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Das Ende des Profiboxens in Deutschland
Wäre dies ein etwas altertümlicher Bericht über Politik, dann würde er wohl so anfangen: „Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautete…“. Es ist aber ein Bericht übers Profiboxen in Deutschland – also fängt er anders an:
Es kursiert das Gerücht, dass Sat.1 zum April nächsten Jahres die Zusammenarbeit mit Sauerland Promotion praktisch einstellen will. Es sollen dann nur noch drei bis vier Boxveranstaltungen, und zwar Weltmeisterschaften, übertragen werden. Wohl gemerkt, das ist nur ein Gerücht, aber es kommt doch „aus gut unterrichteten Kreisen“.
Angeblich hat die Entscheidung auch schon Folgen. Es heißt da etwa, dass wohl die Trainer in Zukunft nicht mehr von dem Berliner Veranstalter bezahlt werden, vielmehr sollen das die Boxer selber tun. Meinem Informanten zufolge, wurde diese Entscheidung einem Trainer von Sauerland bereits mitgeteilt. Offen ist noch, ob dies auch für Ulli Wegner gelten soll. Ich werde aber nicht müde zu wiederholen, dass es sich hier nur um ein Gerücht handelt.
Eine solche Entscheidung von Sat.1 würde praktisch der Anfang vom Ende des Profiboxens in Deutschland, so wie wir es heute kennen, darstellen. Unberührt bleibt davon aber die Frage, ob, in absehbarer Zeit, danach dann vielleicht etwas Neues – und auch Erwähnenswertes – entstehen wird und kann.
Versuchen wir doch einmal durchzuspielen, was passiert:
Sat.1 überträgt nur noch drei bis vier Veranstaltungen von Sauerland im Jahr. Überträgt der Sender dann zusätzlich weiterhin Kämpfe von Felix Sturm, der bis jetzt noch keine wahrnehmbaren Anstalten getroffen hat, sich von dem Vorwurf, ein Doper, und damit ein Betrüger, zu sein, rein zu waschen. Die Frage ist, ob der Sender aus Unterföhring bei München Adnan Ćatić noch weiter geschätzte 1,5 Millionen Euro (das ist natürlich auch nur ein Gerücht) für einen Kampf überweisen will, obwohl doch die Staatsanwaltschaft weiterhin ermittelt.
RTL überträgt seit geraumer Zeit nur noch Wladimir Klitschko und Marco Huck. Was aber passiert, wenn Klitschko den Kampf, der aktuell im Gespräch ist, gegen Anthony Joshua, nicht gewinnen kann oder sogar KO geht? – Beides durchaus realistische Szenarien. Können wir davon ausgehen, dass der 40-jährige Klitschko dann noch einmal von vorne anfängt? Oder geht die Ära Klitschko endgültig zu Ende? Und was wird dann RTL weiter machen? Wird der Sender aus Köln weiter die Kämpfe von Muamer Hukić zeigen? Oder zieht er sich dann ganz aus dem Boxen zurück?
Es bleiben da noch SES-Boxing und der Mitteldeutsche Rundfunk. Hier hört man (auch dies ist nur ein Gerücht), dass der MDR schon zum Teil unzufrieden mit der Qualität der Veranstaltungen ist. Und massive Unzufriedenheit soll auch der Grund für den faktischen Ausstieg von Sat.1 aus dem Boxen sein.
Für das Profiboxen in Deutschland hieße das, es blieben nur noch das Internet, ein öffentlich-rechtliches Regionalprogramm und Spartenkanäle. Das dürfte dann der Anfang vom Ende des Profiboxens, in der jetzigen Form jedenfalls, in Deutschland sein. Zwangsläufig wird das Profiboxen schrumpfen.
Sollten sich nun Vertreter des Amateurboxens – pardon, des Olympischen Boxens – die Hände reiben und sich darüber freuen, dass „ihre“ Boxer zukünftig nun nicht mehr von den „bösen“ Profis abgeworben werden, dann ist das ein wenig kurz gedacht. Gibt es nämlich kein Profiboxen mehr im Fernsehen zu sehen, dann werden auch immer weniger Jungen und Mädchen überhaupt den Weg zum Boxen finden. Und dann haben wir nicht nur eine Krise des Profiboxens, sondern auch des Amateurboxens.
© Uwe Betker
Teamchef Michael Timm
Wir erinnern uns noch alle an den Teamchef – den Teamchef Franz Beckenbauer. Beckenbauer, auch schon mal „Kaiser“ genannt, war von 1984 bis 1990 „Teamchef“ der deutschen Fußballnationalmannschaft, d.h. er war so etwas wie der Trainer. Trainer war er aber nicht, weil er keine entsprechenden Trainerscheine hatte. So wurde er eben nicht Trainer, sondern Teamchef.
Michael Timm ist neuer Trainer am Olympiastützpunkt Schwerin. Man könnte meinen, dass er damit Bundestrainer ist. Aber der DBV, der Deutscher Boxsport Verband e.V., möchte Timm nicht so nennen. Timm war in den letzten Jahren für Universum Boxpromotion tätig, also für Profis. Die fachlichen Qualitäten von Timm stehen außer Frage, aber hat er auch die notwendigen Qualifikationen. Hat er die DBV Trainerlizenz A, B und C? Hat er sie auch alle zwei Jahre erneuert? Ist er überhaupt Diplomtrainer? Soweit ich weiß, muss man als Bundestrainer und als leitender Stützpunkttrainer Diplomtrainer sein.
Um es deutlich zu sagen: Trainer Michael Timm kann eventuell der richtige Trainer sein, um dem schon notorisch erfolglosen deutschen Amateurboxen – pardon: olympischen Boxen – neue Impulse zu geben. Wohlgemerkt: eventuell. Was ist aber mit den ganzen Diplomtrainern, die sich die Mühe gemacht haben, den Anforderungen des DBV zu genügen? Diese Trainer, und darunter sind viele wirklich sehr gute, wurden beiseite geschoben zugunsten eines Profitrainers. Dabei grenzt sich der DBV immer noch vom Profiboxen ab.
Vermutlich hat das olympische Boxen in Deutschland mit Michael Timm keinen neuen Trainer, sondern eine Art Teamchef bekommen. Dabei ist dann aber noch die Frage offen, wer denn nun zum Team gehört. Franz Beckenbauer wurde 1990 Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. Das ist die Messlatte. Der Sportdirektor des Deutschen Boxsportverbandes, Michael Müller, den ich, um ihn nicht mit anderen Müllern zu verwechseln, DBV Müller nenne, formulierte das Ziel: Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Ist das nicht ein bisschen wenig?
Ich finde ja, wenn die deutsche Nationalstaffel nicht erheblich besser abschneidet als in London, dann müssen Timm, Müller und DBV Präsident Jürgen Kyas, für den angeblich die Delegierten des 51. DBV Kongress in Worms eine Ehrenerklärung abgaben (weshalb man ihm Ehrenerklärung-Kyas nennen sollte), zurücktreten bzw. entlassen werden. Eine Goldmedaille sollte in Rio Pflicht sein. Ansonsten fehlte der Verpflichtung von Timm und der Zurücksetzung so vieler guter Trainer jede Rechtfertigung.
Eine Goldmedaille ist Pflicht!
© Uwe Betker