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Rezension: „Believe“ von Nicola Adams
Die Buchhandlung „Foyles“ 107 Charing Cross Road, Soho, London, ist, meiner Meinung nach, einer der besten Orte der Welt. Da findet man zwei bis drei Regalbretter mit ausgewählten Boxbüchern. Auf der obersten Etage gibt es ein angenehmes Café, das wunderbare Scones mit Clotted Cream und einer leicht säuerlichen Marmelade bietet. M.a.W. ich fühle mich wohl an diesem Ort. Ob es nun aber dieses Wohlgefühl oder eher die Scones oder mein Faible fürs Frauenboxen oder der Aufkleber (Signed First Edition) war, der mich dazu verführte, das Buch zu kaufen, ist dabei schwer zu sagen. Jedenfalls habe ich nun dieses Buch.
Nicola Adams legt zusammen mit Jordan Paramor ihre Autobiographie vor. Sie schreibt über ihre Allergien als Kind, die Trennung ihre Eltern, das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen, ihre Liebe zu ihrer Mutter, ihre Liebe zum Boxen, ihre Liebe zu ihrer Freundin, ihre zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen und vieles mehr. Sie ist die erste Frau, die bei Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewann. Sie ist ein Darling der englischen Medien, mit Gastauftritten in TV-Shows und Serien.
Das Buch lässt sich sehr schnell und flüssig runter lesen. Trotzdem hat es mich leider überhaupt nicht gepackt. Ich habe einfach keinen Zugang zu ihm gefunden. Interessant fand ich lediglich die Stellen, an denen sie die Borniertheit und Ignoranz der Offiziellen des britischen Amateurboxverbandes beschreibt.
Vielleicht sollte ich die Wirkung von Cream Tea auf meine Kaufentscheidung von Boxbüchern mehr beobachten.
© Uwe Betker
Teamchef Michael Timm
Wir erinnern uns noch alle an den Teamchef – den Teamchef Franz Beckenbauer. Beckenbauer, auch schon mal „Kaiser“ genannt, war von 1984 bis 1990 „Teamchef“ der deutschen Fußballnationalmannschaft, d.h. er war so etwas wie der Trainer. Trainer war er aber nicht, weil er keine entsprechenden Trainerscheine hatte. So wurde er eben nicht Trainer, sondern Teamchef.
Michael Timm ist neuer Trainer am Olympiastützpunkt Schwerin. Man könnte meinen, dass er damit Bundestrainer ist. Aber der DBV, der Deutscher Boxsport Verband e.V., möchte Timm nicht so nennen. Timm war in den letzten Jahren für Universum Boxpromotion tätig, also für Profis. Die fachlichen Qualitäten von Timm stehen außer Frage, aber hat er auch die notwendigen Qualifikationen. Hat er die DBV Trainerlizenz A, B und C? Hat er sie auch alle zwei Jahre erneuert? Ist er überhaupt Diplomtrainer? Soweit ich weiß, muss man als Bundestrainer und als leitender Stützpunkttrainer Diplomtrainer sein.
Um es deutlich zu sagen: Trainer Michael Timm kann eventuell der richtige Trainer sein, um dem schon notorisch erfolglosen deutschen Amateurboxen – pardon: olympischen Boxen – neue Impulse zu geben. Wohlgemerkt: eventuell. Was ist aber mit den ganzen Diplomtrainern, die sich die Mühe gemacht haben, den Anforderungen des DBV zu genügen? Diese Trainer, und darunter sind viele wirklich sehr gute, wurden beiseite geschoben zugunsten eines Profitrainers. Dabei grenzt sich der DBV immer noch vom Profiboxen ab.
Vermutlich hat das olympische Boxen in Deutschland mit Michael Timm keinen neuen Trainer, sondern eine Art Teamchef bekommen. Dabei ist dann aber noch die Frage offen, wer denn nun zum Team gehört. Franz Beckenbauer wurde 1990 Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft. Das ist die Messlatte. Der Sportdirektor des Deutschen Boxsportverbandes, Michael Müller, den ich, um ihn nicht mit anderen Müllern zu verwechseln, DBV Müller nenne, formulierte das Ziel: Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Ist das nicht ein bisschen wenig?
Ich finde ja, wenn die deutsche Nationalstaffel nicht erheblich besser abschneidet als in London, dann müssen Timm, Müller und DBV Präsident Jürgen Kyas, für den angeblich die Delegierten des 51. DBV Kongress in Worms eine Ehrenerklärung abgaben (weshalb man ihm Ehrenerklärung-Kyas nennen sollte), zurücktreten bzw. entlassen werden. Eine Goldmedaille sollte in Rio Pflicht sein. Ansonsten fehlte der Verpflichtung von Timm und der Zurücksetzung so vieler guter Trainer jede Rechtfertigung.
Eine Goldmedaille ist Pflicht!
© Uwe Betker
Frauenboxen bei den Olympischen Spielen 2012 in London
Es ist schön zu sehen, dass das IOC, das Internationale Olympische Komitee (oder International Olympic Committee), dem Fortschritt und der Gleichberechtigung so zugetan sind. Die Herren des IOC, und es sind wohl vor allem ältere Herren, haben nur 108 Jahre gebraucht, sich dazu durchzuringen, Frauen auch bei den Olympischen Spielen mit boxen zu lassen. Bereits 1904 war Frauenboxen Demonstrationssportart.
Da die Verantwortlichen Neuerungen aber doch wohl nicht gleich so schnell und radikal durchführen können, schränkte man erst noch mal die Gewichtsklassen ein. Wieso sollte man auch der einen Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich den Frauen, genau so viele Gewichtsklassen zubilligen wie der anderen Hälfte, den Männern. Die Männer dürfen immerhin in 10 Gewichtsklassen starten, die Frauen, vielleicht damit die Funktionäre etwas besser und genauer hingucken können, nur in 3. Das könnte man auch als Diskriminierung ansehen.
Stichwort hingucken: Die Funktionäre der International Boxing Assocation (AIBA) wollten die Frauen zwingen, Miniröcke zu tragen. Diese Entscheidung der weisen älteren Herren kann natürlich alle möglichen Gründe haben – zum Beispiel die Sicherheit der Boxerinnen -, die sich Außenstehenden aber verschließen. Irgendwie jedenfalls waren die heren und edlen Ziele der AIBA wohl der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln. Auch das Argument, dass Athletinnen sich durch einen Rock „deutlicher von ihren männlichen Kollegen abheben“, war offenbar doch auch nicht ganz plausibel. – Da fragt man sich schon: Sollten die älteren Herren der AIBA tatsächlich vergessen haben, woran man Frauen und Männer unterscheidet? Jedenfalls ist es nun den Boxerinnen, wie hoffentlich auch den Funktionären der AIBA, freigestellt, ob sie Rock oder Hose tragen.
Für Deutschland startet keine einzige Boxerin.
© Uwe Betker
Auf der Suche nach der Hintertür (2.)
Teddy Atlas, Povetkins Trainer seit Mitte 2009, kündigte an, seinem neuen Zögling „einen neuen Stil zu verpassen“. Sichtbare Erfolge hat er damit bis jetzt aber noch nicht, jedenfalls sehe ich keine. Povetkins letzter Kampf ähnelte mehr einer Bankrotterklärung als einer boxerischen Offenbarung. Auf diesem Hintergrund macht es auch Sinn, dass Atlas den Kampf gegen Wladimir Klitschko verhindert hat.
Offensichtlich glaubt er nicht, dass Povetkin in absehbarer Zeit zur Weltspitze vordringen kann. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass er auch dessen Teilnahme am IBF Tunier verhinderte. Dem Sieger winkt, oder sollte man auf Povetkin bezogen lieber sagen, droht ein Kampf gegen Wladimir Klitschko. Das ist der, den der „zaghafte Zar“ und sein Trainer auf keinen Fall in absehbarer Zeit im Ring gegenüber stehen wollen.
Povetkin scheint zum einen zu spüren, dass er kein richtiger Schwergewichtsprofi ist und zum anderen scheint er auch nicht den Willen zu haben, sich im Ring zu beweisen. Er hat offenbar nicht den Ehrgeiz, sich und der Welt zu zeigen, dass er der beste Schwergewichtler ist. Vielmehr träumt er sich wohl in seine gute alte Zeit zurück, in der er das Maß aller Dinge im Amateurboxen war. Wie sonst ist zu erklären, dass der Olympiasieger von 2004 unlängst darüber sprach, noch einmal an den Olympischen Spielen teilnehmen zu wollen. So etwas nennt man wohl eine Flucht in die Vergangenheit.
Alexander Povetkin ist mittlerweile 31 Jahren alt und müsste eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Kraft und seines Könnens sein. Sein Veranstalter Sauerland Event möchte natürlich so schnell wie möglich eine WM-Kampf und einen WM-Titel. Sah nicht Kalle Sauerland stolz aus, als er den großen Coup landete und den von allen begehrten Povetkin für Sauerland Event unter Vertrag nahm? Es ist davon auszugehen, dass Povetkin ihn eine Stange Geld gekostet hat und auch noch heute kostet, und nun wird er langsam von dem Geld etwas zurück bekommen wollen.
Da lässt sich ein Boxer von einem Veranstalter gut bezahlen, um sich dann, bevor es anfängt weh zu tun, klammheimlich aus dem Staub zu machen. Nun hält sich mein Mitleid gegenüber dem Veranstalter in sehr engen Grenzen. Und wäre nur der Veranstalter von diesem Verhalten betroffen, so könnte man sich als Betrachter zurücklehnen, abwarten, beobachten und sich darüber amüsieren, dass es hier einmal ein Boxer geschafft hat, seinen Veranstalter über den Tisch zu ziehen. Aber da gibt es ja noch die Zuschauer, und die erwarten doch noch etwas mehr. Ich halte ein solches Verhalten gegenüber den Boxfans für ganz schlechten Stil. Zu viele Zuschauer haben Povetkin schließlich angefeuert und mitgefiebert, wenn er gekämpft hat. Hat Povetkin nicht große Reden geschwungen und angekündigt, Wladimir Klitschko entthronen zu wollen? Und es gab nicht wenige, die ihm geglaubt haben. Mit diesen Sprüchen ist er eine Verpflichtung gegenüber dem Zuschauer eingegangen, der er offensichtlich in keinster Weise nachzukommen gedenkt. Es sieht danach aus, als ob Povetkin irgendeinen Hinterausgang sucht, um sich zu drücken. Wie schon gesagt: Schlechter Stil!
© Uwe Betker
Notizen zu Timo Hoffmann
Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, lief die Sache damals doch so ab: Timo Hoffmann qualifizierte sich beim Chemiepokal für die Olympischen Spiele in Atlanta 1996, wurde dann aber in einem wohl extra für ihn einberufen Trainingslehrgang wieder aus dem Kader rausgeschmissen. – Mir kommt heute noch die Galle hoch, wenn ich daran denke. Seit dieser Zeit habe ich jedenfalls ein Faible für Timo Hoffmann.
Die „deutsche Eiche“ (48 Kämpfe, 39 Siege, 23 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO, 2 Unentschieden) gehörte nie zu den besten Schwergewichtlern der Welt, aber ich mochte ihn trotzdem immer. Er war nie der Typ Boxer, dem das Talent in die Wiege gelegt war. Er war immer limitiert, aber durch harte Arbeit und seine Physis konnte er doch eine lange Zeit relativ weit oben im Schwergewicht mitmischen. Eine Eigenschaft, die ihn immer schon auszeichnete, war: Er hat keine Angst, im Gegensatz zu einigen anderen Schwergewichtlern, die man so kennt.
Genau diese Furchtlosigkeit beunruhigt mich ein wenig. In seinem letzten Kampf gegen den ehemaligen Herausforderer im Cruisergewicht Alexander Petkovic erreichte er nur ein sehr schmeichelhaftes Unentschieden. Damit schaffte er es nicht, den WBO (!) Europameister Titel zu erringen. Zum einen freut es mich, dass es Hoffmann immer noch gelingt, Kämpfe und damit Börsen zu bekommen. Zum anderen frage ich mich aber schon, wie lange er noch in den Ring steigen will.
Hoffmann zeigte früher eine nicht schlechte Doppeldeckung und manchmal auch einen guten Jab. Seine rechte Gerade und seine Aufwärtshaken waren druckvoll, aber manchmal auch unpräzise. Ich hatte auch schon immer den Eindruck, dass seine Schläge zu langsam kommen. Seine Schlagkraft war nie die größte. Mit zunehmendem Alter sind nicht nur seine Schwächen stärker, sondern auch seine Stärken noch schwächer geworden.
Hoffmanns beste Zeit als Boxer ist vorbei. Offensichtlich baut er ab. Ich mache mir Sorgen um ihn.
© Uwe Betker