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Rezension: „Die Boxerin“ von Doris Masius

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Manche Bücher nehmen mit in fremde, ferne Welten. Manche bieten auch Einblicke in exotische Lebensformen. Beides trifft auf den Roman „Die Boxerin“ von Doris Masius zu. Das Buch von 1995 ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und kommt daher als autobiographischer Entwicklungsroman. „Der Ausdruck Entwicklungsroman bezeichnet einen Romantypus, in dem die geistig-seelische Entwicklung einer Hauptfigur in ihrer Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Umwelt dargestellt wird. Der Entwicklungsroman schildert den Reifeprozess des Protagonisten, der seine Erlebnisse und Erfahrungen reflektierend verarbeitet und seiner Persönlichkeit einverleibt.“ (Wikipedia)
Als Protagonisten begegnen wir einer großen und starken Frau. Sie ist abenteuerlustig, vor allem im sexuellen Bereich. – Mir kam zwischendurch beim Lesen auch der Verdacht, dass das Buch vor allem erotisch sein sollte. – Nach einer kurzen Ehe, entgeht sie einer Vergewaltigung, indem sie gegen den Vergewaltiger kämpft und gewinnt. Später trifft sie während eines Urlaubs eine Arbeitskollegin und beginnt mit ihr eine Affäre, in der das Ringen miteinander das Besondere ist. Über eine Annonce kommen die beiden Heldinnen in einen Club, in dem Männer und Frauen nackt miteinander kämpfen und kopulieren. Wir erfahren etwas über diverse Teilnahmen an Sessions in verschiedenen Clubs und Affären und den beruflichen Aufstieg der Protagonistin.
Soviel zur Handlung in den fernen Welten und den dortigen „exotischen Lebensformen“. Wer’s mag, kann das ja vielleicht goutieren. Mich persönlich hat es allerdings nicht besonders interessiert. Was mich aber vor allem unangenehm berührte, war die „Philosophie“, die da verbreitet wird und über die ich nur noch den Kopf schütteln kann. Beispiele gefällig?
„Es war normal, daß man sich in der Schule prügelte. Boxen war für Jungen in der Oberschule sogar Pflichtfach. Die Schule ist ja dazu da, daß jeder ausprobieren kann, wo seine Neigungen und Stärken im Leben liegen. Wie kann er feststellen, ob er vielleicht gern boxt, wenn er nicht — auch gegen seinen Willen — einige Male verprügelt wird?!“ (Seite 64)
„„Nun“, entgegnete ich, „ein junger Mann kann doch einfach in einen Ring- oder Boxverein eintreten; dort hat er doch alle Möglichkeiten.“
„Richtig“, entgegnete John, „aber dort herrscht die Philosophie des Sports: man sollte gewinnen, Sieger sein, trainieren, danach leben und so weiter. Sie gehen gern tanzen? Viele Leute tun das gern. Aber nur wenige möchten das auf einem Turniertanz machen, mit Nummern auf dem Rücken, Training und Kampfgericht. Millionen schwimmen gerne, im Meer, in irgendeinem Teich, vielleicht nackt, und sind glücklich, ohne daß ein Typ mit der Stoppuhr hinter ihnen her ist.
Ich denke, Ringen, Boxen und so weiter sind mehr Leidenschaft als Sport, sind dem Sex näher als den Medaillen.“ (Seite 67)
Soweit die Philosophie. Nun ja, mir ist das jedenfalls zu hoch. Wer weiß, vielleicht bin ich ja einfach nicht intellektuell genug, um sie durchdringen zu können. Wenn die Autorin dann auch noch Ausflüge in die Geschichte des Boxens unternimmt, dann wird es für mich so richtig ärgerlich.
„„Er erinnert mich an Max Baer, einen Weltmeister in den dreißiger Jahren, Amerikaner. Man nannte ihn das boxende Bierfaß. Angeblich trainierte er wenig, aß viel und trank Unmassen Bier, das er als Voraussetzung für erfolgreiches Boxen propagierte. Er schlug eine ganze Menge Champions seiner Epoche. Ja, ich denke, der Speck macht zwar unbeweglich, bremst aber ganz ordentlich die Schläge.““ (Seite 127)
Autsch, Frau Masius. Da hat wohl eine ihrer philosophierenden Personen Max Baer mit Tony Galento verwechselt.
Ich meine mich auch noch erinnern zu können, dass in dem Buch noch irgendetwas ähnlich historisch Fundiertes über Boxhandschuhe oder Kopfschutz stand. Vielleicht täuscht mich aber auch mein Gedächtnis. Mir sind ein paar Zettel aus dem Buch gefallen und noch mal nachzulesen, um die Textstellen zu suchen, dazu kann ich mich wirklich nicht durchringen. Ich bin mit „Die Boxerin“ von Doris Masius durch.
Die Autorin Masius, die in der Neuauflage des Buches offenbar auch Peter Paris heißt, lässt ihre/seine Hauptfigur, zusammengefasst, eine Art von geistig-seelischer Entwicklung nehmen, in der sie von einer Frau/Mädchen, die sich aus erotischen/sexuellen Gründen ritzt, zu einer Kämpferin wird, die sich schon mal mit Sicherheitsnadel irgendwelche Dekorationen an ihren Busen anhängt. – Vorausgesetzt, ich entsinne mich recht – wie gesagt, die Zettel. Ob das nun wirklich einen „Reifeprozess der Protagonistin“ darstellt, also, das mag ich nicht beurteilen. Immerhin kann ich sagen, ich habe das Buch gelesen.
© Uwe Betker

Foto: Kopfschutz

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(C) Uwe Betker

Written by betker

13. Juli 2015 at 23:59

Kein Träne für die Punktmaschine

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Die Olympischen Spiele 2012 in London sind die letzten, bei denen die sogenannte Punktmaschine noch zum Einsatz kommt. Zu oft sah man in den letzten 20 Jahren Fehlurteile. Dabei sollte ursprünglich durch diesen Computer, wenn auch nur sehr halbherzig, versucht werden, die Zahl der Fehlentscheidungen zu reduzieren.
Alles begann 1988 mit den Spielen in Seoul. Der Koreaner Si-Hun Park gewann sehr umstritten im Viertelfinale gegen den Italiener Vicenzo Nardiello. Im Finale im Halb Mittelgewicht traf er auf den US-Amerikaner Roy Jones Jr. Dieser Kampf ging dann als einer der größten olympischen Skandale in die Geschichte ein.
Jones, der spätere Profi-Weltmeister, dominierte seinen Gegner in den drei Runden fast nach Belieben. Zu groß war seine technische und physische Überlegenheit. Der Computer des Fernsehsenders NBC zählte 86 Treffer für Jones und 32 für Park. In der zweiten Runde wurde Park sogar angezählt. Trotzdem wurde Park mit 3:2 Richterstimmen zum Sieger erklärt. Die drei Punkrichter waren Alberto Duran aus Uruguay, Hiouad Larbi aus Marokko und Bob Kasule aus Uganda. Zur Ehrenrettung von Park muss erwähnt werden, dass ihm selbst das Urteil sehr peinlich war. Demonstrativ hob er Jones bei der Siegerehrung in die Luft und auch später erklärte er immer wieder, in Wirklichkeit hätte Jones gewonnen.
Die Goldmedaille von Park war gekauft. Der südkoreanische Multimillionär Seung-Youn Kim, der pikanterweise auch Präsident des koreanischen Boxverbandes war, hat wohl dem Kampfgericht 15.000 US-Dollar dafür gezahlt, dass sein Landsmann gewinnt. Nach Stasi Quellen war offenbar auch der damalige Präsident der AIBA Anwar Chowdhry aus Pakistan „in diese Manipulationen einbezogen“ worden.
Die Zahlungen waren nicht unbemerkt geblieben und Mitglieder des IOC, des Internationalen Olympischen Komitees, waren informiert worden. Die sahen aber keinen Handlungsbedarf. Angeblich war der AIBA Präsident Chowdhry eng mit Juan Antonio Samaranch, dem Präsidenten des IOC, verbandelt – ich spreche von jenem Samaranch, der ein getreuer Gefolgsmann seines faschistischen „Führers“, „El Caudillo“ General Franco gewesen war.
Der Sturm der Entrüstung, allein 50.000 koreanisch stämmige Bürger riefen beim US-Sender NBC riefen an, um sich zu entschuldigten, zwangen die AIBA dann schließlich doch zum Handeln. Erst mal wurden die drei Punktrichter suspendiert und es gab ein Untersuchungsverfahren. Dann wurde das Punktsystem geändert. Bis dahin entschieden fünf Kampfrichter, ähnlich wie bei den Profis. Ab nun wurde ein Schlag nur als Treffer gewertet, wenn innerhalb einer Sekunde drei Kampfrichter einen Knopf an einem Box-Computer drücken.
Ich möchte ja unterstellen, dass diese Änderung von der AIBA wirklich als Maßnahme gegen verschaukelte Kämpfe gedacht war, funktioniert hat es aber nicht. Jeder der regelmäßig zu Amateurveranstaltungen geht, sieht immer wieder Fehlurteile. Man kann aber nicht mehr den oder die Punktrichter benennen, die dafür verantwortlich sind. Es ist immer nur der Computer schuld. Es gibt aber sehr wohl Punktrichter, die es notorisch nicht schaffen, den Knopf zu drücken, wenn bestimmte Boxer Treffer setzen. Es soll auch Schiedsrichtergespanne geben, die schon mit einer traumhaften Sicherheit immer synchron drücken. Die Punktmaschine reduzierte die Zahl der Fehlurteile also nicht.
Was die Punktmaschine nun bewirkte, war ein Wandel des Boxens mit Kopfschutz und Leibchen. Körpertreffer wurden praktisch nicht mehr gewertet. Die Punktmaschine unterscheidet auch nicht zwischen harten Treffern und bloßen Berührungen. Folglich wurde trainiert, einfach nur Treffer zu setzen. Zwei Berührungen zählen nämlich mehr als ein harter Treffer. Das Amateurboxen, das aber nicht mehr Amateurboxen genannt werden will, sondern olympisches Boxen, wurde teilweise zu einer grotesken Karikatur dessen, was man gemeinhin unter Boxen versteht.
Nach nunmehr zwei Jahrzehnten des Sammelns von Erfahrungen, haben die Herren der AIBA nun erkannt, dass die Punktmaschine weder zu einer Verbesserung der Punktentscheidungen geführt noch den Sport populärer gemacht hat. Das olympische Boxen ist in Deutschland so was von tot, dass kaum einmal die Kämpfe der Deutschen in London in voller Länge im Fernsehen zu sehen sind. Jedenfalls habe ich einen gesehen. Daher geht die AIBA auf das alte System mit Punktrichtern zurück, die man dann wenigstens namentlich nennen kann, wenn sie Kämpfe verschieben.
Die drei Punktrichter, Alberto Duran, Hiouad Larbi und Bob Kasule, waren übrigens schon bald wieder an den Boxringen der Welt zu sehen. 1997 wurde die Untersuchung gegen die drei dann schließlich eingestellt, weil keinerlei Hinweise für eine Manipulation zu finden waren.
Um es noch einmal kurz zu sagen: Ich weine der Punktmaschine keine Träne nach!
© Uwe Betker

DBV Müller und der Kopfschutz

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Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxverbandes (DBV), den ich, um ihn nicht mit anderen Müllern zu verwechseln, DBV Müller nenne, konnte oder wollte nicht die Zeit finden, bei dem letzten DBV Kongress zu erscheinen, um über sein Finanzgebaren Rechenschaft abzulegen. Dafür schaffte DBV Müller es aber dann, unlängst dem Nachrichtenmagazin Spiegel (28/2011 vom 11.07.1011) ein Interview zu geben. Dabei wird offenkundig, dass er explizit gegen den Kopfschutz beim Amateurboxen ist.
Beeindruckend und interessant ist, wie er argumentiert. DBV Müllers erstes und wohl wichtigstes Argument lautet: „Der Kopfschutz stört enorm. Er verrutscht, wenn die Haare nass sind, und ist unhygienisch. Der Weltverband Aiba schreibt vor, dass der Veranstalter den Schutz stellt. Niemand zieht sich gern eine Lederhaube über, die gerade ein Gegner vollgeschwitzt hat. Außerdem verhindert die Vorschrift, dass Amateurboxen zeitgemäß wird.“
Wenn ich DBV Müller nun richtig verstehe, ist er vor allem gegen den Kopfschutz, weil die Veranstalter den Kämpfern nicht genügend Kopfschutze zur Verfügung stellen können. Dadurch seien die Boxer gezwungen, welche zu tragen, die von einem Vorgänger durchgeschwitzt wurden. Auf Nachfrage erläutert DBV Müller, was er unter zweitgemäßem Boxen versteht. „Modernes Boxen ist auch die Fähigkeit, Schläge zu erkennen und ihnen auszuweichen. Das haben wir zuletzt im Profikampf Wladimir Klitschko gegen David Haye gesehen. Der Schutz versperrt die Sicht, der Boxer fühlt sich wie in einer Ritterrüstung und kann diese Reflexe nur bedingt trainieren.“ DBV Müller erklärt hier wohl ernsthaft, dass „die Fähigkeit, Schläge zu erkennen und ihnen auszuweichen“ nicht im Training, sondern im Wettkampf trainiert wird. Wohlgemerkt DBV Müller ist Sportdirektor des DBV.
Auf den Einwurf, dass es Fachärzte gibt, die vor einer Regeländerung warnen, wegen des Risikos von Folgeschäden, entgegnet er: „Wenn gleich gute Boxer gegeneinander antreten, kommt es selten zu Volltreffern. Wenn doch, sind die mit Kopfschutz fast genauso schlimm.“ DBV Müller geht also davon aus, dass bei den vielen Amateurboxveranstaltungen, die jedes Wochenenden überall in Deutschland stattfinden, immer nur gleich starke Boxer aufeinander treffen.
Eine ernsthafte Diskussion über Sinn und Unsinn des Kopfschutzes ist sinnvoll und überfällig. Aber das, was DBV Müller hier als Argumentation vorlegt, halte ich schlicht für nicht ernst zu nehmen und eines hauptamtlichen Funktionärs des Fachverbandes für unwürdig. Eventuell hat ja der Pressesprecher des DBV Alexander Mazur noch immer recht, denn er beschrieb DBV Müller, der erst vor kurzem vom Rudern zum Boxen gekommen ist, wie folgt: „Michael Müller ist vielleicht kein ausgewiesener Box-Experte, doch das ist nicht schlimm. Wir brauchen jemanden, der von Finanzen, Marketing und Sponsoren Ahnung hat.“
Ich persönlich würde mir nämlich wünschen, DBV Müller würde endlich Rechenschaft über das Geld der Boxerinnen abgeben, anstatt eine Kopfschutzdiskussion auf diesem Niveau anzuzetteln.
© Uwe Betker

Written by betker

31. Juli 2011 at 23:59