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Sechs gute bis sehr gute Kämpfe in einer unbekannten Stadt
Ein schöner Saal mit Balkonen im Maritim Hotel, in der Stadt deren Name mir nicht einfällt, war Austragungsort einer kleinen, aber feinen Profiboxsportveranstaltung, die halbschwergewichtslastig war. Fünf der sechs Kämpfe des Abends wurden im Halbschwergewicht ausgetragen. Lediglich der Hauptkampf mit Deniz Ilbay fand im Weltergewicht statt.
Im ersten Kampf trafen Elvis Hetemi, der sein Profidebüt gab, und Artsiom Hurbo (29 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO, 24 Niederlagen, 19 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Der Schützling von Otto Ramin agierte hinter einer Doppeldeckung. Schon bald stellte Hetemi seinen Gegner in der neutralen Ecke und deckte ihn mit Schlägen ein. Dabei schlug er ihn auch auf den Hinterkopf, was er auch bemerkte und Hurbo Zeit zur Erholung gab. Kurze Zeit später stellte Hetemi Hurbo wieder in den Ringseilen und deckte ihn ein. Hurbo sackte ein, stellte sich aber wieder zum Kampf. Diese Situation wiederholte sich direkt anschließend noch mal zwei Meter weiter, in der Ecke von Hurbo. Der Ringrichter winkte den ungleichen Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1 nach 2:41 Minuten: Elvis Hetemi. Welche boxerische Zukunft Hetemi bevorsteht, wird sich noch zeigen. Ohne Zweifel ist er talentiert, aber er muss unbedingt lernen, sauberer zu boxen.
Es folgte der Kampf zwischen Kevin Künzel (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Ruslan Rodivich (30 Kämpfe, 14 Siege, 14 durch KO, 16 Niederlagen, 6 durch KO). Künzel begann gegen den Rechtsausleger wie der sichere Sieger. Er punktete mit Eins-Zwei-Kombinationen. Irgendwann hatte er Rodivich auch am Boden auf den Knien. Aber der Ringrichter vom Luxemburgischen Verband zählte ihn nicht an. Es gab nur wenige Aktionen. Rodivich versuchte sich auch auf so wenige Schlagabtäusche wie möglich einzulassen. In der zweiten Runde musste Rodivich nach einem rechten Körperhaken zu Boden. Er wurde erneut nicht angezählt, weil Künzel auf seinem Fuß gestanden hatte. Hiernach veränderte sich der Charakter des Kampfes. Rodivich beschränkte sich nicht mehr nur darauf, Künzel auszuweichen und schlecht aussehen zu lassen. – Und er ließ ihn zwischenzeitlich wirklich schlecht aussehen. – Rodivich fing an, selber zu punkten. Er kam durch die Mitte durch, was dazu führte, dass Künzel zunehmend einen vorzeitigen Sieg erzwingen wollte. Sicher gab es zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran, dass Künzel gewinnen würde – das muss schon deutlich gesagt werden. Aber ich hoffte ganz ehrlich, der Handlungsreisende in Sachen Boxen, Rodivich, würde zumindest den Schlussgong erreichen. Diese Hoffnung wurde aber dann doch von Künzel zerstört. Ende der vierten und letzten Runde stellte er seinen Gegner an den Seilen und landete einen brutalen Leberhaken, der Rodivich fällte. Er kam zwar noch mal hoch, nahm aber danach gleich eine Rechte zur Schläfe, die ihn erneut auf die Bretter streckte. Der Ringrichter brach hier ab. Sieger durch TKO in Runde 4 nach 2:41 Minuten, die exakt gleiche Zeit, wie in dem vorangegangen Kampf: Kevin Künzel.
Auch der dann folgende dritte Kampf war gut. Dabei trafen Sebastian Real (10 Kämpfe, 10 Siege, 8 durch KO) und Siarhei Krapshyla (16 Kämpfe, 3 Siege, 3 durch KO, 11 Niederlagen. 4 durch KO, 2 Unentschieden) aufeinander. Real, mit der Figur einen Musterathleten, ging so ans Werk, dass man einen frühen KO erwarteten konnte. Am Ende der ersten Runde stellte er seinen Gegner und kam mit einer wunderschönen Links-Rechts-Kombination zum Kopf durch. Jedoch gingen die folgenden zwei Haken ins Leere. In der zweiten Runde veränderten sich dann die Verhältnisse im Ring dramatisch. Krapshyla wurde immer stärker. Er ging zum Körper und er kam sogar durch. Auch die folgende Runde ging an ihn. Er zwang Real immer wieder den Schlagabtausch auf und punktete. Der vierte Durchgang gestaltete sich sogar noch härter. Real stellte Krapshyla in den Seilen zum Schlagabtausch, dann plötzlich zeigte dieser eine Verletzung des rechten Arms an. Real bekam das aber nicht mit und schlug weiter auf ihn ein. Krapshyla ging auf die Knie, richtete sich wieder auf und ließ sich auszählen. Sieger durch KO in Runde 4 nach 2:22 Minuten: Sebastian Real.
Eigentlich hätte nun Dustin Dirks (30 Kämpfe, 27 Siege, 20 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) gegen Ata Dogan (14 Siege, 5 durch KO, 28 Niederlagen, 6 durch KO, 1 Unentschieden) folgen sollen. Aber Dogan war nicht auffindbar. Offenbar hatte er das Hotel verlassen und war verschwunden.
Es folgte die Internationale Luxemburger Meisterschaft im Halbschwergewicht. Marc De Bonte (8 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage) traf dabei auf Kevin Buval (15 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO). De Bonte sah an diesem Abend fast wie Henry Maske aus, der auch im Publikum saß. Er bestimmte den Achtrunder mit seiner Führhand, die immer wieder traf. Er boxte sehr sauber und sehr aufrecht. In der ersten Hälfte des Kampfes musste er praktisch keinen einzigen Treffer nehmen. In der zweiten Hälfte wurde das Gefecht ein wenig intensiver, aber De Bonte war immer Herr der Lage. Am Ende stand ein einstimmiger Punktsieg (79:72, 78:75 und 78:74) für Marc De Bonte.
Die folgende Begegnung war ein Kontrastprogramm zu der vorangegangenen. Arijan Sherifi (9 Kämpfe, 9 Siege, 5 durch KO) und Andras Toth (8 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO) maßen ihre Kräfte. War De Bonte ein Stilist, der Fechten mit der Faust zelebrierte, so war Sherifi ein Kraftpaket, das nur den KO suchte. Bereits in der Szene der ersten Runde kam er mit einer Rechten, gefolgt von einem linken Kopfhaken, durch, die seinen Gegner einknicken ließ. Hiernach war die Jagd eröffnet. Immerhin schaffte es Toth bis ans Ende der dritten Runde zu kommen. Dann wurde er in der neutralen Ecke gestellt und ging nach mehreren linken Haken zum Körper zu Boden. Er stellte sich dann zwar noch einmal, wurde aber schon in der nächsten Szene in der gegenüberliegende Ecke gestellt und kam nicht mehr raus. Er sackte zu Boden. Der Ringrichter winkte den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 3 nach 2:59 Minuten: Arijan Sherifi.
Den Hauptkampf des Abends bestritten Deniz Ilbay (15 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO) und Attila Koros (11 Kämpfe, 7 Siege, 6 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO). Dabei ging es um die Junioren Weltmeisterschaft der IBF im Weltergewicht. Koros versuchte seinen Reichweitenvorteil zu nutzen, was ihm nur sehr schlecht gelang. Ilbay suchte und fand den Schlagabtausch. Beide schenkten sich nichts, aber Ilbay war der bessere und stärkere Mann. Es gab extrem viele Aktionen, wobei Ilbay besonders effektiv mit seinen Haken war, ob nun zum Körper, als Aufwärtshaken zum Kopf oder als kurze Kopfhaken. Ende der ersten Runde kam, wie aus dem Nichts, ein harter linker Kopfhaken, der Koros runter gehen ließ. Er wurde angezählt. Der Pausengong ersparte ihm mehr Treffer. Die zweite Runde verlief wie die erste, inklusive Niederschlag. Auch hier traf Ilbay wieder am Ende der Runde und wieder mit der Führhand – nur diesmal zum Kopf. In der folgenden Runde schaffte es Koros dann doch nicht mehr, den Gong zu erreichen. Eine Linke zur Schläfe fällte ihn. Auf allen Vieren hockend, sah er erstaunt und fassungslos, dass er wieder am Boden war. Der Ringrichter Mickey Vann brach den Kampf hier ab. Sieger durch TKO in Runde 3 nach 1:23 Minuten: Deniz Ilbay. Seine Vorstellung war sensationell.
TK Sportevents & Promotion GmbH hat in der unbekannten Stadt eine wirklich gute Veranstaltung auf die Beine gestellt. Der Erlös ging an die „Stiftung RTL – Wir helfen Kinder e.V.“ und wird zweckgebunden an ausgewählte Kinderhilfsprojekte verteilt. Leider war der Saal des Hotels nicht komplett gefüllt. Die Veranstaltung hätte es wirklich verdient gehabt. Ein paar Worte zum Matchmaking von Olaf Schröder. Die meisten Kämpfe waren wirklich gut, zumal die jungen, aufstrebenden Talente es mit Gegner zu tun bekommen hatten, die sie forderten. Es waren richtige Gegner und keine Sandsäcke auf zwei Beinen. Einen Wermutstropfen allerdings gab es noch: Die Nummerngirls waren einfach wieder zu schnell. Vielleicht sollte ich mal eine Nummerngirl-Schule gründen, Nummerngirls ausbilden – und dabei reich werden, wäre auch nicht schlecht.
© Uwe Betker
Eine Prognose: Marco Huck vs. Firat Arslan – der Rückkampf
Der Rückkampf zwischen Marco Huck (39 Kämpfe, 36 Siege, 25 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Firat Arslan (41 Kämpfe, 33 Siege, 21 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden), der am 25.01.2014 in der Hanns-Martin-Schleyer Halle in Stuttgart stattfinden soll, kommt spät, aber immerhin kommt er. Mit der ersten Begegnung der beiden, die am 03.11.2011 stattgefundenen hat, konnten schließlich nur der amtierende WBO Weltmeister im Cruisergewicht und sein Veranstalter Sauerland Event zufrieden sein. Obwohl die drei Punktrichter Paul Thomas (115:113), Mickey Vann (115:113) und Giustino Di Giovanni (117:111) Huck einstimmig als Punktsieger gesehen hatten, wurde er vom Publikum ausgepfiffen. Die meisten Zuschauer im Garry Weber Stadion in Halle und an den Fernsehgeräten sahen offenbar Arslan als Sieger.
In der Übertragung fiel sogar das böse B-Wort – Betrug. Einmal öffentlich ausgesprochen, entwickelte es dann seine eigene Dynamik. Der übertragende TV Sender ARD verwahrte sich noch während der Übertragung gegen den Vorwurf, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland sei an einem Betrug beteiligt. Auch der Veranstalter Sauerland Event wies den Vorwurf weit von sich, drohte mit rechtlichen Schritten und forderte eine öffentliche Entschuldigung.
Vor dem Rückkampf sieht die Situation nun anders aus als noch vor 14 Monaten. Um sicher zu gehen, dass der Titel der World Boxing Organisation auch wirklich bei Sauerland Event bleibt, bekam Firat Arslan schon gleich einen Vertrag. Natürlich bekam er den Vertrag nicht aus altruistischen Gründen oder weil Sauerland ein schlechtes Gewissen hätte wegen des Ausgangs des ersten Kampfes. Die GmbH aus Berlin braucht schlicht und einfach die WBO Titelkämpfe. Zum einen geht es darum, den Vertrag gegenüber der ARD zu erfüllen, und zum anderen will sie sich die Möglichkeit einer Vertragsverlängerung offenhalten.
Auf diesem Hintergrund und weil Huck im ersten Kampf auch so eine schlechte Leistung gezeigt hat, gehen viele davon aus, dass Firat Arslan den Rückkampf gewinnen wird, es sei denn die Punktrichter fällen wieder eine Entscheidung, für die außer dem Weltmeister und seinem Veranstalter keiner Verständnis hat. Diesem allgemeinen Trend, Arslan als Favoriten zu sehen, kann ich mich nun allerdings nicht anschließen. Vielmehr möchte ich die Prognose wagen, dass Muamer Hukic alias Käpt’n Huck alias Marco Huck den Kampf eindrucksvoll gewinnen wird.
Hiermit gehe ich ein relativ großes Risiko ein, denn bei öffentlichen Prognosen kann man sich sehr gut blamieren. Das letzte Mal nämlich, als ich eine Prognose abgeben bzw. eine Wette angenommen habe, lag ich schwer daneben. Ich verlor eine Dose Coca Cola. Die Dose steht immer noch auf meinem Schreibtisch und ich hoffe, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, bevor ich die Gelegenheit habe, sie dem Gewinner auszuhändigen. Bei Boxwetten bin ich ein schlechter Verlierer.
Warum aber glaube ich nun, dass der Mann aus Ugao, Serbien gewinnen wird?
Huck wird nicht noch einmal Arslan unterschätzen. Arslan ist ein Phänomen. Was der 43-jährige Arslan aus seinem Körper herausholt, ist wirklich sensationell. Er wird mit Sicherheit wieder topfit sein. Aber Huck ist gewarnt. Er hat ihn ein Mal unterschätzt, und diesen Fehler wird er nicht noch mal machen. Bereits im Dezember hat Huck, der im Ruf steht, sein Training nicht immer so ganz ernst zu nehmen, Fotos von sich veröffentlicht, auf denen er sehr austrainiert aussieht. Wenn nun aber beide Boxer austrainiert gegeneinander antreten, ist Huck, mit seinen 29 Jahren der deutlich jüngere Boxer, im Vorteil.
Hinzu kommt, dass sich Huck in seinem letzten Kampf am 08.06.2013 deutlich verbessert gezeigt hat. Gegen Ola Afolabi, dem er am 05.12.2009 umstritten seinen WM Titel abgenommen hatte und gegen den er am 05.05.2012 nur ein sehr schmeichelhaftes Unentschieden erreichen konnte, zeigte er zuletzt die beste Leistung seiner Karriere. Wieso sollte er hinter diese Leistung zurückfallen?
Ich tippe auf Marco Huck.
© Uwe Betker
Die Geradlinigkeit von Ulli Wegner
Der 72jährige Cheftrainer von Sauerland Event, Ulli Wegner, ist einfach ein geradliniger Mann. Unverblümt sagt er seine Meinung, auch wenn sie manchmal nicht sonderlich diplomatisch ist. Letztes Jahr, am 15.09.2012, beschimpfte er beispielsweise das fachkundige und faire bamberger Publikum. Das pfiff damals nämlich Yoan Pablo Hernandez Soarez aus, nachdem die Punktrichter Michael Pernick, Mickey Vann und Benny Decroos den Kubaner als Sieger gesehen hatten und Ringrichter David Fields das Abdrehen eines schwer getroffenen und torkelnden IBF Weltmeisters im Cruisergewicht partout nicht als Aufgabe werten wollte. Wegner stellte sich schützend vor seinen Schützling, der zwar schwer vermöbelt worden aber dennoch Weltmeister geblieben war. Er drohte den Zuschauern in Bamberg sogar mit den Worten: „Bei so einem knappen Ding sollte das Publikum auf unserer Seite sein. Da muss man überlegen, ob es sich verdient hat, dass man hier noch einmal herkommt.“
Offensichtlich kam dann bei diesen Überlegungen heraus, doch in Bamberg zu veranstalten. Sauerland Event hat beschlossen, dass der angesprochene Hernandez (28 Kämpfe, 27 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) seinen Titel der International Boxing Federation an eben diesem Ort gegen Alexander Alekseev (27 Kämpfe, 24 Siege, 20 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) verteidigen muss.
Ähnlich freimütig wie in dem eben geschilderten Fall äußerte Wegner sich kürzlich auch in Bezug auf seinen Einsatz am 26. Oktober 2013. An diesem Tag müsste er sich nämlich eigentlich zweiteilen.
Zunächst mal boxt der Ex-Weltmeister Arthur Abraham (41 Kämpfe, 37 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) in Oldenburg gegen einen gewissen Giovanni De Carolis (24 Kämpfe, 20 Siege, 10 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO), einen 29-jährigen Mann aus Rom, der lediglich zweitbeste italienische Super Mittelgewichtler ist, in dessen Kampfrekord kein Name steht, den man kennen müsste. Selbst diejenigen, die ihn besiegt haben, gehören nicht zur europäischen Spitze.
Abraham boxt also gegen jemanden, gegen den er wohl mit nahezu absoluter Sicherheit gewinnen wird. Natürlich gibt es noch die Chance, dass Abraham stolpert und in einen Schlag seines Gegners fällt. Oder er kann sich während des Kampfes beide Hände brechen. Es bedarf jedenfalls schon eines mittelgroßen Wunders, damit Abraham verliert. Also wofür wird der Kampf gemacht?
Zum einen wird der Kampf veranstaltet, weil Sauerland Event damit einen Hauptkampf für eine Veranstaltung hat. Zwar geht der sportliche Wert gegen Null, aber schließlich zahlt die ARD ja dafür mit den Rundfunkbeiträgen, die von jedem Haushalt der Bundesrepublik Deutschland zwangsweise erhoben werden. Damit geht die Rechnung für den Veranstalter schon mal auf. Zum anderen will man Abraham beschäftigen, bis er endlich seinen Rückkampf gegen den WBO Weltmeister im Super Mittelgewicht Robert Stieglitz (48 Kämpfe, 45 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) bekommt. So lange darf er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Boxer verprügeln, die eigentlich keine Chance gegen ihn haben.
Am selben Tag boxt dann aber auch noch in Atlantic City der Sauerlandboxer Karo Murat (27 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden) gegen Bernard Hopkins (63 Kämpfe, 53 Siege, 32 durch KO, 6 Niederlagen, 2 Unentschieden). Das ist nun nicht irgendeine Halbschwergewichts-WM. Es ist der Titelkampf der IBF und der Titelträger ist die Boxlegende Bernard Hopkins – eben jener Hopkins, gegen den Arthur Abraham am Anfang seiner Karriere immer boxen wollte, und der mit seinen 48 Jahren scheinbar dem Älterwerden trotzt. Mit einem Sieg über Hopkins würde Murat zu einem internationalen Boxstar werden, denn ein Sieg wäre eine Sensation.
Zurück zu Ulli Wegner, der Arthur Abraham und Karo Murat betreut. Er musste sich nun entscheiden, bei wem er in der Ecke stehen will: Bei dem einen, bei dem der Sieg praktisch feststeht, oder bei dem anderen, der die Chance seines Lebens hat und alle Hilfe der Welt braucht. Das weiß Wegner natürlich auch: „So ein Kampf ist eine einmalige Sache. Aber wir müssen Prioritäten setzen. Wir brauchen Arthur noch.“
Das ist doch wohl deutlich. Oder? Heißt das nicht, dass Sauerland Event und Ulli Wegner Karo Murat nicht brauchen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich ein Trainer jemals so klar und deutlich von seinem Boxer distanziert hätte – und das auch noch vor einem WM Kampf. Kann man seine Aussage denn anders verstehen, als dass ihm der unbedeutende Sieg über einen hoffnungslos unterlegenen Gegner wichtiger ist als ein WM Kampf gegen den großen Bernard Hopkins? Schließlich sagt er ja: „Wir müssen Prioritäten setzen.“
Was die Aussagen von Wegner so brutal geradlinig macht, ist, dass dabei mitschwingt, dass er an einen Sieg von Murat wohl nicht glaubt und bei der Niederlage nicht in seiner Ecke stehen will. Abraham dagegen dürfte vermutlich auch mit einer greisen Raumpflegerin des Sauerland Gyms in seiner Ecke gegen De Carolis gewinnen. Die Geradlinigkeit und Ehrlichkeit von Ulli Wegner nötigt einem schon Respekt ab.
© Uwe Betker
Hört endlich auf uns zu langweilen!
Hört endlich auf uns zu langweilen!
Wir sind es müde! Es ist so beschämend banal und entsetzlich überraschungsarm. Ständig und immer wieder dasselbe Schmierentheater! Und die Wiederholung des immer Gleichen macht das Stück nicht besser, das da heißt: „Wir bringen einen Boxer um den Lohn seiner Arbeit“. Es widert alle einfach nur noch an. Gefühlt wurde dieses Stück schon häufiger zur Aufführung gebracht als „Dinner for One“. Nur, der Sketch von Freddie Frinton verliert durch die Wiederholungen nicht an Witz. Die Farce aber, die sich Boxen nennt und die die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, die ARD, finanziert, u. z. von den Rundfunkgebühren, und uns immer und immer wieder vorführt, finden viele einfach nicht mehr witzig, sondern nur noch langweilig. Ihr langweilt uns! Hört doch endlich damit auf, uns zu langweilen!
Am Samstag erfuhr das Stück also eine Wiederaufführung, nur mit anderen Hauptdarstellern: Yoan Pablo Hernandez (28 Kämpfe, 27 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) verteidigte am 15.09.2012 im Bamberg seinen Titel im Cruisergewicht nach Version IBF gegen Troy Ross (28 Kämpfe, 25 Siege, 16 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO). Seine Titelverteidigung war erfolgreich, wobei sein Sieg nicht seiner Leistung im Ring geschuldet war, sondern den drei Punktrichtern (Michael Pernick, Mickey Vann und Benny Decroos), die sich sehr willfährig gegenüber dem Veranstalter Sauerland Event zeigten und gegenüber dem Geschehen im Ring blind waren.
Hernandez wurde von Ross schwer verprügelt. Er torkelte mehrfach durch den Ring. Er wurde auch wiederholt zu Boden geschlagen. Aber die Punktrichter werteten einstimmig für den Titelträger, wobei sie den Kampfverlauf völlig ignorierten. Zur Erinnerung: Michael Pernick wertete 114:113, Mickey Vann 115:112 und Benny Decroos 116:112.
Auch der Ringrichter David Fields übernahm freiwillig eine Hauptrolle in dem Schmierentheaterstück. Einen nach dem Anzählen noch wackelnden Hernadez ließ er weiter boxen. Ein eindeutiges Abdrehen, was als Aufgabe hätte gewertet werden müssen, ignorierte er. Ein Niedersinken aus Entkräftung und Schlagwirkung wertete er als Ausrutscher und gestattete dem Weltmeister, sich weiter zu erholen. Er soll sogar seine neutrale Zurückhaltung aufgegeben haben und dem Heimboxer zugerufen haben. „Schlag die letzten Sekunden durch.“
Yoan Pablo Hernandez blieb Weltmeister. Gedankt ist diese Titelverteidigung der Tätigkeit der Punktrichter Michael Pernick, Mickey Vann und Benny Decroos sowie des Ringrichters David Fields, die alle durch ihr Handeln wohl sehr deutlich gezeigt haben, welche Verachtung sie gegenüber dem Sport und seinen Zuschauern hegen. Ich möchte noch einmal appellieren: Hört endlich auf damit, Kämpfe zu verschieben – denn so nenne ich ein solches Verhalten. Das Publikum ist es leid, sich so etwas anzusehen. Habt ihr das Publikum in Bamberg nicht gehört? Hört endlich auf, uns zu langweilen!
© Uwe Betker
Von TV-Ärzten und einem Ringarzt
Prof. Dr. med. Klaus Brinkmann (Die Schwarzwaldklinik), Dr. Karsten Mattiesen bzw. Dr. Ulrich Teschner (Der Landarzt), Dr. Thomas Burgner (Der Bergdoktor), Oberstabsärztin Dr. Sabine Petersen (Die Rettungsflieger), Dr. Peter Brockmann bzw. Dr. Peter Sommerfeld (Praxis Bülowbogen), Dr. Margarethe Haase (Doctor´s Diary), Dr. Christian Kleist (Familie Dr. Kleist) und Frauenarzt Dr. Markus Merthin sind die Doktoren, die man so aus dem deutschen Fernsehen kennt. Fast ebenso bekannt, jedenfalls bei den Boxinteressierten, ist Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner aus Bayreuth. Dr. Wagner ist mit Sicherheit der bekannteste deutsche Ringarzt.
Erst vor kurzem aber, nämlich am 04.02.2012, fungierte Dr.Wagner beim Kampf von Sauerland Event nicht als Ringarzt, obwohl er dort sonst eigentlich immer seinen Dienst versieht. Der Grund war wohl, dass Steve Cunningham glaubte, in seinem ersten Kampf gegen Yoan Pablo Hernandez am 01.10.2011 hätte Dr. Wagner zu sehr in den Kampf eingegriffen.
Wir erinnern uns: Hernandez erlitt in der dritten Runde nach einem Zusammenstoß eine stark blutende Cutverletzung am Haaransatz. Am Ende der sechsten Runde kam es zu einem weiteren Zusammenstoß, durch den sich ein Cut an Hernandez’ rechter Augenbraue öffnete. Auf Anraten von Wagner wurde der Kampf von Ringrichter Mickey Vann gestoppt. Die Punktrichter entschieden für den Sauerland Boxer Hernandez. Cunningham wiederum glaubte, dass der Cut keinen Abbruch gerechtfertigt hätte. Seltsam war schon, dass vor, bei und nach der Urteilsverkündung kein Tropfen Blut zu sehen war.
Damit wären wir bei meinem Grundproblem der Beurteilung der Leistungen von Ringärzten angekommen. Ich bin kein Mediziner. Ärzten ist man in der Regel hilflos ausgeliefert, daher nennt man sie wohl auch Götter in Weiß und man hofft darauf, dass sie ihren Job anständig machen.
Seinen spektakulärsten Auftritt hatte Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner am 23.09.2006 in Wetzlar. Dort kämpften Arthur Abraham und Edison Miranda gegeneinander. In der vierten Runde zog sich Abraham einen doppelten Kieferbruch zu. Sein Gesicht schwoll grotesk an und Blut quoll die restlichen Runden aus seinem Mund. Wie gesagt, ich bin kein Mediziner. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es ungefährlich ist, mit einem doppelten Kieferbruch weiter zu kämpfen.
Es gibt den Eid des Hippokrates – benannt nach dem griechischen Arzt Hippokrates von Kós (um 460 bis 370 v. Chr.) -, der als erste grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt, an die sich Ärzte halten sollten. Obwohl der Eid des Hippokrates heute in seiner klassischen Form nicht mehr von Ärzten geleistet wird und er auch keine Rechtswirkung hat, hat er doch Einfluss auf die Formulierung moderner Alternativen. In der ursprünglichen Eidesformel heißt es: „Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.“
Um es noch einmal deutlich zu machen. Ein Arzt darf seine Fähigkeit und sein Urteil nicht zum Schaden seiner Patienten nutzen. Er darf auch nicht seine Fähigkeit und sein Urteil in „unrechter Weise anwenden“. Also Dr. Wagner würde niemals einen Boxer bevorteilen und dadurch einen Anderen benachteiligen. Vermutlich ist es reiner Zufall, dass ich mich an keinen einzigen Boxkampf erinnern kann, bei dem Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner Einfluss auf den Ausgang eines Kampfes genommen hätte in der Weise, dass der Heimboxer durch die Entscheidung von Wagner einen Kampf verloren hätte.
Dementsprechend war wohl die schon angesprochene Cutverletzung von Hernandez viel gefährlicher als der doppelte Kieferbruch von Abraham. Vermutlich hat Dr. Wagner Hernandez sogar das Leben gerettet und kein Boxer sollte ohne Kieferbruch boxen. Für mich reiht sich Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Walter Wagner in die Reihe der großen TV-Ärzte ein.
© Uwe Betker