Posts Tagged ‘Großbritannien’
Boxen in der Literatur: Sir Arthur Conan Doyle (2) – „Der Meister von Croxley“
Die Erzählung „Der Meister von Croxley“ („The Coxley Master“) erschien 1900 im Strand Magazine. The Strand Magazine war eine britische Monatszeitschrift, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, von 1891 bis 1950, die führende Literaturzeitschrift Großbritanniens war.
In dieser Geschichte begegnen wir an einem Sonntagmorgen einem jungen Mann, Robert Montgomery. Er ist Medizinstudent und verdingt sich in den Semesterferien bei einem Doktor im nordenglischen Industriegebiet. Ihm fehlt nur noch ein Jahr bis zum Examen, aber er hat nicht das Geld für die Studiengebühren. Er braucht 60 Pfund. Der Versuch, sich das Geld in Form eines Darlehens von seinem Arbeitgeber Dr. Oldacres zu leihen, scheitert. Der bigotte und selbstgefällige Mann denkt gar nicht daran zu helfen.
Während nun Montgomery weiter Arzneien abfüllt, kommt ein vierschrötiger junger Bergmann, Ted Barton, in den Behandlungsraum der Praxis. Er beschwert sich in ziemlich rüder Weise darüber, dass ein verschriebenes Medikament noch nicht ausgeliefert worden sei. Der Mann provoziert und droht Montgomery. Es kommt zu einer kurzen körperlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Montgomery sein Gegenüber KO schlägt.
Am Nachmittag kommen drei Männer zu Montgomery in die Arztpraxis. Einer von ihnen ist der wohlhabende Sohn des Kohlegrubenbesitzers, der zweite ein Gastwirt und lokaler Buchmacher und der dritte ein Pferdezureiter. Diese drei also klären Montgomery darüber auf, dass Barton, der Mann, den er vor ein paar Stunden KO geschlagen hat, ein bekannter Schläger und Boxer sei. Am nächsten Samstag sollte er gegen Silas Craggs den „Meister von Croxley“ boxen. Bei diesem Aufeinandertreffen sollten der beste Boxer der Eisenhütte Croxley und der beste der Zeche Wilson ihre Kräfte miteinander messen. Der Kampf war auf zwanzig Runden nach Queenberry Regeln angesetzt. Gekämpft werden sollte mit 2 Unzen Handschuhen und – die Börse betrug 100 Pfund.
Nachdem nun Montgomery Barton KO geschlagen hat, macht man ihm das Angebot, dessen Rolle in dem anstehenden Kampf zu übernehmen. Montgomery ergreift die Chance und sichert den Dreien zu, unter diesen Bedingungen, gegen den „Meister von Croxley“ anzutreten. Ihm wird ein Gym zur Verfügung gestellt, in dem er sich während der nächsten Tage auf den Kampf vorbereitet. An der Universität hat er Boxen gelernt und regelmäßig trainiert. Eines Tages kommt die Ehefrau von Silas Craggs zu Montgomery und erzählt ihm, dass ihr Mann auf dem linken Auge blind ist. Sie ist eifersüchtig, weil ihr Mann sie für eine andere Frau verlassen hat, die zugleich seine Trainerin und Sparringspartnerin ist.
Der Kampf findet unter großem Zuspruch in einer alten Fabrikhalle statt, in der auf einer Plattform ein Ring aufgebaut ist. Das Kampfgeschehen wogt hin und her. Am Ende gewinnt Montgomery durch KO. Ein Angebot für weitere Kämpfe lehnt er ab.
Liest man diese Geschichte – und ich empfehle das wärmstens – so hat man gleich das Gefühl, sie bereits zu kennen. Es ist, als sähe man ein Gemälde, das man schon einmal gesehen hat und sehr mochte, wieder; man entdeckt neue Details und findet es noch schöner als zuvor. – Meine generelle Empfehlung: Arthur Conan Doyle lesen. Man kann mit dem Band Erzählungen „Die Grüne Flagge“ anfangen, in der auch „Der Meister von Croxley“ zu finden ist.
© Uwe Betker
Boxen im Film: Stanley Kubrick (2) „Der Tiger von New York“
Stanley Kubrick (26. Juli 1928 in New York, USA – 07. März 1999 im Childwickbury Manor bei London, Großbritannien) galt als Filmregisseurgenie. Seine Filme 2001: Odyssee im Weltraum, Uhrwerk Orange und Shining haben Kultstatus erreicht.
Mit dem Thema Boxen beschäftigte Kubrick sich mehrfach. Sowohl sein erster Film überhaupt, der Dokumentarfilm „Day of the Fight“ (1950), als auch sein zweiter Spielfilm „Der Tiger von New York“ wählten Boxen und Boxer zum Gegenstand der Handlung.
„Killer’s Kiss“, wie der Originaltitel von „Der Tiger von New York“ lautet, wurde 1955 von dem erst 26-jährigen Kubrick in Schwarz-Weiß gedreht. Es ist ein Low-Budget-Film. Freunde und Verwandte hatten etwa 40.000 US-Dollar aufgebracht, damit Kubrick den Film drehen konnte. Stilistisch wurde es eine Mischung aus Film noir und Melodrama. Man kann ihn auch als Kriminalfilm bezeichnen oder, genauer gesagt, als Kriminal- und Liebesfilm.
Ästhetisch ist der Film geschult an den ausdrucksstarken Bildern in Schwarz-Weiß der Filme der „Schwarzen Serie“. Das erste Viertel, das von den Vorbereitungen auf einen Boxkampf und dem Boxkampf selber handelt, ist stark angelehnt an Kubricks dokumentarischen Kurzfilm „Day of the Fight“. Wer diesen kennt, dem fallen sogleich Gesten und Handlungen des Protagonisten sowie Kameraeinstellungen auf, die er wiedererkennt.
(https://betker.wordpress.com/2017/07/16/boxen-im-film-stanley-kubricks-day-of-the-fight/)
Ein großer Teil des Films wurde in den Straßen von New York gedreht. Durch dieses Drehen „on location“ erhält der Krimi den Anschein von Authentizität. Selbst äußerte Kubrick dazu: „Der Film gibt keinen sehr tiefgründigen Einblick in New York. Es handelt sich ganz einfach um die Standardkulisse eines in New York spielenden Kriminalfilms. Das ist ein nachgemachter Dokumentarfilm.“ Offensichtlich maß er den Außenaufnahmen keine tiefere Bedeutung zu. Dennoch haben sie einerseits eine ästhetische Qualität, die nicht zu unterschätzen ist, und andererseits geben sie dem Film einen dunklen und melancholischen Ton.
Die Handlung beginnt auf einem Bahnhof in New York City, vermutlich Grand Central Station. Davey Gordon (Jamie Smith) führt einen inneren Monolog und fragt sich, wie er in diese Schwierigkeiten hatte geraten können. Er erinnert sich an einige Tage im Rückblick.
Gordon, ein mäßig erfolgreicher Profiboxer, der seine besten Tage hinter hat, lebt in einem bescheidenen Apartment in New York. Er bereitet sich vor und wartet auf seinen letzten großen Kampf, den er dann verliert.
Im gegenüberliegenden Appartement lebt die attraktive Gloria Price (Irene Kane), die als Tänzerin in einem Club arbeitet. Sie wird von ihrem Arbeitgeber, dem Nachclubbesitzer und Gangster Vincent Rapallo (Frank Silvera), bedrängt.
Price und Gordon verlieben sich ineinander. Sie wollen zusammen die Stadt verlassen. Rappallo ist eifersüchtig. Er lässt Price entführen und will Gordon umbringen lassen. Dabei stirbt dann Gordons Manager.
Gordon versucht, Price zu befreien. Dabei kommt es zu einem tödliches Duell mit Rappallo in einer Fabrik für Schaufensterpuppen. Gordon und Price werden getrennt voneinander von der Polizei verhört. Gordon wird nicht angeklagt, da es sich in den Augen der Polizei um Notwehr handelte, und freigelassen. Er beschließt die Stadt zu verlassen und wartet am Bahnhof auf seinen Zug – die Anfangsszene des Films. Kurz vor Abfahrt des Zuges taucht Gloria auf, beide küssen und umarmen sich – ein klassisches Happy End.
„Der Tiger von New York“ ist noch kein klassischer Stanley Kubrick Film. Er ist nicht bombastisch und ausufernd wie die bekannten Filme der zweiten Hälfte seiner Schaffensphase. Es ist ein guter und kleiner Genrefilm mit einem tollen Duell in einer Schaufensterpuppenfabrik. Aber Kubrick wäre nicht Kubrick, hätte er dem Genre nicht etwas Neue abgewinnen können. Wenn man genau hinsieht und -hört, wird man bemerken, dass Kubrick seinem Protagonisten nämlich das glückliche Ende nicht gönnt. Aber wie gesagt, man muss schon bei der Sache sein, um dem versöhnlichen Touch des Endes nicht aufzusitzen. Mehr möchte ich hier nicht verraten. Man kann nur jedem empfehlen, sich „Der Tiger von New York“ anzusehen.
© Uwe Betker