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Beginn eines neuen Zeitalters
8Mit der Veranstaltung am 07.04.2017 in Wuppertal schaffte Werner Kreiskott den Beginn eines neuen Zeitalters. Bislang war Kreiskott selbst immer auch Hauptkämpfer oder agierte zumindest als möglicher Hauptkämpfer im Hintergrund. Nun aber, nachdem er seine Handschuhe an den berühmten Nagel gehängt hat, fungiert er „nur“ noch als Veranstalter. Die Veranstaltung am Samstag war nun die erste ohne Kreiskott als Boxer und – sie war ein voller Erfolg. Die verkleinerte Unihalle war mit 1.000 verkauften Karten restlos ausverkauft. Und, was das wichtigste ist, es gab guten Kampfsport zu sehen.
Der erste Profiboxkampf, den ich gesehen habe – und ich war relativ früh da – war ein Vierrunder im Leichtgewicht. Susan Kolukisa (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 1 Unentschieden) traf auf die Debütantin Leila Chebabi. Die erste Runde wurde von beiden Frauen relativ verhalten geführt. Sie zeigten beide ein gutes technisches Boxen, wobei Kolukisa die besseren und härteren Treffer setzen konnte. Zur zweiten Runde trat Chebabi verletzungsbedingt nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 2: Susan Kolukisa.
Danach stiegen, ebenfalls für einen Vierrunder Marc Dube (2 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO) und Ziya Goekalp (17 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 16 Niederlagen, 11 durch KO) in den Ring. Die Begegnung im Super Weltergewicht wurde von Anfang an sehr intensiv geführt. Der Kampf war nichts für die Technikfreunde, sondern eher einer für Freunde der harten Keilerei. Mitte der ersten Runde war Dube etwas übereifrig. Er hörte nicht auf das Break Kommando von Goran Morawiec, was ihm eine Ermahnung einbrachte. In der zweiten Hälfte der Runde musste Goekalp viele Treffer nehmen. Immer wieder wurde er an den Seilen gestellt und steckte einen Schlag nach dem anderen zum Kopf ein. Zu diesem Zeitpunkt konnte er froh sein, dass er nicht vom GBA Ringrichter aus den Kampf genommen wurde. Auch die folgenden Runden verliefen ähnlich munter, wenn auch nicht ganz so einseitig. Goekalp verließ sich dabei mehr auf seine Nehmerfähigkeit als auf seine Deckung. Dube schaffte es jedenfalls nicht, ihn mit seinen Schwingern zu fällen. Einstimmer Punktsieger: Marc Dube.
Im Super Mittelgewicht gab sodann Edison Demaj sein Profidebüt gegen Yesilat Berkta (44 Kämpfe, 6 Siege, 5 durch KO, 38 Niederlagen, 23 durch KO). Der Kampf wurde verbissen und hart geführt. Die beiden Kontrahenten standen Fuß an Fuß und deckten sich gegenseitig mit Schlägen ein. Zur zweiten Runde trat Berkta, verletzungsbedingt, nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 2: Edison Demaj.
Anschließend gab es wieder einen Frauenboxkampf. Özlem Sahin (26 Kämpfe, 24 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) traf im Minimumgewicht auf Teona Pirosmanashvili (5 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO). Sahin trieb ihre Gegnerin vor sich her. Mehrfach kam sie mit schönen Treffern durch, so in der zweiten Runde mit einem schönen Körpertreffer und einem rechten Cross, die Pirosmanashvili beide deutlich gespürt haben dürfte. In der dritten Runde erhöhte Sahin dann den Druck. Mehrfach kam sie mit dem rechten Cross durch, der Pirosmanashvili immer wieder erschütterte. Zur vierten Runde trat Pirosmanashvili nicht mehr an. Angeblich hatte sei sich verletzt. Ich persönlich vermute eher, sie wollte nicht KO gehen. Später am Abend habe ich sie sogar tanzen gesehen; dabei schien sie mir auch keine Schmerzen gehabt zu haben. Der Ringrichter Jens-Uwe Baum hatte in dem Kampf nichts zu tun. Sieger durch TKO 4: Özlem Sahin
Im Mittelgewicht maßen Ercan Tuncel (5 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO) und Emir Recepaga (3 Kämpfe, 3 Niederlagen, 1 durch KO) ihre Kräfte. Beide zeigten gutes und technisches Boxen. Tuncel präsentierte sich aber als der physisch stärkere und schnellere Boxer; vor allem war er der härtere Puncher. Ende der ersten Runde kam Tuncel dann mit einer Rechten zum Kopf durch, die Recepaga sichtlich beeindruckte. In der zweiten Runde erhöhte Tuncel langsam den Druck, aber Recepaga hielt dagegen. Die dritte Runde war geprägt von vielen Schlagabtäuschen. In der vierten Runde sah es sogar so aus, als könnte Recepaga den Kampf drehen. Dann aber kam Tuncel erst mit einer Rechten und später mit einer Linken zum Kopf durch, beides Volltreffer. Am Ende der Runde nahm Recepaga noch mehr harte Kopftreffer, ging aber nicht runter. In der fünften Runde spielte Tuncel ein wenig mit seinem Gegner und machte weniger Druck. In der sechsten Runde erhöhte Tuncel noch mal den Druck, stellte Recepaga und ließ ihn nicht mehr weg. Als Ringrichter Morawiec gerade den Kampf abbrechen wollte, weil Recepaga sich nicht mehr verteidigen konnte, flog auch ein Handtuch in den Ring. Sieger durch TKO in der 6. Runde, nach 2:26 Minuten: Ercan Tuncel.
Im Leichtgewicht gab Manuel Steffan gegen Attila Csereklye (20 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO, 13 Niederlagen, 7 durch KO) sein Profidebüt. Csereklye versuchte Steffan den Kampf kaputt zu machen. Überfallartig sprang er Steffan an, um ihm den Infight aufzuzwingen und/oder er versuchte zu klammern. Nur selten konnte Steffan ihn abkontern. In der zweiten Runde gelang es Steffan aber, mehr und mehr seinen Kampf zu etablieren. Er kam mehrfach mit Kontern zu Kopf und Körper durch, wodurch Csereklye langsamer wurde. In der dritten Runde hatte Steffan seinen Gegner dann im Griff. Er bestimmte das Kampfgeschehen. Csereklye kam nicht mehr an ihn ran. In der vierten Runde boxte Steffan schön lang und grade, ein vorzeitiger Sieg blieb ihm jedoch verwehrt. Punktsieger: Manuel Steffan.
Eine Gewichtklasse höher boxten Nawid Hakimsadeh (10 Kämpfe, 9 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage) und Bilal Messoudi (9 Kämpfe, 5 Siege, 1 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) in einem Vierrunder gegeneinander. Es war ein intensives Aufeinandertreffen. Beide wollten den KO. Hakimsadeh wollte ihn eher erboxen, Messoudi durch harte Schwinger erzwingen. Es gab viele harte Schlagabtäusche. In der zweiten Runde punktete Messoudi durch harte Körpertreffer. In der dritten Runde wurde Hakimsadeh in einer neutralen Ecke von Ringrichter Baum angezählt. Eine Rechte zum Kopf hatte ihn zu Boden gezwungen. Es war ein wüster Kampf. Messoudi wurde ein Punkt abgezogen, wegen mehrfachen Hinterkopfschlagens. Danach ging die Ringschlacht weiter. In der vierten Runde war von einer boxerischen Linie nichts mehr zu sehen. Es war ein ununterbrochener wilder Schlagabtausch, bei dem Hakimsadeh viele Schläge zum Kopf nahm. Punksieger: Bilal Messoudi.
Es folgte der Titelkampf des Abends. Dabei ging es um den vakanten World Boxing Federation International Titel im Super Weltergewicht. Marco Martini (18 Kämpfe, 15 Siege, 6 durch KO, 3 Niederlagen) und Yaser Yüksel (6 Kämpfe, 5 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage). Es war das klassische Aufeinandertreffen eines Fighters und eines Boxers. Beide fingen sehr verhalten an. Es gab nur wenige Aktionen und nur wenige Hände fanden ihr Ziel. Martini beherrschte die Ringmitte, schob sich an seinen Gegner heran und suchte den Abtausch. Yüksel beschränkte sich aufs Kontern. In den folgenden Runden wurde das Tempo kontinuierlich höher. Die ersten Runden gehörten Martini. Er machte mehr und traf häufiger. In der vierten Runde konterte Yüksel Martini häufiger ab und kam dann auch häufiger mit seinen Schlägen durch. In der fünften machte Martini wieder mehr. Die sechste Runde war extrem eng. Hiernach wurde die Begegnung härter. In der siebten konnte Yüksel dann mehr Hände ins Ziel bringen. In der achten Runde wiederum erzielte Martini wieder mehr Treffer. Runde neun war wieder sehr eng und in der zehnten Runde suchte Yüksel den KO, der aber nicht kam. Die Punktrichter werteten 96:94, 98:92 und 98:92. Einstimmiger Punktsieger: Marco Martini.
Es folgte ein Sechsrunder im Weltergewicht. Sherif Morina (7 Kämpfe, 7 Siege, 4 durch KO) boxte gegen Giorgi Gviniashvili (26 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO, 11 Niederlagen, 4 durch KO). Morina setzte seinen Gegner von Anfang an unter Druck, obwohl er, wie so oft, der Kleinere ist. Ende der ersten Runde schien Gviniashvili durch einen Körperhaken, gefolgt von einem Kopfhaken, beeindruckt zu sein. In der zweiten Runde erhöhte Morina den Druck, aber Gviniashvili steckte nicht auf. Er versuchte, selber durch Körpertreffer und Schläge auf dem Hinterkopf Morina langsamer zu machen. Dafür wurde er dann auch zweimal von Ringrichter Baum ermahnt. Mitte der dritten Runde kam Morina mehrfach mit schönen Rechten zum Kopf durch, die Gviniashvili einknicken ließen. In den verbleibenden drei Runden versuchte Gviniashvili zu überleben. Er machte Faxen, er schlug Innenhände, er monierte Tiefschläge die nicht existierten. Morina suchte den KO. In der sechsten Runde knickte Gviniashvili nach schweren Treffern sichtlich ein, aber er erreichte den Schlussgong. Punktsieger: Sherif Morina.
Den letzten Kampf des Abends bestritten Timo Rost (4 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO) und Diego Shamatava (13 Kämpfe, 5 Siege, 2 durch KO, 8 Niederlagen, 1 durch KO) im Super Mittelgewicht mit einem Sechsrunder. Shamatava, der gut einen Kopf kleiner als Rost ist, stürmte auf seinen Gegner zu und schlug dabei wilde Schwinger. Rost nutzte seinen Reichweitenvorteil und deckte seinen Gegner mit Schlägen zum Kopf ein. Die erste Runde war extrem schnell. In der zweiten Runde normalisierte sich das Tempo, aber es war immer noch sehr hoch. Rost ließ sich von dem unsauber Boxenden Shamatava nicht provozieren und boxte seinen Kampf weiter. Shamatava nutzte jede Gelegenheit zum Klammern. In der vierten Runde zeigte Shamatava eine kleine Catcheinlage mit Schlagen auf den Hinterkopf. Dafür wackelte er dann nach einem Körper- und Kopftreffer. In den folgenden Runden nahm Shamatava unglaublich viele Schläge gegen den Kopf, aber er fiel nicht. Punktsieger: Timo Rost.
© Uwe Betker
Die Krise ist da
Die Krise ist da. Lange wurde das Herannahen der Krise im deutschen Profiboxen von den Beteiligten übersehen, ignoriert und verleugnet. Aber nun ist die Krise da, und jetzt kann sie nicht mehr übersehen werden. Spätestens seit Marco Hucks letzter Niederlage hat sich der allgemeine Blick aufs Profiboxen geändert. Man hört und liest kritische Töne allüberall. Selbst Funktionäre von deutschen Verbänden fangen an, in der Öffentlichkeit ein realistisches Bild zu zeichnen. Unlängst kritisierte sogar ein Funktionär einen Kampf, der auf einer Veranstaltung des eigenen Verbandes stattgefunden hatte. BILD fand die griffige Überschrift: „Nur noch ein Weltmeister – Darum steht das deutsche Boxen vor dem K.o.“.
Wirklich sieht die Situation auch nicht gut aus. Fangen wir mit dem Schwergewicht an. Christian Lewandowski (11 Kämpfe, 9 Siege, 9 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) und Erkan Teper (18 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 2 Niederlagen) verloren ihre letzten zwei Kämpfe. Dennis Lewandowski (12 Kämpfe, 11 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) verlor Mitte letzten Jahres gegen Tom Schwarz. Adrian Grant (15 Kämpfe, 14 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) ging in seinem letzten Kampf KO. Da haben wir gleich vier deutsche oder in Deutschland boxende Schwergewichtler, die fette Rückschläge einstecken mussten.
Gerüchten zufolge will sich Z! Promotion, deren Zugpferde Erkan Teper und Christian Lewandowski sind, aus dem Geschäft zurückziehen, bzw. ihr Engagement deutlich runter fahren. Wie gesagt, es ist nur ein Gerücht.
Das letzte Mal, als ich hier ein Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist, widergegeben habe, erfuhr ich viel Häme. Damals kursierte das Gerücht, der TV Sender Sat.1 wolle „nur noch drei bis vier Boxveranstaltungen, und zwar Weltmeisterschaften“ im Jahr übertragen. Es folgte eine Pressemeldung, die verkündete, Sat.1 und Sauerland hätten ihren Vertrag verlängert – und dann viel Häme. Wenn ich dann aber nachzähle, stelle ich fest, dass Sat.1 in diesem Jahr erst eine Veranstaltung übertragen hat.
Zudem ist die Zukunft einiger Hauptkämpfer ungewiss. Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO), der ehemalige König des Schwergewichts, steht mit seinen 41 Jahren und seinen letzten beiden Niederlagen gegen Tyson Fury und Anthony Joshua im Herbst seiner Karriere. Der ehemalige Cruisergewichtsweltmeister Marco Huck (45 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) ist zwar erst 32 Jahre alt, wirkte aber in seinem letzten Kampf sehr viel älter.
Jürgen Brähmer (51 Kämpfe, 48 Siege, 35 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO) verlor in seinem letzten Kampf seinen WM Titel im Halbschwergewicht.
Arthur Abraham (51 Kämpfe, 46 Siege, 30 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO) ist schon sein eineinhalb Jahren seinen WM Titel im Supermittelgewicht los.
Robert Stieglitz (57 Kämpfe, 50 Siege, 29 durch KO; 5 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden) hat seinen Rücktritt erklärt und Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Niederlagen, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) ist seit mehr als einen Jahr inaktiv. Damit dürfte er eine mögliche Dopingsperre schon abgegolten haben.
Mit der obigen Liste erhebe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Was ich zu verdeutlichen versuche, ist, dass es dem Profiboxen in Deutschland an TV-tauglichen Hauptkämpfern mangelt. Damit soll nicht gesagt werden, dass es keine Kandidaten hierfür gäbe. Sie sind nur noch nicht so weit, dass ein großer TV-Sender damit eine entsprechende Einschalquote erzielen könnte.
Durch die Niederlagen von Klitschko und Huck ist es fraglich geworden, ob und wann RTL überhaupt wieder Boxen zeigen wird. Der MDR hält weiter zu SES-Boxing, zumal die Quoten gut sind. Der ehemalige Boxsender Sat.1 zeigt nur noch sehr selten Boxen. Die Veranstaltungen von Sauerland sind nun zumeist im Internet oder in Spartensendern zu sehen.
Das Grundproblem von Profiboxen und großen TV Sendern ist, dass die Letzteren diesen Sport nur dann zeigen können und wollen, wenn die Einschaltquote stimmt. Das bedeutet aber nun nichts anderes, als dass Boxen Hauptkämpfer braucht, die auch eine entsprechende Zuschauerzahl an die TV-Geräte locken, nämlich auch solche, die Boxen sonst nicht gucken. Einige Veranstalter haben hier auf die falschen Boxer und auch auf die falschen Berater gesetzt. Und natürlich haben TV-Sender zum Teil auch das falsche Produkt von den Veranstaltern gekauft.
Auch die angekündigte Zusammenarbeit zwischen einem der deutschen Profiverbände, BDB, mit dem Amateurverband DBV dürfte dieses Problem nicht lösen. Allein durch eine Zusammenarbeit der beiden Verbände werden ihre Produkte, nämlich Profi- und Amateurboxen, noch keineswegs attraktiver.
Die Krise ist da, und es ist gut, dass man sie jetzt nicht mehr verleugnet. In Deutschland gibt es genug talentierte Boxer, die das Zeug dazu hätten, genug Zuschauer für TV-Sender zu mobilisieren. Aber die brauchen noch Zeit. Außerdem ist auch vorstellbar, dass schon bald jemand ein neues Konzept für die Vermarktung von Profiboxen ausarbeitet.
© Uwe Betker
Henry Flakes, eine Schwergewichtshoffnung der 40er Jahre
Henry Flakes war ein Schwergewichtler, dem man Ende der 1940er Jahren zutraute, ganz nach oben zu kommen. Die Presse feierte ihn als zukünftigen Weltmeister und als besten jungen Schwergewichtler in den USA. Er hatte Potential. Er hatte eine gute Technik, schnelle Beine und einen harten Punch. Kurz: er hatte alles, um den Weltmeisterschaftsthron zu besteigen, aber stattdessen bestieg er den Elektrischen Stuhl.
Am 27.02.1927 wurde Henry David Flakes in Opelika, einer Kleinstadt in Alabama geboren. Aufgewachsen ist er in Chattanooga, Tennessee. Das Boxen lernte er von und mit seinem Vater. Weil sie sich keine Handschuhe leisten konnten, nahmen sie stattdessen mit Lumpen gefüllte Säcke, die sie mit Seilen an den Handgelenken zuschnürten. Der Boxunterricht endete, als Flakes Senior nach einem rechten Cross zehn Minuten ohne Bewusstsein auf dem Boden lag. Flakes log über sein wahres Alter und trat in die Navy ein. Eine Narbe auf seiner Nase erhielt er beim Absturz eines japanischen Flugzeuges auf den Flugzeugträger „Nassau“ bei Pearl Harbor. Flakes sagte später: „das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich KO ging.“
Er kam nach New York, um zu boxen. In seinen ersten Kampf, am 21.01.1947, knockte er den Journeyman Al Rogers in der ersten Runde aus. Da war er noch keine 20 Jahre alt. Er boxte weiter und gewann weiter. Um fürs Publikum interessant zu sein, gewann er auch genug Kämpfe durch KO. Er kämpfte überall in New York State, in New Jersey, in Newark, und war regelmäßig Hauptkämpfer im Memorial Auditorium in Buffalo. Am 04.02.1948 traf er im Armory in Akron, Ohio auf Pat Comiskey, einen Top Ten Boxer. Flakes hatte bis dahin von seinen 19 Kämpfen zwei verloren, einen vorzeitig – er hatte sich das Knie verdreht – und seinen letzten durch eine Punktniederlage. Dieser letzte Kampf, der auch im Armory stattgefunden hatte, war quasi Flakes Eintrittskarte für seinen Kampf gegen Comiskey. Comiskey wurde von The Ring 1947 auf Position vier geführt. Um es kurz zu machen: Flakes besiegte Comiskey einstimmig nach Punkten. Auch den Rückkampf, zwei Wochen später, konnte er für sich entscheiden. Diesmal gewann er durch TKO in Runde 5, nach 2:34 Minuten. Der einzige Boxer, dem es bis dahin gelungen war, Comiskey auch vorzeitig zu besiegen, war Max Baer.
Flakes war kurz vor dem Durchbruch. Am 11.05.1948 bekam er es erneut mit einem Top Ten Boxer zu tun. Er besiegte Lee Oma nach Punkten. Auch den Rückkampf, knapp zwei Wochen später, am 21.05.1948 im Madison Square Garden in New York, gewann er nach Punkten. Oma wurde von The Ring 1949 immerhin auf Platz zwei geführt.
Flakes war mit seinen 21 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere, exakt nach einem Jahr und vier Monaten als Profi. Ein WM Kampf gegen Joe Louis war in die Nähe gerückt. Aber der Auftritt im Madison Square Garden sollte „Snow“ Flakes letzter Kampf gewesen sein. Sein Kampfrekord: 27 Kämpfe, 24 Siege, 13 durch KO, 2 Niederlagen. 1 durch KO, 1 Unentschieden
Flakes hatte ein gesundheitliches Problem. Er hatte Katarakte, also eine Trübung der Augenlinsen, welche auch grauer Star genannt wird. Er war gezwungen das Boxen aufzugeben. Er schlug sich mit schlecht bezahlten Jobs durch, um sich über Wasser zu halten. Er verlor das Augenlicht auf seinem rechten Auge. Die nötige Operation konnte er sich schlicht nicht leisten. Dem Autopsiereport zufolge hatte man ihm seinen Blinddarm entfernt und Haut transplantiert. Operrationen sind und waren in den USA sehr teuer und waren oft verbunden mit der Verabreichung großer Mengen von Drogen. Aber dies sind nur Mutmaßungen darüber, wieso Flakes drogensüchtig wurde. Zwischenzeitlich soll er auch als Automechaniker gearbeitet haben. Das ist das aber nicht verbürgt. Sicher ist nur seine Drogensucht.
Er brauchte Geld und Drogen bzw. Geld für Drogen. Mit einem Partner, Walter Green, überfiel er am 07.11.1958 einen Herrenausstatter in Lackawanna, New York. Ihr Fluchtfahrer Dewitt R. Lee Jr. wartete draußen, mit seiner Freundin, der ehemaligen Lehrerin Beatrice Beckman, die später jedwede Mitwisserschaft abbestritt und als Hauptzeugin der Anklage auftrat. Sie erbeuteten 96 Dollar, was heute ungefähr das Zehnfache wert ist. Zurück blieb der Besitzer Joseph Friedmann. Er war von Flakes erschossen worden.
Alle drei Täter wurden gefasst. Lee, der im Auto gesessen hatte, wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Am 06.März 1959 wurden Flakes and Green zum Tode durch den Elektrischen Stuhl verurteilt. Am nächsten Tag wurden beide nach Sing Sing gebracht. Für den 19. Mai 1960 war die Exekution angesetzt. Sie orderten ihre Henkersmalzeiten. Sie duschten. Dann wurden ihnen Kopf und Beine rasiert. Ihnen wurden schwarze Hosen, schwarze Socken, ein weißes T-Shirt und Duschschuhe als Kleidung gegeben. Während ihnen die Haare rasiert wurden, testete der „State Electrician”, also der Henker Dow Hover, den Elektrischen Stuhl.
In Sing Sing fanden die Hinrichtungen traditionell an einem Donnerstag um 11 nachts statt, weswegen diese Tage dann „Black Thursday“ genannt wurden. Flakes orderte für seine Henkersmalzeiten viel und er aß mit sehr großem Appetit. Sein Mittagessen bestand aus: Barbecuehähnchen mit Sauce, Pommes Frites, Salat, Brötchen, Butter, Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, 4 Packungen Zigaretten, Kaffee, Milch und Zucker. Zum Abendbrot gab es: Hummer, Salat, Butter, Brötchen, Eiscreme, eine Schachtel Pralinen, vier Zigarren, zwei Gläser Cola, Kaffee, Milch und Zucker.
Flakes ging die „letzte Meile“ lächelnd mit Gefängnispfarrer Father McKinney. Er lächelte alle Zeugen an, schüttelte McKinney die Hand und sagte einfach „thanks…“. Dann setzte er sich, wurde angeschnallt und durch Strom getötet. Die Geschichte, er sei im Kampfmantel zur Hinrichtung gegangen, dürfte eine Legende sein, wenn auch eine schöne. Er war der 608te Insasse von Sing Sing, der auf dem Elektrischen Stuhl sein Leben ließ. Einen Tag später informierte Flakes Familie den Wärter Wilfred Denno, sie hätten nicht das Geld, ihn zu beerdigen. Daher fand Henry Flakes seine letzte Ruhe auf dem „Potter´s Field”, dem Friedhof von Sing Sing.
© Uwe Betker
Die Erosion der Boxer bei Sat.1
Sat.1 wurde nach dem Ausstieg der ARD zum größten deutschen TV-Sender, was das Profiboxen anbelangt. Aber in den letzten Monaten wird immer deutlicher, dass die Hauptkämpfer, die ja die Quoten bringen sollen, einer starken Erosion ausgesetzt sind. Wenn ich es richtig sehe, hat der Sender sechs Hauptkämpfer: Arthur Abraham, Jürgen Brähmer, Jack Culcay, Vinzent Feigenbutz, Robert Stieglitz und Felix Sturm
Nach seinem letzten Kampf muss man dich die Frage stellen: gegen wen soll und kann Arthur Abraham (49 Kämpfe, 44 Siege, 29 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) eigentlich noch boxen? Nach dem Verlust seines Weltmeistertitels im Super Mittelgewicht nach Version WBO ist die Zahl der Optionen für zukünftige Kämpfe doch erheblich geschrumpft. Der logische, auch vom Publikum gewünschte Kampf gegen Felix Sturm, ist durch die Dopingaffäre von Sturm, ziemlich unwahrscheinlich. Eine vierte Auflage gegen Robert Stieglitz will vermutlich keiner sehen. Ein Rückkampf gegen Gilberto Ramirez (34 Kämpfe, 34 Siege, 24 durch KO) macht auch jetzt keinen Sinn. Zu einseitig war der Kampf und zu eindeutig war die Niederlage, als dass noch jemand glauben könnte, Abraham könnte es bei einer Neuauflage besser machen. Ohne Titel und ohne attraktive Gegner wird es aber schwer, Abraham als Hauptkampf zu vermarkten, auch wenn man so etwas propagieren wird, so etwa in dem Sinn wie: „Der Weg zurück“. Ob ein Gegner wie Tim Robin Lihaug (16 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO), die Nummer 73 in der Welt, Zuschauermassen an die Fernsehgeräte lockt ist sehr zu bezweifeln.
Jürgen Brähmer (50 Kämpfe, 48 Siege, 35 durch KO, 2 Niederlagen) ist mit seinen 37 Jahren nicht nur der Oldie, sondern auch der Goldie. Er ist Weltmeister im Halbschwergewicht nach Version WBA und der verlässlichste aller Kämpfer, die der Sender noch hat.
Jack Culcay (23 Kämpfe, 22 Siege, 11 durch KO, 1 Niederlage) ist amtierender Weltmeister im Super Weltergewicht nach Version WBA. Er wurde am 09.05.2015 gegen Maurice Weber Interimsweltmeister und am 09.04.2016 gegen Jean Carlos Prada (33 Kämpfe, 31 Siege, 22 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) regulärer Weltmeister. Prada war die Nummer 259 in der unabhängigen Weltrangliste. Trotz Weltmeistertitel, ist die große „Golden Jack“- Begeisterung bis jetzt aber ausgeblieben. Aus irgendeinem Grund scheint er mit seinem Boxstil die Boxfans nicht fesseln zu können. Die warteten bis jetzt auch noch vergebens auf einen Kampf gegen einen international renommierten Gegner. Selbst ein Kampf gegen die Nummer 2 in Deutschland, Besar Nimani (22 Kämpfe, 21 Siege, 1 Niederlage, 1 durch KO) wäre schon ein Schritt nach vorne. Ein Rückkampf gegen Weber, der auf Position 5 in Deutschland steht, wäre zwar für Weber schön und es gibt viele, die ihm diese Chance gönnen würden, sportlich macht sie aber nur sehr wenig Sinn.
Vincent Feigenbutz (24 Kämpfe, 22 Siege, 20 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) schaffte es zwar ohne Kampf jüngster deutscher Weltmeister zu werden. Sein Glück hielt dann aber nur ein paar Tage an. In seinen WM Kampfe, am 09.01.2016, unterlag er gleich gegen Giovanni De Carolis (30 Kämpfe, 24 Siege, 12 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO) durch TKO in Runde 11. Der zeigte ihm in zwei Begegnungen hintereinander seine technischen Unzulänglichkeiten auf. Feigenbutz erlitt nicht nur eine schmerzliche Niederlage, sondern auch einen erheblichen Imageschaden. Sein Verhalten und seine Äußerungen nach dem ersten Kampf gegen De Carolis waren nämlich nicht gerade dazu angetan, die Zahl seiner Fans zu vergrößern.
Auch wenn Feigenbutz als Hauptkämpfer dargeboten werden sollte, so ist er das zurzeit doch nur sehr bedingt. Ein Hauptkampf ist üblicherweise eine Titelkampf oder doch zumindest ein Kampf, der für einen solchen durch seine sportliche Qualität qualifiziert. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass Feigenbutz in Zukunft in Ringschlachten geschickt werden kann.
Der Exweltmeister Robert Stieglitz (55 Kämpfe, 49 Siege, 29 durch KO, 5 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden) boxt seit seiner letzten Niederlage am 18.07.2015 gegen Arthur Abraham im Halbschwergewicht. Zurzeit ist er auf Position 15 zu finden, d.h., er könnte eventuell bald einen WM Titelkampf bekommen. Ob er einen solchen noch gewinnen kann, ist aber zumindest fraglich. Und einen fünften Kampf gegen Abraham will wohl wirklich keiner mehr sehen.
Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) hat ein Problem mit einer positiven Dopingprobe. Angeblich war der amtierende Super Champion der WBA bei seinem umstrittenen Sieg über Fedor Chudinov (15 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage), am 20.02.2015 in Oberhausen, gedopt. In seiner Urinprobe fand man die verbotene Substanz Hydro-XY-Stanozolol, ein synthetisches anaboles Steroid. Solange der Verdacht nicht ausgeräumt oder Gras über die Sache gewachsen ist, dürfte Sturm als Hauptkämpfer ausfallen. Es sei den Sat.1 will um der Einschaltquote willen einem Doper ihr Geld hinterherwerfen.
Geht man also die Liste der Boxer durch, die bei Sat.1 zu sehen sind, so fällt auf, dass die Hauptkämpfer, die die Quoten bringen, doch stark zusammenschmelzen. Eigentlich sind von den Hauptkämpfern nur Jürgen Brähmer und, mit Einschränkungen, Jack Culcay als einzige, die auch diesen Namen verdienen, noch übrig geblieben.
(C) Uwe Betker
Boxen in Velbert – die Alternative zur Fußballeuropameisterschaft
Selber Schuld, wer die Fußball-EM in der Flimmerkiste guckte und nicht am 18.06.2016 zum Boxen in Velbert gegangen ist. Er hat nämlich eine gute und unterhaltsame Show verpasst, anstatt sich ein 0:0 anzutun. In Velbert gab es zunächst ein Boxturnier von unter 10-Jährigen mit 3 Kämpfen, dann folgten 5 K1 -Kämpfe, von denen einer eine Europameisterschaft war, und schließlich kamen noch 2 IKBO-Boxkämpfe. Alle Kämpfe, auch die mit den Füßen, wurden auf hohem Niveau geführt, und sie lieferten eine gute Einstimmung für die nachfolgenden 9 Profiboxkämpfen. Hier war dann die ganze Bandbreite des Boxens zu sehen: gute und schlechte Kämpfe, Männer- und Frauenboxen. Der eine Hauptkämpfer, ein Mann, boxte um einen Weltmeistertitel der Männer im Schwergewicht und der andere Hauptkämpfer, eine Frau, kämpfte um einen WM Titel im Minimumgewicht. Breiter kann ein sportliches Spektrum nicht sein.
Den Anfang aber machten Sotirios Georgikeas (15 Kämpfe, 14 Siege, 1 durch KO, 1 Niederlage) und Adil Rusidi (31 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO, 24 Niederlagen, 22 durch KO), in der ersten von drei Cruisergewichtsbegegnungen. Georgikeas, der boxende Rechtsanwalt, hatte nur wenig Mühe mit seinem Gegner. Nachdem er verhalten begann, schickte er Rusidi nach einer Rechten zum Körper runter. Dieser wurde von Ringrichter Kornelius Bernds angezählt. Kurze Zeit später ging Rusidi erneut zu Boden, diesmal nach einen Schlag auf eine Niere, den er nehmen musste, weil er sich abgedreht hatte. Es folgte ein regulärer Niederschlag durch einen Körperhaken. Dafür wurde Rusidi wieder angezählt. Am Ende der Runde fanden sich beide Boxer, nach einem Stolperer, am Boden wieder. Dann kam der Gong. Zur zweiten Runde trat Rusidi nicht mehr an. Er hatte sich die linke Schulter verletzt. Sieger durch TKO in Runde 2: Sotirios Georgikeas.
Es folgte der erste von zwei Frauenboxkämpfen, der gleich sehr viel besser war als der vorangegangene Kampf. In ihm gaben Maike Klünert und Andreja Bester jeweils ihr Profidebüt. Um es gleich vorweg zu sagen: Selten war ein Profidebüt von einer Frau so gut und spannend. Natürlich agierte Klünert, die boxende Lehrerin, am Anfang etwas hektisch und überhastet, aber sie zeigte auch schon gute Anlagen. Für einen guten Kampf braucht man allerdings zwei. Und Bester war ganz sicher nicht zum Verlieren gekommen. Sie hielt mit. Klünert stellte ihre Gegnerin mehrfach in den Seilen, wo sie sie mit Schlägen eindeckte. Aber Bester hielt stand und punktete selber mit der Führhand. In der zweiten Runde wurde Klünert ruhiger und schlug mehr Einz-Zwei-Kombinationen. – Für meinen Geschmack schlug sie im ganzen Kampf zu wenige Führhände. – In der dritten Runde wurde Bester stärker. Obwohl Klünert die bessere Boxerin war, musste sie Treffer nehmen. Besonders erwähnenswert ist ein harter Aufwärtshaken, in den sie reingelaufen war. In der vierten Runde ging sie mehr zum Körper. Zum Ende der Runde wurde Bester sogar angezählt, als sie aus der Balance einen Kopftreffer nehmen musste. Am Ende stand ein eindeutiger Punktsieg für die Debütantin: Maike Klünert.
Der folgende Kampf im Cruisergewichtler, in dem Rashid Raad (9 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO, 3 Niederlagen) und Todor Ilic (25 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO, 21 Niederlagen, 20 durch KO) aufeinander trafen, war kurz. Raad stellte Ilic in einer Ecke. Dieser ging nach ein paar Körpertreffern zu Boden. Die Situation wiederholte sich dann kurze Zeit später in Raads Ecke, nur mit dem Unterschied, dass Ilic nun ausgezählt wurde. Sieger durch KO in Runde 1, nach 1 Minute 52: Rashid Raad.
Ebenfalls im Cruisergewicht maßen sodann Sherif Morina und Ziya Gökalp (7 Kämpfe, 7 Niederlagen, 5 durch KO) ihre Kräfte in einen Vierrunder. Morina, der sein Profidebüt gab, ging vier Runder nach vorne und machte Druck. Immer und immer wieder stellte er seinen Gegner und deckte ihn ein. Aber Gökalp konterte nicht ungefährlich. Er schlug unkonventionell. Viele Schläge pendelte er aus. Morina suchte den KO, fand ihn aber nicht. Sieger nach Punkten: Sherif Morina.
Es folgte der Kampf zwischen David Saric (8 Kämpfe, 8 Siege, 8 durch KO) und Ismael Altintas (26 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO, 19 Niederlagen, 7 durch KO) im Halbschwergewicht. Saric arbeitete systematisch und konsequent. Altintas machte das, was er am besten kann, nämlich den Kampf des anderen zu zerstören. Altintas ist wirklich ein Phänomen. Er steigt in den Ring, verschanzt sich hinter seiner Doppeldeckung, schiebt sich an seinen Gegner heran und versucht mit Haken zu punkten. Ich gebe zu, ich mag seinen Stil. Saric ließ sich von Altintas nicht beirren. Er hielt den Druck hoch und er verteilte seine Schläge gut. Alles sah danach aus, dass es enden würde wie so häufig, nämlich dass Altintas wieder über die Zeit kommt. Aber diesmal kam es anders. Altintas nahm von Minute zu Minute mehr und er hielt dem Druck von Saric nicht mehr stand. Zur vierten Runde trat er nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 4: David Saric.
Marco Martini (9 Kämpfe, 8 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage) und Izzet Kurnaz (5 Kämpfe, 5 Niederlagen, 5 durch KO) trafen im Super Weltergewicht für einen Sechsrunder aufeinander. Martini, der Rechtsausleger, hatte von Anfang an die Kontrolle im Ring. Er machte Druck, den er kontinuierlich erhöhte, trieb Kurnaz vor sich her und versuchte vor allem, durch seinen linken Haken zum Erfolg zu kommen. Kurnaz versuchte nur irgendwie über die Runden zu kommen. Mit zunehmender Kampfdauer bekam er dabei aber immer größere Konditionsprobleme und musste immer mehr Treffer nehmen. Zur fünften Runde trat er dann nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 5: Marco Martini.
Den ersten Hauptkampf des Abends bestritten zwei Frauen. Beim Aufeinandertreffen von Özlem Sahin (23 Kämpfe, 21 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) und Agnes Draxler (22 Kämpfe, 9 Siege, 1 durch KO, 13 Niederlagen, 8 durch KO) ging es um die Weltmeisterschaft der Universal Boxing Organization und um den Intercontinental Titel der World Boxing Federation im Minimumgewicht, der Gewichtsklasse bis 46,266 kg. Sahin begann verhalten, wodurch sie Draxler erst mal die Möglichkeit gab, sich zu entfalten. Es gab viele Schlagabtäusche. Offensichtlich hatte Sahins Trainer, Frank Lubitz, seinen Schützling darauf eingestellt, Kopfhaken zu schlagen. Es war ebenfalls offensichtlich, dass keine der beiden Frauen vorhatte, über die Distanz zu gehen. In der zweiten Runde schlug ein harter rechter Kopfhaken bei Draxler ein. Sie ging zu Boden und Ringrichter Thomas Hackenberg zählte sie an. Sie kam noch mal hoch und stellte sich wieder zum Kampf. Sahin aber stellte Draxler direkt wieder zum Abtausch, kam mit einer Linken zum Kopf, gefolgt von einer Rechten zur Schläfe, einer Linken zum Kinn und zwei rechten Haken zur Schläfe durch. Sieger durch KO in Runde 2, nach 1:46 Minuten: Özlem Sahin.
Den Abschluss des Abends bildete die Weltmeisterschaft der World Boxing Union im Schwergewicht. Dabei ging es auch noch um den WBF International Titel. Es trafen Werner Kreiskott (44 Kämpfe, 23 Siege, 17 durch KO, 19 Niederlagen, 8 durch KO, 2 Unentschieden) und Drazan Janjanin (18 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO, 7 Niederlagen, 3 durch KO) aufeinander. Es war ein typischer Kreiskott-Kampf, spannend, dramatisch und zu jeder Zeit so offen, dass immer alles passieren konnte. Kreiskott, „der Panzer“, begann verhalten und verschlief die erste Runde. Nachdem er in der zweiten Runde seinen zweiten Schlag auf den Hinterkopf hatte nehmen müssen, wurde er dann aktiver. Von nun an wogte der Kampf hin und her und es war nicht absehbar, wer am Ende noch stehen würde. In der dritten Runde nahm Kreiskott eine Rechte zum Kopf, die ihn sichtlich beeindruckte. Hiernach wurde die Runde hektisch mit harten Schlagabtäuschen und einem Punktabzug für Janjanin für Innenhandschlagen durch Ringrichter Mustafa Erenay. Hektisch und hart umkämpft ging es auch weiter. In der vierten Runde kam Kreiskott mit zwei schönen harten linken Aufwärtshaken durch. Die nachfolgende Runde gab er dann jedoch wieder ab. Am Ende der sechsten Runde verletzte sich Janjanin die linke Schulter, nachdem er einen Leberhaken nehmen musste. Zwar kämpfte er noch bis zum Ende der Runde weiter, aber zur nächsten trat er nicht mehr an. Sieger durch TKO 7: Werner Kreiskott.
Wie schon oben geschrieben: Wer die EM im Fußball in der Flimmerkiste guckte, statt zum Boxen in Velbert zu gehen, ist selber Schuld.
© Uwe Betker
Der Tanz um das goldene Kalb
Es gibt ein goldenes Kalb im Profiboxen in Deutschland, um dass alle herumtanzen. Das goldene Kalb ist bekanntlich, laut biblischer Überlieferung, ein Götzenbild, das die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten schufen, während Moses auf dem Berg Sinai war, wo er die zehn Gebote erhielt.
Im deutschen Profiboxen ist das Götzenbild nicht aus Gold, vielmehr besteht das, was so viele in diesem Bereich anbeten, aus drei Großbuchstaben oder aus drei Großbuchstaben, einem Satzzeichen und einer Zahl. Alles dreht sich um RTL und SAT.1, die beiden TV Sender, die Profiboxen zeigen. Zu bemerken ist dabei allerdings, dass RTL ja eigentlich nur die Klitschkos zeigt und SAT.1 zum führenden Boxsender in Deutschland geworden ist. Für den Sender aus Unterföhring boxen die Sauerland Event GmbH, SES Sport Events Steinforth GmbH und Sturm Box-Promotion, also die drei Veranstalter, die das Glück hatten, einen Fernsehvertrag bekommen zu haben.
Die Konzentration auf einen Sender eröffnet nun Perspektiven, die es vorher nicht gab. Noch vor kurzem war es beispielsweise kaum denkbar, dass ein Hauptkämpfer des einen deutschen Veranstalters gegen den eines anderen antritt. Jetzt aber konnte eine Boulevardzeitungen titeln „Box-Sensation: Abraham gegen Sturm schon im Juni?“ Auch geisterte schon etwas von einem Turnier im Super Mittelgewicht durch die Presse mit Arthur Abraham (45 Kämpfe, 41 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO), Felix Sturm (47 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden), Robert Stieglitz (52 Kämpfe, 47 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlage, 2 durch KO, 1 Unentschieden), Jürgen Brähmer (47 Kämpfe, 45 Siege, 33 durch KO, 2 Niederlagen) sowie Tyron Zeuge (16 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO) und Vincent Feigenbutz (19 Siege, 18 Siege, 17 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Ich persönlich bin dabei allerdings der Meinung, dass wenn man schon Zeuge und Feigenbutz bei dem Turnier mitmachen lässt, dann sollte man auch Jürgen Doberstein (19 Kämpfe, 17 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) mit einladen, auch wenn er nicht bei einem der drei Veranstalter unter Vertrag ist.
Wenn nun der Boxfan Glück hat und der Götze SAT.1 es so will, dann werden viele Kämpfe zu sehen sein, auf die viele lange vergeblich gewartet haben. Dann ist auch Schluss mit so Ausflüchten, wie „X ist viel zu schwach für mich“ und „Y will sich nur auf meine Kosten profilieren“.
Der Tanz um das goldene Kalb hatte für der Israeliten jedoch böse Folgen. Moses zerschlug nicht nur nach seiner Rückkehr den Götzen, sondern es wurden von den abgefallenen Anhängern auch gleich 3.000 Menschen erschlagen. Auch für die vier Hauptprotagonisten ist ein solches Turnier nicht ohne erhebliche Risiken. Avetik Abrahamyan ist 34, Adnan Catic ist 36, Sergey Shtikhlits ist 33 und Jürgen Brähmer ist 36 Jahre alt. Alle vier Boxer stehen also weitgehend am Ende ihrer Karriere. Nach einer schweren KO Niederlage dürfte keiner von ihnen noch mal im Fernsehen zu sehen sein. Es macht auch keinen Sinn vier bzw. sechs Boxer in einer Gewichtsklasse gleichzeitig als die besten und stärksten zu vermarkten. Es wird also eine Auslese getroffen.
SAT.1 hat das Profiboxen im deutschen Fernsehen praktisch monopolisiert – Klitschko TV, Spartenfernseh- und Regionalsender lassen wir hier mal außen vor. Dementsprechend können sie auch die Regeln bestimmen. Bei aller Euphorie für hoffentlich spannende Kämpfe ist doch zu befürchten, dass es nur ein Tanz um einen Abgott wird, dass wir wiederum nur ein lokales Ereignis zu erwarten haben. Es steht zu befürchten, dass die angekündigten senderinternen Kämpfe die alleinigen Höhepunkte sein werden und auf längere Sicht noch weniger gute Boxer aus dem Ausland für hiesige Kämpfe gebucht werden. Es könnte also passieren, dass die Entwicklung in Richtung auf eine fortwährende umetikettierte Deutsche Meisterschaft geht.
© Uwe Betker
Die Abschiedsshow von Sauerland Event bei der ARD
Als der berliner Veranstalter Sauerland Event noch um die Vertragsverlängerung bei der ARD kämpfte, verkündete der Chef, Kalle Sauerland, immer wieder, er wolle „Kämpfe auf Augenhöhe“ sehen. Nun hat er aber die Vertragsverlängerung nicht bekommen und wechselt zu SAT.1. Am 06. Dezember 2014 findet in Oldenburg die letzte Show von Sauerland für die ARD statt. Dies ist noch mal eine Möglichkeit, den von Kalle Sauerland formulierten Anspruch auch an der realisierten Veranstaltung zu messen.
Den Hauptkampf bestreitet der WBA Halbschwergewichtsweltmeister Jürgen Brähmer (46 Kämpfe, 44 Siege, 32 durch KO, 2 Niederlagen). Er boxt gegen Pawel Glazewski (25 Kämpfe, 23 Siege, 5 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO). Der Veranstalter schreibt in einer Pressemeldung: „Der Schlagkraft Glazewskis fiel mit Roy Jones Jr. sogar schon eine Legende des Boxsports zum Opfer, der sich nach einem Niederschlag nur knapp über die Zeit retten konnte.“ Diese Sätze kann man aber getrost als Beschönigung betrachten. Der Herausforderer hat nämlich nur eine KO Rate von 20%, während Brähmer immerhin 69,57% aufzuweisen hat. Glazewski ist, was die Schlagkraft angeht, also hoffnungslos unterlegen.
Glazewski ist auch nur die Nummer 41 in der unabhängigen Weltrangliste. Ein Karo Murat (28 Kämpfe, 25 Siege, 15 Siege, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden), der schließlich seinen letzten Kampf verloren hat, ist auf Position 33 und damit besser platziert. Glazewski ist noch nicht einmal der beste polnische Boxer in seiner Gewichtsklasse. Das ist nämlich Andrzej Fonfara (29 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO), der auch an Position 12 in der Welt ist. Positiv ausgedrückt: Jürgen Brähmer boxt gegen den zweitbesten polnischen Boxer im Halbschwergewicht. Negativ ausgedrückt: Brähmer boxt gegen einen Mann, der keine Chance gegen ihn haben dürfte. Alles andere als eine KO Sieg für ihn wäre eine Sensation.
Natürlich kann man sich unzählige Szenarien vorstellen, die Glazewski eine Chance eröffnen könnten, als Sieger den Ring zu verlassen. Brähmer könnte z.B. im Ring ausrutschen und sich ein Bein brechen. Oder, Brähmer könnte ausrutschen und sich eine Hand brechen. Oder, er könnte sich das Knie verrenken. Also es gibt unzählige Möglichkeiten. Aber wenn man sich nur die Kampfpaarung anschaut, dann muss man feststellen: Pawel Glazewski hat keine Chance und diese Ansetzung ist definitiv kein Kampf auf Augenhöhe. Sauerland Event bietet der ARD mit anderen Worten zum Abschied eine der Veranstaltungen an, für die sie immer wieder, auch von Boxfans, kritisiert wurden.
Zu groß ist wohl die Angst in Berlin, Brähmer einen Gegner auf Augenhöhe, also einen gleichstarken Gegner, zuzumuten. Die Personaldecke für Hauptkämpfer ist ja nun auch mit dem Weggang von Marco Huck (41 Kämpfe, 39 Siege, 26 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden), dem Weltmeister der WBO im Cruisergewicht, deutlich dünner geworden. Und Brähmer ist nun auch bereits 36 Jahre alt; seine Tage als Weltmeister sind dementsprechend gezählt.
Auch wenn man viel Verständnis für Sauerland Event aufbringen will, so ist doch nicht zu verstehen, warum man für die letzte ARD Show noch mal einen so schwachen Gegner aussucht. Soll die Show als Visitenkarte für Veranstaltungen, die zukünftig bei SAT.1 zu erwarten sind, anzusehen sein, dann kann einem schon das Grauen kommen. Wieso boxt Brähmer eigentlich nicht gegen Zsolt Erdei (35 Kämpfe, 34 Siege, 18 durch KO, 1 Niederlage)? Erdei war von 2004 bis 2009 Weltmeister der WBO im Halbschwergewicht. Dann bestimmte seinerzeit die Stallregie von Universum Box-Promotion, er soll hoch gehen ins Cruisergewicht, damit Brähmer um einen WM Titel boxen kann. Allein aus dieser Tatsache ergäbe sich schon genug Spannung für einen guten Kampf. Brähmer dürfte zwar bei dieser Paarung Favorit sein, aber Erdei wäre bestimmt nicht hoffnungslos unterlegen – wie jetzt der Herr aus Polen, der ihn boxen darf. Ein Kampf zwischen Brähmer und Erdei ist auch, wie ich finde, schon lange überfällig. Gut, natürlich kann es sein, dass Brähmers Management seinem Schützling nicht zutraut, gegen Erdei gewinnen zu können. Das kann dann aber nur heißen, dass wir auf SAT.1 Brähmer nur gegen handverlesene Gegner zu sehen bekommen, nämlich solche in der Preisklasse von Pawel Glazewski.
Zur Ehrenrettung von Sauerland Event muss allerdings ergänzt werden, dass bei der Veranstaltung auch Yoan Pablo Hernandez (30 Kämpfe, 29 Siege, 14 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) gegen Ola Afolabi (28 Kämpfe, 21 Siege, 10 durch KO, 3 Niederlagen, 4 Unentschieden) im Cruisergewicht seinen IBF Titel verteidigen soll. Das ist nun schon eine richtig gute Kampfansetzung – aber nur als Vorkampf zu Brähmer.
© Uwe Betker
Deutsche TV Sender zeigen kein Boxen
Einer der profundesten Kenner des Profiboxens und „die Kultfigur des deutschen Boxsports“, Ebby Thust, veröffentlichte auf seiner Internetseite http://www.boxen1.com einen Artikel mit dem Titel: „Warum verweigern die deutschen TV-Sender den Boxfans die „Big Fights“?“ In dem sehr guten und hellsichtigen Artikel stellt Thust fest, dass das deutsche Fernsehen „die wirklich großen Boxkämpfe“ nicht zeigt und man so gezwungen ist, sie im ausländischen Fernsehen zu sehen.
Die Situation in Deutschland ist hinlänglich bekannt. RTL hat einen Exklusiv-Vertrag mit den Klitschko-Brüdern. Das hat zur Folge, dass der kölner Sender nichts anderes zeigt als díe maximal vier Kämpfe pro Jahr von Wladimir Klitschko und Vitali Klitschko. Die vollmundigen Versprechungen, die die Klitschkos vor ein paar Jahren abgaben, sie würden einen eigenen Stall aufbauen, waren nur körperwarme Luft. RTL zeigt die Klitschkos und nichts als die Klitschkos.
SAT1 hat einen Vertrag mit Sturm Box-Promotion. Da Felix Sturm es nun konsequent versäumt hat, andere Boxer mit Potential unter Vertrag zu nehmen, zeigt SAT1 eben nur Felix Sturm, auch wenn er nur noch ein Schatten seines früheren Selbst ist, und ein wenig Syuzanna Kentikian.
Die ARD hat einen Exklusiv-Vertrag mit Sauerland Event und bringt also das, was Sauerland Event unter Vertrag hat und was der berliner Veranstalter für Hauptkämpfer hält. Wenn man Glück bekommt man Awetik Abrahamjan (Arthur Abraham), Muamer Hukić (Marco Huck) und Juan Pablo Hernandez zu sehen. Hat man aber Pech, dann bekommt man Jürgen Brähmer, Jack Robert Culcay-Keth (Jack Culcay) und Robert Helenius vorgesetzt.
Von den großen deutschen Fernsehsendern zeigt keiner wirklich Boxen. Alle zeigen nur das Boxen, das jeweils nur ein Veranstalter anzubieten hat. Wenn man davon ausgeht, dass es an jedem Wochenende in der Regel ca. 100 Boxkämpfe auf der Welt gibt, die nicht im deutschen Fernsehen zu sehen sind, die aber zum großen Teil besser sind, als all das, was uns hier so angeboten wird, kann man schon mal auf seltsame Ideen kommen.
Mir persönlich ist da z.B. der Gedanke gekommen, dass wir im deutschen Fernsehen womöglich gar kein Boxen sehen, sondern nur ein „Simulakrum“ von Boxen. Natürlich sehen wir schon die Übertragung oder Aufzeichnung eines wirklichen Boxkampfs. Aber irgendwie ist es eben auch nur ein Bild oder eine Nachbildung eines Boxkampfes. Die hiesigen Boxkämpfe sind dann auch häufig choreographiert. Der Sieger steht bereits vorher fest. Der Kampf, der uns gezeigt wird, ist also ein fiktiver. Heißt das dann aber nicht, dass das Bild oder die Nachbildung des Boxkampfes zu einem diffusen Bild, einem Traumbild oder Phantom wird.
Das Abbild des Boxens hat sich seiner Referenz auf die Wirklichkeit entledigt, d.h. das, auf das es sich bezieht, existiert nicht bzw. ist ein „leeres“ Zeichen. Die deutschen Fernsehanstalten zeigen also kein richtiges Boxen, sondern eine „Produktion“, die, außer dem äußeren Schein, nichts mit realem Boxen zu tun hat. Gleichzeitig aber ist die Nachbildung so perfekt, dass kaum noch jemand unterscheiden kann zwischen Original und Kopie, Vorbild und Abbild, Realität und Imagination. Das dürfte dann ja auch von den Veranstaltern und den TV-Sendern gewollt sein.
Das war ein postmoderner bzw. Postmoderne kritischer Diskurs im Bereich Kultur- und Mediensemiotik, angewendet auf das Profiboxen in Deutschland. – Kommt in absehbarer Zeit nicht wieder vor. Versprochen!
© Uwe Betker
Ein Hauptkampf Jürgen Brähmer vs. Tony Averlant?
Eduard Gutknecht (26 Kämpfe, 24 Siege, 9 durch KO, 2 Niederlagen) verlor am 02.02.2013 gegen Jürgen Brähmer (41 Kämpfe, 39 Siege, 30 durch KO, 2 Niederlagen) seinen Europameistertitel der EBU, European Boxing Union, im Halbschwergewicht. Der frischgebackene Europameister heißt Jürgen Brähmer. Jener Jürgen Brähmer, der einst als Jahrhunderttalent gehandelt wurde, dann vom Boulevard das Etikett Knastboxer bekam und heute als geläuterter Paulus des deutschen Profiboxens gilt.
Auch seine sportliche Karriere war ein auf und ab. Sein unaufhaltsam erscheinender Aufstieg wurde am 27.05.2007 jäh gestoppt durch eine überraschende Punktniederlage gegen seinen Stallkollegen Mario Veit. Dann stand zwischen ihm und dem Weltmeister-Titel nur Hugo Hernan Garay. Am 22.11.2008 gewann Garay klar nach Punkten. 2009 wurde er, dank der cleveren Stallregie von Universum Box-Promotion, doch noch Weltmeister der WBO, World Boxing Organisation – und das kampflos. Genauso kampflos, verlor er den Titel dann auch ein Jahr später wieder.
Aus der Konkursmasse von Universum Box-Promotion wechselte Brähmer Anfang dieses Jahres zu Sauerland Event. Dort gab er sein erfolgreiches sportliches Comeback. Er siegte über seinen Stallkollegen Eduard Gutknecht. Nun soll er am 27. April in Hamburg gegen Tony Averlant (27 Kämpfe, 18 Siege, 4 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) kämpfen. Averlant verlor nicht nur seinen letzten Kampf. Vorher hat er, ausgerechnet gegen Gutknecht, verloren. Dieser Kampf soll nun der Hauptkampf von Sauerland für die ARD sein.
Der geplante Hauptkämpfer Marco Huck (38 Kämpfe, 35 Siege, 25 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) muss seinen WM Titel der WBO im Cruisergewicht bei einem anderen Veranstalter, nämlich Don King, verteidigen. Also wurde kurzerhand Brähmers Europameisterschaft zum Hauptkampf. Aber hätte man nicht einen besseren Gegner finden können? Muss es denn gerade der Gegner sein, den Gutknecht geschlagen hat, u. z. im letzten Kampf vor seinem Titelverlust? Muss es ein Gegner sein, der seinen letzten Kampf verloren hat? Ist sich Sauerland Event denn nicht bewusst, dass alle Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Rundfunkbeitrag für sie und ihre Veranstaltungen bezahlen? Kann man da nicht zumindest eine bessere Kampfansetzung verlangen?
© Uwe Betker