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Großartiges Boxen in Fürth
Fürth war bis jetzt noch nicht verzeichnet auf meiner persönlichen Deutschlandkarte des Profiboxens. Aber mit der Veranstaltung, die am Samstag, dem 26. März 2016, in der Stadthalle Fürth stattfand, hat sich dies geändert. Geboten wurde hier Profiboxen, Kickboxen und Muaythaiboxen – insgesamt neun Kämpfe. Einer, der zweite Hauptkampf des Abends, war denn auch die WKU Muaythai-EM im Halbschwergewicht zwischen Eugen Main und Andrej Simkulic. Der Nürnberger Main verlor, weil er sich einen 10 bis 15 Zentimeter langen, stark blutenden Cut auf der Stirn zugezogen hatte. Die drei Runden waren, sofern ich das überhaupt beurteilen kann, bis dahin wirklich gut gewesen.
Die ersten beiden Profiboxkämpfe des Abends bestritten die Debütanten und Brüder Martén und Sascha Arsumanjan. Sehr bemerkenswert war dabei die Auswahl der Gegner aus der Tschechei, die beide auf Boxrec einen Stern haben. Das waren schon wirklich sehr mutige Ansetzungen.
Im ersten dieser beiden Boxkämpfe maßen Robert Blazo (44 Kämpfe, 13 Siege, 5 durch KO, 29 Niederlagen, 8 durch KO, 2 Unentschieden) und Martén Arsumanjan im Super Mittelgewicht ihre Kräfte. Der Debütant Arsumanjan machte seine Sache sehr gut. Er boxte mit einer lässig hängenden Führhand, zeigte eine gute Beinarbeit und wechselte immer wieder für kurze Zeit die Auslage. Blazo boxte meist hinter einer ziemlich kompakten Doppeldeckung. Er war offensichtlich nicht nach Fürth gekommen, um sich kampflos geschlagen zu geben. Am Ende der ersten Runde stellte er Arsumanjan an den Seilen und deckte ihn mit Schlägen ein, die jedoch meist nur die Deckung trafen. In der unmittelbar darauf folgenden Szene stellte Arsumanjan Blazo an den gegenüberliegenden Seilen und deckte ihn seinerseits ein, wobei er zumeist zum Kopf ging und auch häufiger traf als sein Gegner. In den folgenden Runden steigerten sich Härte und Tempo des Kampfes immer mehr. Arsumanjans Physis war beeindruckend. Er kämpfte systematisch seinen Gegner nieder. In der vierten und letzten Runde wollte er den KO und der erfahrene Blazo hatte seine liebe Not den Schlussgong zu erreichen. Am Ende des beeindruckenden Profidebüts stand ein eindeutiger Punktsieg für Martén Arsumanjan.
Im Halbschwergewicht gab dann Sascha Arsumanjan gegen Josef Obeslo (37 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO, 28 Niederlagen. 3 durch KO) sein Debüt als Preisboxer. Die erste Runde verlief seltsam. Bis kurz vor Schluss war es ein Duell der Führhände, wobei Obeslo immer wieder mit seinem Jab an der rechten Führhand seines Gegeners vorbei kam und punktete. Am Ende der Runde stellte Arsumanjan Obeslo in einer neutralen Ecke und deckte ihn mit Kombinationen ein. Obeslo hatte seine Schwierigkeiten. Jedoch kämpfte er sich aus der Ecke heraus. Die zweite Runde begann Arsumanjan in der Normalauslage, wurde immer stärker und kam immer wieder mit Einzelschlägen und mit Kombinationen durch. Er bekam den Kampf in den Griff. In der dritten Runde suchte Arsumanjan den KO. Obeslo, seinerseits versuchte über die Zeit zu kommen. Das führte dann zu vielen harten und zum Teil auch unfairen Schlagabtäuschen, bei denen der eine immer wieder auf den Hinterkopf schlug und der andere zu tief abduckte und versuchte, mit dem Ellenbogen zu schlagen. Die vierte und letzte Runde wurde dann noch härter und verbissener geführt. Obeslo hielt nun noch mehr gegen und hatte durchaus seine Momente, in denen seine Schläge auch ihr Ziel fanden. Dann ließ eine rechte und linke Gerade zum Kopf Obeslo rückwärts quer durch den Ring taumeln, bis die Seile ihn aufhielten. Für der Rest der Zeit standen beide Kontrahenten Fuß an Fuß und schlugen aufeinander ein. Am Ende des beeindruckenden Profidebüts stand ein eindeutiger Punktsieg für Sascha Arsumanjan.
Es folgte der erste und einzige Frauenboxkampf des Abends. Özlem Sahin (22 Kämpfe, 20 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) traf auf Elke Beinwachs (14 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 9 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden), m. a. W. es standen sich hier die zwei besten Minimumgewichtlerinnen im deutschen Sprachraum gegenüber. Von der ersten Runde an machte die Exweltmeisterin Sahin Druck und Beinwachs versuchte nur, dem auszuweichen. Immer wieder kam Sahin mit rechten Kopfhaken durch. Zu Beginn der zweiten Runde trug Beinwachs Sahin den Kampf an, den diese auch annahm. Nach zirka 30 Sekunden hatte Sahin jedoch das Heft wieder in der Hand und gab es dann auch nicht mehr ab. Zum Ende der Runde schien Beinwachs durch einige Treffer beeindruckt. In den folgenden vier Runden bestimmte Sahin das Tempo nach Belieben. Immer wieder variierte sie es, wie sie wollte. Sie kam auch immer wieder und immer häufiger mit Schlägen durch. Es gab wirklich schöne Schlagabtäusche, bei denen Sahin jeweils die Oberhand behielt. Zum Ende des Kampfes wurde die Linke ihre effektivste Waffe. In der letzten Minute der letzten Runde suchte Sahin dann noch den KO Erfolg. Sie zwang Beinwachs immer wieder Schlagabtäusche auf. Und kurz vor dem Gong sah es auch so aus, als würde Beinwachs wackeln. Am Ende des wirklich guten Gefechtes stand dann schließlich als Punktsiegerin Özlem Sahin.
Den ursprünglich auf acht Runden angesetzten Hauptkampf des Abends bestritten im Mittelgewicht Wanik Awdijan (15 Kämpfe, 14 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) und Patryk Litkiewicz (27 Kämpfe, 18 Siege, 11 durch KO, 9 Niederlagen, 2 durch KO). Der erst 20-jährige Awdijan war vor dem Kampf die Nummer 6 in Deutschland und die Nummer 139 in der Welt. Sein polnischer Gegner hatte beim Wiegen am Vortag fast fünf Kilo zu viel auf die Waage gebracht und beim Nachwiegen vor dem Kampf war er nur unwesentlich leichter. Daher wurde der Kampf auf sechs Runden reduziert.
Awdijan wollte den Kampf von der ersten Sekunde an so schnell wie möglich beenden, ohne jedoch zu überhasten. Nach dem erstem Gong schlug er gleich eine linke Gerade zum Kopf und eine rechte Gerade zum Körper. Die Rechte kam durch und schon war es allen aufmerksamen Beobachtern klar, dass Litkiewicz am Körper empfindlich ist. Awdijan zeigte einen explosiven und präzisen Jab, schlug dann einen rechten Kopfhaken oder zum Körper. Awdijan arbeitete systematisch und in Ruhe daran, Litkiewicz KO zu schlagen. Anfangs der zweiten Runde kam er dann auch mit einem brutalen rechten Haken zum Kopf durch und fällte seinen Gegner. Zwar kam der wieder hoch und wollte sich zum Kampf stellen, aber der sehr gut und unauffällig agierende österreichische Ringrichter Ernst Salzgeber winkte den Kampf ab, weil Litkiewicz noch wackelte. Sieger durch TKO in Runde 2 nach 24 Sekunden: Wanik Awdijan.
Zirka 1.200 Zuschauer waren in der Stadthalle Fürth Zeuge einer wirklich guten Veranstaltung, bei der alle vier Profiboxkämpfe bemerkenswert gut und sehenswert waren. Die debütierenden Brüder Martén und Sascha Arsumanjan zeigten erstaunliche Leistung gegen starke Gegner. Mindestens einer von beiden, wird, sofern man das jetzt schon beurteilen kann, seinen Weg machen. Özlem Sahin zeigte, dass sie wieder da ist und auf dem Weg zu einer WM. Mit Wanik Awdijan ist zu rechnen. Auch er dürfte bald um einen Titel boxen. Der Veranstalter Bernard Caplin hat mit seinem „The Champions Club Germany“ eine Marke kreiert. Für mich ist die Metropolregion Nürnberg/Fürth dick und rot auf meiner persönlichen Deutschlandkarte des Profiboxens eingezeichnet.
© Uwe Betker
Andy Bowen vs. Jack Burke – Der längste Boxkampf aller Zeiten
Am 06. April 1893 fand im „Olympic Club“ von New Orleans der längste Boxkampf aller Zeiten statt. Der Kampf ging über sage und schreibe 110 (!) Runden und er dauerte über sieben Stunden. Es standen sich Andy Bowen und Jack Burke dabei gegenüber, die ihre Kräfte miteinander maßen. Es ging um die „Meisterschaft des Südens“ im Leichtgewicht. Das Preisgeld für den Sieger betrug 2.500 Dollar. Dass an diesem Tag allerdings Geschichte geschrieben werden sollte, konnte vorher keiner wissen.
Nur wenige Jahre vorher war das Preisboxen in den gesamten Vereinigten Staaten noch verboten gewesen. Erst 1890 wurde es im Bundesstaat Louisiana wieder erlaubt. New Orleans entwickelte sich zu einer der Box-Metropolen der USA. Man hielt sich zwar an die „Queensberry“-Regeln, aber das Boxen jener Zeit, war erheblich härter als heute. Viele Männer wurden damals Preisboxer, weil das für sie einfach eine Möglichkeit war, ihre prekären Lebensumstände zu verbessern. Und für diese Chance waren diese Männer damals bereit, alles zu geben. Sie waren sogar bereit, ihr Leben dafür zu geben, denn viele starben tatsächlich erheblich früher.
Die „Queensberry“-Regeln sind in den 1880er Jahren eingeführt worden und hatten sich 1893 durchgesetzt. Damit waren viele Standards, die wir heute kennen, ins Regelwerk aufgenommen: das Tragen von Boxhandschuhen, eine Rundendauer von drei Minuten, Pausen von einer Minute und das Anzählen bei Niederschlägen bis zehn. Die Rundenzahl war aber, wenn nicht anders vereinbart, noch nicht begrenzt und der Kampf war erst dann zu Ende, wenn ein eindeutiger Sieger feststand. Wie schon gesagt: Preisboxen war damals härter als heute.
Andy Bowen wurde am 05.02.1864 in New Orleans geboren. Er war 165cm groß und wirkte stämmig. Er war hart und zäh. Er konnte austeilen und er konnte nehmen. Er vertraute, zu Recht, mehr seiner Ausdauer und seiner Kraft als seinem doch überschaubaren boxerischen Können. Er arbeitete als Schmied und auf Baumwollfeldern. Seinen Kampfrekord kann man, wie bei allen seinen Zeitgenossen, nur näherungsweise rekonstruieren. Verbürgt sind jedenfalls 26 Kämpfe (15 Siege, 7 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO, 5 Unentschieden).
Er hatte es schwer sich in New Orleans als „Heimboxer“ zu etablieren, denn er hatte einen duklen Teint. Er wehrt sich zeitlebens gegen die Kategorie „Farbiger“. Er behauptet von sich spanische Vorfahren gehabt zu haben. Obwohl einige Zeitungen über ihn als Farbigen berichteten schaffte er es, vom Publikum angenommen zu werden.
An dem besagten Tag, am Donnerstag, dem 06. April 1893, stieg Andy Bowen als Favorit in den Ring. Er war der erfahrenere Boxer und er war der Heimboxer. Er hatte 1890 sogar einen Kampf bestritten, der als Weltmeisterschaft im Leichtgewicht promoted worden war. Dabei unterlag er Jimmy Caroll durch KO in Runden 21. Bowen war vorher schon mehrmals im „Olympic Club“ in New Orleans aufgetreten. 8.500 Zuschauer wollten den Kampf um die „Meisterschaft des Südens“ im Leichtgewicht sehen. Bowen wog 129 und Burke 130 Pfund, also 58,51 bzw. 58,96 Kg.
Bowen traf auf den erst 18-jährigen Jack Burke. Burke wurde am 01.01.1869 in Chicago, Illinois, geboren. Weil er in Galveston, Texas, lebte, vermarktete er sich als „Texas“ Jack Burke und das ermöglichte es den Veranstaltern, diesen Kampf als „Meisterschaft des Südens“ zu bewerben. – Schon damals verwendeten Promoter, wie man sieht, windige Titel, um das Publikum zu ziehen. – Burke hatte bis dahin siebenmal geboxt. Fünfmal hatte er gewonnen, einmal durch KO verloren und einmal hatte er ein Unentschieden erreicht. Einmal, bei einem Sieg, hatte er 43 Runden geboxt.
Der Kampf begann um 21 Uhr. Beide Kontrahenten gingen ein hohes Tempo. Offensichtlich waren beide bemüht, ein schnelles und vorzeitiges Ende des Kampfes herbeizuführen. – Dazu kam es aber nicht. In diesem Kampf gab es keinen Niederschlag, ein Novum in dieser Zeit. Stunde um Stunde prügelten Bowen und Burke aufeinander ein. Keiner wollte aufgeben.
In der 50. Runde wurden die beiden Boxer sichtlich langsamer. In der 51. Runde fragte Bowen Burke, warum er nicht mehr so hart zurückschlüge. Burke antwortete: “I can’t both my hands are gone.“ Burke hatte sich an beiden Händen Fingerknöchel gebrochen. Aber er kämpfte weiter.
Je länger der Kampf dauerte, umso müder wurden die Akteure und die Zuschauer. Die Zuschauer, die blieben, führten ihren Kampf – gegen den Schlaf. Ein Kollege von der Lokalzeitung „Daily Picayune“ gab auf: „Die 89. Runde ist soeben eingeläutet worden und über Bowen wird gesagt, er hätte sich ein Handgelenk gebrochen. Angesichts der Länge des Kampfes und der Uhrzeit halte ich es nicht für ratsam, noch weiter über den Fight zu berichten oder auf das Ende zu warten.“ Bowen boxte trotz seines gebrochenen Handgelenks weiter.
Irgendwann konnten auch Andy Bowen und Jack Burke nicht mehr. Keinem von ihnen gelang es mehr, als der Gong zur 111. Runde ertönte, aus seiner Ecke aufzustehen und sich wieder zum Kampf zu stellen. Der Ringrichter John Duffy brach den epischen Kampf ab und er klärte ihn zu einem „no contest“. Es war 04:43 Uhr morgens. 7 Stunden und 19 Minuten hatten sie gekämpft.
Einen Monat später schon, am 31. Mai 1893, stieg Andy Bowen erneut in den Ring. Er boxte gegen Jack Everhardt. Um die siebzehnte Runde herum brach er sich die linke Hand. Er boxte mit einer Hand weiter. Der Kampf dauerte 85 Runden, also über vier Stunden. Er gewann. Es folgten 1884 zwei Unentschieden.
Am 14.12.1894 folgte eine Niederlage gegen Kid Lavigne, “The Saginaw Kid”. Er boxte erneut im Auditorium Club, New Orleans. In der 18. Runde wurde er niedergeschlagen und ging zu Boden. Dabei schlug sein Kopf auf dem Boden auf und wachte nicht mehr auf. Er zog sich einen Schädelbruch zu. Einen Tag später starb Andy Bowen im Krankenhaus. – Andy Bowen ist einer der ganz Großen.
George (Kid) Lavigne, oder besser George Henry Lavigne, geboren am 06.12.1869, gestorben am 09.03.1928, boxte bis 1909 weiter. Sein vermutlicher Rekord: 58 Kämpfe, 37 Siege, 21 durch KO, 9 Niederlagen, 4 durch KO, 11 Unentschieden. Er war vom 01.06.1896 bis zum 03.07.1899 Weltmeister im Leichtgewicht. Mehr an Informationen fand ich nicht.
Über Jack Burke wissen wir nur unwesentlich mehr. Es ist nicht zweifelfrei bewiesen, ob er nach seiner epischen Ringschlacht jemals wieder in den Ring stieg. Eine sehr seriöse us-amerikanische boxhistorische Internetseite geht davon aus, dass er noch sechs Mal in Ring stieg. Andere Darstellungen widersprechen. Aus romantischen Gründen hoffe ich, dass er nie wieder geboxt hat. Sicher ist, dass er zuletzt in Plainfield, New Jersey lebte und dort im April 1942 an den Folgen eines Autounfalls im Mublenberg Hospital verstarb. In seiner Heimatstadt war allgemein bekannt, dass er einen 110-Runden-Kampf bestritten hatte.
© Uwe Betker