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Rezension „Unbestreitbare Wahrheit“ von Mike Tyson

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Vor geraumer Zeit schon legte Mike Tyson seine Autobiografie vor als „Unbestreitbare Wahrheit“. Mit Autobiografien ist es für mich immer so eine Sache. Da präsentieren berühmte oder auch weniger berühmte, bedeutende oder weniger bedeutende Menschen ihre Lebensgeschichte oder sie schildern Abschnitte ihres Lebens aus dem Rückblick. Die Autoren, die gleichzeitig auch die Protagonisten ihres Buches sind, machen das alleine oder mit Hilfe von Co-Autoren, die genannt werden oder auch nicht. Manche bedienen sich auch eines Ghostwriters, also eines Auftragsschreibers, um ihn im eigenen Namen schreiben zu lassen. Tyson nahm sich für seine Autobiografie einen der renommiertesten, nämlich Larry „Ratso“ Sloman, der unter anderem schon die Autobiografien von Peter Criss, der Band KISS, Anthony Kiedis, von Red Hot Chili Peppers mit verfasst hat und auch noch diverse andere Bücher geschrieben hat, die zum Teil sehr erfolgreich waren. Das ist dem Tyson Buch anzumerken. Es ist gut und flüssig geschrieben.
Das Spannende an der literarischen Form der Autobiografie, das zugleich aber auch gerade das Schwierige daran ist, ergibt sich aus ihrer Besonderheit, nämlich der Übereinstimmung und Identität zwischen Autor/Erzähler und Protagonisten (Hauptdarsteller). Die Autobiografie ist explizit subjektiv, zugleich erhebt sie jedoch den Anspruch besonderen Insiderwissens, also auch von Objektivität, was bei Tyson durch den Titel „Unbestreitbare Wahrheit“ auch noch betont wird. In der Autobiografie versucht der Autor, die Deutungshoheit über sein Leben zu erlangen. Seine Sicht auf die Dinge soll als die alleingültige und „unbestreitbare Wahrheit“ akzeptiert und gegebenenfalls übernommen werden.
Um es vorweg zu sagen, die Autobiographie von Mike Tyson ist  lesenswert und gehört m.E. in jedes Buchregal eines Boxfans. Das sage ich, obwohl ich Tysons Wahrheit nicht übernehmen möchte. Dabei denke ich nicht daran, dass Tyson natürlich, laut Tyson, zu unrecht wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist. Wer würde auch schon ernsthaft vermuten, Tyson würde nun gestehen?

Was einen gleich anspringt, ist Tysons unglaubliche, mich manchmal schon etwas langweilende, Unbescheidenheit. „Ich war der jüngste Schwergewichtsweltmeister in der Geschichte des Boxens. Ich war ein Titan, die Reinkarnation Alexander des Großen. Ich war impulsiv, meine Abwehr war unüberwindbar, und ich war unbezähmbar.“ (S. 6) Immer wieder protzt er mit seinen Reichtümern. „Natürlich brauchte ich auch ein Landhaus an der Ostküste. Also kaufte ich das größte Haus im Bundesstaat Connecticut. Es hatte gut 4.500 Quadratmeter Wohnfläche, 13 Küchen und 19 Schlafzimmer. Ich wollte jedes Schlafzimmer mit einem anderen Mädel ausstaffieren.
Das Anwesen war gewaltig: 12 Hektar bewaldetes Land, je ein Schwimmbad drinnen und draußen, ein Leuchtturm, ein Spielfeld für Racquettball und ein richtiger Nachtclub, den ich Club TKO nannte.
In diesem Haus fühlte ich mich wie die Titelfigur des Spielfilms ,Scarface´. Mein Hauptschlafzimmer erstreckte sich über gut 460 Quadratmeter. Mein weitläufiger begehbarer Wandschrank war mit erlesenen Klamotten, Schuhen und Herrenparfums so voll gestopft, dass er an ein Geschäft von Versace erinnerte.“
Die Dutzenden, die Hunderte von Groupies, Huren, Frauen und Promis mit denen Tyson nach eigenem Bekunden im Bett war, waren etwas ermüdend, zumindest für mich als Leser.
Als guter Verlierer erscheint er auch nicht gerade. Evander Holyfield besiegte ihn durch Kopfstösse. Zu dem berühmt/berüchtigten Ohrbeißer schreibt er: „Gleich zu Beginn der Runde verpasste ich Holyfield mehrere harte Schläge. Das Publikum flippte aus. Es spürte, dass der Kampf eine echte Wende nahm. Und wieder rammte mich Holyfield mit dem Kopf. Mir wurde ein wenig schummrig, als hätte ich einen kleinen Blackout, aber Wut und Adrenalin holten mich wieder zurück. Jetzt wollte ich ihn nur noch umbringen. Jeder konnte sehen, dass seine Kopfstöße nicht versehentlich passierten. Ich war außer mir, vergaß alle Disziplin, verlor die Beherrschung – und biss ihm ins Ohr.
Angeblich soll ich dazu mein Mundstück ausgespuckt haben, was aber
nicht stimmt. Ich war so rasend, dass ich heute kaum noch weiß, was sich
abspielte. Auf dem Videoband sieht es so aus, als hätte ich das Stück seines
Ohrläppchens auf den Boden gespuckt, weil ich darauf deutete, wie um zu sagen: „Da hast du’s jetzt.“ […]
Holyfield machte vor Schmerz einen Satz in die Luft, drehte sich um und ging in seine Ecke. Ich lief ihm nach, hätte ihm am liebsten zwischen die Beine getreten, rempelte ihn aber nur von hinten an. Der Fight war zum Straßenkampf geworden. Der Ringarzt schaute sich Holyfield an und ließ ihn den Kampf fortsetzen. Mills Lane zog mir zwei Punkte ab. Aber das war mir jetzt egal. Als der Kampf weiterging, verpasste er mir wieder einen Kopfstoß, und der Ringrichter sah natürlich wieder darüber hinweg. Als wir klammerten, biss ich Holyfield in sein anderes Ohr. Trotzdem kämpften wir die Runde bis zu Ende.
Dann brach die Hölle los. Holyfields Ecke beschwerte sich bei Mills Lane, dass ich ihn wieder gebissen hätte. Lane brach den Kampf ab.“ (S. 359-360)
Mike Tysons Autografie ist für mich nicht „Unbestreitbare Wahrheit“. Es ist aber ein Zeugnis dafür, wie Tyson sich sieht und auch wie Tyson tickt. Es gibt nicht viele gute Autobiografien von Boxern, aber diese ist grandios. Sie ist voll von Maßlosigkeiten, Selbstmitleid, Ungerechtigkeiten und Aufschneiderei. Aber sie ist auch voll von tollen Anekdoten über Kämpfe, über Frank Warren und Don King und über Cus D’Amato und vieles mehr. Wenn Tyson über D’Amato schreibt, dann glaube ich ihm tatsächlich jedes Wort. Die „Unbestreitbare Wahrheit“ ist ein tolles Buch.
© Uwe Betker

Rezension: Ricky Hatton’s Vegas Tales

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Das Buch „Ricky Hatton’s Vegas Tales“ des ehemaligen Weltmeisters der IBF im Halbweltergewicht und der WBA im Weltergewicht, Ricky Hatton, ist vor allen Dingen unterhaltsam und schnell zu lesen. Es trägt den selbstironischen Untertitel: „Me in Las Vegas, what could possibly go wrong?” Damit ist der Ton des Buches schon gut getroffen. Hatton erzählt von seinen zweieinhalb Jahren in Las Vegas, die finanziell zwar schon sehr erfolgreich waren, sportlich aber weniger. Er bestritt dort sechs Kämpfe. Von denen konnte er vier, nämlich gegen Juan Urango, Jose Luis Castillo, Juan Lazcano und Paul Malignaggi, gewinnen. Seine beiden wichtigsten Kämpfe allerdings, nämlich Floyd Mayweather Jr. und Manny Pacquiao, verlor er.
Sein Ghostwriter Justyn Barnes, der sich auf das Schreiben von Sportbüchern, davon viele über Manchester United, spezialisiert hat und sich als Ghostwriter von Sportlerautobiographien einen Namen gemacht hat, trifft den Ton von Hattons Sprache gut. Der hatte offenbar wirklich eine tolle Zeit in den USA, und das merkt man dem Buch an. Beim Lesen stellt sich rasch das Gefühl ein, Hatton würde eine amüsante oder witzige Anekdote nach der anderen erzählen. Dabei macht er auch Witze über sich selbst. Die Stärke des Buches liegt vor allem in seinem Unterhaltungswert. Es ist kurzweilig und man bekommt die 282 Seiten sehr schnell runter gelesen. Und es hat auch noch ein ausführliches Register, das die Suche nach Kämpfen, Personen etc. erleichtert.
Die Erinnerungen von Hatton werden ergänzt durch die von Wegbegleitern. Gegner kommen nicht zu Wort. Das letzte Drittel des Buches wirkt ein wenig langgezogen. “Ricky´s Top Ten Vegas Tear-Ups”, also Hattons Auswahl der besten Kämpfe in Las Vegas und “Rick´s Dream Fight Card” wirken etwas gezwungen originell. Erik Morales vs. Marco Antonio Barrera I wertet er als besten Kampf und er lässt Mike Tyson gegen Muhammad Ali siegen.
Ricky Hatton’s Vegas Tales ist in erster Linie ein Buch für Hatton Fans. Für Nichtfans weist es unübersehbare Lücken auf. Eine Beschreibung, oder Nachbetrachtung der sechs Kämpfe gibt es da beispielsweise nicht. Hatton äußert sich auch kaum über Gründe für die Niederlagen oder Trainer- und Managerwechsel. Diese Erinnerungen sind eben nicht analytisch, sie wollen vielmehr witzig anekdotisch sein. Ein Muss für die Bibliothek ist dieses Buch folglich nicht. Aber es ist, wie schon gesagt, witzig und schnell und einfach zu lesen. Es wäre daher z.B. die richtige Wahl ein träges Wochenende. Bestellen kann man das Buch im Internet oder es auch in Großbritannien im Buchhandel erwerben. Ich habe meines vor kurzem in London bei Waterstones Piccadilly, nicht mein Lieblingsbuchladen in London, gekauft. Es war auf fünf Pfund heruntergesetzt, dafür aber von Ricky Hatton signiert.
© Uwe Betker