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Ein Schwanengesang auf Arthur Abraham

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Arthur Abraham (49 Kämpfe, 44 Siege, 29 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) verlor am 09.04.2016 in der MGM Garden Arena in Las Vegas gegen Gilberto Ramirez (34 Kämpfe, 34 Siege, 24 durch KO) nach Punkten. Durch diese Niederlage verlor er seinen Weltmeistertitel im Super Mittelgewicht nach Version WBO. So weit, so normal. Bemerkenswert an die Niederlage ist, wie sie zustande kam. Die Punktwertungen der Punktrichter (Adalaide Byrd 120:108, Glenn Trowbridge 120:108 und Glenn Feldman 120:108) geben den Kampfverlauf nämlich sehr genau wieder: Abraham konnte keine einzige Runde gewinnen. Vor dem Kampf hatte er noch angekündigt, dass die Zuschauer den besten Abraham aller Zeiten zu sehen bekommen würden. Aber das Gegenteil war der Fall.
Aufgrund der desaströsen Leistung, die er 36-jährigen Abraham hier zeigte, wurde in den einschlägigen Medien unverholen darüber spekuliert, ob dieser Kampf nicht das Ende seiner langen und sehr erfolgreichen Karriere als Profiboxer sei. Ich möchte mich hier nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Vielmehr möchte ich mich daran erinnern, was für ein großer Fighter Abraham einst war.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich Abraham zum ersten Mal traf. Ich besuchte das Sauerland Gym in Köln, beim Müngersdorfer Stadion, um dort ein Interview mit Markus Beyer zu führen, der sich auf einen Titelkampf vorbereitete. Wie immer, wenn möglich, schaute ich mir die ganze Trainigseinheit ein. An der Tür des Gyms hing eine Liste, der Plan für das Sparring. Als letzter auf der Liste stand Arthur Abraham, der damals noch Artur geschrieben wurde. Er sollte 8 Runden Sparring machen. Ich hatte bis dahin weder Abraham gesehen und noch von ihm gehört. Er stand ganz am Anfang seiner Karriere.
Der junge Mittelgewichtler Abraham absolvierte die ersten vier Runden mit dem Sparringspartner von Markus Beyer, einem Super Mittelgewichtler. Danach traf er auf einen Sparringspartner von Kai Kurzawa, einem Halbschwergewichtler. Das Sparring war gut und man sah, dass Abraham kein Schlechter war. Man sah auch, dass er sich im Sparring nicht geschont hatte. Er pumpte und war fertig. Als Abraham sich durch die Seile zwängte, ertönte die knarzige Stimme von Ulli Wegner „Artur, du bist noch nicht fertig. Du musst noch vier Runden machen.“ Abraham: „Aber Trainer, ich habe die acht Runden doch gemacht. Auf dem Plan stehen acht Runden.“ Wegner ließ das nicht gelten: „Artur, du kannst nicht richtig lesen. Auf dem Plan stehen zwölf Runden.“
Abraham kletterte zurück in den Ring und bekam es nun mit einem Cruisergewichtler zu tun. Abraham war am Ende seiner Kraft, er atmete schwer, aber immer wenn sein Sparringspartner auch nur eine kleine Pause machte, um Atem zu holen oder sich zu orientieren, explodierte Abraham. Er war offensichtlich wütend und versuchte das Sparring durch einen Niederschlag vorzeitig zu beenden. Das schaffte er nicht. Aber er schaffte es, mich für sich einzunehmen. Ich fuhr nach Hause mit der Aufnahme eines Interviews und der Gewissheit, einen zukünftigen Weltmeister gesehen zu haben.
Arthur Abraham boxt am 16.07.2016 in Berlin gegen Tim Robin Lihaug (16 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Lihaug ist die Nummer 74 in der Weltrangliste
(C) Uwe Betker

Die Pressekonferenz von Manuel Charr – viel Sonne und viele offene Fragen

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Am 15. August 2012 lud Manuel Charr zu einer Pressekonferenz in das kölner Fußballstadion, das frühere Müngersdorfer Stadion, ein. Auf dem Spielfeld vor einer Stellwand, auf der die Namen der Sponsoren prangten, waren eine Reihe Tische und ein paar Reihen Stühle sowie noch ein paar Stehtische aufgebaut. Der ungeschlagene Schwergewichtler Manuel Charr (21 Kämpfe, 21 Siege, 11 durch KO) hatte die Pressevertreter eingeladen, um noch einmal für sich und seinen Kampf gegen den amtierenden WBC Weltmeister Vitali Klitschko (46 Kämpfe, 44 Siege, 40 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) am 08. September 2012 in Moskau Werbung zu machen.
Immer wieder betonte Charr seine Entschlossenheit, Weltmeister zu werden. „Ich werde mein Allerbestes geben, um euch und mein Team glücklich zumachen.“ Er müsse auch gegen Klitschko gewinnen, so erklärte er, weil er seiner Mutter eine neue Einbauküche versprochen hätte. Seine Entschlossenheit, alles für seinen sportlichen Erfolg zu tun, habe er bereits in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. Als Beleg legte er dann noch einen Vertrag vor für einen Kampf gegen Ruslan Chagaev. Daraus war zu entnehmen, dass er für den Kampf keine Börse bekommen sollte, sondern sogar noch die Börse seines Gegners bis zu 20.000 Euro hätte tragen müssen. – Der Kampf hätte im Mai dieses Jahres in Göppingen stattfinden sollen.
Wortgewaltig, eloquent und witzig resümierte Charr seine Karriere und erklärte, warum er die Zukunft im Schwergewicht darstelle und Vitali Klitschko die Vergangenheit. Er zeichnete seinen Weg nach, der ihn nach nur 10 Amateurkämpfen zu einem Profivertrag bei Sauerland Event über 5 Jahre führte. Von dort ging sein Weg weiter zu Universum Box-Promotion und zu Sturm Box-Promotion.
Diese letzte Station, nämlich Sturm Box-Promotion, bevor er sich selbstständig machte, schien die ganze Pressekonferenz zu überschatten – leider nur ein imaginärer Schatten, denn die ganze Zeit in der prallen Sonne zu sitzen bzw. zu stehen war wirklich kein Vergnügen. Zeitgleich mit dieser Pressekonferenz in der Sonne fand nur wenige Kilometer entfernt im Gym von Felix Sturm (41 Kämpfe, 37 Siege, 16 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) noch eine andere Pressekonferenz statt, in der Sturm für seinen Titelvereinigungskampf mit dem IBF Weltmeister Daniel Geale (28 Kämpfe, 27 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage) am 01. September 2012 in Oberhausen warb.
Um es positiv auszudrücken: Sturm und Charr hatten sich offensichtlich nicht miteinander abgestimmt. Diamondboy Promotion, die Veranstaltungsfirma von Charr, verkündete, sie hätten einen Tag vor Sturm die Einladungen an die Presse verschickt. Es könnte hier aber auch der Eindruck entstehen, es wollten hier zwei Kontrahenten einen Wettkampf führen um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
Zwischen Sturm und Charr gibt es wohl eine Verbindung, die auf absehbare Zeit nicht auflösbar ist. Charr fasste den Grund für die Trennung von Sturm in die poetischen Worte: „ Sturm wollte in die Berge und ich wollte in die Sonne.“ Aber es scheint doch eher so zu sein, dass Charr nicht von Sturm lassen kann. Sein Gym befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Sturm in Köln. Auf die Frage, warum er sich gerade an diesem Ort auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten will, antwortete er: „Das Moderne passt nicht zu mir.“ Er argumentiert damit, dass die ehemalige Fleischerhalle, die ihm bis zum Ende des Jahres kostenlos zur Verfügung gestellt wird, zu ihm passe. Dies alles sei ein „riesen Spaß“.
Dennoch drängt sich mir die Frage auf, warum Charr sich auf den wichtigsten Kampf in seiner Karriere nicht in einem schon bestehenden Gym vorbereitet. Denn in die Fleischerhalle, in der er jetzt trainiert, passt nur ein Flach- und kein Hochring. Flachringe sind aber nun mal kleiner als normale Ringe. Von außen betrachtet könnte man da schon auf die Idee kommen, es ginge Charr und seinem Cheftrainer Clive Salz, der früher auch Sturm trainierte, in erster Linie diesem etwas beweisen wollen, mit ihm noch eine Rechnung offen haben.
Man kann sich außerdem fragen, ob es sportlich Sinn macht, immer neue Trainer kurz vor einem entscheidenden Kampf anzuheuern. Diese Woche stieß Valeri Beloy, der große russische Amateurboxtrainer zum Team. Davor war es Verdan Zakarjan, mit dem Charr schon in Hamburg bei Universum trainierte.
Bei der Pressekonferenz von Manuel Charr gab es viel Sonne und auch viele offene Frage.
© Uwe Betker