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Rezension: „Two Ton“ von Joseph Monninger

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Für jeden, der sich für Boxgeschichte interessiert und auch Humor hat, ist das Buch „Two Ton. One fight, one night“, das Buch von Joseph Monninger über den Kampf zwischen Tony Galento und Joe Louis, Pflichtlektüre. Außerdem ist das Buch noch kurzweilig und amüsant.
Tony Domenick Galento (112 Kämpfe, 80 Siege, 57 durch KO, 26 Niederlagen, 6 durch KO, 5 Unentschieden) war ein Unikum. Er machte Wrestling mit einen Oktopus. Er mimte den Bösewicht in dem Film Faust im Nacken, von Elia Kazan mit Marlon Brando. Er wettete, vor einem Schwergewichtskampf fünfzig Hot Dogs essen zu können und er unterhielt sein Publikum mit Tarzanschreie. Er schlug drei Gegner nacheinander, an einem Abend, KO; dabei trank er in den Ringpausen Bier. Überhaupt bestand sein Training zum Teil aus Biertrinken. Er hatte unzählige Manager, darunter den großen Jack Dempsey und bei dem Kampf gegen Louis den legendären Joe Jacobs. Er war Protagonist in dem wohl schmutzigsten Boxkampf des modernen Boxens. Und er boxte am 28.06.1939 im Yankee Stadion in New York, vor 40.000 Zuschauern. NBC übertrug den Kampf im Radio. Geschätzte 40 Millionen Menschen in den USA lauschten der Übertragung.
Gallento, ein haariger und übergewichtiger Barkeeper, dem die Haare auf dem Kopf ausgingen, trat gegen den besten Schwergewichtler seinen Generation, Joe Louis, an, der gleichzeitig auch einer der besten Boxer aller Zeiten ist. Aber dieser Mann, der so überhaupt nicht aussah wie ein Athlet, glaubte daran, dass er gewinnen könnte. Sein Credo: „I´ll moida da bum.“
In der ersten Runde des Titelkampfes klingelte Galento Louis an und in der dritten Runde hatte er ihn sogar am Boden. Der Ausgang ist bekannt.
Er war der krasse Außenseiter, aber die Hälfte der Zuschauer war für ihn. Er war der Mann, der sie zum Lachen brachte und er war der, mit dem sich viele identifizieren konnten. Er war die Verkörperung der Mehrheit: Nicht besonders hübsch, nicht besonders talentiert und nicht übermäßig intelligent, also ebenso durchschnittlich wie wir jeder – aber auch wie jeder von der Idee beseelt, der eigenen Durchschnittlichkeit zu entwachsen.
Gallento bekam seine Chance im Kampf gegen Louis und er versuchte diese Chance, die, realistisch betrachtet, nicht wirklich bestand, zu nutzten. Was in diesem Kampf und auch alles, was davor oder danach noch passiert ist, zeichnet das Buch minutiös nach. Dabei ist es sehr unterhaltsam. Die knapp über 200 Seiten habe ich mit großem Vergnügen und in einem Rutsch durchgelesen. Das Buch „Two Ton“ von Joseph Monninger ist ein sommerlich leichtes Buch und ideal für den Liegestuhl im Garten oder für den Strand. Es ist neu und gebraucht via Internet zu beziehen.
(C) Uwe Betker

Kein Träne für die Punktmaschine

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Die Olympischen Spiele 2012 in London sind die letzten, bei denen die sogenannte Punktmaschine noch zum Einsatz kommt. Zu oft sah man in den letzten 20 Jahren Fehlurteile. Dabei sollte ursprünglich durch diesen Computer, wenn auch nur sehr halbherzig, versucht werden, die Zahl der Fehlentscheidungen zu reduzieren.
Alles begann 1988 mit den Spielen in Seoul. Der Koreaner Si-Hun Park gewann sehr umstritten im Viertelfinale gegen den Italiener Vicenzo Nardiello. Im Finale im Halb Mittelgewicht traf er auf den US-Amerikaner Roy Jones Jr. Dieser Kampf ging dann als einer der größten olympischen Skandale in die Geschichte ein.
Jones, der spätere Profi-Weltmeister, dominierte seinen Gegner in den drei Runden fast nach Belieben. Zu groß war seine technische und physische Überlegenheit. Der Computer des Fernsehsenders NBC zählte 86 Treffer für Jones und 32 für Park. In der zweiten Runde wurde Park sogar angezählt. Trotzdem wurde Park mit 3:2 Richterstimmen zum Sieger erklärt. Die drei Punkrichter waren Alberto Duran aus Uruguay, Hiouad Larbi aus Marokko und Bob Kasule aus Uganda. Zur Ehrenrettung von Park muss erwähnt werden, dass ihm selbst das Urteil sehr peinlich war. Demonstrativ hob er Jones bei der Siegerehrung in die Luft und auch später erklärte er immer wieder, in Wirklichkeit hätte Jones gewonnen.
Die Goldmedaille von Park war gekauft. Der südkoreanische Multimillionär Seung-Youn Kim, der pikanterweise auch Präsident des koreanischen Boxverbandes war, hat wohl dem Kampfgericht 15.000 US-Dollar dafür gezahlt, dass sein Landsmann gewinnt. Nach Stasi Quellen war offenbar auch der damalige Präsident der AIBA Anwar Chowdhry aus Pakistan „in diese Manipulationen einbezogen“ worden.
Die Zahlungen waren nicht unbemerkt geblieben und Mitglieder des IOC, des Internationalen Olympischen Komitees, waren informiert worden. Die sahen aber keinen Handlungsbedarf. Angeblich war der AIBA Präsident Chowdhry eng mit Juan Antonio Samaranch, dem Präsidenten des IOC, verbandelt – ich spreche von jenem Samaranch, der ein getreuer Gefolgsmann seines faschistischen „Führers“, „El Caudillo“ General Franco gewesen war.
Der Sturm der Entrüstung, allein 50.000 koreanisch stämmige Bürger riefen beim US-Sender NBC riefen an, um sich zu entschuldigten, zwangen die AIBA dann schließlich doch zum Handeln. Erst mal wurden die drei Punktrichter suspendiert und es gab ein Untersuchungsverfahren. Dann wurde das Punktsystem geändert. Bis dahin entschieden fünf Kampfrichter, ähnlich wie bei den Profis. Ab nun wurde ein Schlag nur als Treffer gewertet, wenn innerhalb einer Sekunde drei Kampfrichter einen Knopf an einem Box-Computer drücken.
Ich möchte ja unterstellen, dass diese Änderung von der AIBA wirklich als Maßnahme gegen verschaukelte Kämpfe gedacht war, funktioniert hat es aber nicht. Jeder der regelmäßig zu Amateurveranstaltungen geht, sieht immer wieder Fehlurteile. Man kann aber nicht mehr den oder die Punktrichter benennen, die dafür verantwortlich sind. Es ist immer nur der Computer schuld. Es gibt aber sehr wohl Punktrichter, die es notorisch nicht schaffen, den Knopf zu drücken, wenn bestimmte Boxer Treffer setzen. Es soll auch Schiedsrichtergespanne geben, die schon mit einer traumhaften Sicherheit immer synchron drücken. Die Punktmaschine reduzierte die Zahl der Fehlurteile also nicht.
Was die Punktmaschine nun bewirkte, war ein Wandel des Boxens mit Kopfschutz und Leibchen. Körpertreffer wurden praktisch nicht mehr gewertet. Die Punktmaschine unterscheidet auch nicht zwischen harten Treffern und bloßen Berührungen. Folglich wurde trainiert, einfach nur Treffer zu setzen. Zwei Berührungen zählen nämlich mehr als ein harter Treffer. Das Amateurboxen, das aber nicht mehr Amateurboxen genannt werden will, sondern olympisches Boxen, wurde teilweise zu einer grotesken Karikatur dessen, was man gemeinhin unter Boxen versteht.
Nach nunmehr zwei Jahrzehnten des Sammelns von Erfahrungen, haben die Herren der AIBA nun erkannt, dass die Punktmaschine weder zu einer Verbesserung der Punktentscheidungen geführt noch den Sport populärer gemacht hat. Das olympische Boxen ist in Deutschland so was von tot, dass kaum einmal die Kämpfe der Deutschen in London in voller Länge im Fernsehen zu sehen sind. Jedenfalls habe ich einen gesehen. Daher geht die AIBA auf das alte System mit Punktrichtern zurück, die man dann wenigstens namentlich nennen kann, wenn sie Kämpfe verschieben.
Die drei Punktrichter, Alberto Duran, Hiouad Larbi und Bob Kasule, waren übrigens schon bald wieder an den Boxringen der Welt zu sehen. 1997 wurde die Untersuchung gegen die drei dann schließlich eingestellt, weil keinerlei Hinweise für eine Manipulation zu finden waren.
Um es noch einmal kurz zu sagen: Ich weine der Punktmaschine keine Träne nach!
© Uwe Betker