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Gastbeitrag von Jean-Marcel Nartz: Die Klasse aller Klassen
Seit 1892 gab es stets in der Klasse aller Klassen Ausnahmeboxer, die die Szene beherrschten. Es gab immer einen Superstar, der als unbesiegbar galt, was allerdings nicht immer stimmte, denn so manch unbekannter Herausforderer sorgte mit einen Schlag für eine Sensation. Das ist das, was das zahlende Publikum so liebt am Schwergewichtsboxen.
Kommen wir zu einigen Stars, die als unschlagbar galten, aber alle dann doch, außer Rocky Marciano, irgendwann mal verloren. Es begann 1899 mit dem Amerikaner James J. Jeffries, der bis 1904 sechsmal den Titel verteidigte. Damals gab es noch keine Rundenzahlen. Es ging immer bis zur Dunkelheit – immer bis zur totalen Entscheidung. 25 Runden waren damals nicht unüblich und wenn es Flutlicht gegeben hätte, dann wäre es auch länger gegangen!
Später war es dann von 1919 bis 1923 Jack Dempsey, der fünfmal den Titel verteidigte und dann sensationell gegen Gene Tunney verlor. Dann kam Max Schmeling, der einmal den Titel verteidigte und dann wechselte alles nach jeden Kampf, bis 1937 Joe Louis kam, der bis 1948 25 (!) mal den Titel verteidigte. Dann kam der einzige Schwergewichtsweltmeister, der ungeschlagen abtrat, Rocky Marciano, der von 1952 bis 1955 sechsmal den Titel verteidigte.
Zu bedenken ist bis 1962, dass es immer nur einen Verband gab und nicht 17 wie heute! 1964 kam Cassius Clay (später Muhammad Ali), der Liston stoppte und bis zu seiner Verhaftung wegen Fahnenflucht 1967 achtmal seinen WBC-Titel verteidigte und erst 1974 wieder Champion wurde, wo er bis 1978 neunmal den Titel verteidigte. Er war und ist der Größte aller Zeiten! In Abwesenheit von Ali dominierte der Strassenfighter Joe Frazier von 1969 bis 1973 als Titelträger mit acht Titelverteidigungen. Es folgte George Foreman von 1973-1974 mit zwei Titelverteidigungen, bevor in den Kampf gegen Ali antrat und vorzeitig verlor.V on 1978 bis 1985 war Larry Holmes der neue Superweltmeister, der zwanzigmal den Titel verteidigte, ehe ihn Michael Spinks über 15(!) Runden auspunktete. 1986 kam, sah und siegte nur noch der damals jüngste Weltmeister aller Zeiten im Schwergewicht, Mike Tyson, der bis 1990 zehnmal den Titel verteidigte. Evander Holyfield verteidigte bis 1994 dreimal den Titel, den er dann an Michael Moorer verlor, diesen sich 1996 von WBA-Weltmeister Tyson wieder holte und 1999 nach drei Titelverteidigungen an Lennox Lewis wieder verlor. Lewis war mit kurzer Unterbrechung von 1993 bis 2003 WBC-Weltmeister und hat den Titel 22 mal verteidigt.
WBO-Weltmeister war Vitali Klitschko von 1999 bis 2000 und verteidigte zweimal den Titel. Dann wurde er von 2004-2014 WBC-Weltmeister mit 11 Titelverteidigungen.Von 2000 bis 2003 war dann Wladimir Klitschko WBO-Weltmeister mit 5 Titelverteidigungen.2006 holte er sich den IBF-Titel. Es folgten bis zum heutigen Tag den Titelgewinne von WBA-und-WBO und insgesamt 15 Titelverteidigungen. Der achtunddreißigjährige Klitschko hat die Weltranglisten rauf und runter geboxt und außer Überheblichkeit und Unachtsamkeit kann ihn keiner stoppen.
(C) Jean-Marcel Nartz
Wenig Zeit
Der in Kursk geborene Russe Alexander Wladimirowitsch Powetkin (25 Kämpfe, 25 Siege, 17 durch KO) dürfte wenig Zeit für sein Hobby, das Boxen, haben. Er lebt zusammen mit seiner Frau Irina und seiner Tochter Arina in Tschechow. Hauptberuflich ist er Abgeordneter im Gebietsparlament von Kursk. Dort verteidigt er zusammen mit seinen politischen Freunden von der Partei Einiges Russland die Demokratie, oder was sich Wladimir Putin darunter so vorstellt.
Aber manchmal findet Powetkin doch noch etwas Zeit und dann verdient er nebenbei mit seinem Hobby Geld, Geld, das jeder Haushalt in der Bundesrepublik zahlen muss; er verdient nämlich an den Rundfunkgebühren. Er ist bei Sauerland Event unter Vertrag und Sauerland Event überträgt bei der ARD. Somit stattet der Gebührenzahler den lupenreinen Demokraten noch mit einem Zusatzeinkommen aus.
Powetkin hat sportlich viel erreicht. Er darf sich Weltmeister im Schwergewicht nach Version WBA nennen. Dies wurde möglich, weil dieser Verband gerne Boxer, die Weltmeister bei mehreren Verbänden sind, zu „Super Champions“ erklärt, um dann den regulären Titel wieder vergeben zu können. Damit kann dann die WBA zweimal Gebühren kassieren. Ein weiterer Grund, warum er Weltmeister werden konnte, ist, dass er erfolgreich bis jetzt den Klitschkos, sozusagen den anderen Weltmeistern, aus dem Weg gehen konnte, was ihm bei mir den Ehrentitel „Zaghafter Zar“ eintrug.
Am 29.09.2012 boxte Powetkin wieder und verteidigte dabei erfolgreich seinen Weltmeistertitel. Da man einem so vielbeschäftigten Mann aber nun mal nicht zumuten kann, gegen einen richtigen Gegner zu boxen, suchte und fand man einen Gegner, den auch ein als Hobby boxender Abgeordneter beeindruckend besiegen kann, Hasim Rahman (61 Kämpfe, 50 Siege, 41 durch KO, 8 Niederlagen, 6 durch KO, 2 Unentschieden).
Rahman hatte vor gefühlten 30 Jahren, aber es sind in Wirklichkeit nur 11, sensationell Lennox Lewis durch KO besiegt. Er war ein paar Monate Weltmeister. Dann schlug Lewis ihn im Rückkampf KO. 2008 tat es diesem dann auch Wladimir Klitschko gleich. Seitdem stand Rahman noch fünfmal im Ring und blieb dabei unbesiegt. Seine Gegner waren von beeindruckender Schwäche. Der erste hatte von seinen letzten vier Kämpfen drei verloren, der Zweite drei von fünf, der Dritte zwei von vier, der Vierte vier von acht und der Fünfte sechs von neun. Diese beindruckende Siegesserie und die dann folgende Pause von 15 Monaten qualifizierten nun Rachman zum WM-Kampf gegen Powetkin. Sich über den Kampfverlauf und den Ausgang dieses Kampfes zu äußern, erübrigt sich.
Was mich an diesem Kampf noch weiter beschäftigt, ist allein die Frage, warum eigentlich die Gebührenzahler in Deutschland einem russischen Abgeordneten sein Hobby bezahlen sollen, wo dieser noch nicht einmal um einen richtigen Titel oder zumindest gegen einen richtigen Gegner boxen will. Warum zeigt die ARD kein richtiges Boxen?
© Uwe Betker
Déjà-vu
Vor der Pressekonferenz am 26.01.2011 zur WBC-Weltmeisterschaft im Schwergewicht zwischen Vitali Klitschko (43 Kämpfe, 41 Siege, 38 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) und Odlanier Solis (17 Kämpfe, 17 Siege, 12 durch KO) formulierte der vielleicht beste Box-Journalist in einem Gespräch, er hätte das Gefühl, ein Déjà-vu zu haben. Vor weniger als zwei Jahren verkündete Ahmet Öner nämlich schon einmal, Vitali Klitschko hätte außer gegen Lennox Lewis (Klitschko verlor am 21.06.2003 durch TKO in Runde 6) nur gegen schwache Boxer gekämpft. Und nun müsse Klitschko zum ersten Mal gegen einen starken Boxer antreten, so dass Klitschko verlieren würde. Der Klitschko-Besieger käme aus Kuba und würde die Ära Klitschko nun beenden. Klitschko hätte Angst, gegen seinen Boxer anzutreten usw.
Damals hieß der Herausforderer Juan Carlos Gomez, und er verlor am 21.03.2009 durch TKO in Runde 9.
Als Vitali Klitschko in der Pressekonferenz hinter das Pult trat, begann er zu erklären, dass er das Gefühl eines Déjà-vu hätte, denn vor knapp zwei Jahren …
© Uwe Betker
„Wenn du mir was tust, hole ich meinen starken Bruder!“
David Haye (25 Kämpfe, 24 Sieg, 21 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) unterstrich in einem seiner letzten Videos den Wunsch, einen der Klitschkos zu boxen. Gleichzeitig legte er, der nicht immer ganz stilsicher in der Wahl seiner PR-Mittel ist, den Finger auf einen wunden Punkt der Klitschkos, wenn er sagt: „Bei mir hat niemand mehr als ein Rematch [als Vertragsoption] unterzeichnen müssen. Wenn sie mich schlagen, will ich ein Rematch, denn ich bin der Champion. Wenn ich dann zweimal verliere, sage ich: „Viel Glück!“ Sie aber sagen: „Wenn du mich schlägst und noch einmal schlägst, musst du noch gegen meinen Bruder kämpfen. Du musst in unserer Veranstaltung boxen. Wir entscheiden alles, die Handschuhe, wo geboxt wird …“ Alle Chips sollen auf ihrer Seite liegen. Das ist nicht fair. Das ist feige.“
Ich gestehe, es hat mich schon immer gestört, dieses Verhalten. Es erinnert mich an den Jungen, der sagt: „Wenn du mir was tust, hole ich meinen starken Bruder!“
Zur Erinnerung: Wladimir Klitschko (58 Kämpfe, 55 Siege, 49 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO) verlor das erste Mal gegen Ross Puritty (05.12.1998). Diese Niederlage glich er selber nie aus. Sein Bruder ließ Puritty erst noch sechsmal gegen Andere boxen, um dann zwei Jahre später (08.12.2001) gegen ihn anzutreten und durch TKO in Runde 11 zu gewinnen.
Seine zweite Niederlage musste Wladimir Klitschko gegen Corrie Sanders (10.04.2004) hinnehmen. Auch gegen ihn boxte er nie wieder. Immerhin ließ sich diesmal sein
älterer Bruder nicht so viel Zeit, sondern besiegte den Südafrikaner direkt im folgenden Kampf (24.04.2004).
Die dritte Niederlage fügte ihm Lamon Brewster (10.04.2004) zu. Hier gab es dann tatsächlich einen Rückkampf, wenn auch mehr als drei Jahre später. Der ältere Bruder brauchte diesmal nicht Rache für den Jüngeren zu nehmen.
Umgekehrt lief das aber natürlich auch: Vitali Klitschko (43 Kämpfe, 41 Siege, 38 durch KO, 2 Niederalgen, 2 durch KO) verlor seinen ersten Kampf gegen Chris Byrd (01.04.2000). Einen Rückkampf gab es nicht. Dafür durfte der kleinere Bruder direkt im anschließenden Kampf (14.10.2000) gegen ihn antreten. Klitschko gewann eindeutig nach Punkten und schickte den Bezwinger seines Bruders mehrfach zu Boden. Dieser Kampf führte dann erstaunlicherweise zu einem Rückkampf, dreieinhalb Jahre später (22.04.2004), der dann durch ein TKO von Byrd endete.
Den zweiten Kampf verlor Vitali Klitschko gegen den großen Lennox Lewis (21.06.2003). Nun, hier gab es weder einen Rückkampf noch eine Rache des Bruders.
Das Muster sieht also so aus: Verliert ein Klitschko, so gibt es in der Regel keinen Rückkampf und wenn, dann erst Jahre später. Bei einer Niederlage muss der Bruder in die Bresche springen. Steht kein WM-Titel auf dem Spiel, hat man hierfür schon mal ein paar Jahre Zeit. Wurde ein – oder mehrere – WM-Titel verloren, muss der Bruder direkt dran. Woher kommt diese Scheu vor Rückkämpfen? Hat es eventuell damit zu tun, dass alle Niederlagen durch KO oder TKO zu Stande kamen?
Wie schon gesagt, mich erinnert das stark an diesen Jungen, der mit seinem starken Bruder droht. Ich persönlich fand ein solches Verhalten immer schon etwas feige.
© Uwe Betker
Die Chuzpe von Vitali Klitschko
Die Chuzpe, mit der Vitali Klitschko seinen neuen Gegner ausgesucht hat, nötigt einem schon Respekt ab. Am 16.10.2010 kämpft er, wobei man sich schon fragen kann, ob kämpfen hier das richtige Wort ist, gegen Shannon Briggs. Denkbare andere Vokabeln sind: Schlachtet ab, schlägt KO, verprügelt, demütigt, führt vor und spielt mit usw. Satzkonstruktionen mit dem Verb „aufführen“ und einem oder mehreren Substantiven wie „Schmierenkomödie“, „Groteske“, „Boulevardtheater“, „Laientheater“ u. ä. wären wohl auch passend.
Briggs war vor 12 Jahren einmal ein guter Boxer. Damals verlor er seinen WM-Kampf gegen den großen Lennox Lewis. Es folgte 2006 der Gewinn des WBO-Titels, den er aber dann in der ersten Titelverteidigung sofort wieder verlor. Dann legte er eine 1 ½-jährige Pause ein, nach der er vier Kämpfe gegen, nennen wir sie mal „Aufbaugegner“, absolvierte. Und dies soll ihn nun dazu qualifiziert haben, gegen einen der beiden besten Boxer im Schwergewicht antreten zu dürfen.
Shannon Briggs ist zurzeit die Nummer 76 der unabhängigen Weltrangliste. Lässt man Vitalis Bruder Wladimir außen vor, gibt es 74 Boxer, die vermutlich alle besser sind als er. Vor Briggs stehen z.B. Timo Hoffmann (Nr. 66) und Manuel Charr (Nr. 37) und Odlanier Solis (Nr. 17) die alle schon laut und vernehmlich den Wunsch geäußert haben, gegen einen der Klitschkos zu boxen. Auch wenn der sportliche Wert eines Hoffmann-Klitschko-Kampfes nicht sehr hoch anzusiedeln ist, so ist er doch immer noch höher einzuschätzen als der des jetzt anstehenden Kampfes.
Man kann sich fragen, wieso sich Vitali Klitschko gerade einen so schwachen und hoffnungslos unterlegenen Mann als Spielkameraden ausgesucht hat. Nun ist ja bekannt, dass einige der möglichen Gegner tatsächlich alles tun, um nicht gegen einen der Klitschkos anzutreten. Dennoch bleibt es in der Verantwortung der Klitschkos, gerade weil sie sich ja auch selber managen, halbwegs angemessene Gegner zu finden. Das sollte ihnen schon der Respekt gegenüber dem WM-Titel gebieten. Es ist aber auch eine Frage des Respekts vor dem Publikum, von dem sie doch immerhin sehr gut leben. Zwar ist zu befürchten, dass die Halle in Hamburg ausverkauft und die Einschaltquoten wieder sehr gut sein werden, einfach weil die Zuschauer in erster Linie ein Event und keinen sportlichen Wettkampf sehen wollen, so sollte Vitali Klitschko aber doch schon etwas mehr Gegenleistung für sein Geld bieten.
Dem Publikum Shannon Briggs als Gegner für Vitali Klitschko zu präsentieren, kann man Chuzpe nennen. Chuzpe heißt auch Frechheit, Dreistigkeit und Unverschämtheit.
(C) Uwe Betker