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Zwei Dinosaurier in China
Evander Holyfield (57 Kämpfe, 44 Siege, 29 durch KO, 10 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) und Andreas Sidon (56 Kämpfe, 44 Siege, 35 durch KO, 11 Niederlagen, 6 durch KO) sind zwei Dinosaurier des Boxens. Sie kommen aus einer anderen Zeit. Sie sind Wesen, die, schon aufgrund ihres Alters, eigentlich nicht mehr unter den aktiven Boxern weilen dürften. Holyfield ist 53 und Sidon ist 52. Beide aber trotzen standhaft den nachgefolgten Generationen. Sie sind boxerische Relikte aus einer vergangenen Zeit.
Holyfield, dem ein Platz in der International Boxing Hall of Fame sicher ist, war von 1987 bis 1988 Weltmeister im Cruisergewicht. Er schlug 1990 Buster Douglas in der dritten Runde KO. Vorher, im gleichen Jahr, hatte der Mike Tyson in der zehnten Runde KO geschlagen. So wurde Holyfield Weltmeister im Schwergewicht. Danach schlug er George Foreman und Larry Holmes. Es folgten 1992, 1993 und 1995 seine drei legendären Ringschlachten mit Riddick Bowe. 1996 und 1997 waren seine beiden unvergessenen Kämpfe mit Mike Tyson, in denen er den Mythos Tyson geradezu pulverisierte. Bis heute ist er aktiv und er will immer noch Weltmeister werden.
Andreas Sidon ist fast genauso alt wie Holyfield und auch seine Kampfstatistik weist eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der von Holyfield auf. Aber er ist natürlich schon ein anderes Kaliber. Sidon war nie das Supertalent, das von einem Veranstalter aufgebaut und gefördert worden wäre. Er musste sich immer alleine durchschlagen und stieg oft als Außenseiter in den Ring. In seinem zweiten Profikampf 1999 stieg er gegen Nicolay Valuev, der damals in 19 Kämpfen ungeschlagen war, in den Ring. Der Kampf steht zwar als No Contest im Kampfrekord, aber jeder, der dabei war, oder ein Video davon gesehen hat weiß, dass Sidon gewann. Das ist wohl auch der Grund, warum Valuev einem Rückkampf nie zustimmte.
Sidon war und ist auch boxerisch immer für eine Überraschung gut. Und er ist ein Kämpfer. Persönliche Schicksalsschläge hielten den alleinerziehenden Vater von drei Kindern nicht ab davon, seine Ziele weiter zu verfolgen. Auch als der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB), dessen deutscher Meister im Schwergewicht Sidon war, ihm aus gesundheitlichen Gründen die Lizenz entzog, kämpfte und kämpft er weiter. Seitdem gibt es einen Rechtsstreit zwischen ihm und den Verband. Sidon fordert vom BDB die entgangenen Börsen.
Sidon ist, wie Holyfield zurzeit in Shanghai in China. Beide sind zu einer Profiboxveranstaltung eingeladen worden. Sidon erklärte kurz vor dem Abflug, dass er mit zweierlei Hoffnungen zum zweiten Mal nach China reist. Zum einen würde er gerne in China als Profiboxer und als Trainer Fuß fassen. Zum anderen will er versuchen, einen Kampf gegen Evander Holyfield zu bekommen. Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Gespräche hierüber. Ein Kampf mit ihm wäre ein würdiger Höhepunkt für die Karriere von Andreas Sidon.
(c) Uwe Betker
Homosexualität und Boxen (1.)
Wenn man an die berühmte und oft kolportierte Zahl 10 glaubt, ist jeder zehnte Mann und jede zehnte Frau homosexuell. Das müsste dann auch heißen, dass es in der Fußball Nationalmannschaft und in jeder Bundesliga Mannschaft mindestens einen Schwulen gibt. Wer sich anhört, was Fußballern aus der gegnerischen Fankurve so zugerufen wird, könnte der Prozentsatz auch in Richtung 100% gehen.
Jetzt könnte man mit einem „Heiteren Schwulen Raten“ anfangen. Man könnte z.B. vor seinem geistigen Auge eine beliebige Fußballmannschaft Revue passieren lassen und jeden Zehnten für schwul erklären. Oder man könnte nach Anzeichen für Homosexualität anhand von Kleidung, Haarschnitt, Sympathie und Antipathie suchen. Aber was sind untrügliche Anzeichen für einen Homosexuellen und was sind dann noch Anzeichen für einen homosexuellen Boxer? Fehlender Punch? Schnelle Beine? Gutes Aussehen?
Fest steht: Will man den Schwulen und Lesben „auf die Schliche kommen“, muss man raten, weil es heute immer noch nicht möglich ist, einen „männlichen Sport“ als Profi auszuüben und seine Homosexualität nicht zu verstecken. Oder doch?
Wie viele homosexuellen Boxer kennen wir? Von wie vielen wissen wir, dass sie „es“ sind? Ich kenne nur zwei. Der Erste ist Emile Griffith (112 Kämpfe, 85 Siege, 23 durch KO, 24 Niederlagen, 2 durch KO und 2 Unentschieden). Richtig der große Emile Griffith. Nur zur Erinnerung: Griffith war von 1961 bis 1965 Weltmeister des WBC und der WBA (d.h. vereinigter Weltmeister aller Verbände) im Weltergewicht. Von 1966 bis 1968 war er Weltmeister des WBC und der WBA (d.h. wieder vereinigter Weltmeister aller Verbände) im Mittelgewicht. Beide Male verlor er seinen Titel, um ihn sich dann direkt wieder zu erkämpfen. Und 1962 holte er sich nebenbei auch noch den Titel im Halbmittelgewicht.
Ein tragischer Unfall überschattet seine Karriere. Er schlug einen seiner Gegner, Benny Paret, tot. Es war das dritte Aufeinandertreffen der Beiden. In der ersten Begegnung (01.04.1996) nahm Griffith dem Mann aus Kuba den Weltergewichtstitel ab, indem er ihn in der 13. Runde KO schlug. Den Rückkampf (30.09.1961) verlor er knapp nach Punkten. Der dritte Kampf (24.03.1962), der im Madison Square Garden stattfand, stand unter keinem guten Vorzeichen. Beim Wiegen nannte Paret den Mann aus St. Thomas/Jungferninseln einen „maricón“ – einen Schwulen, einen weibischen Kerl. Die anwesende Presse hielt diese antihomosexuellen Ausfälle für eine “normale” Provokation vor einem Kampf.
In der sechsten Runde hatte Paret Griffith nahe an einem KO, aber die Glocke rettete Griffith. In der zwölften Runde stellte Griffith seinen Gegner in einer Ringecke und ließ ihn nicht mehr heraus. Er schlug auf einen Mann ein, der ohne Bewusstsein war, aber noch auf seinen Füßen stand. Als der Ringrichter endlich den Kampf stoppte, rutschte Paret in der Ringecke zu Boden und erlangte nicht mehr das Bewusstsein. Zehn Tage später starb er.
In den 60er Jahren wäre es das Ende der Karriere für einen Athleten oder Prominenten gewesen, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Griffith outete sich nicht und seine Karriere ging weiter. 1990 wurde er in die „International Boxing Hall of Fame“ aufgenommen. Bis heute hält er den Rekord in geboxten Runden in WM Kämpfen: 310 geboxte Runden. Erst 2008, mit siebzig Jahren und wohl wissend, dass ihm die Dementia pugilistica nicht mehr viel Zeit lässt seine Geschichte zu erzählen, sprach Emile Griffith in seiner Autobiographie erstmals über seine seit Jahren vermutete Homosexualität. Dabei zieht er ein sehr bitteres Resümee:
„I keep thinking how strange it is … I kill a man and most people understand and forgive me. However, I love a man, and to so many people this is an unforgivable sin; this makes me an evil person. So, even though I never went to jail, I have been in prison almost all my life.” (Ich muss immer daran denken, wie seltsam das ist… Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, was mich zu einem schlechten Menschen macht. Wenn ich auch nie im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt).
© Uwe Betker