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Wunder gibt es immer wieder
Das Lied „Wunder gibt es immer wieder“ wurde 1970 von Christian Bruhn und Günter Loose geschriebener. Von Katja Ebstein eingesungen, war es der deutsche Beitrag zum 15. Eurovisie Songfestival, also dem Eurovision Song Contest 1970. Es belegte den dritten Platz.
Abgesehen davon dass das Lied ein Ohrwurm ist, hat es Tiefe. Das zeigt sich z.B., wenn man den Text in einen Zusammenhang mit den neuen Entwicklungen beim DBV bringt. Wir erinnern uns: Am 22. Januar 2019 verkündetet der Deutsche Boxsport-Verband e. V. das Aus für den 26. Chemiepokal in Halle an der Saale. DBV-Präsident Jürgen Kyas erklärte. In einer Pressemeldung. „Die Hauptgründe liegen in den angekündigten drastischen Reduzierungen von Fördermitteln bei gleichbleibenden Anforderungen der Zuwendungsgeber Land Sachsen-Anhalt und LOTTO Sachsen-Anhalt und nicht erfüllbarer bürokratischer Auflagen.“
Wie singt Katja Ebstein?
Viele Menschen fragen
„Was ist Schuld daran?
Warum kommt das Glück
Nicht zu mir?“
Fangen mit dem Leben
Viel zu wenig an
Dabei steht das Glück
Schon vor der Tür
DBV-Präsident Jürgen Kyas beschuldigt das Land Sachsen-Anhalt Fördermittel „drastsich“ gestrichenzu haben und „nicht erfüllbare bürokratische Auflagen“ zu verlangen. Das Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt weist die Schuld weit von sich und bezichtigt Kyas damit sozusagen der Falschaussage. Es erklärte gegenüber dem MDR: „Beide Sachverhalte sind falsch. Die Fördermittel in Höhe von 50.000 Euro wurden nicht gekürzt und stehen zur Verfügung. Daran hat sich nichts geändert. Zudem wurden die vorzeitigen Maßnahmebedingungen für den Geldfluss vergangene Woche genehmigt.“ Leider veröffentlichte Herr Kyas bis heute nicht den Brief, das Fax oder die Mail, aus der hervorgeht, dass das Land Sachsen-Anhalt Fördermittel kürzt. Was für mich vollständig unverständlich ist, wenn Kyas‘ Aussage richtig ist.
Aber wie singt doch Katja Ebstein?
Wunder gibt es immer wieder
Heute oder morgen
Können sie geschehen
Wunder gibt es immer wieder
Wenn sie dir begegnen
Musst du sie auch sehen
Dieses Wunder ist nun offenbar geschehen. Der Internetseite http://www.boxato.com zufolge wird der Chemiepokal dieses Jahr in Köln stattfinden und dann „Chemie Colonia Worldcup“ heißen. Angeblich soll er vom 09. bis 14. April 2019 stattfinden.
Wie ging aber nun dieses Wunder vonstatten? Bei der „Hochzeit zu Kana“, einer Wundererzählung aus der Bibel, ging das relativ einfach. Jesus von Nazaret, Gast bei einer Hochzeitsfeier, verwandelte Wasser in Wein, als den Feiernden der Wein ausging.
Wie aber schaffte es Jürgen Kyas, sein Wunder zu vollbringen. Wie schaffte er es, kurzfristig das Land NRW dazu zu bewegen, auf die Schnelle Fördermittel für ein Amateurboxturnier bereit zu stellen. Und er schaffte es, das Land NRW dazu zu bringen, geringere bürokratische Auflagen zu fordern als Sachsen-Anhalt.
Ronny Poge, der Autor des Artikels über „Chemie Colonia Worldcup“ sieht die Verlegung in einem anderen Kontext. „Nach den beiden gescheiterten Olympia-Bewerbungsversuchen von München und Hamburg versucht jetzt Nordrhein-Westfalen die Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2032. Dafür braucht der neue Bewerber hochkarätige Sportevents für die einzelnen Sportarten. Deshalb wurde der Chemiepokal Halle, als einziges internationales Elite-Boxturnier Deutschlands, von Sachsen-Anhalt nach Köln verlegt. Hamburg hatte bei seiner Olympia-Bewerbung für die Sommerspiele 2024 von der AIBA die Weltmeisterschaften 2017 als „Generalprobe“ zugesprochen bekommen.“
Das Grundproblem mit Wundern ist nicht, wie Katja Ebstein singt, dass man sie sehen muss, sondern dass man sie glauben muss. Und Glauben ist nicht Wissen. Wenn man voraussetzt, der Bericht über die Verlegung des Chemiepokals ist richtig, dann stellen sich ein paar Fragen. Hat DBV-Präsident Jürgen Kyas tatsächlich nur kurzfristig auf die drastische Kürzung von Fördermitteln durch das Land Sachsen-Anhalt reagiert oder hat er die Verlegung von langer Hand geplant, um Olympia-Bewerbungsversuchen von NRW zu unterstützen? Hat das Land Sachsen-Anhalt die Fördermittel für den Chemiepokal überhaupt gekürzt?
Es wäre schon hilfreich, wenn der Präsident des DBV, Herr Jürgen Kyas, das besagte Schreiben veröffentlichen würde. Ich finde es sehr schwer zu ertragen, dass man einfach nicht weiß, wem man glauben kann: dem DBV oder dem Land Sachen-Anhalt.
© Uwe Betker
Vorweihnachtliches Boxen in Halle (Saale)
Die Säle der Hotelkette Maritim scheinen Orte zu sein, die gutes Boxen anziehen. Am 21.12.2012, also an dem Tag, an dem nach der Meinung von einigen esoterisch Angehauchten die Welt untergehen sollte, fand in Halle an der Saale die 1. Hallesche Boxnacht statt. Zirka 500 Zuschauer fanden kurz vor Weihnachten den Weg in den Ballsaal und sie sahen eine gute und solide Show.
Den ersten Kampf bestritten Robert Maess (7 Kämpfe, 7 Siege, 7 durch KO) und Ahmed Hammoodi (3 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) im Halbmittelgewicht, und es war durchaus spektakulär. Maess, der größere und bessere Boxer, hatte seine liebe Not mit dem aggressiv noch vorne gehenden Hammoodi, der sein Glück in Schwingern und Haken suchte. Die ersten drei Runden gingen klar an Hammoodi. In der dritten Runde schickte er Maess sogar mit einem Haken zu Boden, woraufhin eine wilde und kurzweilige Keilerei begann. In der folgenden Runde drehte sich dann der Kampf. Hammoodi bekam offensichtlich Konditionsprobleme und Maess fing an zu kontern. Dem etwas unsauber boxenden Hammoodi wurde ein Punkt abgezogen wegen Haltens. Warum ihm dann aber später von Ringrichter Ottmar Schmidt noch einmal ein Punkt abgezogen, hat sich allerdings meiner Kenntnis und meiner Wahrnehmung entzogen. In der fünften Runde wurden dann die Konditionsprobleme von Hammoodi immer schlimmer. Er kam schließlich gar vom Schwung seiner eigenen Schläge ins Torkeln. Eine Linke zum Kinn zwang ihn zuletzt in einer neutralen Ecke zu Boden. Zwar kam er noch mal wieder hoch, wurde aber im Stehen ausgezählt. KO in Runde 5 nach 2 Minuten und 10 Sekunden.
Ein paar Worte zu dem Kampfgericht. Die 1. Hallesche Boxnacht war die zweite Veranstaltung des neu gegründeten Bundes Deutscher Faustkämpfer (BDF). Der BDF ist nunmehr der dritte deutsche Verband. Den Punkt- und Ringrichtern war anzumerken, dass sie alle vom Amateurboxen kommen. Dementsprechend war ihr Agieren manchmal ein wenig nervös und nicht eindeutig und souverän genug. Man kann aber auch feststellen, dass dies den Ausgang keines Kampfes beeinflusste und dass in allen Kämpfen der Sieger seinen Sieg auch verdient hatte – etwas, was in diesem Jahr keine Selbstverständlichkeit war.
In der zweiten Ansetzung des Abends bekam es Halbeschwergewichtler Rashad Karimov (28 Kämpfe, 26 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen) mit Artsem Hurbo (18 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO, 13 Niederlagen, 12 durch KO, 1 Unentschieden) zu tun. Karimov wirkte in seinem systematischen Tun unterkühlt. Er verfolgte seinen ihm in allen Belangen unterlegenen Gegner und schickte ihn zu Boden. Er knockte ihn dann endgültig aus, nachdem er ihn noch einmal in dem Kampf gelassen hatte: KO in Runde 1, nach 2 Minuten 55.
Der folgende Frauenboxkampf hielt eine faustdicke Überraschung bereit. Sara Schnell gab ihr Debüt bei den Profis im Mittelgewicht. Ihre Gegnerin, Nathalie John (3 Kämpfe, 1 Sieg, 1 Niederlage, 1 NC) aus Karlsruhe hatte vorher nur zwei Kämpfe bestritten, von denen sie keinen gewinnen konnte.
Die erste Runde war noch ausgeglichen. Am Anfang kam John mit ihrer unorthodox geschlagenen Rechten zum Kopf mehrfach gut durch. Hiernach hatte sich Schnell darauf eingestellt und traf selber. Die folgende Runde, ein richtiggehendes Gewürge, ging dann auch an sie. In den letzten beiden Runden boxte Schnell planlos. Sie versuchte mit Schwingern zu treffen, wurde aber immer wieder abgekontert. Am Ende blutete die Debütantin aus der Nase. Punktsieg nach 4 Runden für John, durch Mehrheitsentscheidung.
In dem folgenden Kampf im Weltergewicht zwischen Puryia Haidari (2 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO) und Marcen Gierke (60 Kämpfe, 10 Siege, 48 Niederlagen, 18 durch KO, 2 Unentschieden) wurde dann wieder Boxen auf hohem technischen Niveau gezeigt. Obwohl der Kampf relativ einseitig war – Haidari gewann jede Runde -, war er doch recht kurzweilig. Das war nicht zuletzt dem sehr erfahrenen Gierke geschuldet, der seinem Gegner genug Widerstand entgegenbrachte, um den Kampf auf seinem Niveau zu halten. Alle Punktrichter werteten 40:36 für Haidari.
Der folgende fünfte Kampf, war einer der Höhepunkt des Abends. Der ungeschlagene Timo Schwarzkopf (9 Kämpfe, 9 Siege, 5 durch KO) boxte im Weltergewicht gegen Alexander Pligovka (7 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 3 Niederlagen 1 durch KO, 1 Unentschieden). Schwarzkopf studierte den größeren Pligovka während der ersten Hälfte der Runde eins, um ihn dann mehr und mehr unter Druck zu setzen. In Runde 2 sah es schon so aus, als ob Schwarzkopf zu einem frühen KO-Erfolg kommen könnte. Immer wieder traf er hart. Er zeigte variables Boxen. Sein Gegner kämpfte ums Überleben. Erstaunlich war, dass Pligovka, der kurzfristig eingesprungen war, eine so gute Leistung zeigte.
In der vierten Runde musste Pligovka nach einem Leberhaken zu Boden, aber er kam rechtzeitig wieder hoch und erreichte den Gong. In der Folgezeit musste Pligovka viel einstecken. In der sechsten und letzten Runde ging er erneut nach einem Körpertreffer zu Boden. Der Punktsieg von Schwarzkopf (60:52, 60:52 und 60:52) war einstimmig.
Im nächsten Kampf gab Lelito Lopez Lopez im Halbmittelgewicht gegen Hawal Garib (28 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 25 Niederlagen, 14 durch KO) sein Profidebüt. Lopez boxte furios. Er zeigte schnelle Hände und verteilte gut auf Körper und Kopf. Er schickte Garib dreimal zu Boden, wobei nach dem dritten Niederschlag sein Gegenüber nicht schnell genug mehr hoch kam. KO in Runde 1 nach 2 Minuten 50 Sekunden. Die Unarten, wie Fans und Familienangehörige abzuklatschen, während der Gegner angezählt wird und die neutrale Ecke während des Zählens zu verlassen sind seiner Jugend, Lopez ist erst 19 Jahre alt, seiner Nervosität und seiner Unerfahrenheit geschuldet. Dies sollte er aber bald abgelegt haben.
Das Profidebüt seines um 2 Jahre älteren Bruders, Ronny Lopez Lopez, war noch kürzer. Der Supermittelgewichtler trat gegen Andy Thiele (25 Kämpfe, 1 Sieg, 22 Niederlagen, 12 durch KO, 2 Unentschieden), den notorischen Aufbaugegner aus Berlin an. Bevor der Kampf richtig angefangen hatte, kam es zu einem unbeabsichtigten Kopfstoß, der es Thiele unmöglich machte den Kampf fortzusetzen. TKO in Runde 1 nach 1 Minute 10. – Man darf gespannt sein, wie sich die Brüder Lopez entwickeln werden. Potential haben sie und auch schon eine lautstarke Gruppe von Fans.
Steve Krökel (40 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 21 Niederlagen, 6 durch KO, 2 Unentschieden) und John Mifuba (7 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch K0, 4 Niederlagen, 3 durch KO) trafen im Halbschwergewicht aufeinander. Krökel schickte sein Gegenüber bereits im ersten Durchgang durch eine rechte Gerade auf die Stirn zu Boden. Aber ab der dritten Runde hatte er seinen Gegner nicht mehr im Griff. Er hatte offensichtlich Schwierigkeiten mit der Rechtsauslage von Mifuba. Die folgenden Runden quälte er sich und konnte kaum Treffer setzen. Es schien fast so, als ob er sich das Leben selbst schwer machte. Er versäumte es schlicht gerade zu boxen. Die Punkrichter werteten alle für ihn (59:56, 60:54 und 59:54), wobei ich selbst den Kampf sehr viel knapper gepunktet hatte.
Im neunten Kampf boxte Özlem Sahin (15 Kämpfe, 14 Siege, 5 durch KO, 1 Unentschieden) nach 17 Monaten das erste Mal wieder. Die Interimsweltmeisterin im Junior Fliegengewicht nach Version WIBF bestritt einen Sechsrunder im Minimumgewicht. Damit durfte sie zum ersten Mal in ihrer eigentlichen Gewichtsklasse boxen. Ihre Gegnerin war Agnes Draxler (5 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO). Die erst 18-jährige Draxler startete furios. Unerschrocken griff sie Sahin an. Sahin begann verhalten und studierte ihre Gegnerin. Dann konterte sie mit einem linken Cross und übernahm das Kommando im Ring. Sie trieb ihre Gegnerin, die sich immer wieder zum Kampf stellte, vor sich her. Am Ende des ersten Durchgangs wurde Draxler angezählt und sie erreichte nur mit Müh und Not die Ringpause. Im zweiten Durchgang machte Sahin da weiter, wo sie eine Minute vorher aufgehört hatte. Sie suchte den vorzeitigen Sieg, und sie bekam ihn. Der Ringrichter brach den Kampf nach 1 Minute und 10 ab, um die Gesundheit der tapferen Draxler zu schützen. Die zahlreich angereisten Fans feierten ein beindruckendes Comeback von Sahin. Offensichtlich ist sie während ihrer Ringabstinenz noch besser geworden, auch scheint sie im Minimumgewicht stärker zu sein als im Junior Fliegengewicht.
Den folgenden Kampf bestritten Marko Angermann (28 Kämpfe, 11 Siege, 4 durch KO, 16 Niederlagen, 13 durch KO, 1 Unentschieden) und Patrik Linkert (7 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unterschieden) im Halbschwergewicht. Auch dieser Kampf endete überraschend. Der Lokalmatador Angermann startete stark. Aber bereits in der dritten und vierten Runde bekam er so massive Konditionsprobleme, dass er seinen Mundschutz ausspuckte, um Zeit zur Erholung zu gewinnen. In Runde 6 und 7 bekam er so etwas wie die zweite Luft. Er holte aus und versuchte Schwinger ins Ziel zu bringen, dann nahm er sich Auszeiten, indem er sich abdrehte und drauf hoffte, von Linkertn nicht geschlagen zu werden, was dieser auch nicht tat.
In Runde 8 baute er dann wieder rasant ab und kassierte harte Schläge. Als er sich dann nach 1 Minute und 25 erneut abdrehte, interpretierte der Ringrichter dies als Aufgabe. Offensichtlich waren die angesetzten 8 Runden zu lang für Angermann.
Den Hauptkampf des Abends bestritten Ramon Belaev (10 Kämpfe, 10 Siege, 8 durch KO) und Frank Horache Horta (45 Kämpfe, 30 Siege, 10 durch KO, 10 Niederlagen, 1 durch KO, 5 Unentschieden) im Super Weltergewicht. Dem sehr hoch eingeschätzten Belaev wurde in seinem zehnten Kampf ein sehr erfahrener Gegner vorgesetzt.
Der Kampf war auf sehr hohem technischem Niveau. Belaev, der boxende Puncher, versuchte sich den KO zu erarbeiten. Horta, der Ringfuchs, versuchte mit schnellen Händen sein Gegenüber aus dem Rhythmus zu bringen. In dem zum Teil sehr intensiv geführten Gefecht behielt Belaev in fast allen Runden die Oberhand. Aber Horta zeigte auf, dass Belaev als Profi noch nicht ganz ausgereift ist.
In der siebten und der achten Runde musste Horta zu Boden, dass eine Mal nach einem Körper-, dass andere Mal nach einem Kopftreffer. Aber Horta schaffte es, den Schlussgong zu erreichen. Die Punktrichter gaben einstimmig (80:70, 79:73 und 80:72) Belaev den Sieg.
© Uwe Betker