügelbraten, Gratins, Gemüseplatte, Nudelspezialitäten mit frischen Soßen und Mousse au Chocolat. Dazu wurden Wein und Wasser gereicht. Es trat auch eine Gruppe von jungen Frauen auf, deren Show eine Mischung aus Tanz, Gymnastik und Aerobic war. Den Abschluss der Veranstaltung bildeten dann zwei Profikämpfe. Im ersten trafen im Mittelgewicht Mohamed Sidi Slimani (13 Kämpfe, 7 Siege, 4 durch KO, 5 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden) und Varujan Martirosyan (4 Kämpfe, 3 Siege, 1 Niederlage) aufeinander. Ihr Kampf war auf vier Runden angesetzt. In der ersten Runde besetzte Martirosyan die Ringmitte. Von dort agierte er. Slimani war passiv und hatte nur wenige Momente. In der zweiten Runde wurde er mehrfach in den Seilen gestellt und mit Schlagkombinationen eingedeckt. Im folgenden Durchgang wurde er dann zwar stärker, konnte aber den technisch besser boxenden Martirosyan nicht in Gefahr bringen. In der letzten Runde hatte keiner der Beiden noch Kraft und es gab zum Schluss eine unterhaltsame Keilerei, mit vielen Schwingern, die ihr Ziel verfehlten. Am Ende werteten die Punktrichter 39:38, 39:38 und 39:37 für Slimani: für mich ein klares Fehlurteil. Den zweiten Profikampf des Abends bestritten Alexandru Jur (14 Kämpfe, 14 Siege, 5 durch KO) und Istvan Orsos (40 Kämpfe, 9 Siege, 3 durch KO, 29 Niederlagen, 9 durch KO, 2 Unentschieden) einen Sechsrunder im Cruisergewicht. Jur gewann jede Runde. Von Runde zu Runde wurde er stärker. Die einzige Frage, die es zu beantworten galt, lautete: Schafft es Jur Orsos KO zu schlagen? – Um es kurz zu machen, er schaffte es nicht. Orsos war wie ein menschlicher Sandsack. Er nahm Schlag um Schlag und zeigte keine Wirkung. Am Ende werteten alle Punktrichter 60:52 für Jur. Es wurde verkündet, dass diese Veranstaltung in Kelmis den Auftakt darstellen sollte für viele weitere, die folgen sollen. Ich jedenfalls fände es durchaus wünschenswert, wenn hier ein Zentrum für Amateur- und Profiboxen entstünde. Noch lieber stelle ich mir vor, es könnte hier für die Euregio, also das Gebiet zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland, ein Ort sich etablieren, an dem Boxer aus dieser Region regelmäßig boxen könnten. © Uwe Betker
Die Herausforderung von Istvan Szili und acht weitere Kämpfe
Das Volkshaus in Zürich war am 30.08.2014 Schauplatz einer bemerkenswerten Boxveranstaltung. Um es vorab zu sagen, die Veranstaltung war großartig. Der Veranstaltungsort war eine Art Theater mit Bühne. Auf der Bühne saßen die VIPs, die auf den Ring herunter schauten, der vor ihren Füßen lag. Unter diesen Berühmtheiten war auch der große Jürgen Blin, der am 26.12.1971 in Zürich gegen Muhammad Ali angetreten war. Auch die anderen Zuschauer hatten eine sehr gute Sicht, weil sie entweder von einer Empore runterschauen konnten, oder weil sie direkt vor dem Ring saßen; die Stuhlreihen waren außerdem auf Stufen aufgestellt. Das Volkshaus ist schlicht ein toller Ort für Boxveranstaltungen.
Den ersten Kampf des Abend bestritt der viel versprechende Cruisergewichtler Ehsan Maudodi (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO). Er trat gegen Ben Nsafoah (26 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 10 Niederlagen, 3 durch KO) an. Der Kampf zwischen diesen beiden hinterließ bei mir gemischte Gefühle. Zum einen ist es schon bemerkenswert mutig, dass ein Boxer wie Maudodi sich so früh in seiner Karriere einen so guten und erfahrenen Mann wie Nsafoah wählt. Gleichzeitig wirkte der Kampf aber insgesamt doch etwas uninspiriert, so als hätten beide Boxer den Erfolg nicht bedingungslos gesucht. Maudodi zeigte einen sehr guten Jab, eine gute Deckung und manchmal auch schöne Kombinationen, besonders Links-Rechts-Kombinationen zum Kopf. Nsafoah versuchte zu kontern. Er kam jedoch so gut wie nie durch. „The Soldier“ Maudodi war zu dominant, daher war die Siegerehrung nach vier Runden auch eine reine Formsache.
Auch der folgende Vierrunder ging über die Distanz. Im Junior Weltergewicht trafen Selcuk Bilgin (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO) auf Karoly Lakatos (58 Kämpfe, 13 Siege, 5 durch KO, 44 Niederlagen, 15 durch KO, 1 Unentschieden). Auch diese Ansetzung war mutig, denn Lakatos ist ein sehr erfahrener Boxer, der sich noch nicht ans Verlieren gewöhnt hat und immer wieder für eine Überraschung gut ist. Am Anfang der ersten Runde brachte ein Wischer Lakatos zu Boden, aber der Ringrichter der GBA wertete dies, übrigens zu Recht, nicht als Niederschlag. Näher kam Bilgin dann auch nicht an einen KO Erfolg. Er arbeitete beeindruckend viel und man konnte deutlich spüren, dass er den vorzeitigen Erfolg unbedingt wollte – der aber blieb aus. Bilgin machte sich auch selber das Leben schwer, da er so gut wie nie eine Aktion mit seiner Führhand vorbereitete. Eine linke Grade hatte er an diesem Abend offenbar gar nicht im Angebot. Dennoch war der Kampf recht kurzweilig und der Punktsieg für Bilgin einstimmig.
Der nachfolgende Kampf im Mittelgewicht zwischen Yasin Basar (3 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO) und Norbert Szekeres (52 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 40 Niederlagen, 9 durch KO, 3 Unentschieden) war auf vier Runden angesetzt. „The Gentleman“ Basar, der in London trainiert und erst seit drei Monaten Profi ist, zeigte von der ersten Sekunde an gutes, druckvolles und variables Boxen. Er verteilte seine Schläge gut auf Körper und Kopf. Anfang der zweiten Runde zwang er Szekeres mit einem linken Haken zu Boden. Erstaunlicherweise schaffte der es, das Ende der Runde zu erreichen. Basar machte Druck und suchte den KO, ohne jedoch hektisch zu werden. Er boxte sehr abgeklärt. In der folgenden Runde ließ eine Linke zum Kopf Szekeres einknicken, aber durch Klammern und Tapferkeit erreichte er erneut das Rundenende. Auch in der vierten und letzten Runde schaffte es Basar nicht, seinen Gegner KO zu schlagen. Er zeigte aber eine gute Leistung, die einen neugierig auf mehr Kämpfe von ihm machte. Sein Punktsieg war deutlich.
Im vierten Kampf des Abends trafen im Supermittelgewicht Butrint Rama (11 Kämpfe, 11 Siege, 6 durch KO) und Pietro d´Alessio (28 Kämpfe, 11 Siege, 7 KO, 17 Niederlagen, 5 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Rama dominierte die ersten beiden Runden. Er arbeitete gut und sehr präzise mit seiner Führhand, um dann seine Rechte folgen zu lassen. D’Alessio konterte und versuchte, einen Schlagabtausch zu erzwingen. Immer wieder schnitt er Grimassen und spielte den Clown, um Rama aus dem Konzept zu bringen. Je länger der Kampf dauerte, umso erfolgreicher war er mit dieser Taktik. In der dritten Runde konnte er mehr und bessere Treffer setzen als sein Gegner. Die folgenden Runden waren hart umkämpft und eng. Am Ende der sechsten Runde wurde Rama zum knappen Punktsieger erklärt. Ich persönlich hätte d´Alessio ein Unentschieden gegeben, obwohl ich seinen Faxen und Clownerien nicht so viel abgewinnen konnte. Es folgte eine Showeinlage mit zwei Tänzern.
Im fünften Kampf traten im Mittelgewicht Arthur Hermann (12 Kämpfe, 12 Siege, 11 durch KO) und Laszlo Haas (24 Kämpfe, 9 Siege, 4 durch KO, 14 Niederlagen, ? durch KO, 1 Unentschieden) gegeneinander an. Hermann wirkte wie ein Jäger, der konzentriert und ruhig seiner Beschäftigung nachgeht. Haas beeindruckte durch seine Deckungsarbeit und seine Zähigkeit. Immer wenn es so aussah, als ob er im nächsten Moment zu Boden gehen würde, war er wieder da und konterte. Es sah aus, als würde es immer so weiter gehen und als würden sich die beiden aneinander abarbeiten. Dann kam die fünfte Runde. Hermann kam mit einem Leberhaken durch und Haas musste zu Boden. Er wurde angezählt, aber er kam wieder hoch und stellte sich erneut dem Kampf. Hermann setzte sofort nach und kam noch mal mit einem Leberhaken, gefolgt von einem Aufwärtshaken aufs Kinn, durch. Haas ging zu Boden und der Ringrichter winkte den Kampf ab. Sieger durch TKO 5 nach 0:50 Minuten Arthur Hermann.
Der folgende Kampf fand im Cruiseregewicht statt. Es trafen Sevdail Sherifi (17 Kämpfe, 10 Siege, 9 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Björn Blaschke (13 Kämpfe, 9 Siege, 5 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Beide Boxen wollten den Sieg. Sherifi war der Aktivere und er schien mir auch der wohl boxerisch Bessere zu sein, aber Blaschke hatte durchaus seine Momente. In der zweiten Runde kam Blaschek mehrfach mit Links-Rechts-Kombinationen durch die Deckung zum Kopf durch. Diese Schläge ließen den Kopf von Sherifi nach hinten schnappen. In der folgenden Runde stellte Sherifi Blaschke in dessen Ecke und deckte ihn mit Schlägen ein. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als sollte Blaschek nun runter gehen, aber er kam zurück. Ab der vierten Runde standen beide häufig Kopf an Kopf und deckten sich mit Schlägen ein. Bei einer solchen Situation kam Blaschke mit einer Eins-Zwei-Kombination zur Stirn durch, die Sherifi einknicken ließ. Mit zunehmender Kampfdauer verringerte sich zwar das Tempo des Kampfes, aber nicht die Intensität. Am Ende werteten die Punktrichter den Achtrunder unentschieden, was ein sehr gutes Urteil war.
Zwei Anmerkungen: Das Kampfgericht der German Boxing Association war seht gut. Es gab keine Fehlurteile und es gab auch keinen Heimbonus, wie man an dem eben beschriebenen Unentschieden sieht. Es gab auch Nummerngirls, u.z., wenn ich recht gezählt habe, zwei. Ab dem Sherifi-Blaschke-Kampf versahen sie ihren Dienst. Die beiden Damen haben vermutlich an diesem Abend Weltrekorde aufgestellt. Nie sah ich schnellere Damen mit Tafeln im Ring. Kaum waren sie in den Ring gestiegen, waren sie auch schon wieder draußen. Einmal konnte ich einen Blick auf das Fußgelenk einer Dame erhaschen. Sie hatte dort Flügel – eine Tätowierung. Über einen Zusammenhang zwischen den Flügeln und der Geschwindigkeit ihres Schreitens habe ich mir allerdings noch keinen schlüssigen Reim gemacht.
Es folgte eine weitere Showeinlage, bei der eine Dame in einem silbernen Ganzkörperanzug und mit sehr hohen silbernen Plateauschuhen ein Lied vortrug. Der Silberanzug war übersät mit so einer Art Ausbuchtungen, ähnlich wie Eierkartons, nur kleiner. Sie sang auch ein Lied. Die Pinökel sahen irgendwie seltsam aus. Ach so: Sie sang auch ein Lied.
Im siebten Kampf boxten Anatoli Muratov (10 Kämpfe, 8 Siege, 5 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) und Philipp Kolodziej (10 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO, 4 Niederlagen, 4 durch KO) im Super Mittelgewicht um die vakante Internationale Deutsche Meisterschaft. Kolodziej, ein Mann von Werner Kreiskott, begann stark und dominierte die erste Runde. Muratov war passiv und konnte erst am Ende einen guten Konter landen. Die zweite Runde war weitestgehend ausgeglichen. Kolodziej gehörte die erste und Muratov, der jetzt aktiver wurde, die zweite Hälfte. Muratov machte in der dritten Runde dort weiter, wo er in der vergangenen Runde aufgehört hatte. Er machte Druck. Bis zur Mitte der Runde dominierte er den Kampf, dann nahm er eine harte Linke mit dem Kopf. Es entsprang ein harter Schlagabtausch. Am Ende hatte Muratov die Kontrolle jedoch zurückgewonnen, die er auch in den nächsten zwei Runde nicht mehr abgab.
Aber Kolodziej ließ sich nicht beirren. Immer weiter ging er nach vorne und zwang seinem Gegenüber den Kampf auf: es entstand fast der Eindruck, als könnten ihm die Schläge von Muratov, und das waren nicht gerade wenige, die er nehmen musste, nichts ausmachen. In der fünften Runde fing Muratovs Nase an zu bluten. In der sechsten Runde stellte Kolodziej Muratov in dessen Ecke und fällte ihn mit einem harten Leberhaken. Muratov kam zwar noch rechtzeitig hoch, aber er stellte sich nicht mehr zum Kampf. Sieger durch TKO in Runde 6, nach 1:12 Min. Philipp Kolodziej. Anatoli Muratov ist nun nach dem 02.11.2013 (Juan De la Rosa) zum zweiten Mal nach einem Leberhaken KO gegangen.
Die folgende Begegnung fand im Halbschwergewicht statt. Es ging dabei um den Europatitel der Universal Boxing Federation, um den Alis Sijaric (8 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO) und Gyorgy Marosi (38 Kämpfe, 22 Siege, 11 durch KO, 16 Niederlagen, 11 durch KO) kämpften. Der Kampf begann, wie viele andere auch. Die Boxer tasteten sich ab und irgendwie plätscherte das Geschehen so dahin. Wie aus dem Nichts kam Sijaric dann plötzlich mit einer rechten Graden zum Kopf durch und Marosi lag KO auf dem Ringboden. Sieger durch KO 1, nach 2:14 Alis Sijaric.
Den Hauptkampf des Abends bestritten im Mittelgewicht Istvan Szili (20 Kämpfe, 18 Siege, 7 durch KO, 2 Unentschieden) und Mathias Zemski (15 Kämpfe, 13 Siege, 3 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO). Es ging um den Weltmeistergürtel der Universal Boxing Federation im Mittelgewicht. Natürlich ist der Titel der UBF keiner der „harten“ Titel, aber es ist ein Titel, und den muss man erst einmal gewinnen. Der Gewinn des Titels empfiehlt den Boxer dann auch für höhere Aufgaben.
Szili begann verhalten, bestimmte aber das Tempo. Zemski schien großen Respekt vor Szili mitgebracht zu haben, denn er klammerte oft, auch in Situationen, bei denen es absolut nicht notwendig gewesen wäre. Von Runde zu Runde erhöhte Szili den Druck. Im zweiten Durchgang kam er mit einem rechten Körperhaken und einer anschließenden linken Graden zum Kopf durch, die Zemski sichtlich beeindruckte. Am Anfang der folgenden Runde ging er dann zweimal zu Boden, einmal bei dem vergeblichen Versuch wieder zu klammern und das andere Mal nach einem rechten Aufwärtshaken zum Kopf. In der Folgezeit war Szili auf der Jagd und Zemski auf der Flucht. Am Anfang der vierten Runde musste Zemski eine harte Linke nehmen und ging in der Mitte der Runde nach einer Rechten zur Schläfe runter. Ende der fünften Runde musste er erneut nach einem rechten Körpertreffer runter. Szili filetierte geradezu seinen Gegner.
In der sechsten Runde kam dann das endgültige Aus. Szili kam mit einer rechten Graden zum Körper durch und Zemski sackte ganz langsam, wie in Zeitlupe, in sich zusammen. Szili setzte nach und gab dem Zusammensackenden noch zwei Schläge mit. Für den letzten der beiden Schläge verwarnte ihn der Ringrichter Arno Pokrandt. Zemski stellte sich zwar noch einmal, musste nach einem Leberhaken aber wieder zu Boden. Der Ringrichter brach den Kampf nach 1:22 Min. in Runde 6 ab.
Istvan Szili hat mit seiner beeindruckenden Leistung nicht nur einen recht unbedeutenden WM Gürtel gewonnen, sondern sie bedeutet zugleich eine Herausforderung an die großen Mittel- und Supermittelgewichtler, an Felix Sturm (46 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 4 Niederlage, 1 durch KO, 2 Unentschieden), an Robert Stieglitz (51 Kämpfe, 47 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO) und an den WBO Weltmeister im Super Mittelgewicht Arthur Abraham (44 Kämpfe, 40 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO). Istvan Szili kann für alle drei als eine ernsthafte Konkurrenz angesehen werden. Man darf gespannt sein, ob sich einer von ihnen auch traut, gegen Szili anzutreten. Ein toller Kampf ist garantiert.
Der Veranstalter Benedikt Poelchau (Blanko Sports) ist ein Wiederholungstäter. Bereits im letzten Jahr hat er eine unglaublich gute Veranstaltung im Ravensburg auf die Beine gestellt. Und genau das hat er nun auch wieder in Zürich geschafft. Seine Show im Volkshaus sehe ich als ganz heißen Anwärter für den Titel „Beste Veranstaltung der Jahres 2014“. Der Ort, die Boxkämpfe, die Urteile und die Stimmung waren sehr gut. Nur die Nummerngirls – die waren zu schnell.
© Uwe Betker
Von Punktrichtern des BDB
Schon wieder ist ein, wie ich finde, grauen- und erbrechenerregendes Fehlurteil zu beklagen. Dem bis dahin ungeschlagenen Istvan Szili (18 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage) gab man am 23.08.2013 in Galati in Rumänien gegen Gökalp Özekler (17 Kämpfe, 15 Siege, 6 durch KO. 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden) nur ein Unentschieden, weil zwei deutsche Punktrichter ihm den Sieg nicht zusprechen wollten.
Die Veranstaltung in Rumänien wurde vom hamburger Veranstalter EC Boxpromotion auf die Beine gestellt. Das mag auch erklären, dass zwei bekannte BDB Punktrichter, nämlich Frank Michael Maass und Holger Wiemann am Ring saßen und ein bekannter BDB Ringrichter, nämlich Manfred Küchler, den Kampf leitete. Es gab auch einen rumänischen Punktrichter, Mihai Leu, der seine Sache ordentlich machte. Er punktete, wenn auch ein wenig zu knapp mit 115:113 für Szili.
Die Punktrichter des Bundes Deutscher Berufsboxer werteten den Kampf allerdings anders. Maass punktete 114:114, also unentschieden, Wiemann 113:115 für Özekler. Der Kampf wurde also Unterschieden gewertet. Nun könnte man natürlich argumentieren: eine Unentschieden ist doch keine Fehlentscheidung. Aber wer sich eine Aufzeichnung des Kampfes ansieht, kann eigentlich nur Istvan Szili als eindeutigen Sieger sehen. Man kann m.E. Gökalp Özekler ernsthaft nur dann mehrere Runden zusprechen, wenn man ständiges Halten und Klammern als boxerische Aktionen wertet. Ich muss schon sehr in meinem Gedächtnis kramen, um mich an einen Kampf zu erinnern, bei dem ein Boxer so viel klammerte. Damit wären wir dann auch bei der Leistung des Ringrichters Küchler, der das ständige Klammern von Özekler nicht ein einziges Mal ermahnte, geschweige denn eine Verwarnung aussprach – in meinen Augen eine unterirdische Ringrichterleistung.
Immer und immer wieder bekommt man bei solchen offensichtlichen Fehlendscheidungen dann die gleichen Ausreden zu hören. Da wird z.B. gesagt, Punktrichter werten einen Kampf unterschiedlich, weil sie an unterschiedlichen Seiten des Rings sitzen. Oder: nur vom BDB geschulte Punktrichter können die Feinheiten des Profiboxens wirklich sehen und werten. Oder …
Eigentlich braucht man all diesen doch sehr alten und abgeschmackten fadenscheinigen Ausreden nur eine Feststellung entgegenhalten: Fehlentscheidungen in Deutschland bzw. bei deutschen Veranstaltungen sind immer zu Gunsten der Veranstalter. Ich kann mich in den Jahrzehnten, in denen ich nun Boxen verfolge, nur an eine einzige gravierende Fehlentscheidung erinnern, die zu Ungunsten eines Heimboxers lautete. Und das war bei einer Kleinringveranstaltung von Mario Guedes.
Was mich bei all dem wirklich beunruhigt, ist die Tatsache, dass Fehlurteile scheinbar immer irgendwie weitere nach sich ziehen. Frank Michael Maass, der für mich unverständlicherweise Özekler ein Unentschieden gab, sah z.B. auch Susi Kentikian gegen Nadia Raoui siegen und gab ihr außerdem ein Unentschieden gegen Melissa McMorrow. Holger Wiemann sah als Einziger Rola El Halabi gegen Lucia Morelli ein Unentschieden erreichen. Ringrichter Küchler disqualifizierte Cisse Salif in seinem Kampf gegen Alexander Petkovic für Tiefschläge, die nur er sah.
Das Muster ist eindeutig: Fehlentscheidungen fallen immer zu Gunsten von Heimboxern. Gökalp Özekler bleibt damit Interkontental Champion der World Boxing Organisation im Mittelgewicht. Und Promoter Erol Ceylan hat sich als deutscher Veranstalter in die Reihe der „Opfer von Fehlurteilen“ eingereiht.
Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Zahl der Fehlurteile in Deutschland nimmt rapide zu. Man könnte schon geradezu von einer Epidemie sprechen, die sich hier ausbreitet. Die Einzigen, die das nicht sehen wollen, sind die Offiziellen, die großen Veranstalter und ein Teil der Fernsehsender. Liest man aber im Ausland irgendetwas über Boxen in Deutschland, so stößt man unweigerlich auf die Feststellung: In Deutschland ist es nahezu unmöglich, nach Punkten zu gewinnen. – Leider ist das die Wahrheit.
Man könnte sich natürlich auf den Standpunkt stellen: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Aber nach dieser Maxime können letztlich nur die Veranstalter handeln, die einen lukrativen Fernsehvertrag haben und deren Sendern es egal ist, wenn Boxer um ihre Siege betrogen werden und damit schlich ihre Zuschauer für dumm verkauft werden. Nur diese Veranstalter können sich nämlich Titelkämpfe kaufen, bzw. sie nach Deutschland holen.
© Uwe Betker
Über den Umgang mit Fehlurteilen – ein Blick über den Teich
Am 09.07.2011 boxte in Atlantic City, New Jersey Paul Williams (42 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) gegen Erislandy Lara (17 Kämpfe, 15 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden). Williams ging als Favorit in den auf 12 Runden angesetzten WBC Junior Mittelgewichts Eliminator. Der um 10 Zentimeter größere Williams konnte jedoch seiner Favoritenrolle nicht gerecht werden. Lara war zu schnell, zu explosiv und zu diszipliniert. Daher konnte auch niemand verstehen, warum die Punktrichter Donald Givens 116-114 und Hilton Whitaker III 115-114 für Williams punkteten und Al Bennett mit 114-114 den Kampf unentschieden wertete. So weit, so bekannt: Ein Boxer wird durch Punktrichter um den Lohn seiner Arbeit gebracht. Dergleichen müssen wir auch hier in Deutschland immer wieder mit ansehen.
Aber im Gegensatz zu Deutschland, wo solche Fehlurteile gerne oder klaglos akzeptiert werden, hatte dieser Skandal Folgen. Alle drei Punktrichter wurden von der zuständigen New Jersey State Athletic Control Board bis auf weiteres suspendiert. „Falls sie noch einmal eingesetzt werden sollten, müssen sie zuvor mehrere Schulungen absolvieren.“ Eine solche, wie ich finde, angemessene Reaktion auf unfähige, korrupte oder servile, dem Willen der Veranstalter hinterher hechelnde, Punktrichter ist in Deutschland leider nicht möglich. Obwohl die USA so wenig staatliche Reglementierung wie möglich wollen, gibt es dort aber doch staatliche Stellen, die versuchen, das Profiboxen zu kontrollieren. In Deutschland ist das Profiboxen dem einfachen Vereinsrecht ausgeliefert. Erst unlängst hatte ich ein längeres Gespräch mit dem Präsidenten des Bundes Deutscher Berufsboxer Thomas Pütz. In diesem Gespräch betonte er, dass sein Verband machtlos sei, wenn Punktrichter ihre Aufgabe schlecht erledigten. Gerade Punktrichter, die sich in der Vergangenheit schon durch, wie ich finde, skandalöse Fehlurteile hervorgetan hatten, werden von bestimmten Veranstaltern explizit angefordert.
Ein weiter Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist, dass sich die amerikanischen Fernsehanstalten es in der Regel nicht nehmen lassen, das zu berichten, was wirklich im Ring passiert. Dadurch, dass sich deutsche TV Sender exklusiv an einen Veranstalter binden, fühlen sich die Reporter diesen so nahe, dass sie in der Regel aufhören, Journalisten zu sein, und zu Propagandisten mutieren. Diese Verkäufer eines Produkts parlieren gerne über „Heimvorteil“ und „Weltmeisterbonus“, wenn es darum geht zu verschleiern, dass sie nicht das Rückgrat haben zuzugeben, dass „ihr Boxer“ in Wirklichkeit verloren hat. Auch die so genannten „Boxexperten“, ehemalige Boxer, die für den TV-Sender als Co-Moderator auftreten, schaffen es einfach nicht, einen Betrug einen Betrug, ein Fehlurteil ein Fehlurteil zu nennen und auch nur irgendetwas Kritisches gegenüber ihrem ehemaligen Veranstaltern zu vertreten.
Es wäre nicht schlecht, wenn das Profiboxen in Deutschland in einigen Dingen von den USA lernen würde.
© Uwe Betker
Der schleichende Niedergang von Sauerland Event (3)
Eine der unmittelbaren Folgen davon, dass es keinen direkten Konkurrenten von Sauerland Event mehr gab, war, dass sich die Wahrnehmung von Sauerland Event veränderte. Es reichte nun nicht mehr wie früher, einfach „der Bessere“ zu sein. Wenn man nämlich der Einzige ist, dann schauen auch die Zuschauer und die Medien genauer hin. Und was sie dann wahrnahmen, war eben z. T. nicht sehr schön. Die Verbalentgleisungen des Weltmeisters der WBO im Cruisergewicht, Muamer Hukic alias Marco Huck, beschädigten oder festigten nicht nur seinen eigenen Ruf, sondern auch den seines Veranstalters. Sauerland Event konnte oder wollte ihm nämlich nicht sagen, dass man sich nicht über die Gebrechen von anderen Menschen lustig macht. Vielleicht war es sogar so, dass Hucks Management ihn sogar, durch das Medienecho angestachelt, dazu ermutigte, noch einmal nachzulegen. Dabei interessierte es offensichtlich kaum jemanden, dass die Medien und die Zuschauer die Beleidigungen gar nicht lustig fanden. Dass Huck dann auch nur durch eine mehrheitliche Punktrichterentscheidung Weltmeister blieb, wodurch außerdem das Boxen in Deutschland massiv beschädigt wurde, verschlimmerte nur die Wirkung von Hucks Worten. Gerade die Häufung von knappen, sehr knappen und skandalösen Fehlentscheidungen führte dazu, dass sich im Ausland das Bild verfestigte: In Deutschland kann man nur durch KO gewinnen. Und dieser Vorstellung scheinen auch weitestgehend die Sauerland Boxer selber anzuhängen. Kaum boxt Arthur Abraham dann im Ausland, formuliert er auch schon die Befürchtung, in den USA nicht nach Punkten gewinnen zu können. Bei knappen und strittigen Punktentscheidungen sind Sauerland Boxer überhaupt nahezu nie zu etwas wie Selbstkritik fähig.
Zwar behielt Sauerland Event durch solche Punktrichterentscheidungen ihre Weltmeistertitel. Aber mit einem jeden solchen Urteil verloren sie an Glaubwürdigkeit. Eine Zeitlang versuchte die ARD noch durch Gerede über „Weltmeisterbonus“ und „Heimvorteil“ den Zuschauern weiß zu machen, hier ginge alles ganz korrekt vonstatten. Aber die Kritik in den Medien, sogar in den traditionell eher unkritischen Printmedien, wurde immer lauter und vernehmbarer. In Internetforen wurden sogar Formbriefe veröffentlicht, mit denen die Mitglieder der Foren sich bei der ARD über die Verschwendung ihrer Rundfunkgebühren beschweren sollten.
Nun, Sauerland Event war es offensichtlich nicht gewohnt, mit Kritik umzugehen. Ein sehr renommierter Box-Journalisten berichtete mir folgende Geschichte: Nach den Verbalentgleisungen von Huck gegen Lebedev und dem folgenden – meiner Einschätzung nach schon skandalösen – Fehlurteil, rief er in Berlin an und bat um eine Stellungnahme. Er hatte von einer großen überregionalen Zeitung den Auftrag bekommen, noch einmal, mit ein paar Tage Abstand über die Vorfälle einen Artikel zu schreiben. Sein Ansprechpartner beim Veranstalter mutmaßte gleich eine Art Verschwörung gegen Sauerland. Es waren dann auch schnell sowohl der Kopf der Verschwörung, ein anderer Veranstalter, als auch die bezahlten Schergen, ein oder mehrerer Sportjournalisten, ausgemacht. Es war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich außerhalb der Vorstellungskraft von Sauerland Event, dass Sportjournalisten auch einfach mal massiv Kritik üben könnten.
© Uwe Betker
Der schleichende Niedergang von Sauerland Event (2)
Sauerland Event nahm wohl den Ausstieg des ZDFs aus dem Vertrag mit Universum Box-Promotion nicht zum Anlass über die eigenen Veranstaltungen und den generellen Umgang mit dem Boxen und dem Publikum nachzudenken. Das Verharren im Status Quo war zwar verständlich, schließlich hatte der berliner Veranstalter als einziger noch einen lukrativen Vertrag mit einem öffentlich-rechtlichen Sender, aber man kann es dennoch als einen gravierenden Fehler ansehen.
Sauerland war nun nahezu der unumschränkte Herrscher über das Boxen in Deutschland. Es gab keine direkte Konkurrenz mehr. Es gibt zwar noch Felix Sturm auf SAT 1 und Wladimir und Vitali Klitschko auf RTL, aber die sind keine Veranstalter im eigentlichen Sinne, sondern eher nur Selbstvermarkter. Sie haben keinen eigenen Boxstall und sie bauen auch keine anderen Boxer systematisch auf. Aber wie so häufig wenn es keinen Wettbewerb mehr gibt, wird der Übriggebliebene träge und behäbig. Sauerland machte einfach so weiter, wie zuvor.
Wenn man sozusagen der größte und alles beherrschende deutsche Promoter ist, schauen alle einem ganz genau auf die Finger. Was die Zuschauer von der ARD im Groben zu sehen bekamen, war folgendes: Der einst als nahezu unschlagbar geltende Arthur Abraham musste sich ein ums andere Mal gegen bessere Boxer geschlagen geben. Dabei musste er diese Niederlagen alle in einem Turnier hinnehmen, das Sauerland sogar selbst ins Leben gerufen hatte. Sie sahen weiter, wie der russische Riese Nikolai Valuev, der auch vorher schon nicht immer sehr überzeugt hatte, erst gegen David Haye verlor und seither verletzungsbedingt nicht wieder boxte. Ob und wann Valuev wieder in den Ring steigt, steht wohl in den Sternen.
Weil Abraham verlor und Valuev nicht mehr boxte, wurden die Weltmeister der – wenn man so will – zweiten Reihe umso wichtiger für Sauerland als Hauptkämpfer. So bekam Muamer Hukic alias Marco Huck, der Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO, mehr Aufmerksamkeit. Dieses Mehr, auch an medialer Aufmerksamkeit nutzte er vor seinem Kampf gegen Denis Lebedev dazu, seinen Herausforderer übel zu beleidigen. Wohl noch angestachelt vom Echo in den Medien, legte er verbal dann später sogar noch einmal nach. Diese verbalen Kraftakte, blieben dann auch seine stärkste Leistung 2010. Im Kampf mit den Fäusten konnte Huck jedenfalls nur sehr knapp durch Mehrheitsentscheidung seinen Titel behalten, weil zwei Punktrichter den Kampfverlauf wohl nicht durch ihr Punkten wiedergeben konnten oder wollten. Die Folge: Ein, wie ich finde skandalöses Fehlurteil.
Das Selbstbewusstsein des Herrn Hukic war nach seinem Sieg nicht gerade angekratzt. Er sah sich nach dem Kampf als klaren Sieger, beglückwünschte sich zu seiner Leistung und dankte vor allem Gott – und nicht den Punktrichtern. Das offensichtliche Nichtanbieten eines Rückkampfes und das sehr zögerliche in Aussichtstellen einer Teilnahme an einem möglichen Super-Six-Turniers im Cruisergewicht durch Sauerland Event danach machte die ganze Sache auch nicht gerade erfreulicher. Dann setzte man Huck einen Gegner (Denis Lebedev) vor, von dem man absolut sicher sein konnte, dass er dem amtierenden Weltmeister niemals irgendwelche Schwierigkeiten machen würde.
Sebastian Sylvester konnte nur Mittelgewichtsweltmeister der IBF werden, weil Arthur Abraham diesen Titel aufgegeben hatte. Er gewann seinen Titel durch einen knappen Punktsieg mit Mehrheitsentscheidung gegen den nicht sehr starken Giovanni Lorenzo (19.09.2009). Danach verteidigte er seinen Titel durch einen TKO-Sieg gegen einen eher mittelmäßigen Boxer namens Billy Lyell (30.01.2010), der exakt ein Viertel seiner Profikämpfe verloren hatte. Dann folgte eine Pflichtverteidigung gegen Roman Karmazin (05.06.2010). Gegen ihn erreichte er nur mit Müh und Not ein nicht unumstrittenes Unentschieden. Natürlich, wir kennen das Muster schon: Es gab keinen Rückkampf, dafür aber einen leichteren Gegner (Mahir Oral). In der nächsten Pflichtverteidigung bekam er es dann mit Daniel Geale zu tun. Diesmal verlor er knapp nach Punkten
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Quo vadis Sauerland Event? (1)
Der berliner Veranstalter von Profiboxveranstaltungen, Sauerland Event, ist wohl in ein gefährliches Fahrwasser gekommen. Bis vor kurzem gab es in Deutschland zwei große Promoter, die für das Boxen Made in Germany standen: Sauerland Event und Universum Box-Promotion. Beide hatten ein eigenes Profil und standen sich in z. T. erbitterter Rivalität gegenüber. Mit dem Verlust des TV-Vertrages beim ZDF und einem Großteil seiner Boxer scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann Universum seine Pforten schließt, zumal Universum wohl auch nicht über ein tragfähiges Alternativkonzept verfügt. Sauerland Event ist also aktuell „der“ deutsche Veranstalter.
Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen, dass diese unumschränkte Machtposition ihnen nicht gut tut. Es machte immer die Qualität des Sauerland Stalls aus, dass sie sich bemühten, besser zu sein als ihre Konkurrenz – ein Konzept, das über die Jahre auch weitestgehend aufgegangen ist. Nun aber haben sie keine Konkurrenten mehr und das, so scheint mir, ist inzwischen auch zu spüren.
Das „weihnachtliche Geschenk“ der beiden, wie ich finde, unsäglichen Punktrichter Lahcen Oumghar und Manuel Oliver Palomo, die aus einem mir unerfindlichen Grund heraus wohl zu den ganz wenigen auf der Welt gehören, die ernsthaft meinen, Muamer Hukic, genannt Marco Huck, hätte Denis Lebedev am 18.12.2010 in Berlin besiegt. Überschattet wurde dieses Fehlurteil schon im Vorfeld durch üble verbale Entgleisungen des WBO-Weltmeisters im Cruisergewicht, die von seinem Veranstalter geduldet scheinen. Das muss man wohl als Stilbruch beim Sauerland Stall ansehen.
Dieser Stilbruch scheint inzwischen ins Bild zu passen. Ich möchte an jene unwürdigen Szenen nach dem Kampf von Sebastian Sylvester und Roman Karmazin (05.06.2010) erinnern, bei denen es unlängst sogar zu Handgreiflichkeiten kam. Die nachträgliche Änderung eines Punktzettels war wohl rechtens, die dann zu dem umstrittenen Unentschieden und damit zur Titelverteidigung von Sylvester führte. Ein Punktrichter musste nachträglich die Wertung einer Runde ändern. Zunächst hatte er sie Unentschieden gewertet, was er aber seit kurzem aufgrund einer Regeländerung der IBF nicht mehr durfte. Er gab die Runde dann Sylvester, der dadurch Weltmeister der IBF im Mittelgewicht blieb. Gleichzeitig hinterlässt dieser Vorgang doch ein „Geschmäckle“.
An dieser Stelle sei noch ausdrücklich der amerikanische Punktrichter Matthew Podgorski erwähnt, bei dem man schon fast den Eindruck bekommen konnte, dass er die Punktzettel schon vor dem Kampf ausgefüllt hat. Wie sonst ist zu erklären, dass er als der vermutlich einzige Mensch auf dieser Welt Sylvester mit einem derart großen Vorsprung (117:111) siegen sah – noch ein Punktrichter, den ich nicht mehr am Ring sehen möchte.
Ich halte diese Häufung von „umstrittenen“ Punktrichter-Entscheidungen für bedenklich. Für besorgniserregend halte ich es jedoch, wie Sauerland Event damit umgeht. Anstatt einen unmittelbaren Rückkampf anzusetzen meint der Veranstalter aber offensichtlich, es aussitzen zu können. Dies gründet sich dann wohl auf die Hoffnung, Zuschauer würden schon vergessen, was passiert ist. Vielleicht hoffen sie aber auch, dass der Gegner, gegen den der eigene Mann so schlecht aussah, gegen einen anderen verliert und damit aus dem Weg ist, wie es Karmazin erging. In meinen Augen ist eine solche Haltung ein fundamentaler Fehler. Durch das Aussitzen wird nämlich nur der Eindruck erweckt oder verfestigt, dass im Boxen sowieso betrogen wird. Das kann aber doch nicht im Sinne eines Promoters sein. Sauerland sollte sich schon überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, das Risiko einzugehen, einen schwachen Weltmeister in einem Rückkampf vielleicht verlieren zu sehen, dafür aber seine Glaubwürdigkeit zu erhalten. Schließlich war genau dies – Glaubwürdigkeit – einer der Hauptunterschiede zwischen Sauerland und Universum.
© Uwe Betker