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Über die Behandlung eines hochmalignen Karzinoms mit einem Placebo
Doping im Sport stellt so etwas wie ein sich rasend schnell ausbreitendes Krebsgeschwür dar. Behandelt wird dieses Krebsgeschwür aber mit unbrauchbaren Medikamenten. Es geht hier nicht einfach darum, ein paar Sekunden oder Millesekunden schneller, ein paar Zentimeter weiter oder höher zu kommen und auch nicht um die illegale Beschaffung eines Vorteils gegenüber der Konkurrenz. Es geht hier um Betrug, denn es handelt sich um nicht weniger als um Betrug an den Zuschauern, den Medien und den Sponsoren.
Vermutlich ist Doping im Boxen die übelste Form des Dopings. Hier ist der Doper nicht nur ein Betrüger. Ein Boxer, der dopt, verübt, zumindest nach meinem Rechtsempfinden, vorsätzlich Körperverletzung. Er nimmt nämlich billigend in Kauf, seinem Gegenüber einen körperlichen Schaden zuzufügen. Ein dopender Boxer will seinen Gegner KO schlagen. Er will ihn körperlich schädigen. Er nimmt in Kauf, dass sein Opfer in späteren Jahren Folgeschäden seiner Schläge entwickelt. Einem solchen Boxer ist vermutlich sogar egal, wenn sein Gegner an den Folgeschäden sterben sollte.
http://www.ardmediathek.de/tv/Sport-inside/Doping-im-Boxen-Ring-frei/WDR-Fernsehen/Video?bcastId=1493328&documentId=51022504
Und doch ist kaum jemand bereit, etwas gegen diese Missstände zu tun. Sieht man sich das dann an, was tatsächlich getan wird, so fühlt man sich erinnert an den Einsatz eines Medikaments ohne Wirkung bei einer Krebstherapie: Doping wird nicht öffentlich gemacht, es werden Sperren verhängt, die nicht länger dauern als eine normale Pause zwischen den Kämpfen, die errungenen Siege werden nicht aberkannt. Auch die Dokumentation „Doping im Boxen – Ring frei“, die unlängst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lief, zieht ein ernüchterndes Fazit: „Die Glaubwürdigkeit der Dopingbekämpfung und der Protagonisten im Profiboxen, sie ist weiter hoch problematisch. In einer Sportart, in der vorsätzliche Körperverletzung die Regel ist, wurde offensichtlich viel zu lange nicht richtig hingeschaut.“
Auch wenn die angesprochene Dokumentation nicht sehr viele neue Informationen enthält, so ist sie doch definitiv sehenswert und präsentiert Details, über die man sich Gedanken machen sollte. Was mir persönlich bemerkenswert erschien, ist, dass sich Robert Rolle (18 Kämpfe, 17 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) als einziger traut, vor der Kamera zu erklären, dass Doping im Profiboxen eine große Rolle spielt.
Zu beachten sind auch zwei Äußerungen von Thomas Pütz, dem Präsidenten des Bundes Deutscher Berufsboxer. Die eine besagt, wenn ich es richtig verstanden habe, dass der BDB das kleinste Glied in der Kette des Profiboxens sei und die BDB-Mitglieder praktisch die Dopingkontrollen finanzierten. In der anderen Äußerung sagt er, wenn ich es denn richtig mitbekommen habe, dass es nicht die Aufgabe des BDB sein könne, überführte Doper der BILD-Zeitung zu melden. – Wie gesagt, wenn ich alles richtig verstanden habe.
Beiden Äußerungen von Pütz kann man nur zustimmen. Gleichwohl gibt es für diese Probleme, glaube ich, Lösungen. Man könnte beispielsweise hingehen und bei einer Jahreshauptversammlung einfach ein paar Änderungen im BDB Regelwerk beschließen.
Man müsste auch nicht überführte Doper ausgerechnet bei der BILD-Zeitung denunzieren, sondern könnte ja alle Doper der Europäischen Box Union und gegebenenfalls den involvierten Weltverbänden melden. Gleichzeitig könnte man auf der Internetseite des BDB wochenaktuell die Liste der gesperrten Boxer veröffentlichen und den einzelnen Sperren noch den Grund, wieso der Boxer/die Boxerin gesperrt ist, hinzufügen. Das wäre ein Höchstmass an Transparenz, ohne denunziatorisch zu sein.
Auch die Finanzierung von mehr Dopingkontrollen, könnte man über das Regelwerk erledigen, indem man z.B. festschreibt, dass pro Börse von 50.000 Euro zwei Dopingkontrollen zu bezahlen sind. Auf diese Weise würden dann gut verdienende Boxer auch Dopingkontrollen von anderen Kämpfen mit finanzieren.
Und wenn man schon mal dabei ist, so könnten auch gleich die Sperren für Doping verlängert werden. Ich wäre hier für eine einjährige oder auch eineinhalbjährige Sperre beim ersten Vergehen und zwei oder drei Jahre für den Wiederholungsfall. Auch finde ich, dass das Ergebnis eines Boxkampfes, bei dem ein überführter Doper gesiegt hat, automatisch in ein No Contest verwandelt werden könnte.
Man könnte außerdem Vertragsstrafen ins Regelwerk hineinschreiben. Ein überführter Doper könnte verpflichtet werden, die Hälfte seiner Gage als Strafe in einen Spezialfond des BDBs einzuzahlen. Aus diesem Fond könnten dann wiederum Dopingtests finanziert werden.
Mit mehr Dopingtests, mit härteren Strafen und mit mehr Transparent wäre meiner Meinung nach ein Chance gegeben, gegen das wuchernde Krebsgeschwür Doping ernsthaft etwas zu tun, das mehr wäre als nur die Verabreichung eines Placebos.
© Uwe Betker
Rezension: “Henry Cooper’s Book of boxing”
Vorab möchte ich schon mal klarstellen: Das 1982 erschienene Buch von Henry Cooper (55 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 14 Niederlagen, 8 durch KO, 1 Unentschieden) ist vermutlich das beste und intelligenteste Buch, das je ein Boxer übers Boxen geschrieben hat. Zwar steht auf der Rückseite neben dem Preis, es handele sich um eine Autobiographie. Tatsächlich aber ist es doch mehr ein Sachbuch übers Boxen.
Anekdoten hat der große Henry Cooper natürlich auch beizutragen. Immerhin hatte er Muhammad Ali am Boden und am Rand einer Niederlage. Der konnte dann nur noch gewinnen, weil dessen Trainer Angelo Dundee ganz-ganz tief in die Trickkiste, u. z. die schmutzige, griff. Henry Cooper war Britischer Meister, Commonwealth Meister und Europameister im Schwergewicht – und dann sind da natürlich auch noch seine zwei Kämpfe gegen Muhammad Ali.
Aber Cooper ist viel zu uneitel und viel zu sehr Gentleman, um in einem Buch übers Boxen sich selbst in den Vordergrund zu stellen.
Cooper beleuchtet viele Aspekte des Amateur- und Profiboxens (Ausrüstung, Geld, Manager, Matchmaker, Medien, Promoter, Ringrichter, Trainer, Sekundanten, Verbände, Zeitnehmer und vieles mehr. Und gegenüber allem vertritt er eine dezidierte Meinung. So spricht er sich für einen Pensionsfonds für Boxer und für eine Zusammenarbeit von Profis und Amateuren aus.
Wer einen Eindruck bekommen möchte, wieso Henry Cooper noch immer so populär ist in Großbritannien und von Königin Elisabeth II. im Jahr 2000 sogar in den Ritterstand erhoben worden ist, der sollte dieses Buch lesen. Wer etwas über Profiboxen lernen und besser verstehen möchte, wie es funktioniert, der sollte dieses Buch lesen. Aber auch der, der einfach nur gut unterhalten werden möchte, sollte das Buch lesen.
© Uwe Betker
Vincent Feigenbutz hat Geschichte geschrieben
Bis in den Spätsommer 2015 hinein lief fast alles wie geplant. Vincent Feigenbutz wurde als „der junge Wilde“ aufgebaut und die Medien liebten ihn dafür. Mit seiner „Hoppla, jetzt komm´ ich“-Haltung forderte er einfach die etablierten Weltmeister in Deutschland, Arthur Abraham und Felix Sturm, heraus. Er wollte sich einen Happen von der schönen Box-Welt schnappen und er war wohl auch davon überzeugt, tatsächlich so gut und so stark sein, wie seine Claqueure ihm weiß machen wollten. Kritik über eine zu löchrige Deckung und zu wenig Technik verhallte ungehört. Der Erfolg gab ja dem Super Mittelgewichtler und seinem Team Recht. Sauerland gab ihm einen Vertrag. Seine Kämpfe wurden im Fernsehen gezeigt. Er wurde zweimal Interims Inter-Continental Champion der WBO im Super Mittelgewicht. Dann wurde er auch noch Interims Weltmeister der WBA und gleichzeitig regulärer Weltmeister der GBU.
Dann kam die erste Verteidigung dieser Titel der World Boxing Association und der Global Boxing Union gegen Giovanni De Carolis am 17.10.2015 in Karlsruhe. Zwar wurde Feigenbutz von den Punktrichtern Erkki Meronen, Jesus Morata Garcia und Jean-Francois Toupin zum Sieger nach Punkten erklärt, aber sein heimisches Publikum und andere neutralere Beobachter sahen den italienischen Herausforderer vorne. Die Situation im Ring nach dem Kampf überforderte Feigenbutz. Er sagte Dinge, die man besser nicht öffentlich sagt. Und das brachte ihm dann noch mehr Kritik ein. Immerhin stimmte er einem unmittelbaren Rückkampf zu.
Dann kam der Rückkampf. Vier Tage vor den Kampf entschloss sich die World Boxing Association, diesen Kampf zu einer regulären WM hochzustufen. Das wurde möglich, weil zum Einen der WBA Superchampion Andre Ward ins Halbschwergewicht hoch ging und weil zum Anderen die WBA es eben konnte. Flux machte sie den regulären Weltmeister Fedor Chudinov zum Super Champion und dann den Kampf von Feigenbutz … – Die WBA machte es eben, weil sie es kann.
Feigenbutz hätte der jüngste deutsche Weltmeister im Profiboxen in Deutschland werden können. Ein Thema, das auch weidlich aufgenommen wurde. Er hatte also die „historische Chance“, mit einem Sieg über De Carolis alle seine Kritiker auf einmal zum Schweigen zu bringen. Ein gelungener Rückkampf hätte die Scharte ausgewetzt und ihm außerdem noch den ersehnten WM-Titel beschert. Aber es kam anders als geplant. Der Kampf, der am 09.01.2016 in Offenburg stattfand, geriet für Feigenbutz zum Desaster. Er bekam regelrecht Prügel und verlor durch TKO in Runde 11. Giovanni De Carolis (29 Kämpfe, 23 Siege, 11 durch KO, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden) wurde neuer Weltmeister der WBA und Vincent Feigenbutz (23 Kämpfe, 21 Siege, 19 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) stand mit leeren Händen und einem lädierten Ruf da.
Mit Sicherheit ist es weder für ihn noch für die Seinen ein Trost, aber Vincent Feigenbutz hat Geschichte geschrieben. Er ist der jüngste deutsche Weltmeister im Profiboxen aller Zeiten. Denn die WBA hatte ihn, den damals amtierenden Interimsweltmeister bei ihrer Titelschieberei zum regulären Weltmeister gemacht. Vincent Feigenbutz war Weltmeister vom 06.01.2016 bis zum 09.01.2016 Weltmeister – na gut, nur für drei Tage. Vincent Feigenbutz ist der jüngste deutsche Weltmeister aller Zeiten im Profiboxen. Aber er ist auch der Weltmeister, der diesen Titel am kürzesten hatte. Eventuell ist er sogar derjenige, der jemals für so kurze Zeit Weltmeister war.
(C) Uwe Betker
Sauerland Event und die Medien
Wenn man Boxzeitschriften und Internetportale durchliest, kann man den Eindruck gewinnen, als ob die ganze Boxwelt, zumindest die deutsche, in dem Wunsch vereint wäre, Arthur Abraham (40 Kämpfe, 36 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) solle so schnell wie möglich wieder gegen Robert Stieglitz (48 Kämpfe, 45 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) boxen. Ich kann mich da aber des Verdachts nicht erwehren, dass wir hier nur Zeugen einer sehr geschickten PR Kampagne sind.
Zur Erinnerung: Am 22.08.2011 wurde Stieglitz durch ein TKO in Runde 11 über Karoly Balzsay Weltmeister der WBO, World Boxing Organization, im Super Mittelgewicht. Zur gleichen Zeit war Arthur Abraham schon über zweieinhalb Jahre Weltmeister der IBF, International Boxing Federation, im Mittelgewicht. Am 25.08.2012 verlor Stieglitz seinen Titel an Abraham durch eine Punktniederlage. Avetik Abrahamyan war eine Gewichtsklasse aufgestiegen und hatte im Super Six Turnier drei bittere Niederlagen einstecken müssen. Nachdem beide noch einen weiteren Kampf absolviert hatten, kämpften Abraham und Stieglitz dann am 23.03.2013 wieder gegeneinander. Der Ausgang ist bekannt: Abraham gab nach der dritten Runde auf und Sergey Shtikhlits war erneut Weltmeister der WBO. Der Rückkampf kam zustande, weil der Kampfvertrag zum ersten Kampf eine Rückkampfklausel enthielt.
Nun ist allerorten zu lesen, dass die Boxfans einen Rückkampf fordern. Natürlich wäre ein Rückkampf nicht schlecht. Natürlich wäre es interessant zu sehen, wie Abraham gegen den Mann boxt, gegen den er aufgegeben hatte. Wieso sollte aber Stieglitz wieder gegen Abraham boxen? Er hat seinen Rückkampf nur bekommen, weil es eine Rückkampfklausel gab.
Beide Boxer sind bei verschiedenen Veranstaltern unter Vertrag, Abraham bei Sauerland Event und Stieglitz bei SES Boxing. Durch den Sieg über Abraham hat SES einen Fernsehvertrag mit SAT1 bekommen. Dadurch bekommen die Boxinteressierten jetzt mehr Boxen im Fernsehen zu sehen. Aber kann SES nun ein Interesse daran haben, Stieglitz der Gefahr auszusetzen, seinen Titel an Abraham wieder zu verlieren und damit womöglich auch den TV Vertrag?
Wenn jetzt auf der Seite von Sauerland mit Fairness argumentiert wird, dann wird es für mich schon absurd. Profiboxen hat schließlich nur sehr wenig mit Fairness zu tun und das Profiboxen von Sauerland Event noch weniger. Hat Marco Huck Ola Afolabi einen Rückkampf gegeben, nachdem er ihm am 05.12.2009 recht umstritten den WM Titel abgenommen hatte? Hat Marco Huck Denis Lebedev einen Rückkampf gegeben, nachdem man ihm am 18.12.2010 den Sieg zugeschanzt hatte?
Damals gab es keine lauten Rufe nach einem Rückkampf. Viele Medien schwiegen damals offensichtlich aus Rücksichtnahme. Beide Rückkämpfe hätte wohl Huck nicht gewonnen, jedenfalls nicht wenn gute Punktrichter am Ring gesessen hätten. Die Öffentlichkeit schwieg. Es ging ja schließlich darum, das Boxen in Deutschland nicht zu schädigen. Dass es dabei allerdings nicht ums Boxen allgemein, sondern um das Boxen von Sauerland Event ging, verloren viele aus den Augen. Da haben sich nicht wenige doch mit den Interessen eines einzelnen Veranstalters gemein gemacht.
Wenn also heute zu lesen ist, die Öffentlichkeit fordere nun eine dritte Auflage von Abraham vs. Stieglitz, dann werde ich ganz einfach misstrauisch. Offensichtlich werden hier doch wieder nur die Sonderinteressen von Sauerland Event über die von SES Boxing gestellt.
Als Boxinteressiertem ist es mir aber doch lieber, wenn mehrere Veranstalter Fernsehverträge haben und Boxen zeigen, als wenn nur ein Veranstalter das Boxen in Deutschland monopolisiert. Natürlich wäre ein drittes Aufeinandertreffen von Abraham und Stieglitz möglich. Es kann zu dem Kampf kommen – nämlich dann, wenn Abraham weiter aktiv bleibt, wenn er dann auch wieder gegen bessere Boxer antritt und schließlich wieder Pflichtherausforderer der WBO wird.
Ich persönlich hätte es allerdings seinerzeit viel lieber gesehen, wenn Sauerland Event und Marco Huck 2010 den Mut gehabt hätten, gegen Ola Afolabi anzutreten oder sich Denis Lebedev erneut zu stellen.
Ich selbst halte es für höchst problematisch, wenn sich einzelne Journalisten und Medien nicht nur von einem Veranstalter instrumentalisieren lassen, sondern auch noch deren finanzielle Interessen vertreten. Denn machen wir uns nichts vor! Wenn Sauerland Event nach einem Rückkampf ruft, dann geht es nur in zweiter Linie um Sport. In erster Linie geht es darum, sich einen quotenträchtigen Hauptkämpfer zu erhalten, um den Vertrag mit der ARD erfüllen zu können.
© Uwe Betker