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Boxen in der Kunst: Faustkämpfer vom Quirinal
Erhaltene griechische bzw. großgriechische Bronzestatuen gibt es nur sehr wenige. Um genau zu sein, es sind nur sieben bekannt. Die meisten griechischen Statuen kennen wir nur als römische Marmorkopie. Eine der ganz wenigen griechischen Bronzestatuen, die die Zeit überdauert haben, ist der „Faustkämpfer vom Quirinal“ oder auch „Boxer vom Quirinal“, der in Rom im Museo Nazionale Romano im Palazzo Massimo zu sehen ist.
(C) https://de.wikipedia.org/wiki/Faustk%C3%A4mpfer_vom_Quirinal
Man weiß über diese in besonderem Maße bemerkenswerte Bronzestatue eines Athleten sehr wenig. Der Künstler, der sie erschuf, ist unbekannt. Auch die Datierung ist umstritten. Sie schwankt, je nach Position zwischen dem späten 4. Jahrhundert v. Chr. und der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., wobei im Augenblick das 3. Jahrhundert am häufigsten genannt wird. Unstrittig ist jedoch, dass der „Faustkämpfer vom Quirinal“ eines der ganz großen Kunstwerke der Welt ist.
Beim Faustkämpfer handelt es sich um eine überlebensgroße (128 Zentimeter hohe), sitzende Figur. Sie wurde zusammengesetzt aus acht Teilstücken, die im Jahr 1885 auf dem Quirinal, einem der sieben Hügel des klassischen Rom, entdeckt wurde, welcher Fundort ihr dann auch den Namen verlieh. Der Sockel ist nicht original. In der Nähe wurde noch eine weitere Bronze gefunden, ein Standmotiv, welches wohl einen nicht identifizierten hellenistischen Fürsten darstellt. Möglicherweise gehörten beide zur Ausstattung der Thermen des Kaisers Konstantin, die sich nämlich genau dort befanden. Daher wird sie manchmal auch „Thermenboxer“ genannt.
In der 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde eine umfangreiche Restaurierung durchgeführt, welche faszinierende Details zutage brachte. Da war z.B. das von Platzwunden und Blutstropfen übersäte Gesicht des Boxers. Es ist umstritten ob es sich um das Porträt eines realen Faustkämpfers handelt, wovon ältere Forscher in ihrer überwiegenden Mehrheit ausgingen, oder ob es die verallgemeinernde Darstellung (Typus, Urbild) eines nicht realen Faustkämpfers, dem individuelle Züge letztlich fehlen, darbietet. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.
(C) https://de.wikipedia.org/wiki/Faustk%C3%A4mpfer_vom_Quirinal
Sportler genossen in Griechenland höchstes Ansehen. Sie wurden in der Kunst als Idole dargestellt. Ihre Körper waren makellos und ihre Gesichter zeigten keine Anstrengung. Sie boten dem Betrachter eine Idealvorstellung aus Harmonie, Maß und Perfektion dar. Der „Faustkämpfer vom Quirinal“ entspricht diesem Bild nun aber ganz und gar nicht. Zwar hat er eine makellose sportlich-praktische und modische Kurzhaarfrisur, mit kleinen sichelförmigen Locken, aber er ist nicht makellos.
Das von den Locken umrahmte Gesicht zeigt vielmehr deutliche Spuren eines Kampfes. Hier sieht man nicht einen mythischen Sieger, der ohne Blessuren die härtesten Kämpfe übersteht, sondern einen richtigen Boxer, der auch hatte einstecken müssen. Ob er den Faustkampf gewonnen oder verloren hat, das erkennt man nicht. Müde und erschöpft sitzt er auf seinem Sockel, den Rücken gebeugt. Die Unterarme stützt er auf die Oberschenkel. Er trägt an seinen Händen bzw. Unterarmen die Lederriemen für den Faustkampf (Cestus). Er atmet tief durch den geöffneten Mund. Vermutlich verstopft geronnenes Blut seine Nase, denn Blut versteift auch seine Schnurrbarthaare und quillt aus der aufgerissenen Haut seiner Blumenkohlohren.
(C) https://de.wikipedia.org/wiki/Faustk%C3%A4mpfer_vom_Quirinal
Das Gesicht des Boxers zeigt typische Blessuren dieser Sportart (jener Zeit). Er hat frische Platzwunden, Cuts, mit Blutgerinnseln darunter. Er hat Schwellungen unter den Augen, alte Narben und eine deformierte Nase. Auch an Unterarmen, Beinen und auf den Schultern finden sich Wunden. Die Wunden und die Lippen werden durch Einlassungen aus einer rötlichen Kupferlegierung hervorgehoben.
Sein Gesichtsausdruck ist schwer zu deuten. Er dreht seinen Kopf auf seinem muskulösen mächtigen Hals zur Seite. Er blickt aufmerksam und wach schräg nach oben in die Höhe, so als spräche ihn genau in diesem Augenblick jemand gearde an. Der Künstler lässt seine Figur vermeintlich spontan aufschauen. Er will den Augenblick festhalten. Damit berührt er den Betrachter, der hier Zeuge eines Dramas wird und dessen Mitgefühl für den starken und geschundenen Mann geweckt wird. Der Bronzegießer unterstreicht noch, welchen brutalen Schlägen ein Boxer standhalten muss. Das Werk ist sehr realistisch. Denn manch einer sieht tatsächlich unmittelbar nach einem Kampf so aus.
Der Faustkämpfer ist muskulös und austrainiert. Er ist ein trainierter Athlet. Ein Boxer, dem aber auch anzusehen ist, dass er gekämpft hat. Ganz bewusst hat der Künstler die Figur nicht frontal angelegt, sondern den Raum genutzt, so dass er den Betrachter zwingt, sie aus der Nähe zu umkreisen, wodurch die Dynamik allererst erlebbar wird. Der Boxers beeindruckt durch sein physisches Präsens. Es ist eben nicht Vollkommenheit, die uns berührt, sondern ein menschlicher Held, der schonungslos dargestellt wird, der erschöpft ist und der leidet. Es ist das Nebeneinander von Kraft und Schwäche, das fasziniert.
(C) Uwe Betker
Das Cutman Seminar von Olaf Schröder
Googlet man den Begriff „Cutman“, so findet man bei Wikipedia, eingebettet in den Artikel über „Cut (Boxen)“, folgende Definition: „In der Ecke eines jeden Profi-Boxsportlers steht während des Kampfs neben dem Trainer und einem Helfer oder Physiotherapeuten ein so genannter „Cutman“ bereit. Dieser kümmert sich ausschließlich um die Versorgung von Cuts, Schwellungen und Nasenbluten. Sollte die Wunde im Laufe des Kampfes weiterhin bluten oder sich vergrößern, ist der Ringrichter gehalten, den Kampf abzubrechen. Auch der Ringarzt kann diese Entscheidung vom Ringrichter einfordern. Cutmen sind auch bei anderen Vollkontakt-Sportarten wie z. B. Kickboxen im Einsatz.“ Der oder diejenigen, die dies geschrieben haben, sind offensichtlich nur selten bei Profiboxveranstaltungen gewesen. Da sieht man nämlich sehr viele verschiedene Typen von Cutmen. Sehr beliebt ist es, einen Freund als Cutman mitzunehmen, damit er umsonst in die Veranstaltung kann. Nach dem rheinischen Motto: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Man konnte auch schon Trainerlegenden bei WM Kämpfen ohne Cutman in den Ring steigen sehen. Es kommt wie es kommen kann, der Weltmeister kommt mit einer Platzwunde in die Pause und er berühmte Trainer lernt, dass Multitasking doch nicht ganz so einfach ist. Am Ende hat der Boxer durch TKO verloren, wenn ich mich recht entsinne.
Da gibt es aber zum Beispiel auch noch die Ehefrau des Boxers, die in ihrer Funktion als Cutwoman lauter in den Ring schreit als der Trainer. Was dazu führt, dass der sekundierte Boxer klammert, um seiner Angetrauten zu sagen: „Schatz, lass mich bitte boxen.“ – Habe ich selber gesehen und gehört.
Ein Typ Cutman ist aber gefühlt in der Mehrheit. Das ist der Mann, der mit dem Handtuch den Boden aufwischt, um dann mit demselben Handtuch durch das Gesichts seines Schützlings zu fahren und gegebenenfalls auch damit die blutende Wunde zu behandeln. Von diesen Cutmen, aber es gibt auch Trainer die das machen, wimmelt es nur so an den Ringen.
Einige jedoch nehmen ihr Tun auch ernst. Einer von ihnen ist Olaf Schröder, einer der wenigen bekannten deutschen Cutmen. Bemerkenswert ist, dass er auch ein Cutman Seminar anbietet. Das habe ich unlängst besucht. Was mir da auffiel, war, dass kaum ein Teilnehmer aus dem Bereich Boxen kam. Gar vom Profiboxen kam keiner.
Der Bielefelder Olaf Schröder ist seit über drei Jahrzehnten an den Boxringen überall auf der Welt zu finden. So stand er u. A. in der Ecke von Firat Arslan, Francois Botha, Christina Hammer, Richel Hersisia, Raymond Joval, Milan und Lukas Konecny, Mihaly Kotai, Luan Krasniqi, Natascha Ragosina, Axel Schulz, Robert Stieglitz und Jan Zaveck.
Das Seminar gliederte sich fünf fakultative und zwei optionale Themen:
1.) Grundvoraussetzungen
2.) Ausrüstung des Cutman
3.) Arbeiten in der Ringecke
4.) Arten von Verletzungen
5.) Nach dem Kampf
6.) Professionelles Bandagieren (mit Kai Gutmann)
7.) Regelkunde bei Verletzungen
Kai Gutmann, Promoter, Trainer und Inhaber der Sportschule Tosa Inu in Lemgo, übernahm den Part des professionellen Bandagierens. Er führte nicht nur in die Theorie ein und demonstrierte sie, sondern er ließ die Seminarteilnehmer sich auch, unter seiner Anleitung, gegenseitig bandagieren.
Das Seminar war sehr lehrreich, informativ und, was sehr selten ist, unterhaltsam. Ob ich dadurch zu einem richtigen Cutman geworden bin? Das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass ich, auch ohne praktische Erfahrung, es auf jeden Fall besser machen kann als die Vielen, die mit ihren Handtüchern den Ringboden zu wischen pflegen. Ich würde ihnen, wie auch allen anderen Interessierten, dieses Seminar empfehlen.
© Uwe Betker