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Rezension: Boxing in the Los Angeles Area: 1880-2005 von Tracy Callis und Chuck Johnston

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Los Angeles und seine Umgebung ist eines der großen Boxzentren der USA. Hier gibt es nicht nur viele Boxveranstaltungen. Aus Los Angeles und Umgebung kommen auch solche Boxer wie Jim Jeffries, Solomon “Solly” Smith, “Mexican” Joe Rivers, Bert Colima, Fidel La Barba, Ace Hudkins, Jimmy McLarnin, Henry Armstrong, Enrique Bolanos, Art Aragon, Bobby Chacon, Danny “Little Red” Lopez, Armando Muniz, Oscar De La Hoya, “Sugar” Shane Mosley und Armando “Mando” Ramos, einer meiner absoluten Lieblingsboxer.
Andere Boxer, die nicht in Los Angeles und Umgebung lebten aber beliebt bei den Fans waren, boxten hier immer wieder. Unter ihnen Tommy Burns, George Godfrey, Alberto “Baby” Arizmendi, Ricardo “Pajarito” Moreno, Jose Becerra, Raymundo “Battling” Torres, Jose Napoles, Carlos Zarate, Jose “Pipino” Cuevas, Julio Cesar Chavez und Ruben Olivares, auch einer meiner Lieblingsboxer.
Große Weltmeisterschaftskämpfe wie der von Tommy Burns gegen Marvin Hart (im Schwergewicht 1906) oder Ad Wolgast gegen “Mexican” Joe Rivers (im Leichtgewicht 1912) fanden hier statt. Und die beiden Local Heroes „Sugar“ Shane Mosley und Oscar De La Hoya kämpften in Los Angeles 2000 um den Weltergewichtstitel. Kaum ein Großer des Boxens hat nicht irgendwann an diesem Ort geboxt.
Boxing in the Los Angeles Area 1880-2005 ist ein Geschichts-/Geschichtenbuch und gleichzeitig ein Bilderbuch. Auf nahezu allen seinen 155 Seiten finden sich drei bis vier Fotos, Kampfplakate, Tickets, Zeitungsausschnitte oder sonstige Abbildungen. Das Buch hat sieben Kapitel, von denen jedes eine Epoche abdeckt. Es ist kein Buch, das man in einem Rutsch durchliest. Es ist vielmehr ein Buch, das einlädt zum Blättern, zum Schauen und zum kapitelweisen Lesen.
Die beiden Autoren Tracy Callis und Chuck Johnston sind ausgewiesene Boxhistoriker. Callis beschäftigt sich bereits seit 45 Jahren mit der Geschichte des Boxens. Er ist Mitglied der International Boxing Research Organization, maßgebliches Mitglied für die historischen Forschungen der Website “The Cyber Boxing Zone”, die ich nur ausdrücklich empfehlen kann, und Juror der International Boxing Hall of Fame. Auch Johnston ist Mitglied der International Boxing Research Organization und einer der beiden Herausgeber der Website “Boxing Records Web”.
Boxing in the Los Angeles Area: 1880-2005 gehört in jede gute Bibliothek für Boxbücher.
© Uwe Betker

Rezension: „Old Holborn Book of Boxing“, herausgegeben von Peter Wilson

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Das Internet verleitet mich manchmal zu blinden Bücherkäufen. Bei meinen Ausflügen im Internet stieß ich so auf eine Anzeige, in der nur ein schlechter Scan vom Cover zu sehen war. Kein Autor wurde genannt, keine Inhaltsangabe gegeben – nichts. Aber das Kaufrisiko war gering. Inklusive Versand sollte das Buch weniger als eine Packung Zigarettentabak kosten – und dabei rauche ich seit einer kleinen Ewigkeit schon nicht mehr.
Das Exemplar des „Old Holborn Book of Boxing“, das ich bekam, war ein vergilbtes Taschenbuch, 160 Seiten stark und auf relativ schlechtem Papier gedruckt. In der Mitte finden sich auf 16 Seiten aus glattem und dickem Papier sogar Fotos; sie füllen jeweils eine Seite, einige sind sogar in Farbe. Es ist zu vermuten, dass dieses Buch nicht über den Buchhandel vertrieben wurde. Man findet auch keinen aufgedruckten Preis. Offenbar war es Teil einer Werbekampagne für die englische Zigarettentabakmarke „Old Holborn“. Dem Inhalt ist zu entnehmen, dass es 1969 erschien ist. Der Herausgeber ist Peter Wilson, der auch viele der Texte selber geschrieben hat. Nun muss man wissen, dass Wilson von Mitte der 30er Jahre bis in die 70er Jahre hinein im Daily Mirror über Boxen schrieb. Und wie er schrieb!
Das Buch beginnt mit einer kurzen Einleitung, die einen kurzen Abriss der Geschichte des Boxens präsentiert. Es folgt ein Abschnitt mit dem Titel „Twelve fights I shall never forget“. Hier beschreibt Wilson und/oder erzählt zwölf Kämpfe nach, bei denen er selbst am Ring saß und die für ihn aus ganz verschiedenen, zum Teil sehr subjektiven Gründen, unvergesslich waren:
Rocky Marciano vs. Jersey Joe Walcott (23.09.1952)
Joe Louis vs. Max Schmeling II (22.06.1938)
Sonny Liston vs. Floyd Patterson I (25.08.1962)
Cassius Clay vs. Cleveland Williams (14.11.1966)
Archie Moore vs. Yvon Durelle II (12.08.1959)
Sugar Ray Robinson vs. Joey Maxim (25.06.1952)
Sugar Ray Robinson vs. Carmen Basilio (23.09.1957)
Henry Armstrong vs. Ernie Roderick (25.05.1939)
Ike Williams vs. Ronnie James (04.09.1945)
Sand Saddler vs. Ray Famechon (25.10.1954)
Eder Jofre vs. Johnny Caldwell (18.01.1962)
Benny Lynch vs. Peter Kane (13.10.1937)
Wie Wilson schreibt, ist schon wirklich beeindruckend. Er ist ein großer Könner der Boxjournalistik. Diese zwölf Beschreibungen der Kämpfe sind mit das Beste, was ich an Kampfberichten je gelesen habe. – Einfach nur großartig. Wenn man sich an Begriffen, die heute nicht mehr politisch korrekt sind, nicht stößt, entdeckt man einen Großmeister des Sportjournalismus. Seine Sprache ist schön, klar, präzise und manchmal sogar poetisch.
Es folgt eine Portraitgalerie der Britischen Meister, unter ihnen Henry Cooper, der auch das Cover ziert, Ken Buchanan und Alan Rudkin. – Gibt es heute einen Verband in Deutschland, der in allen Gewichtsklassen Meister hat?
Es gibt einen großen Artikel über Jimmy Wilde, der im Erscheinungsjahr gestorben ist. Wilde, the Mighty Atom, war einer der besten Fliegengewichtler aller Zeiten. Das Büchlein enthält noch ein Box-Quiz, einen Artikel übers Amateurboxen, gefolgt von Kurzportraits aller amtierenden britischen Amateurmeister. Hinzu kommen Artikel über Veranstalter, über die Geldanlagen erfolgreicher Boxer, Frauen im Boxen, Henry Cooper, Cutmen, Ringrichter und ein Foto-Quiz.
Den Abschluss bildet eine Liste der Weltmeister von 1872 bis 1969. Wobei die amtierenden Weltmeister (Muhammad Ali, Joe Frazier, Jimmy Ellis, Bob Foster, Nino Benvenutti, Curtis Cokes, Amando Ramos, Johnny Famechon, Lionel Rose, Efren Torres) noch jeweils in einem Kurzportrait vorgestellt werden. Zum Schluss erfahren wir dann noch die Auflösung des Bilderquiz.
„Old Holborn Book of Boxing“, herausgegeben von Peter Wilson = 160 Seiten voll Spaß und Unterhaltung. Wo bekommt man für weniger als eine Packung Zigarettentabak noch so viel geboten? Nur im Internet.
© Uwe Betker

Ein wahrer Champion braucht keinen Weltmeistergürtel (1)

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In der heutigen Zeit, in der es nahezu so viele Titel im Profiboxen gibt wie das Alphabet an Buchstabenkombinationen zulässt, gibt es kaum jemanden, der die Weltmeister aller Weltverbände in allen Gewichtsklassen kennt. Daher ist es heute auch kaum vorstellbar, dass es möglich sein könnte, dass ein Boxer der absoluten Extraklasse – einer der besten Bantamgewichtler aller Zeiten, ein Fighter, der in der World Hall Of Fame Of Boxing aufgenommen wurde und dem dieser Platz in der Hall Of Fame Of Boxing zusteht, einer, den die amerikanische Zeitschrift Sports Illustrated unter die 50 härtesten Puncher aller Zeiten wählte – niemals Weltmeister wurde. Ein solcher Boxer war Jesus Pimentel.
Die Kindheit und Jugend Pimentels verlief so, wie sie eigentlich nur ein zu Kitsch und Plattitüden neigender Autor erfinden kann. Pimentel wurde am 17.02.1940 in einem kleinen Ort namens Sayula Salisco in Mexiko geboren. Er wuchs zusammen mit sieben Geschwistern in El Camiche, Michoacan auf. Sein Vater war zunächst Soldat in der mexikanischen Armee, bis er 1948 beschloss, in die USA zu gehen, um „Arbeit und ein besseres Leben zu suchen.“ Zwei Jahre nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, holte er einen Teil seiner Familie nach: Seine Mutter, seine drei älteren Brüder und er fuhren nach Tijuana, Mexiko. Dort krochen sie unter dem Stacheldrahtzaun durch und liefen über die Eisenbahngleise, um in Santiago California in den USA anzukommen. Dort wurden sie von einem Onkel mit einem Wagen erwartet und nach Los Angeles gefahren. Die sechsköpfige Familie lebte in einer Garage den amerikanischen Traum. Die Kinder gingen schon bald zur Schule. In den Schulferien nahm ihr Vater sie mit auf die Felder, um Baumwolle und Obst zu pflücken. Sieben Jahre ging das so, bis die Einwanderungsbehörde sie erwischte und nach Tijuana abschob.
Die Familie Pimentel verdingte sich wieder als Tagelöhner, nunmehr auf den Feldern von Mexiko. Ende 1958 hatte Jesus Pimentel genug. „Ich sagte mir selbst: Nein, nein, ich will nicht mein ganzes Leben lang Baumwolle pflücken. Ich gehe in die Stadt und suche mir einen Job, “ und seine Familie folgte ihm.
Er fand eine Anstellung an der Tankstelle von Nick Rodriguez, wo er 125 Pesos (10 Dollar) die Woche verdiente und ein Zweizimmerappartement bezog, in dem er zusammen mit seiner ganzen Familie lebte. Nach einer Woche bemerkte er, dass alle seine Arbeitskollegen Boxer oder ehemalige Boxer waren und sein Arbeitgeber ein lokaler Boxpromoter. Einer dieser Kollegen, ein Amateurboxer, überredete ihn, mit ins Gym zu kommen. Was er dort sah, begeisterte ihn aber nicht. Wenige Tage später begleitete Pimentel diesen Arbeitskollegen zur lokalen Stierkampfarena, wo er einen Kampf bestreiten sollte. Der Gegner erschien jedoch nicht und man überredete Pimentel, in den Ring zu steigen. „Was passierte, war: Die Stierkampfarena war schon mit Fans gefüllt, die meinen Freund Arturo kämpfen sehen wollten. Die Boxkommission akzeptierte mich. Sie gaben mir eine Hose, Schuhe, einen Mundschutz und alles, was ich brauchte. Ich stieg mit meiner weißen Hose in den Ring. In der zweiten Runde war die Hose rot von dem Blut, das mir aus der Nase lief. Nach dem Kampf sagte ich mir: Nein, das ist nichts für mich!“
Der Vorsatz hielt nicht lange. Bereits eine Woche später wurde er wieder überredet, ins Gym zu gehen. „Wenn ich schon in den Krieg ziehe, dann als Profi. Diesmal versprach ich mir: Ich werde mich dem Boxen vollständig verschreiben.“ Der Boxer Jesus Pimentel war geboren.
Pimentel trainierte zwei Monate, bevor er seine ersten Amateurkämpfe bestritt. Nachdem er in der ersten Runde der nationalen Meisterschaften ausschied, wechselte er nach wenigen Monaten ins Profilager, um für seine Familie und sich selbst den Lebensunterhalt zu verdienen. Er hatte bis dahin 20 Kämpfe bestritten, von denen er 18 für sich entscheiden konnte.
An der Tankstelle lernte er auch Harry Kabakoff kennen, der ihn während seiner ganzen aktiven Preisboxerzeit als Manager vertrat und bei allen Kämpfen als Sekundant in seiner Ecke stand. Karbakoff hatte schon vorher unter anderen mit dem Schwergewichtsweltmeister Floyd Patterson und den Weltergewichtweltmeistern Don Jordan und Kid Gavillan zusammengearbeitet. Er gab ihm seinen Kampfnamen „Little Poison“ und seinem Zwillingsbruder Jose Luis den Namen „Big Poison“ nach erfolgreichen Zwillingen, die in der amerikanischen Profi-Baseballliga spielten. Die beiden sahen sich so ähnlich, dass Jose Luis in späteren Jahren für Jesus gehalten und um Autogramme gebeten wurde – ein Wunsch, dem Joe auch mit Freuden nachkam. Er sollte später ein ebenfalls erfolgreicher Boxer werden, der um die Weltmeisterschaft im Federgewicht nach Version WBA gegen den Japaner Shojo Swaijyo kämpfte.
Pimentel war ein typischer Vertreter des mexikanischen Boxstils. Er hatte eine exzellente Führhand. Er ging zum Körper. Er wollte seine Gegner KO schlagen, und er schlug sie KO. Er hatte einen unglaublichen Punch, konnte aber auch selber gut Schläge absorbieren. Er ging niemals KO. Obwohl er selbst technisch versiert war, hatte er mit rein technisch boxenden Gegnern seine Schwierigkeiten.
Am 18.07.1960 bestritt er in Mexicali gegen Jose Mendoza sein Profidebüt. Er gewann den Sechsrundenkampf nach Punkten. Bereits sein sechster Kampf war auf 10 Runden angesetzt. Wie die meisten, mit denen er in den Ring stieg, schlug er seinen Gegner Francisco Vasquez bereits in der ersten Runde KO.
Seinen 12. Kampf bestritt er am 17.07.1961 gegen den viel erfahreneren Trino Savala. Die Begegnung war wieder auf zehn Runden angesetzt. „Die Punktrichter gaben Trino den Sieg. Alle Sportreporter und Fans wussten, dass ich den Kampf gewonnen hatte. Das Wichtigste war aber, dass ich von der ersten bis zur letzten Runde durchkämpfte. Nach dem Kampf urinierte ich in der Umkleidekabine Blut, wegen der Körpertreffer. Ich stellte mir vor, wie Trino wohl auch Blut ausscheidet, da ich ihn wirklich mit Körpertreffern bombardiert hatte.“ Die Punktniederlage war die erste in seiner Karriere, und sie sollte für lange Zeit auch seine letzte bleiben. Er brauchte sich nur noch sehr selten auf die Urteilsfähigkeit der Punktrichter verlassen. Die nächsten 29 Kämpfe in Folge gewann er durch KO. Damit brach er den alten KO-Rekord von Henry Armstrong, der 27 seiner Gegner hintereinander auf die Bretter schickte.
© Uwe Betker