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Die Diskussion über den Fall Fritz Sdunek – der Fall eines Säulenheiligen
Fritz Sdunek war bis vor einigen Wochen der Säulenheilige des Boxens. Wie ein Heiliger auf einer Säule stand er über dem Sumpf und dem Dreck des Profiboxens in Deutschland. Er war sakrosankt. Es gab buchstäblich Keinen der ein böses Wort über ihn fallen ließ. Er war das Beispiel dafür, dass man Profiboxen betreiben kann, ohne Menschen zu verletzen und ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Er war die Inkarnation der Menschlichkeit im Profiboxen.
Nun hat sich aber das Bild vom „Heiligen“ Fritz verändert. Die sechs Minuten 22 Sekunden lange Dokumentation „Zeitreise: Der Boxer Dirk Schäfer“, die in verschieden Dritten Programmen der ARD lief und in der Mediathek der ARD immer noch zu sehen ist, hat dies verursacht. Worum geht es in der kurzen Dokumentation?
Dirk Schäfer, der sich heute als Straßenmusiker in Schwerin durchschlägt, war einer der talentiertesten Boxer der DDR. Der für Traktor Schwerin boxende Schäfer war zweimal DDR-Meister im Bantamgewicht. Große internationale Titel holte er nicht weil, weil die Staatssicherheit seine Boxkarriere zerstörte. Hierbei war auch der Inoffizielle Mitarbeiter Sicherheit (IMS) „Frank“ beteiligt. Er schrieb in einem Bericht über den junge Boxer Schäfer, dass er „idiotisch und überspitzt denken“ würde. In mindestens 15 weiteren Fällen, in den Stasi-Akten über Traktor Schwerin, hatte der IMS „Frank“ Informationen geliefert. Er war wohl bewusst eingesetzt worden, auch um Privates zu erfahren. „Frank“ berichtete über Westkontakte und Elternhäuser.
Jener schon angesprochener IMS, der die Berichte verfasst hatte, mit dem Decknamen „Frank“ hatte die Registriernummer: II 278/70. Dieselbe Nummer befindet sich in der Klarnamenkartei. Der Klarname lautet: Fritz Sdunek. Die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern Anne Drescher sagt in der Doku: „Die eigentliche IM-Akte zu ,Frank‘ existiert nicht mehr, aber die Berichte lassen sich relativ eindeutig zuordnen. Wir können davon ausgehen, dass Fritz Sdunek der IMS war und als solcher Berichte geliefert hat.“
Diese sehr sachlichen Worte, in einer recht unterkühlten Dokumentation erhitzen nun die Gemüter in der Boxszene. Denn die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern sagt, dass Fritz Sdunek höchstwahrscheinlich ein IMS war, sein Schützlinge ausspioniert hat und an der Zerstörung von Karrieren beteiligt war. – Das passt nicht zu dem Bild, was bis jetzt alle von Fritz Sdunek hatten.
Die Reaktionen auf die „Enthüllungen“ waren heftig. Die Einen sprachen davon, dass uralte Geschichten aufgewärmt würden. Andere schlossen hier an und forderten, dass man die Vergangenheit ruhen lassen solle. Wiederum andere relativierten und gaben zu bedenken, dass damals eine andere Zeit war. Wiederum Andere meinten, dass Andenken an einem Verstorbenen mit Dreck beworfen würde und das man prinzipiell solche Vorwürfe nur erheben dürfe, wenn den Beschuldigte noch lebt und sich verteidigen kann.
Kleine Anmerkung: Dirk Schäfer, das Opfer der Stasi, wurde, soweit ich das überblicken konnten, bei den Reaktionen auf die Dokumentation kein einziges Mal nur erwähnt. Damit ist er zynisch betrachte, zum zweiten Mal Opfer der Stasi geworden.
Keiner derjenigen, die sich so geäußert haben, würde vermutlich Enthüllung von Historiken und Journalisten über gesellschaftlicher Verfehlungen und Straftaten betreffend ablehnen, nur weil der „Täter“ verstorben ist oder weil es in der Vergangenheit geschehen ist. In diesem speziellen Fall aber, ist die Empörung über die Enthüllung groß. Denn es geht um Fritz Sdunek, dem Säulenheiligen Fritz Sdunek. Jenem Mann, über den Keiner etwas Kritisches sagen konnte. Und genau deswegen kochen die Emotionen auch so hoch.
Man könnte argumentieren, dass man schon sehr naiv seien musst um glauben zu können, dass jemand im Sport der DDR nach oben kommen konnte, ohne ein gerüttelt Maß an Kontakten bzw. einer Mitgliedschaft bei dem „VEB Horch und Guck“. Genau das ist der Punkt. Vermutlich jeder, und damit schließe ich mich explizit ein, der mit Boxen hierzulande zu tun hat, wollte dies glauben. Dadurch wurde Fritz Sdunek erst zu unseren Säulenheiligen. Und nun mussten wir mit ansehen, wie unser Fritz von seiner Säule gestürzt wurde.
Was wird bleiben, wenn die Diskussion um Fritz Sdunek abgeflaut und die Dokumentation aus der Mediathek der ARD verschwunden ist? Dirk Schäfer wird weiterhin mit Straßenmusik sein Lebensunterhalt bestreiten. Das Leben vieler Anderer hatten die staatlichen Organe der DDR deformiert. Unser Blick auf Fritz Sdunek wird sich vermutlich ändern. Wir werden nicht mehr den Heiligen Fritz sehen, sonder den Menschen Fritz Sdunek. Einen Menschen, fast so wie wir alle, mit Stärken und Schwächen, der versuchte alles gut zu machen und dabei auch Dinge schlecht gemacht hat. Eigentlich gefällt mir der neue Fritz Sdunek auch.
© Uwe Betker
Die ultimativ subjektive Liste 2016
Boxer des Jahres
Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO) boxte 2016 nicht. Er hatte mit psychischen Problemen, Drogen, Alkohol und einem positiven Dopingtest zu tun. Der Weltmeister der WBO und Super Champion der WBA verlor kampflos seine Titel. Aber immer war er in den Medien präsent. Wir dürfen gespannt sein, ob er den Weg zurück in den Ring findet.
Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Die Liste der Boxer, die einen zu hohen Preis für ihr Tun bezahlen, wird immer länger. Erst war es Alexander Mengis, der nach seinem Kampf am 23. Mai 2013 in Berlin ins Koma fiel. Nun kam am 18. November 2016 Eduard Gutknecht hinzu. Boxfans, Manager, Veranstalter und Journalisten vergessen gerne, dass Boxen gefährlich ist. Alexander Mengis und Eduard Gutknecht sind die Boxer des Jahres 2016 ehrenhalber.
Boxerin des Jahres
2016 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.
KO des Jahres
Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) boxte am 05.11.2016 in Plettenberg um den Titel des GBU Europameisters im Super Federgewicht. Dabei traf er auf Manuel Buchheit (9 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Jedrzejewski boxte überlegt und kontrolliert bis in die letzte Runde. Dann stellte Jedrzejewski Buchheit an den Seilen und deckte ihn mit Links-rechts-Kombinationen zum Kopf ein. Buchheit stürzte KO durch die Seile auf den Tisch der Offiziellen.
Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben.
Feiglinge des Jahres
Zwei Schläger bedrohten im Rahmen der Veranstaltung am 04. Dezember in Hamburg den renommierten Boxsportjournalisten Per Ake Persson. Ein Boxer oder eine Boxerin fühlte sich wohl von Persson nicht nett genug behandelt. Der Boxer oder die Boxerin hat erst einmal ein intellektuelles Problem, weil er oder sie meint, Journalisten hätten Hofberichterstatter zu sein. Zum anderen scheint er oder sie auch feige zu sein, weil er oder sie nicht das Gespräch gesucht hat.
Rookie des Jahres
Ein 32-jähriger Boxer soll ein Rookie sein? Ja. Der Schwergewichtler Patrick Korte hat bis jetzt nur 8 Profikämpfe bestritten. Er ist ein Spätberufener. Aber als Typ ist er interessant und als Boxer viel versprechend. Den Rest wird die Zukunft zeigen.
Überschätzter Boxer des Jahres
Erkan Teper (17 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage) hat am 15.10.2016 in Christian Hammer seinen Meister gefunden. Der Schwergewichtler war und ist die Hoffung von Z!-Promotion. Inwieweit Teper die in ihn gesetzten Hoffnungen aber erfüllen kann, wird sich zeigen.
Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.
Ringrichter des Jahres
Drei Ringrichter sind mir sehr positiv aufgefallen: Goran Filipovic vom BDB, Thomas Hackenberg von der GBA und Alexander Plumanns von dem FVA.
Absteiger des Jahres (männlich)
Alexander Zastrow und Boris Zastrow, die Besitzer von Z!-Promotion wollten von Deutschland aus das Schwergewichtsboxen erobern. Sie holten sich Hagen Döring als Mastermind, Oktay Urkal als Trainer und drei Schwergewichtler, Erkan Teper, Christian Lewandowski und Franz Rill. Die Dopingskandale um Erkan Teper wurden ausgesessen. Dann kam aber noch der 15.10.2016 und alle drei Schwergewichtler verloren. Lewandowski und Urkal verloren wohl sogar ihren Vertrag. Unbeschädigt blieb nur ein Nicht-Schwergewichtler, nämlich der Weltergewichtler Timo Schwarzkopf (17 Kämpfe, 16 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage).
Absteiger des Jahres (weiblich)
Maria Lindberg (19 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 2 Unentschieden) ist die Nummer sechs im Super Weltergewicht. Dennoch boxte sie in ihrem letzten Kampf am 04. Dezember in Hamburg gegen eine Debütantin, Selma Music aus Kroatien.
Aufsteiger des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) ist aufgestiegen in den Sportolymp, u. z. in den, in dem schon die Großen Lance Armstrong, Ben Johnson und Jan Ullrich sind. Wie vermutlich bei all den oben Genannten enthielten auch die Körperausscheidungen von Sturm Substanzen, die dort nicht hinein gehören.
Aussteiger des Jahres
Der BDB ist zum zweiten Mal von der EBU in ihrer Mitgliedschaft herabgestuft worden. Grund war wohl jeweils der Umgang des BDBs mit Doping. Man könnte die Informationspolitik des BDB gegenüber der EBU als Ausstieg aus der EBU verstehen.
Veranstalter des Jahres
Der Veranstalter des Jahres ist eine Frau, um es noch präziser zu sagen, eine sehr junge Frau. Die erst 14 Jahre alte Ranee Schröder, stellte am 18.12.2016 in Bielefeld einen Box-Frühschoppen auf die Beine. Und es war eine richtig gute Veranstaltung. Ranee Schröder ist wohl der/die jüngste Boxpromoter/in der Welt sein. Hoffen wir, dass sie weiter macht.
Veranstaltung des Jahres
Christoph Jan Jaszczuk (First Punch Boxpromotion) stellte am 05.11.2016 in Plettenberg eine großartige Veranstaltung auf die Beine. Es gab einfach nur richtig gutes Boxen zu sehen. Im Hauptkampf des Abends wurde Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) GBU Europameister im Super Federgewicht.
Boxevent des Jahres
Gab es überhaupt ein gutes großes Boxevent 2016?
Fehlentscheidung des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) gewann am 20.09.2016 seinen Rückkampf gegen Fedor Chudinov (15 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage). Das wenigstens sahen die Punktrichter Jean-Louis Legland (115:113), Giuseppe Quartarone (115:113) und Ignacio Robles (114:114). Die meisten Boxfans allerdings, sofern sie nicht gerade Felix Sturm Fans waren, sahen das wohl anders.
Trainer des Jahres
Kai Gutmann aus Lemgo hat mit zwei Boxerinnen das Frauenboxen in Deutschland aufgemischt und bereichert: Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) und Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden).
Entgleisung des Jahres
Doping fängt an, das Profiboxen in Deutschland zu zerstören. Erkan Teper, Felix Sturm und Alexander Povetkin sind 2016 im Zusammenhang mit Doping in Erscheinung getreten. Aber das interessiert offenbar keinen, am wenigsten die Verbände, deren Strafen für Doping nach wie vor geradezu lächerlich sind.
Boxkampf des Jahres (männlich)
Der Kampf zwischen Milos Janjanin und Atilla Kayabasi um den WBU International Titel im Super Leichtgewicht am 21.05.2016 in Dorsten, im Rahmen der zweiten Assassin Fighting Championship. Beide gingen von der ersten Sekunde an ein unglaublich hohes Tempo. Ein Schlagabtausch folgte auf den nächsten. In der sechsten Runde zog sich Kayabasi einen stark blutenden Cut über dem rechten Auge zu. Danach verwandelte sich der klasse Kampf in eine geradezu epische Ringschlacht, die Atilla Kayabasi schließlich nach Punkten für sich entscheiden konnte.
Boxkampf des Jahres (weiblich)
Es fand kein wirklich großer in Deutschland statt, oder ich habe weder von ihm gehört noch habe ich ihn gesehen.
Comeback des Jahres (männlich)
Markus Bott ist wieder da. Der ehemalige Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO trainiert seit kurzem Vincent Feigenbutz.
Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.
Bester Show Act des Jahres
Troy Afflick, ein unglaublich guter Soulsänger, sang mehrfach beim Box-Frühschoppen von Ranee Schröder in Bielefeld. – Eine super Stimme.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Cruisergewichtler Noel Gevor (22 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO) ist vermutlich der Boxer von Sauerland Event mit dem größten Potential. Er ist WBO International Champion und die Nummer 22 der unabhängigen Weltrangliste.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Super Federgewichtlerin Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden) dürfte reif für eine WM sein. Sie hat zwar keinen richtigen Punch, dafür hat sie aber eine gute boxerische Grundausbildung. Mit ihren 24 Jahren hat sie noch viele Jahre vor sich.
Boxer, der zu Unrecht übersehen wird
Der Schwede Adrian Grant (14 Kämpfe, 14 Siege, 13 durch KO) ist zurzeit der vielversprechendste unter den in Deutschland boxenden Schwergewichtlern. Und er ist erst 25 Jahre alt. D.h. für einen Schwergewichtler ist er noch richtig jung. In der unabhängigen Weltrangliste wird er bereits auf Position 27 geführt.
Boxerin, die zu Unrecht übersehen wird
Die erst 22 Jahre alte Leichtgewichtlerin Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) ist eine Kriegerin und so boxt sie auch.
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (männlich)
Laut Internet-Gerüchteküche ist ein Aufeinandertreffen von Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) und Arthur Abraham (50 Kämpfe, 45 Siege, 30 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO) geplant. Vor fünf Jahren wäre das ein Weltklassefight gewesen, jetzt, fürchte ich, ginge es nur noch ums Kasse-Machen. Außerdem stellt sich noch eine moralische Frage: Soll man Boxer, die doch wohl des Dopings überführt sind, auch noch mit einer vermutlichen Millionenbörse belohnen?
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (weiblich)
Es soll da eine Boxerin in Deutschland geben, eine Weltmeisterin, die angeblich in ihren letzten sechs Titelkämpfen, in den letzten drei Jahren, keine Frau mit einem positiven Kampfrekord geboxt hat.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (männlich)
Wladimir Klitschko (68 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO) vs. Anthony Joshua (18 Kämpfe, 18 Siege,18 durch KO) – Eventuell werden wir den Kampf auch zu sehen bekommen, den wir wollen. Der Gewinner dürfte dann der neue oder der alte Herrscher über das Schwergewicht sein.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (weiblich)
Bis jetzt kam es immer noch nicht zum Rückkampf zwischen Christina Hammer (21 Kämpfe, 20 Siege, 9 durch KO) und Anne Sophie Mathis (33 Kämpfe, 27 Siege, 23 durch KO, 4 Niederlagen, 12 durch KO). Wir erinnern uns noch mit Entsetzen an Ringrichter Manfred Küchler und daran, dass Hammer den Kampf nicht durch KO verlor. Nun wird es langsam Zeit, denn Mathis ist bereits 39 Jahre alt und sie hat ihren letzten Kampf gegen Cecilia Braekhus durch TKO in Runde 2 verloren.
© Uwe Betker
Die Aufgabe des Alleinstellungsmerkmals vom BDB
Der Bund Deutscher Berufsboxer steht unter Druck. Er wird kritisiert wegen seines Verhaltens im Dopingfall Erkan Teper. Der sportliche Direktor von Tepers Veranstalter Z!-Promotion, Hagen Döring, droht sogar öffentlich mit einer Schadensersatzforderung von einer Millionen Euro. – Unter einer Millionen macht man es wohl nicht mehr. – Über der ganzen Geschichte liegt ein Ruch von Vertuschung. Unzählige Fragen sind noch nicht geklärt: Warum wurde die EBU über Tepers auffällige A-Probe, bei dem Price Kampf, erst in Helsinki, unmittelbar vor dem Europameisterschaftskampf, informiert? Warum wurde das Ergebnis des Kampfes gegen Newfel Ouatah nicht annulliert, obwohl Teper doch erwiesenermaßen gedopt war? Wieso wurde dieses Doping der EBU nicht fristgerecht mitgeteilt? Die Liste der offenen Fragen ist noch um ein Vielfaches verlängerbar.
Die EBU geht öffentlich auf Distanz zum BDB. Dass sie über die auffällige A-Probe nicht durch den deutschen Verband informiert wurde, ist ein massiver Verstoß gegen grundlegende Regeln. Das hatte dann auch die Herabstufung des BDB zur Folge, der nun kein vollwertiges Mitglied der europäischen Boxgemeinschaft mehr ist, sondern nur noch ein vorübergehendes. Über den Verbleib soll in der nächsten Vollversammlung der EBU entschieden werden.
Was unterscheidet den Bund Deutscher Berufsboxer von der German Boxing Association? Nicht viel. Die eine Vereinigung ist älter als die andere, die dafür aber mehr Mitglieder hat. Die eine sanktioniert die größeren Veranstaltungen, die andere sanktioniert aber mehr. Die Gebühren sind unterschiedlich. Der Unterschied zwischen BDB und GBA ist allerdings in fast allen Bereichen nur ein gradueller. Das einzige, was den BDB wirklich von der GBA unterscheidet, ist die Mitgliedschaft bei der Europäischen Box Union. Die EBU nimmt pro Land nämlich nur einen nationalen Verband auf. Dadurch sind es die ältesten nationalen Verbände, die Mitglieder sind.
Wie schon gesagt der BDB und dessen Präsidium steht unter Druck. Dies ist eventuell auch der Grund dafür, dass sich Thomas Pütz, der Präsident des ältesten deutschen Profiboxverbandes, so äußert, wie er sich äußert. Das führt zu Schlagzeilen wie „Herabstufung durch EBU lässt den Bund Deutscher Berufsboxer kalt“ oder „Den Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) lässt die vorübergehende Herabstufung durch die European Boxing Union (EBU) auf ein „vorläufiges Mitglied“ völlig kalt.“
Präsident Pütz zeigt sich stark und selbstbewusst. „Wir sind kein vollwertiges Mitglied mehr, sondern nur noch ein vorübergehendes“, sagte er. „Mir ist aber nicht bekannt, dass das Folgen haben wird. Die EBU braucht uns mehr als wir die EBU.“ An anderer Stelle sagt er: „Ja und? Im Prinzip ändert sich nichts, wir haben in den letzten zwei, drei Jahren vielleicht dreimal mit der EBU zusammengearbeitet“, und weiter: „Ich habe kein Problem mit der EBU, lasse mich von denen aber auch nicht wie eine Sau durchs Dorf treiben.“
Wie schon gesagt, dass klingt stark und selbstbewusst. Ich bin allerdings intellektuell etwas überfordert mit dem Satz von der Sau und dem Dorf. Denn wieso bedeutet es, eine Sau durch das Dorf zu treiben, wenn auf der Einhaltung von Regeln bestanden wird? Sei’s drum. Für problematisch halte ich vor allem diese Abwertung der EBU, nämlich dieses „die EBU braucht uns mehr als wir die EBU“ und „wir haben in den letzten zwei, drei Jahren vielleicht dreimal mit der EBU zusammengearbeitet“. In meinen Augen stellt die EBU so etwas wie das Alleinstellungsmerkmal des BDB dar. Es ist m. E. das einzig Wichtige, nämlich eben das, was ihn noch von seinem Konkurrenten unterscheidet. Und das so lapidar mal eben zur Seite zu schieben, halte ich für regelrecht fahrlässig.
(C) Uwe Betker