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Ist aufgeschoben wirklich nicht aufgehoben?
Die letzten Veranstaltungen von Ahmet Öner standen unter keinem guten Stern. Im März 2014 verlor Schwergewichtler Odlanier Solis Fonte (22 Kämpfe, 20 Siege, 13 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) überraschend nach Punkten gegen Tony Thompson. Solis galt einmal als eine der größten Schwergewichtshoffnungen – wie auch nicht, immerhin war er mehrfacher Amateurweltmeister und Olympiasieger. Aber er blieb weit hinter den in ihm gesteckten Erwartungen zurück. In seinem Kampf gegen Thompson, am 22.03.1014 in Tekirdag, Türkei, sah er untrainiert und unmotiviert aus.
Solis, der immer noch die Nummer 9 der unabhängigen Weltrangliste ist, sollte nun nach der Niederlage diese Scharte durch eine Rückkampf wieder auswetzen. Hier aber beginnt die Geschichte seltsam zu werden. Dieser Rückkampf nämlich, der schon mehrfach angekündigt wurde, wurde genauso oft auch wieder verschoben.
Zunächst war der Rückkampf für den 18. Oktober in Düsseldorf angesetzt gewesen, musste dann aber wegen einer Knöchelverletzung des Kubaners auf den 22. November, wiederum in Düsseldorf, verschoben werden. Bevor allerdings die Meldung von der Verletzung Deutschland erreichte, war im Internet schon das Gerücht verbreitet worden, Solis sei in Florida verhaftet worden. Der Promoter Öner kommentierte dieses Gerücht nicht.
Dann wurde der Kampf für den 24. Januar in Düsseldorf angekündigt. Kaum rückte der Termin näher, wurde er auch schon wieder verschoben. Öner führt als Grund dafür an, „die Halle“ sei „zum neuen Termin nicht frei“ gewesen. Hier wird die Situation jetzt etwas undurchsichtig. Eigentlich sollte man doch meinen, ein Veranstalter kündigt dann eine Show erst an, wenn er die Halle bereits gebucht oder zumindest geblockt hat. Die Erklärung von Öner klingt also etwas lahm.
Jetzt soll Solis vs. Thompson II also am 27. Februar in Budapest stattfinden. Öner ist begeistert von Tarik Rabadah und Feras Al-Hayek, seinen zwei neuen Partner, die ihn als lokale Promoter unterstützen. Gleichwohl könnte die Verlegung einer Boxveranstaltung in ein anderes Land nicht unproblematisch sein. Wenn ein Veranstalter nicht einen festen TV Partner hat, muss er, wenn er nicht in alleinige Vorkasse gehen kann und will, vor einer Show bei Werbepartnern und Sponsoren Geld sammeln. Die holt man normalerweise ins Boot, indem man ihnen gegebenenfalls TV Präsenz und eine Show an einem bestimmten Ort verspricht. Da fragt sich, wie nun wohl Werbepartnern und Sponsoren darauf reagieren, dass die Veranstaltung an einem ganz anderen Ort als versprochen stattfinden soll?
Bekanntlich heißt es ja: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Bei gleich drei Verschiebungen hintereinander kann man da aber schon seine Zweifel bekommen. Gleichzeitig muss Ahmet Öner seinen Solis aber boxen lassen, denn Solis ist seine Hoffnung, sich unter den großen Veranstaltern zu etablieren zu können – und das beinhaltet schließlich auch eine Hoffnung aufs ganz große Geld.
© Uwe Betker
Gedanken über die Adidas/ Double D Boxhandschuhe
Wenn ich die Übertragung der ARD von dem Rückkampf zwischen Marco Huck (40 Kämpfe, 37 Siege, 26 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Firat Arslan (42 Kämpfe, 33 Siege, 21 durch KO, 7 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden) um den Weltmeistertitel der WBO im Cruisergewicht Revue passieren lasse, vermisse ich etwas. Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, dass im Vorbericht, während der Übertragung, in einer Pressemitteilung von Sauerland Event oder auch danach darüber berichtet worden wäre, dass Huck, laut Medienberichten, ursprünglich mit zwei verschiedenen Handschuhen in den Ring steigen sollte. Dies ist umso erstaunlicher als doch eigentlich alle Beteiligten ein Interesse an der Klärung des Sachverhaltes haben müssten.
Die Boxhandschuhe von Adidas werden nicht von Adidas im fränkischen Herzogenaurach hergestellt. Die französische Firma Double D lässt die Handschuhe herstellen und vertreibt sie. Die Firma gehört David Douillet, der Olympiasieger der Judokas 1996 und 2000 sowie Weltmeister 1993, 1995 und 1997 wurde. Er hat gute politische Kontakte. So war er zwischen 2011 und 2012 Sportminister.
Die Adidas Boxhandschuhe, Double D, hatten nicht das erste Mal gravierende Qualitätsprobleme. Schon im letzten Jahr fielen vor einem WM Kampf von Sauerland Event Handschuhe auf, die nicht das erforderliche Gewicht hatten. Wer mit Handschuhen in den Ring steigt, die mit Rosshaar gefüllt sind, hat einen klaren Vorteil gegenüber einem, der Handschuhe mit normaler Schaumstofffüllung trägt. Sein Schlag ist nämlich sehr viel härter. Sollte Double D/Adidas viele von diesen Handschuhen verkauft haben und sollten diese dann in Wettkämpfen verwendet worden sein, müssten dann die Ergebnisse dieser Kämpfe nicht annulliert werden? Jeder KO oder TKO, der mit Handschuhen von Double D erreicht wurde, kann angezweifelt werden. Boxt nicht der DBV, Deutsche Boxsport Verband, generell mit den französisch/pakistanischen Handschuhen?
Wenn nun Adidas/ Double D wirklich Handschuhe produziert und verkauft hat, die so ein eklatantes Qualitätsproblem haben, müssten die dann nicht durch eine Rückrufaktion eingezogen werden? Oder sollte Adidas alias Double D vielleicht besser eine Verbraucherwarnung veröffentlichen, die darauf hinweist, dass diese Handschuhe ein größeres Verletzungsrisiko darstellen und sportliche Wertkämpfe massiv beeinflussen könnten?
Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass Adidas Opfer von Manipulationen Dritter wurde. Müssten wir dann aber nicht davon ausgehen, dass eine oder mehrere Personen der Sauerland Event GmbH oder aus deren Umkreis versucht hätten, den Ausgang des Rückkampfes zwischen Marco Huck und Firat Arslan zu beeinflussen? Würde das dann aber nicht bedeuten, wir wären da wohl in kriminellen Gefilden angelangt. Betrug und vorsätzliche Körperverletzung, wenn auch nur versuchte, sind für mich jedenfalls keine Kavaliersdelikte, sondern Straftaten.
Es besteht also noch erheblicher Klärungsbedarf.
© Uwe Betker
Ein unwürdiger Gegner
Ein amerikanischer Journalist und Kenner des Boxens stellte den Kampf, wenn man ihn denn so nennen kann, von Wladimir Klitschko (57 Siege, 50 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO, ) gegen Jean-Marc Mormeck (41 Kämpfe, 36 Siege, 22 durch KO, 5 Niederlagen, 3 durch KO) vom 03.03.2012 in eine Reihe mit George Foreman gegen Jose Roman (01.09.1973), Joe Frazier gegen Ron Stander (25.05.1972), Joe Louis gegen Tony Galento (28.06.1939), Muhammad Ali gegen Chuck Wepner (24.03.1975) und Floyd Patterson gegen Pete Rademacher (22.08.1957). In all diesen Kämpfen verteidigte ein sehr starker Weltmeister im Schwergewicht seinen Titel gegen einen Gegner, der ihm weit unterlegen war. Aber wenn man nun Jean-Marc Mormeck in eine Reihe stellt mit Jose Roman, Ron Stander, Tony Galento, Chuck Wepner und Pete Rademacher, dann redet man, genau wie Wladimir Klitschko, ihn stark und, was noch viel schlimmer ist, man setzt die oben genannten Boxer herab.
Rademacher stellte sich als Olympiasieger und ohne Profierfahrung dem amtierenden Weltmeister im Schwergewicht, Patterson. Dabei kam es aber bis zum KO in Runde 6 doch zu einem recht unterhaltsamen, von Technik geprägten Kampf. – Das kann man über den Klitschko- Mormeck-Kampf aber durch nicht sagen.
Wepner verlor gegen Ali durch TKO in Runde 15, was schon für sich spricht. Immerhin wurde er das reale Vorbild für die Filmfigur Rocky. Eine unglaubliche Menge an Schlägen nehmend und stark blutend stapfte er unverdrossen dem Größten hinterher, um die Chance zu suchen, die er allerdings nicht hatte. – Ein unglaublicher Kampf, der Wepner zur Legende machte. Es ist nicht zu erwarten, dass jemals irgendjemand so über Mormecks Leistung sprechen könnte.
Auch der kleine, dickliche und kahl werdende Galento hatte nie eine Chance gegen Louis. Er suchte sein Glück in überfallartigen Angriffen und wilden Schwingern. Oft ließ er den Stilisten Louis dabei sogar schlecht aussehen. Auch er war sehr tapfer. Er verlor durch TKO in Runde 4. Dass auch Mormecks Kampf nur 4 Runden dauerte, ist die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihm und Galento. Mormeck sah austrainiert aus, schlug aber so selten, auch wenn er die Möglichkeit dazu hatte, dass man ihn für den Friedensnobelpreis vorschlagen könnte.
Stander, der technisch limitiert war, hielt gegen Frazier nur eine Runde länger durch als Galento und der Herr aus Pointe-à-Pitre, Guadeloupe. Auch Stander wollte die sich bietende einmalige Chance nutzen. Er versuchte Frazier mit dessen eigenen Mitteln zu schlagen, durch Haken in der Halbdistanz und im Infight – ein absurdes und zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Aber Stander ging in den Kampf, um zu gewinnen, was man von Mormeck wohl nicht behaupten kann.
Roman schaffte es nur 117 Sekunden gegen Foreman durchzuhalten. In dieser Zeit ging er dreimal zu Boden. Foreman wollte offensichtlich von Anfang an den KO. Auch Wladimir Klitschko wollte den KO, denn er wollte sich ja für seinen 50sten KO feiern lassen. Genau dafür scheint er sich ja auch seinen Gegner ausgesucht zu haben. Mir drängte sich allerdings der Eindruck auf, dass der Titelverteidiger bereits in der ersten Runde hätte Schluss machen können. Er tat es aber nicht. Wollte er den zahlenden Zuschauern etwas bieten? Dachte er an die Werbekunden von RTL?
Es ist unübersehbar, dass die Klitschkos ein Problem haben Gegner zu finden. Aber musste es gerade ein, wie ich finde, so unwürdiger und schwacher Gegner wie Jean-Marc Mormeck sein? Mormeck wurde schließlich in keiner Rangliste mehr geführt, weil er seit über einem Jahr nicht mehr aktiv war.
© Uwe Betker
Auf der Suche nach der Hintertür (2.)
Teddy Atlas, Povetkins Trainer seit Mitte 2009, kündigte an, seinem neuen Zögling „einen neuen Stil zu verpassen“. Sichtbare Erfolge hat er damit bis jetzt aber noch nicht, jedenfalls sehe ich keine. Povetkins letzter Kampf ähnelte mehr einer Bankrotterklärung als einer boxerischen Offenbarung. Auf diesem Hintergrund macht es auch Sinn, dass Atlas den Kampf gegen Wladimir Klitschko verhindert hat.
Offensichtlich glaubt er nicht, dass Povetkin in absehbarer Zeit zur Weltspitze vordringen kann. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass er auch dessen Teilnahme am IBF Tunier verhinderte. Dem Sieger winkt, oder sollte man auf Povetkin bezogen lieber sagen, droht ein Kampf gegen Wladimir Klitschko. Das ist der, den der „zaghafte Zar“ und sein Trainer auf keinen Fall in absehbarer Zeit im Ring gegenüber stehen wollen.
Povetkin scheint zum einen zu spüren, dass er kein richtiger Schwergewichtsprofi ist und zum anderen scheint er auch nicht den Willen zu haben, sich im Ring zu beweisen. Er hat offenbar nicht den Ehrgeiz, sich und der Welt zu zeigen, dass er der beste Schwergewichtler ist. Vielmehr träumt er sich wohl in seine gute alte Zeit zurück, in der er das Maß aller Dinge im Amateurboxen war. Wie sonst ist zu erklären, dass der Olympiasieger von 2004 unlängst darüber sprach, noch einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen zu wollen. So etwas nennt man wohl eine Flucht in die Vergangenheit.
Alexander Povetkin ist mittlerweile 31 Jahren alt und müsste eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Kraft und seines Könnens sein. Sein Veranstalter Sauerland Event möchte natürlich so schnell wie möglich eine WM-Kampf und einen WM-Titel. Sah nicht Kalle Sauerland stolz aus, als er den großen Coup landete und den von allen begehrten Povetkin für Sauerland Event unter Vertrag nahm? Es ist davon auszugehen, dass Povetkin ihn eine Stange Geld gekostet hat und auch noch heute kostet, und nun wird er langsam von dem Geld etwas zurück bekommen wollen.
Da lässt sich ein Boxer von einem Veranstalter gut bezahlen, um sich dann, bevor es anfängt weh zu tun, klammheimlich aus dem Staub zu machen. Nun hält sich mein Mitleid gegenüber dem Veranstalter in sehr engen Grenzen. Und wäre nur der Veranstalter von diesem Verhalten betroffen, so könnte man sich als Betrachter zurücklehnen, abwarten, beobachten und sich darüber amüsieren, dass es hier einmal ein Boxer geschafft hat, seinen Veranstalter über den Tisch zu ziehen. Aber da gibt es ja noch die Zuschauer, und die erwarten doch noch etwas mehr. Ich halte ein solches Verhalten gegenüber den Boxfans für ganz schlechten Stil. Zu viele Zuschauer haben Povetkin schließlich angefeuert und mitgefiebert, wenn er gekämpft hat. Hat Povetkin nicht große Reden geschwungen und angekündigt, Wladimir Klitschko entthronen zu wollen? Und es gab nicht wenige, die ihm geglaubt haben. Mit diesen Sprüchen ist er eine Verpflichtung gegenüber dem Zuschauer eingegangen, der er offensichtlich in keinster Weise nachzukommen gedenkt. Es sieht danach aus, als ob Povetkin irgendeinen Hinterausgang sucht, um sich zu drücken. Wie schon gesagt: Schlechter Stil!
© Uwe Betker
Schülertheater (2.)
Mit dem Abgang von David Tua wurde das Publikum in die Pause geschickt. Der zweite Akt beginnt mit einem Paukenschlag. Das Klitschko-Management zaubert einen neuen Gegner aus dem Hut: Dereck Chisora.
Für Dereck Chisora (14 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO) spricht, jedenfalls aus der Sicht von Wladimir Klitschko, dass die Nummer 13 der unabhängigen Weltrangliste noch relativ unerfahren ist. Hinzu kommt, dass er mit einer KO-Quote von 64% kein harter Puncher ist. Dieses Risiko wäre dann schon einmal weitgehend eliminiert. Zum Vergleich: Wladimir Klitschko hat eine KO-Quote von 84%, und seinen ersten Titelkampf hatte er nach 35 Kämpfen, also mehr als doppelt so vielen wie Chisora. Klitschko wurde als Amateur Militärweltmeister (1995) und als Nachrücker für seinen Bruder Vitali Olympiasieger (1996). Chisora wurde lediglich englischer Meister (2006). Auch an Erfahrung und an technischer Fähigkeit ist Klitschko seinem Wunschgegner weit überlegen. Auch die körperlichen Voraussetzungen sprechen für den Titelverteidiger. Klitschko ist 1,99 Meter groß und hat eine Reichweite von 2,06 Meter, der Mann aus Zimbabwe ist mit seiner Größe von 1,87 Meter und einer Reichweite von 1,88 Meter erheblich kleiner. Einen Vergleich der Namen in den jeweiligen Kampfrekorden spare ich mir. Wenn man sich all die Daten ansieht, scheint der Kampf für Herrn Klitschko ähnlich anstrengend zu werden wie ein mittelschwerer Tag im Büro.
Das einzige, was für den 26jährigen Chisora spricht, ist, dass er den Kampf wohl wirklich will, im Gegensatz zu anderen, die, so scheint es manchmal, schon einen Schnupfen oder sonst etwas bekommen, wenn sie nur an einen Klitschko denken. Jedenfalls sagte er unlängst über sich, er sei der „hungrigste Boxer“, gegen den Klitschko je gekämpft habe. Weiter: „Ich werde ihn aus seiner Bequemlichkeit reißen. Ich kann es kaum erwarten. Die Gelegenheit dazu hat an meine Tür geklopft, und ich habe sie eingelassen.“
Der IBF-, WBO- und IBO-Weltmeister im Schwergewicht und Akademiker konnte natürlich solche Äußerungen nicht unkommentiert lassen und erwiderte: „Ich werde dafür sorgen, dass du deine Worte isst. Ich liebe es, Farbe in dein Gesicht zu malen.“ Damit hätten wir denn schon den Höhepunkt bzw. das Ende des zweiten Aktes unserer Schüleraufführung erreicht.
Im folgenden dritten und letzten Akt kommt es folgerichtig zum tragischen Moment. Der ist, dass im Vorfeld nicht geklärt wurde, ob Chisora überhaupt kämpfen kann. Anfang November muss er sich nämlich wegen Diebstahls mit Körperverletzung vor Gericht verantworten. Er hat sich auch schon schuldig bekannt.
Es könnte also sein, dass einer der Protagonisten unserer Aufführung eine Haftstrafe verbüßen muss. Es ist schon tragisch, dass offensichtlich keiner sich im Vorfeld um solche Kleinigkeiten gekümmert hat. Ich kann mir schlechterdings auch nicht vorstellen, dass die Straftat vom 28. Mai 2010 ein Staatsgeheimnis war. Hat dort ein Schüler seine Hausaufgaben etwa nicht gemacht?
Wie schon gesagt: Schülertheater.
Angeblich suchen die Klitschkos bereits einen anderen Gegner – aber das ist ein neues Theaterstück.
© Uwe Betker
Povetkin der zaghafte Zar (1.)
Es ist noch gar nicht so lange her – und es gibt sogar noch einige, die sich daran erinnern können – da konnte man einen x-beliebigen Mann fragen, was er lieber sein möchte, Präsident des eigenen Landes oder Weltmeister im Schwergewicht, und man konnte sicher sein, er würde antworten: Weltmeister. Diese Zeiten sind vorbei.
Alexander Povetkin, der sich selber zum Zar ernannt hat, bzw. Zar als Kampfname wählte, scheint alles andere als von dem Wunsch beseelt zu sein, Weltmeister im Schwergewicht zu
werden. Vielmehr scheint er einen Kampf mit einem der Klitschko Brüder zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Denn wie ist sonst der mediale Eiertanz zu erklären, der schließlich dazu führte, dass Povetkin nicht gegen Wladimir Klitschko boxt.
Die Homepage des in Kursk (in der früheren Sowjetunion) geborenen Alexander Wladimirowitsch Powetkin bedient eher Klischees von dem wohlhabenden Russen: in dicken Pelz gehüllt, mit Wodkaflaschen vor sich, in engen die Muskeln betonendem Anzug und mit großer Sonnenbrille. Oder man sieht ihn, wie er Wladimir Putin die Hand schüttelt. Aber dem Klischee des mutigen Boxers, der nur von dem einen Wunsch angetrieben wird, nämlich dem, die Welt von seiner Klasse zu überzeugen, entspricht Povetkin nicht.
Der 31jährige Olympiasieger von Athen (2004) ist seit mehr als fünf Jahren Profi. Er ist in 19 Kämpfen unbesiegt. 14-mal gewann er durch KO. Er ist die Nr. 6 der unabhängigen Weltrangliste. Er ist bei der WBC auf Rang 15, bei der WBA auf 7, bei der WBO auf 9 bei der IBF auf 8. Da sollte man doch meinen, dass ein Mann in seiner Position vor Verlangen glühen würde, endlich um den WM-Titel boxen zu können – nicht so Povetkin.
Er war sogar die Nr. 1 der IBF, also Pflichtherausforderer, und sollte Wladimir Klitschko boxen. Wie das aber nun mal bei Pflichtherausforderungen so ist, bei denen sich die beiden Partner weder auf Veranstalter, Ort, Börse noch TV-Sender einigen können, wurde der Kampf versteigert. Das Management der Klitschkos gewann die Versteigerung und berief eine gemeinsame Pressekonferenz ein – soweit alles normal.
Dann aber begann es erst: Povetkin, der bei Teddy Atlas in den USA trainierte, erschien nicht zur Pressekonferenz (Grund: Nebenhöhlenentzündung), dabei ist die Teilnahme an Medienterminen und Pressekonferenzen Pflicht, weil sie ein Teil des bestehenden Vertrags sind. Die Folge war, der Verband IBF stufte Povetkin herunter und der Kampf war geplatzt. Während Sauerland Event noch mediale Schlachten schlug, etwas von rechtlicher Prüfung grummelte und Kalle Sauerland vorpreschen ließ mit Äußerungen wie: „Es kann nicht sein, dass, weil ich den Purse Bid gewinne, mir die Seele von Povetkin gehört“ und den offiziellen Kampfvertrag als „Sklavenvertrag“ bezeichnete, war Povetkins Trainer Teddy Atlas sehr viel offener. Als Co-Kommentator des un-amerikanischen TV-Senders ESPN plauderte er ganz offen aus: „Povetkin hätte jetzt schon gegen Klitschko geboxt, aber ich habe entschieden, dass so ein Kampf zur Zeit für Povetkin zu früh kommt. Er hat einfach noch nicht genug Ringerfahrung.“ Statt gegen Klitschko zu boxen, soll er noch 4-5 Aufbaukämpfe absolvieren.
Die Äußerungen von Atlas lassen Povetkins Management, Sauerland Event, ziemlich seltsam aussehen. Gleichzeitig wirft die Entschlossenheit, mit der Povetkin sein Ziel verfolgt, einen WM-Kampf zu bekommen, ein ganz neues Licht auf die Povetkin-Absage von vor zwei Jahren. Schon damals ließ er einen Kampf gegen Wladimir Klitschko platzen. Er hatte sich seinerzeit in den russischen Wäldern beim Laufen den Fuß verletzt.
© Uwe Betker