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Boxen in der Literatur: Ernest Hemingway (6) – Ein Boxkampf von Hemingway

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Ernest Hemingway war ein bekennender Boxfan. Der US-amerikanische Gigant der Weltliteratur kokettierte geradezu mit dem Boxerimage. Er praktizierte auch das Boxen. Berühmt sind Fotos von ihm in Afrika, auf denen zu sehen ist, wie er einen Sparringskampf macht. Belegt ist allerdings nur ein einziger Boxkampf und auf den kann er auch nicht gerade besonders stolz gewesen sein. Stattgefunden hat er im „American Club” in Paris im Juni 1929. Hemingways Gegner war Morley Callaghan, ein kanadischer Schriftsteller. Zuschauer und Zeitnehmer in einer Person war F. Scott Fitzgerald.
Zur Ausgangslage: F. Scott Fitzgerald war 1929 ein berühmter und sehr gut verdienender Schriftsteller. Er hatte 1925 „The Great Gatsby” veröffentlicht und pflegte einen verschwenderischen Lebensstil. Er war mit Hemingway befreundet, der auch schon seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte. Vorher hatte Fitzgerald ihn finanziell unterstützt und ihn mit Verlegern bekannt gemacht. Die Freundschaft der beiden war aber vor allem geprägt von Alkohol und Konkurrenz.
Morley Callaghan schrieb für den Toronto Daily Star. Er verbrachte 1929 einige Monate in Paris und gehörte auch zum Kreis der modernen Literaten des Montparnasse in Paris. Das war der Kreis, zu dem auch Hemingway, Fitzgerald, Ezra Pound, Gertrude Stein und James Joyce zählten.
Hemingway und Fitzgerald aßen im Restaurant Prunier. Ihre Freundschaft neigte sich dem Ende zu. Hemingway ging Fitzgerald aus dem Weg, weil dieser ihm zu viel trank. Hemingway hatte an diesem Abend einen Hummer Thermidor und ein paar Flaschen Weißen Burgunder verzehrt.
Hemingway bildete sich immer etwas auf seine boxerischen Fähigkeiten ein. In Wirklichkeit war er aber eher ungeschickt und boxerisch auch nicht ausgebildet. Callaghan dagegen hatte bereits in Kanada jahrelang trainiert. Mit Hemingway hatte er bis dahin dreimal leichtes Sparring gemacht, bei dem sich Hemingway schon mehrfach eine blutige Lippe zugezogen hatte.
An diesem Abend nun wollte Hemingway seinem Freund einmal zeigen, was für ein guter Boxer er ist. Fitzgerald hatte ihn bis dahin nie boxen sehen. In den ersten der drei Minuten war ein normales leichtes Sparring zu sehen. In der zweiten Runde erhöhte Hemingway den Druck und veränderte den Charakter des Kampfes. Hemingway wollte einen richtigen Kampf – und den bekam er dann auch. Callaghan knockte Hemingway aus. Fitzgerald schrie: „Oh mein Gott. Ich ließ die Runde vier Minuten gehen!” Hemingway war wütend. Er sagte seinem Freund: „Wenn du mich sehen möchtest, wie die Scheiße aus mir herausgeprügelt wird, sag es einfach. Sage aber nicht, dass du einen Fehler gemacht hast.“
Nach dem Kampf war alles anders. Die Freundschaft zwischen Hemingway und Fitzgerald war zerbrochen. Morley Callaghan ging zurück nach Kanada, wo er weiter als Schriftsteller arbeitete. Er witzelte später – nicht ohne Bitterkeit -, er sei bekannter für seinen Boxkampf gegen Hemingway als für die Bücher, die er geschrieben hätte.
© Uwe Betker

Boxen in der Literatur: „Das Phantom des Alexander Wolf“ von Gaito Gasdanow

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Im Herbst 2012 gab es eine kleine literarische Sensation. „Das Phantom des Alexander Wolf“ von Gaito Gasdanow (06.12.1903-05.12.1971) erschien erstmalig auf deutsch. Das Buch war bereits 1947/48 erschienen. Sowohl der Autor als auch sein Werk waren in Vergessenheit geraten. Gasdanow gilt mittlerweile wieder als einer der wichtigsten russischen Exilautoren des frühen 20. Jahrhunderts. Er wird mit Vladimir Nabokov und Albert Camus verglichen.
Das Phantom des Alexander Wolf beginnt damit, dass der 16-jährige Ich-Erzähler während des russischen Bürgerkriegs auf einen Reiter trifft, der sein Pferd erschießt. Er zieht seine Pistole und feuert auf den Reiter. Er nimmt das Pferd des vermeintlich Sterbenden und flüchtet. Jahre später findet er in Paris (Hauptstadt der russischen Emigration) eine englischsprachige Erzählung, in der detailgetreu der Vorfall mit dem Reiter erzählt wird. Danach versucht er den Schriftsteller/das Phantom dieser Erzählung ausfindig zu machen. Es gibt noch eine Liebschaft, eine „Amour fou“ zu Jelena und am Ende findet der Ich-Erzähler das Phantom. Mehr sei hier nicht verraten. Gasdanov erzählt eine Geschichte von Tod, Liebe, Schuld und vom Boxen.
Der Ich-Erzähler ist Journalist. Er liebt Kunst und Kultur, Frauen und Sport. Er berichtet über eine Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht im Palais de Sport in Paris, bei der der Amerikaner Fred Johnson und der Franzosen Émile Dubois gegeneinander kämpfen. Der Kampf, den Gasdanow da beschreibt, fand nie statt. Mir fällt auch kein Vorbild für diese Kampfbeschreibung ein. Aber wie der Autor ihn beschreibt, vor allem wie er die Boxer charakterisiert, zeigt, dass da jemand etwas vom Boxen versteht.
Die Stärke des Werks von Gaito Gasdanow ist seine Sprache. Gasdanow hat eine sehr klare und transparente Sprache, die in langen, mäandernden Sätzen vermeintlich vom Thema abstreift, aber dann doch unbemerkt zum Zentrum führen. Geschildert wird ein Leben/Lebensgefühl, das geprägt ist von Krieg. Die Protagonisten sind vom Krieg deformiert. Gleichwohl entfaltet sich eine Geschichte voller Schönheit und eine Geschichte, in der ein Boxkampf eine zentrale Rolle spielt.
(C) Uwe Betker