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Die Mischung macht ’s
Theoretisch ist es ganz einfach eine Profiboxveranstaltung auf die Beine zu stellen. Man nehme Geld und Zeit, suche sich einen Veranstaltungsort, stelle ein paar Kampfpaarungen zusammen, nehme sich ein Kampfgericht, gebe ein noch ein paar Extras hinzu und mische alles gut durch. Schon hat man eine Show. Die Frage ist nur, ob sie auch gut ist. Ob sie nun gut ist oder nicht, liegt zum Teil an den persönlichen Vorlieben des Zuschauers, aber zum größten Teil liegt es am Mischungsverhältnis.
Am Samstag, dem 08. November fand in Voerendaal bei Heerlen eine Boxveranstaltung statt, u.z. in einem theaterähnlichen Saal, der an ein Restaurant angegliedert war. Der Saal hatte eine Bühne, auf der dann der Ring stand. An drei Seiten um den Ring standen Stühle und Tische für die Offiziellen. Vor der Bühne waren im vorderen Bereich Tische mit Stühlen, dahinter Stuhlreihen und wieder da hinter Stehplätze mit Stehtischen aufgestellt. Von überall hatte man eine gute Sicht auf den Ring. Am anderen Kopfende des Saales war eine lange Bar. Der Saal von De Borenburg ist wirklich ein guter Ort für Boxveranstaltungen.
Den Anfang machten die Amateure. Es gab insgesamt 11 Amateurkämpfe, die durch die Bank weg gut waren, und es gab auch noch einen Sparringskampf zu sehen. Ich finde, es ist eine gute Sache, Profis und Amateure gemeinsam auf einer Veranstaltung boxen zu lassen. In Deutschland ist das aber wohl zurzeit leider nicht möglich. Amateurboxen ist eine Zutat, die nicht überall erhältlich, wenn nicht gar verboten ist.
Schon bei den Amateurkämpfen nahmen die Nummerngirls ihren Dienst auf, was ich persönlich zu schätzen wusste. Später kamen noch Gogo-Tänzerinnen hinzu. Sie tanzten in den Rundenpausen auf kleinen Bühnen links und rechts neben dem Ring. Als die Profis in den Ring stiegen, zeigten sie dann ein anderes Outfit. Es gibt viel zu selten Gogo-Tänzerinnen bei Boxveranstaltungen! Ich persönlich kann diese Zutat jedem Veranstalter nur wärmstens empfehlen.
Den ersten Profiboxkampf des Abends bestritten Melvin Wassing (5 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Kemal Faik Mevlida (5 Kämpfe, 5 Niederlagen 5 durch KO) im Weltergewicht. Mit der ersten Aktion ging Mevlida auch schon zu Boden und wurde ausgezählt. Wassing hatte mit seinem Jab das linke Auge seines Gegners getroffen. Der Kampf hatte gerade einmal 12 Sekunden gedauert. Mevlida ist nun allerdings ein Boxer, der noch nie die zweite Runde erreicht hat. Wassing musste aber in seinem letzten Kampf eine TKO Niederlage hinnehmen. Daher ist eine solche Kampfansetzung verständlich. Gleichwohl muss man bei einer solchen Zutat für eine Veranstaltung sehr vorsichtig sein.
Hiernach gab es einen semiprofessionellen Kampf über 3 mal 3 Minuten. Später folgte noch einer über 3 mal 2 Minuten. Ich persönlich fand sie eigentlich insgesamt nicht schlecht. Semiprofikämpfe sind eine Zutat, die nicht in allen Ländern verfügbar ist.
Im zweiten Profikampf boxten Somay Bilal (4 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO) und Goncalo Pimenta (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 1 Niederlage) ebenfalls im Weltergewicht gegeneinander. Der Portugiese Pimenta hatte Melvin Wassing in seinem letzten Kampf die besagte TKO Niederlage zugefügt. Bilal umkreiste in der ersten Runde seinen Gegner. Er zeigte gute Beine und eine variable Führhand. Er ging von Anfang an ein hohes Tempo, das er auch sehr lange hielt. Ab der zweiten Runde beherrschte er die Ringmitte und trieb Pimenta vor sich her. Immer wieder stellte er ihn in den Seilen, wo er ihn mit Schlägen eindeckte. Bereits jetzt bildete sich eine Schwellung unter dem rechten Auge von Pimenta. Nach diesem Muster verliefen auch die folgenden Runden. Pimenta km dabei kaum einmal durch. Bilal pendelte Schläge zum Kopf meist aus.
Zwischenzeitlich sah es auch danach aus, als könnte Bilal vorzeitig gewinnen. In der letzten Minute der fünften Runde kam dann aber Pimenta auf. Man konnte schon fast den Eindruck gewinnen, er könnte er den Kampf noch drehen. Er kam mit Schlägen durch und trieb sein Gegenüber vor sich her. Er stellte ihn an den Seilen und ließ ihn lange nicht weg. Schließlich aber konnte Bilal sich doch befreien. In der letzten Runde beherrschte er dann wieder das Geschehen. Am Ende der sechs Runden stand ein einstimmiger und deutlicher Punktsieg (58:56, 58:56 und 58:56) für Bilal. Dass Bilal nicht vorzeitig gewinnen konnte, könnte eventuell daran gelegen haben, dass er eigentlich im Super Feder oder im Leichtgewicht und nicht im Weltergewicht zu Hause ist.
Hier noch ein Wort zu den Kampf- und Punktrichtern (Mufadel Elghazaoui, Robert Verwijs und Gerhard Stufzand). Alle haben ihre Aufgabe sehr gut erledigt. Es gab keine Fehlurteile, was dann auch dazu geführt hat, dass auch Heimboxer ihre Kämpfe verloren haben. – Gute Ring- und Punktrichter sind eine sehr wichtige Zutat für eine gelungene Veranstaltung.
Im folgenden Profikampf trafen im Super Mittelgewicht Radwan Boeka (4 Kämpfe 3 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Bai-Thaimko Conteh (4 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 1 Niederlage) aufeinander. Boeka, der Mann aus Heerlen, war von Anfang an in Schwierigkeiten. Der Aachener Conteh war einfach der bessere Mann. Dabei machte er sich das Leben sogar selber noch schwerer als nötig. Immer wenn er einfach nur 1-2 schlug, also eine grade Führhand gefolgt von einer Schlaghand, brachte er Boeka in Schwierigkeiten. Der schien mehrfach durch Schläge beeindruckt zu sein. Leider verlor Conteh dann die boxerische Linie. Am Ende eines kurzweiligen Vierrunders stand der einstimmige und sehr deutliche Punktsieg (36:40, 36:40 und 37:40) von Conteh, der von Mario Guedes trainiert wird.
Der Abschlusskampf im Mittelgewicht war nicht nur kurzweilig sondern auch sehr kurz, nämlich 74 Sekunden lang. Der Rechtsausleger Zacky Derouich (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) traf auf Goekhan Kaya (14 Kämpfe, 14 Niederlagen, 8 durch KO). Schon nach wenigen Sekunden stellte Derouich Kaya in einer neutralen Ecke und ließ ihn nicht mehr heraus. Ein Schlaghagel prasselte auf ihn nieder, unter dem Kaya dann zusammenbrach und auf dem Boden kniend ausgezählt wurde. Als der schwankende Mann aus Essen dann aufgerichtet wurde, sah man einen tiefen Cut über seinem rechten Auge.
Eigentlich ist es also doch ganz einfach, eine gute Profiboxveranstaltung auf die Beine zu stellen. Patrick Driessen hat eindrucksvoll demonstriert, wie es geht. Der Boxabend in Voerendaal war gelungen und hat sehr viel Spaß gemacht. Der einzige Wermutstropfen für mich war, dass ich leider so mit meinen Notizen beschäftigt war, dass ich die „leckere meisjes“, also die Gogo-Tänzerinnen, nicht gebührend würdigen konnte. Hartstikke bedank für die Show!
© Uwe Betker
Ein Ausblick auf den Kampf zwischen Jessica Balogun und Cecilia Braekhus
Am 02.06.2012 trifft Jessica Balogun (23 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage), geb. in Aachen auf Cecilia Braekhus (19 Kämpfe, 19 Siege, 5 durch KO), geb. in Cartagena, Kolumbien. Der Kampf findet in Herning, Dänemark statt. Es geht um den WBA, WBC und WBO Titel im Weltergewicht. Braekhus ist die Nummer drei der unabhängigen Weltrangliste und Balogun die Nummer sechs. Die beiden kennen sich sehr gut, obwohl sie jetzt zum ersten Mal gegeneinander kämpfen. Balogun war schon mehrfach Sparringspartnerin von Braekhus.
Es war nahezu unvermeidlich, dass Braekhus gegen Balogun antritt. Denn es gibt kaum angemessene Gegnerinnen für die Norwegerin. Offensichtlich geht Sauerland Event, der Veranstalter von Braekhus, davon aus, seine einzige weibliche Boxerin, die allerdings keine Hauptkämpferin im deutschen Fernsehen ist, könnte nun die starke Balogun schlagen. Die Erfahrung und viel andere Faktoren sprechen für die Titelverteidigerin.
Mario Guedes, der Manager und Trainer Balogun, geht jedenfalls davon aus, dass sein Schützling, sofern die Punktrichter fair punkten, eine reelle Chance hat. Er glaubt beobachtet zu haben, dass Braekhus Probleme mit den Körpertreffern von Balogun hat. Auch wenn Balogun verlieren sollte, so hat sie dann, mit ihren 23 Jahren, immer noch genug Zeit, Weltmeisterin eines großen Verbandes zu werden.
© Uwe Betker
Jahresrückblick 2011 – She’s A Rainbow: Frauenboxen
Obwohl im deutschen Fernsehen kein Frauenboxen zu sehen ist, – wenn man einmal von den Ausschnitten absieht, die die ARD manchmal zeigt – ist das Frauenboxen nicht tot. Im Gegenteil, bei den boxenden Frauen gibt es relativ viele, die das Zeug dazu haben, Weltklasseboxerinnen zu werden, bzw. die schon weltklasse sind. Da aber die weibliche Form des Profiboxens gründlich durch die Möchtegernnachfolgerinnen von Regina Halmich diskreditiert wurde, gibt es keinen deutschen TV-Sender, der noch den Mut hätte, Frauenboxen zu zeigen.
Daher müssen Boxerinnen schon sehr überzeugend sein, um Trainer zu finden, die sich darauf einlassen, mit ihnen zu arbeiten. Geld ist mit ihnen jedenfalls zurzeit nicht zu verdienen. Einer der überzeugt wurde, ist Manni Faber in Krefeld. Er ging 2011 mit der Leichtgewichtlerin Derya Saki (1 Kampf, 1 Sieg, 1 KO) an den Start. Saki sah in ihrem ersten Kampf so beeindruckend aus, dass sie eindeutig zu den großen Talenten zu rechen ist.
In Dortmund arbeitet Thorsten Brück mit Goda Dailydait (6 Kämpfe, 6 Siege, 2 durch KO). Dailydait, eine technisch gut ausgebildete Boxerin, ist wohl die beste deutsche Federgewichtlerin. Damit hat sie dann allerdings auch die damit verbundenen Probleme: Wie bekommt man Kämpfe und wer soll sie bezahlen?
Von Karlsruhe aus versucht Dominik Junge mit Raja Amasheh (13 Kämpfe, 12 Siege, 3 durch KO, 1 Unentschieden) die Weltspitze im Fliegengewicht anzugreifen. Gerade weil Amasheh 2011 inkonsistente Leistungen zeigte – sie hat neben Arbeit und Boxen auch noch ihren Master gemacht – ist zu erwarten, dass sie bald einen gewaltigen Leistungssprung machen wird und die anderen im Fliegengewicht boxenden Deutschen (Syuzanna Kentikyan und Nadia Raoui) herausfordern wird.
Wenn das Boxen gerecht und fair wäre und eben nicht so, wie es nun mal ist, wäre Nadia Raoui (15 Kämpfe, 13 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) schon Weltmeisterin der WBA und WBO. So aber gaben die zwei deutschen Punktrichter des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), Werner Kasimir und Frank-Michael Maaß, ihr nicht den Sieg im Kampf gegen Syuzanna Kentikyan (24.04.2010), obwohl nahezu alle Beobachter sie klar haben gewinnen sehen. Nun versucht sie weiter von Herne aus, zusammen mit ihren Trainern Dirk Kiekhäfer und Dr. Andreas Künkler, Weltmeisterin zu werden.
Syuzanna, genannt Susianna, Kentikian (30 Kämpfe, 29 Siege, 16 durch KO) darf sich immer noch Weltmeisterin der WBA und WBO im Fliegengewicht nennen. Sie gehört zu der Generation von Boxerinnen, die von ihrem Veranstalter Universum Box-Promotion als Nachfolgerin von Regina Halmich präsentiert wurden. Ihr umstrittener Sieg über Nadia Raoui und ihr No Contests über Arely Mucino (17.07.2010) gehören zu den Kämpfen, die das Frauenboxen wohl nachhaltig beschädigt haben. Ihre sportlichen „Leistungen“ und ihr kurzzeitiges Werben für ein Süßwarenprodukt, das im Verhältnis mehr Fett und Zucker beinhaltet als z. B. eine Sahnetorte, haben der selbsternannten „Killer Queen“ den Spottnamen „Milch-Schnitte“ eingetragen. Mittlerweile boxt sie zusammen mit anderen Boxerinnen für Ulf Steinforth und sein SES Sports Events. Sie wird betreut von Magomed Schaburow.
Mario Guedes aus Aachen trainiert Jessica Balogun (23 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage), eine der besten Weltergewichtlerinnen der Welt. Damit wäre sie die logische und zwangsläufige Wahl als Gegnerin für die norwegische Boxerin Cecilia Braekhus (19 Kämpfe, 19 Siege, 5 durch KO), die für Sauerland Event boxt. Es ist aber zu befürchten, dass Balogun, weil sie eben so gut ist, erst dann ihre Chance bekommt, wenn keine billigeren und leichteren Gegnerinnen mehr in der Rangliste zu finden sind.
Die für mich beste und attraktivste Boxerin ist die Interims Weltmeisterin der WIBF im Junior Fliegengewicht, Özlem Sahin (14 Kämpfe, 13 Siege, 4 durch KO, 1 Unentschieden). Die natürliche Minimumgewichtlerin, die von Conny Mittermeier in Stuttgart trainiert wird, boxte zuletzt auf den Veranstaltungen von Arena Boxpromotion. Offensichtlich hat sie aber keinen Vertrag mit dem Veranstalter Ahmet Öner. Obwohl die deutschen und türkischen Medien ungewöhnlich stark und positiv auf sie reagieren und sie immer wieder Gegenstand der Berichterstattung ist, hat sich noch kein TV-Sender gefunden, der den Mut hätte, ihre Kämpfe zu übertragen. Es scheint mir auch, als ob Arena Boxpromotion kein Konzept hätte, was sie mit Sahin machen wollen.
Trotz allem – das Frauenboxen lebt.
© Uwe Betker
Der Westen leuchtet
Wer das Profiboxen nicht nur wahrnimmt, wenn es als Mega-TV-Event daherkommt, wird feststellen, dass es regional eine sehr rührige Boxszene mit lokal verwurzelten Veranstaltern gibt, die den Sport am Leben halten. Eine sehr rührige Region ist der Westen der Republik.
Der ehemalige Internationale Deutsche Meister im Schwergewicht, Mario Guedes, veranstaltet schon seit langem in und um Aachen Boxshows und hat mittlerweile schon so etwas wie Kultstatus. Seine besten Boxer sind zurzeit: Jessica Balogun (21 Kämpfe, 20 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage), die wohl von der Weltergewichtsweltmeisterin Cecilia Braekhus gefürchtet wird, der Junior Weltergewichtler Erve Mbongo (12 Kämpfe, 11 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) und sein im Cruisergewicht boxender Sohn Mario Guedes Jr. (6 Kämpfe, 6 Siege, 6 durch KO).
Der ehemalige Super Mittelgewichtler Jerry Elliott veranstaltet in seinem Gym in Köln regelmäßig Shows. Elliott hat wohl im Augenblick keinen Boxer, der heraussticht. Jedoch sind seine Boxveranstaltungen immer gut besucht. Zum einen wegen des Boxens und zum anderen wegen seiner berühmten After-Show Partys.
In den letzten Monaten gab es immer mehr Profiboxveranstaltungen in Essen, wie zuletzt im Punch Fitness Alive. Jedoch hat sich noch kein Ort herauskristallisiert, an dem das Boxen in Essen seine Heimat finden könnte.
Erst letzten Samstag veranstaltete Manni Faber vom South Side Boxing Gym in Krefeld zum ersten Mal. Der umtriebige Faber hat zwei Boxerinnen am Start, die man im Auge behalten sollte: Derya Saki und Sarah Louise Peters. Es sieht danach aus, als hätte das Profiboxen in Krefeld eine dauerhafte Heimat gefunden.
In Düsseldorf finden im Freudenreich Professional Boxing Gym regelmäßig Veranstaltungen mit Profibeteiligung statt. Auch am Freitag steigen wieder Profis in den Ring. Hauptkämpfer ist der viel versprechende Junior Weltergewichtler Robert Tlatlik (3 Kämpfe, 3 Siege, 3 durch KO). Er wird es mit dem sehr erfahrenen Suleyman Dag (34 Kämpfe, 7 Siege, 4 durch KO, 27 Niederlagen, 19 durch KO) zu tun. Für Tlatlik dürfte dies ein erster Härtetest sein.
© Uwe Betker