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„Kino der Moderne“ – Boxen und Kino
Die Bundeskunsthalle Bonn zeigt bis zum 24. März 2019 die sehr sehenswerte Ausstellung „Kino der Moderne“ über „Film in der Weimarer Republik“. Sport und besonders das Boxen hatte in dieser Zeit eine große Bedeutung und dementsprechend finden sich in der Ausstellung auch Exponate hierzu.
„Zum 100. Jubiläum der Weimarer Republik präsentieren die Bundeskunsthalle und die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen gemeinsam eine Ausstellung zum Kino in der ersten deutschen Republik, die diese höchst produktive und kreative Zeit überaus facettenreich widerspiegelt. Die gut 14 Jahre zwischen 1918 und 1933 präsentieren sich aus heutiger Sicht als modern und wegweisend. Gleichzeitig wird der Film als wirksames Mittel für gesellschaftliche und politische Einflussnahme entdeckt. Mitunter kündigen sich die Vorboten der nationalsozialistischen Folgezeit bereits an, etwa wenn es um Sport und Körperkult geht. Drei große Themenbereiche – Modernes Leben, Werkstatt Film und Im Kino: „Neues Sehen“ – zeigen durch zahlreiche Filmausschnitte in drei Kinos, anhand von Plakaten, einer Set-Situation mit Kamerawagen und Scheinwerfern, mit Drehbüchern, Originalkostümen, -fotos und -zeichnungen die Wechselwirkungen zwischen Kino, Kunst und Alltag. Darin werden die Impulse und Diskurse, die vom Kino der Weimarer Republik ausgingen und bis heute nachwirken, in allen Facetten präsentiert: Mode und Sport, Mobilität und urbanes Leben, Genderfragen, Avantgarde, Vergnügen, Laster und Exotismus sowie die Popularität der Psychoanalyse und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges spiegeln sich im Modernen Leben. Werkstatt Film und Im Kino: „Neues Sehen“ präsentieren in der Ausstellung das Kino, das in der Weimarer Republik zum Leitmedium aufsteigt. Die Zahl der Lichtspielhäuser wuchs rasant. 1928 hatte sich die Zahl der Kinos in Deutschland gegenüber dem Jahr 1919 fast verdoppelt, es gab über 5000 Lichtspielhäuser, die jährlich von 353 Millionen Menschen besucht wurden. Der deutsche Film hatte zu dieser Zeit Weltgeltung erlangt, Regisseure, Schauspieler erhielten Engagements in Hollywood. Die deutsche Filmindustrie galt kurzzeitig als ernsthafte Konkurrenz zur US-amerikanischen. Zugleich öffnet sich ein Experimentierfeld zu der Frage, was Film ist und was Film sein könnte. Ästhetische wie erzählerische Möglichkeiten werden erprobt und filmische Konventionen geprägt. Somit bildet das Kino dieser Zeit die Keimzelle der heutigen Filmästhetik. Die ersten Theoretiker erklären den Film zur siebten Kunst und sehen in ihm die einzige Kunstform, die der rasant fortschreitenden Modernisierung Ausdruck verleihen kann. Die Ausstellung präsentiert den Film in seinen Wechselwirkungen mit Literatur, bildender Kunst, Architektur und den gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein besonderes Augenmerk wird auf das vielfach in Vergessenheit geratene Schaffen von Frauen hinter der Kamera gerichtet. Zugleich wird das damalige Kinopublikum in den Blick genommen. Denn die Reaktionen der zahlenden Zuschauer oder Filmkritiker tragen wesentlich zur Entwicklung der modernen Filmsprache bei.“ (Pressetext)

Plakat zu „Liebe im Ring“ (Reinhold Schünzel, 1930), Entwurf von Josef Fenneker, 1930, Quelle: Deutsche Kinemathek – Plakatarchiv, © Stadt Bocholt (Stadtmuseum Bocholt/Josef Fenneker)
In den 1920er-Jahren entwickelt sich Sport zum Massenphänomen. Aufgrund kürzerer Arbeitszeiten hat die erwerbstätige Bevölkerung deutlich mehr Freizeit. Sportliche Betätigungen, allen voran Fußball, Boxen, Bergsteigen sowie Rad- und Motorsport, sind beliebte Freizeitbeschäftigungen und finden Eingang in den Film. Der Boxweltmeister Max Schmeling erobert mit LIEBE IM RING (1930) die Leinwand. Seine Fans kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Der Arbeitersport erlebt in dieser Zeit einen großen Aufschwung. Die Wohlhabenden richten sich derweil zu Hause private Fitnessstudios ein, was insbesondere in Komödien wiederholt persifliert wird. Die rhythmische Sportgymnastik feiert in WEGE ZU KRAFT UND SCHÖNHEIT (1925) das Ornament der Masse.“ (Pressetext)
Rezension: Der Film „Herbert“ von Thomas Stuber – ein großartiger Film
Es gilt hier ohne Wenn und Aber einen Film zu loben, einen deutschen Film, den Film „Herbert“ von Thomas Stuber. Die wenigsten dürften „Herbert“ im Kino gesehen haben. Also müssen sie sich nun die DVD, die gerade erschienen ist, kaufen. „Herbert“ ist ein grandioser Film. Einen Film von solcher Qualität und Tiefe und mit zudem einem Hauptdarsteller, der eine solche schauspielerische Leistung darbietet, bekommt man nur alle Jubeljahre mal zu sehen.
Das Genre des Boxerfilms ist ja nun weitestgehend durchdekliniert. Die mythischen Geschichten von Sieg und Niederlage, von Aufstieg, Kampf und Fall, sind vermutlich schon hundertfach erzählt worden. – Geschichten über einen Boxer, der Schwierigkeiten überwindet, der durch harte Kämpfe geht, die ihn leiden und bluten lassen, und der schließlich sein Ziel erreicht oder aber scheitert. Oder Boxerfilme, die sich am Aufstieg und Fall von realen Boxern orientieren. Garniert wird das alles immer mit Kampfszenen. Wie gesagt, alles schon ein paar Dutzend Male gesehen und seit Jahren dabei nichts Neues entdeckt.
„Herbert“ ist eine ganz andere Art von Boxerfilm. Er ist härter, ungeschönter, realistischer als die meisten. „Herbert“ ist wahrhaftig.
Held des Films ist, wie könnte es anders sein, Herbert, ein Brocken, ein Berg von einem Mann. Er ist zwar nicht mehr der jüngste, aber seine Fäuste, seine Muskeln und seine abgebrühte Brutalität sind noch immer sein Kapital. Er verdingt als Geldeintreiber, Türsteher und, wenn es denn der Job erfordert, auch schon mal als Knochenbrecher. Nebenbei trainiert er einen jungen aufstrebenden Amateurboxer, den er auf seinen ersten Titelkampf vorbereitet.
Herbert ist jemand, der niemanden emotional an sich heranlässt. Weder seine Freundin, die er immer wieder wegstößt, noch seinen Boxer noch auch seine schon lange erwachsene Tochter, die er seit ihrem sechsten Lebensjahr nicht mehr gesehen hat, kommen ihm sonderlich nahe. Nur zu seinem Auftraggeber, für den er Schulden mit Wucherzinsen eintreibt, scheint er ein etwas tieferes Gefühl zu entwickeln.
Wir beobachten, wie Herbert, der Mann, der sich immer über seine Physis definiert hat, vor unseren Augen auseinanderfällt und zergeht. Er verliert buchstäblich die Kontrolle über seinen Körper und damit über sein gesamtes Leben. Er hat ALS, eine Erkrankung des Nervensystems, die zu Muskelzucken, Muskelschwund, Schwächung der Sprach-, Kau- und Schluckmuskulatur usw. führt.
Der Film zeigt den schmerzhaften letzten Kampf, den Herbert zu bestreiten hat. Er versucht, die verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen. Er versucht, Gefühle zuzulassen. Den Rest der Handlung verschweige ich hier. Nur das eine sei noch gesagt: Dem Zuschauer wird kein nettes zuckersüßes Happy End vorgesetzt. Es gibt keine Erlösung.
Herbert“ wurde in Leipzig und Halle gedreht. Es handelt sich um das Spielfilmdebüt des Regisseurs und Co-Drehbuchautor Thomas Stuber. Der war Gewinner des Studenten-Oscars und des Deutschen Drehbuchpreises. Und Stuber ist außerdem ein ausgewiesener Kenner der ostdeutschen Boxszene.
Sehr positiv ist, dass Regisseur und Drehbuchautor, Clemens Meyer, den Zuschauern nicht alles erklären. Es wird nicht gesagt, warum Herbert eigentlich so ist, wie er ist. Nur einen Hinweis bekommen wir, der auf den Rücken von Herbert tätowiert ist: Torgau. Der Zuschauer muss hier allerdings schon wissen, wer oder was Torgau nun ist, oder er muss sich eben erkundigen. Der Film jedenfalls bietet keine Erklärung, wie sie dem Zuschauer sonst so häufig aufgezwungen wird, weil viele Macher von Filmen ihren Bildern und ihren Zuschauern nicht trauen mögen.
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Ein paar Worte über den Schauspieler Peter Kurth. Kurth wurde 2014 als „Schauspieler des Jahres“ ausgezeichnet. Dies ist der wichtigste Preis des deutschen Theaters. Für „Herbert“ bekam er den deutschen Filmpreis 2016 als bester Hauptdarsteller, und das nun wirklich zu Recht. Er spielt geradezu beängstigend gut. Auf der Leinwand bzw. auf dem Bildschirm strahlt er eine unglaubliche Präsenz aus.
Auf die Rolle hat Kurth sich ein halbes Jahr vorbereitet. Er begann mit dem Boxtraining und nahm 14 Kg an Körpergewicht zu. Da der Film chronologisch gedreht wurde, sehen wir, wie Kurth als Herbert im Film immer mehr an Gewicht verlieren.
Nochmals: Der Film „Herbert“ von Thomas Stuber ist einfach großartig. Er bereichert das Genre Boxerfilm um eine ganz neue Fassette. Den Film muss man gesehen haben.
(C) Uwe Betker
Über Zombies, Zombiefilme, Zombies in der Wirtschaft und Zombies beim Profiboxen
Es gibt tatsächlich den Begriff des Zombies in der Wirtschaft. Das hat mich doch sehr erstaunt. Jeder weiß natürlich, dass Haiti die Heimat der neuzeitlichen Zombies ist. Sprachgeschichtlich gesehen kommt der Begriff ursprünglich allerdings aus Zentralafrika. Wikipedia definiert Zombies wie folgt: „Als Zombie wird ein Mensch bezeichnet, der scheinbar von den Toten wieder auferstanden und zum Leben erweckt worden ist und als so genannter Untoter oder Wiedergänger, als ein seiner Seele beraubtes, willenloses Wesen herumgeistert.“ In Zentraleuropa kennt man Zombies, sofern man nicht welche in der Nacht in der Altstadt trifft, zumeist aus Filmen. Meine persönlichen Lieblingsfilme mit Zombies sind: Das Cabinet des Dr. Caligari (1920 von Robert Wiene), Ich folgte einem Zombie (1942 Jacques Tourneur), Die Nacht der lebenden Toten (1968 von George A. Romero) und Shaun of the Dead (2004 von Edgar Wright).
Mit Zombies in der Wirtschaft ist eigentlich etwas, wie es scheint, ganz Einfaches gemeint, nämlich dass eine Firma noch weiter existiert, obwohl sie eigentlich schon längst vom Markt hätte verschwinden müssen. „Ein Unternehmen, das mehr als tot als lebendig ist“, so definierte das „Handbook of International Financial Terms“. Und weiter: „Ein solches Unternehmen wird durch den guten Willen und die Unterstützung von Gläubigern und vor allem von Geldgebern lebendig gehalten.“ Von diesen wirtschaftlichen Zombies geht eine Gefahr für die ganze Wirtschaft, oder zumindest für bestimmte Sparten, aus. Für das Funktionieren der Marktwirtschaft ist es nämlich unabdingbar, dass nicht profitable Firmen vom Markt verschwinden. – So jedenfalls lautet die kapitalistische Theorie.
Was mich aber nun erstaunt, ist, dass genau dasselbe, was man über Zombies in der Wirtschaft sagt, auch auf das Profiboxen übertragen werden kann. Der Zombie wäre demnach also ein Veranstalter, der sportlich und damit auch wirtschaftlich agiert, der nach sportlichen und wirtschaftlichen Begriffen aber längst vom Markt hätte verschwinden müssen. Dieser Zombie wird aber noch durch den guten Willen eines Geldgebers, oder genauer gesagt eines TV Senders, am Leben gehalten. Der Zombiepromoter nutzt seine marktbeherrschende Stellung dazu aus, den Ruf des Profiboxens in Deutschland zu unterminieren. Mittelmäßige Veranstaltungen werden in den Himmel gelobt. Die Boxer des Zombies werden nahezu unschlagbar, nicht zuletzt dank willfähriger Punktrichter. Der TV Sender, der diesen Zombie schuf, beteiligt sich dann auch selbst aktiv an diesen Machenschaften. Dieser Sender hat aufgehört, journalistisch zu berichten und wird zu einem Mitzombie, zum Mitveranstalter. Durch den Zombie droht das Profiboxen in Deutschland in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit zu stürzen.
Wie gut, dass es gar keine richtigen Zombies gibt! Zombies gibt es nur im Film. Und nur, weil bei Wirtschaftswissenschaftlern und Wirtschaftsjournalisten Zombies gerade in Mode sind, heißt das ja noch lange nicht, dass es sie wirklich gibt. Und selbst wenn es sie in der Wirtschaft geben sollte, heißt das doch noch lange nicht, dass es sie beim Profiboxen auch gibt. Jeder weiß doch schließlich, dass es den großen Veranstaltern von Profiboxkämpfen in erster Linie um den Sport und um das Gute, das Edle und das Schöne – um nicht zu sagen den Weltfrieden – geht.
© Uwe Betker