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Rekord: Felix Sturm boxt zum fünften Mal hintereinander in einem WM Kampf!
Die Überschrift ist natürlich Unsinn. Wohl wissend dass sie Unsinn ist, wurde sie dennoch so gewählt, um den Artikel besonders gut zu vermarkten. Um eben so ein Verhalten geht es auch in den folgenden Zeilen:
Der ehemalige Weltmeister im Mittelgewicht Felix Sturm (48 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) sollte am 05.12.2015 erneut gegen den WBA Weltmeister Fedor Chudinov (14 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO) antreten. Es handelte sich da um eben den Fedor Chudinov, gegen den Sturm überraschenderweise seinen Titel am 05.06.2015 in Frankfurt/Main verloren hatte. Der Kampf wurde aber kommentarlos abgesagt. Bis zu seinem sang- und klanglosen Verschwinden wurde damit geworben, dass Sturm mit einem Sieg der erste Deutsche werden könnte, der zum fünften Mal Weltmeister wird – ein Rekord. Und damit sind wir nun auch beim Thema angelangt.
Mit diesem Rekord ist das nämlich so eine Sache. Felix Sturm wurde von April 2010 bis Februar 2013 Super Champion der World Boxing Association. Das Problem mit diesem Titel ist nun aber, dass Sturm ihn, den damaligen Statuten des Verbandes gemäß, gar nicht tragen durfte. Dabei ist jetzt vollkommen unerheblich, ob die WBA ihm den Titel gegeben hat, weil Geld geflossen ist, wie behauptet wurde, oder ob die WBA ihm den Titel zugesprochen hat, um ihm einen Gefallen zu tun. Der Verband begründete seine Entscheidung mit einem Rechtsstreit zwischen Sturm und seinem damaligen Arbeitgeber Universum Box-Promotion. Leider ist Sturm gegen die Behauptung des gekauften Titels niemals juristisch vorgegangen. Eine juristische Aufarbeitung hätte den Sachverhalt eventuell klären können. Bedauerlich ist auch, dass Sturm, in seiner Zeit als Super Champion, ja offenbar nie auf die Idee gekommen ist, gegen den regulären WBA Weltmeister und ehemaligen Stallgefährten, Gennadi Golowkin, anzutreten. Das ist auch genau jener Golowkin, gegen den er auch nie angetreten ist, als beide noch gemeinsam bei Universum Box-Promotion geboxt haben.
Sollte also Sturm jetzt am 20.02.2016 gewinnen, so wird er nur formal, nicht aber real, zum fünften Mal Weltmeister. Seine Regentschaft als Super Champion hatte er doch wohl eher nur ehren- oder geldhalber; sie sollte daher wohl doch anders bewertet werden. Hinzu kommt, dass der Weltmeister Chudinov unlängst zum Super Champion ernannt wurde. D.h. Sturm kann maximal der Besieger eines Super Champions werden, denn mehr wird man nicht, wenn man einen Super Champion der WBA besiegt. Dieser Titel wird, soweit ich das verstehe, immer noch verliehen und nicht erkämpft.
Man kann sich aber natürlich auch fragen, was denn Adnan Catic eigentlich dazu qualifiziert, den direkten Rückkampf von Chudinov zu bekommen. Am 31.05.2014 verlor Sturm seinen IBF Titel gegen Sam Solimann. Danach erreichte er gegen Robert Stieglitz, am 08.11.2014, nur ein Unentschieden. Und in seiner letzten Begegnung, die wohl auch erst einen Tag vor dem Kampf zu einem WM Kampf erklärt worden war, verlor er gegen Fedor Chudinov. Fassen wir also zusammen: ein Unentschieden und zwei Niederlagen. Und diese Resultate qualifizieren Felix Sturm nun für einen „WM-Kampf“? Das dürfte ja wohl auch ein Rekord sein.
© Uwe Betker
Der Tanz um das goldene Kalb
Es gibt ein goldenes Kalb im Profiboxen in Deutschland, um dass alle herumtanzen. Das goldene Kalb ist bekanntlich, laut biblischer Überlieferung, ein Götzenbild, das die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten schufen, während Moses auf dem Berg Sinai war, wo er die zehn Gebote erhielt.
Im deutschen Profiboxen ist das Götzenbild nicht aus Gold, vielmehr besteht das, was so viele in diesem Bereich anbeten, aus drei Großbuchstaben oder aus drei Großbuchstaben, einem Satzzeichen und einer Zahl. Alles dreht sich um RTL und SAT.1, die beiden TV Sender, die Profiboxen zeigen. Zu bemerken ist dabei allerdings, dass RTL ja eigentlich nur die Klitschkos zeigt und SAT.1 zum führenden Boxsender in Deutschland geworden ist. Für den Sender aus Unterföhring boxen die Sauerland Event GmbH, SES Sport Events Steinforth GmbH und Sturm Box-Promotion, also die drei Veranstalter, die das Glück hatten, einen Fernsehvertrag bekommen zu haben.
Die Konzentration auf einen Sender eröffnet nun Perspektiven, die es vorher nicht gab. Noch vor kurzem war es beispielsweise kaum denkbar, dass ein Hauptkämpfer des einen deutschen Veranstalters gegen den eines anderen antritt. Jetzt aber konnte eine Boulevardzeitungen titeln „Box-Sensation: Abraham gegen Sturm schon im Juni?“ Auch geisterte schon etwas von einem Turnier im Super Mittelgewicht durch die Presse mit Arthur Abraham (45 Kämpfe, 41 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO), Felix Sturm (47 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden), Robert Stieglitz (52 Kämpfe, 47 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlage, 2 durch KO, 1 Unentschieden), Jürgen Brähmer (47 Kämpfe, 45 Siege, 33 durch KO, 2 Niederlagen) sowie Tyron Zeuge (16 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO) und Vincent Feigenbutz (19 Siege, 18 Siege, 17 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Ich persönlich bin dabei allerdings der Meinung, dass wenn man schon Zeuge und Feigenbutz bei dem Turnier mitmachen lässt, dann sollte man auch Jürgen Doberstein (19 Kämpfe, 17 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) mit einladen, auch wenn er nicht bei einem der drei Veranstalter unter Vertrag ist.
Wenn nun der Boxfan Glück hat und der Götze SAT.1 es so will, dann werden viele Kämpfe zu sehen sein, auf die viele lange vergeblich gewartet haben. Dann ist auch Schluss mit so Ausflüchten, wie „X ist viel zu schwach für mich“ und „Y will sich nur auf meine Kosten profilieren“.
Der Tanz um das goldene Kalb hatte für der Israeliten jedoch böse Folgen. Moses zerschlug nicht nur nach seiner Rückkehr den Götzen, sondern es wurden von den abgefallenen Anhängern auch gleich 3.000 Menschen erschlagen. Auch für die vier Hauptprotagonisten ist ein solches Turnier nicht ohne erhebliche Risiken. Avetik Abrahamyan ist 34, Adnan Catic ist 36, Sergey Shtikhlits ist 33 und Jürgen Brähmer ist 36 Jahre alt. Alle vier Boxer stehen also weitgehend am Ende ihrer Karriere. Nach einer schweren KO Niederlage dürfte keiner von ihnen noch mal im Fernsehen zu sehen sein. Es macht auch keinen Sinn vier bzw. sechs Boxer in einer Gewichtsklasse gleichzeitig als die besten und stärksten zu vermarkten. Es wird also eine Auslese getroffen.
SAT.1 hat das Profiboxen im deutschen Fernsehen praktisch monopolisiert – Klitschko TV, Spartenfernseh- und Regionalsender lassen wir hier mal außen vor. Dementsprechend können sie auch die Regeln bestimmen. Bei aller Euphorie für hoffentlich spannende Kämpfe ist doch zu befürchten, dass es nur ein Tanz um einen Abgott wird, dass wir wiederum nur ein lokales Ereignis zu erwarten haben. Es steht zu befürchten, dass die angekündigten senderinternen Kämpfe die alleinigen Höhepunkte sein werden und auf längere Sicht noch weniger gute Boxer aus dem Ausland für hiesige Kämpfe gebucht werden. Es könnte also passieren, dass die Entwicklung in Richtung auf eine fortwährende umetikettierte Deutsche Meisterschaft geht.
© Uwe Betker
Sauerland Event und die Medien
Wenn man Boxzeitschriften und Internetportale durchliest, kann man den Eindruck gewinnen, als ob die ganze Boxwelt, zumindest die deutsche, in dem Wunsch vereint wäre, Arthur Abraham (40 Kämpfe, 36 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) solle so schnell wie möglich wieder gegen Robert Stieglitz (48 Kämpfe, 45 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) boxen. Ich kann mich da aber des Verdachts nicht erwehren, dass wir hier nur Zeugen einer sehr geschickten PR Kampagne sind.
Zur Erinnerung: Am 22.08.2011 wurde Stieglitz durch ein TKO in Runde 11 über Karoly Balzsay Weltmeister der WBO, World Boxing Organization, im Super Mittelgewicht. Zur gleichen Zeit war Arthur Abraham schon über zweieinhalb Jahre Weltmeister der IBF, International Boxing Federation, im Mittelgewicht. Am 25.08.2012 verlor Stieglitz seinen Titel an Abraham durch eine Punktniederlage. Avetik Abrahamyan war eine Gewichtsklasse aufgestiegen und hatte im Super Six Turnier drei bittere Niederlagen einstecken müssen. Nachdem beide noch einen weiteren Kampf absolviert hatten, kämpften Abraham und Stieglitz dann am 23.03.2013 wieder gegeneinander. Der Ausgang ist bekannt: Abraham gab nach der dritten Runde auf und Sergey Shtikhlits war erneut Weltmeister der WBO. Der Rückkampf kam zustande, weil der Kampfvertrag zum ersten Kampf eine Rückkampfklausel enthielt.
Nun ist allerorten zu lesen, dass die Boxfans einen Rückkampf fordern. Natürlich wäre ein Rückkampf nicht schlecht. Natürlich wäre es interessant zu sehen, wie Abraham gegen den Mann boxt, gegen den er aufgegeben hatte. Wieso sollte aber Stieglitz wieder gegen Abraham boxen? Er hat seinen Rückkampf nur bekommen, weil es eine Rückkampfklausel gab.
Beide Boxer sind bei verschiedenen Veranstaltern unter Vertrag, Abraham bei Sauerland Event und Stieglitz bei SES Boxing. Durch den Sieg über Abraham hat SES einen Fernsehvertrag mit SAT1 bekommen. Dadurch bekommen die Boxinteressierten jetzt mehr Boxen im Fernsehen zu sehen. Aber kann SES nun ein Interesse daran haben, Stieglitz der Gefahr auszusetzen, seinen Titel an Abraham wieder zu verlieren und damit womöglich auch den TV Vertrag?
Wenn jetzt auf der Seite von Sauerland mit Fairness argumentiert wird, dann wird es für mich schon absurd. Profiboxen hat schließlich nur sehr wenig mit Fairness zu tun und das Profiboxen von Sauerland Event noch weniger. Hat Marco Huck Ola Afolabi einen Rückkampf gegeben, nachdem er ihm am 05.12.2009 recht umstritten den WM Titel abgenommen hatte? Hat Marco Huck Denis Lebedev einen Rückkampf gegeben, nachdem man ihm am 18.12.2010 den Sieg zugeschanzt hatte?
Damals gab es keine lauten Rufe nach einem Rückkampf. Viele Medien schwiegen damals offensichtlich aus Rücksichtnahme. Beide Rückkämpfe hätte wohl Huck nicht gewonnen, jedenfalls nicht wenn gute Punktrichter am Ring gesessen hätten. Die Öffentlichkeit schwieg. Es ging ja schließlich darum, das Boxen in Deutschland nicht zu schädigen. Dass es dabei allerdings nicht ums Boxen allgemein, sondern um das Boxen von Sauerland Event ging, verloren viele aus den Augen. Da haben sich nicht wenige doch mit den Interessen eines einzelnen Veranstalters gemein gemacht.
Wenn also heute zu lesen ist, die Öffentlichkeit fordere nun eine dritte Auflage von Abraham vs. Stieglitz, dann werde ich ganz einfach misstrauisch. Offensichtlich werden hier doch wieder nur die Sonderinteressen von Sauerland Event über die von SES Boxing gestellt.
Als Boxinteressiertem ist es mir aber doch lieber, wenn mehrere Veranstalter Fernsehverträge haben und Boxen zeigen, als wenn nur ein Veranstalter das Boxen in Deutschland monopolisiert. Natürlich wäre ein drittes Aufeinandertreffen von Abraham und Stieglitz möglich. Es kann zu dem Kampf kommen – nämlich dann, wenn Abraham weiter aktiv bleibt, wenn er dann auch wieder gegen bessere Boxer antritt und schließlich wieder Pflichtherausforderer der WBO wird.
Ich persönlich hätte es allerdings seinerzeit viel lieber gesehen, wenn Sauerland Event und Marco Huck 2010 den Mut gehabt hätten, gegen Ola Afolabi anzutreten oder sich Denis Lebedev erneut zu stellen.
Ich selbst halte es für höchst problematisch, wenn sich einzelne Journalisten und Medien nicht nur von einem Veranstalter instrumentalisieren lassen, sondern auch noch deren finanzielle Interessen vertreten. Denn machen wir uns nichts vor! Wenn Sauerland Event nach einem Rückkampf ruft, dann geht es nur in zweiter Linie um Sport. In erster Linie geht es darum, sich einen quotenträchtigen Hauptkämpfer zu erhalten, um den Vertrag mit der ARD erfüllen zu können.
© Uwe Betker