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Ein Plädoyer für Mindeststandards von Boxverbänden
Die Glaubwürdigkeit des deutschen Profiboxens nimmt rasant ab. Mal werden positive Dopingergebnisse gar nicht gemeldet, mal werden überführte Doper nur so lange gesperrt, dass es einem unaufmerksamen Zuschauer gar nicht erst auffällt und dann werden Ergebnisse von Punktrichterentscheidungen ein paar Monate später mal eben einfach geändert. Manchmal habe ich das Gefühl, jeden Monat gibt es einen neuen Skandal und alle werden ausgesessen und es ändert sich nichts. Lediglich die Glaubwürdigkeit nimmt immer weiter ab.
Da Profiboxverbände keiner staatlichen und kaum einer publizistischen Kontrolle unterliegen, können sie im Prinzip schalten und walten wie sie möchten. Werden sie mal verklagt, vertrauen sie darauf, dass die Richter sich der Tragweite der Ungeheuerlichkeiten, die da passieren, überhaupt gar nicht bewusst werden, nicht verstehen können oder wollen. Juristisch sind die ganzen Skandale kaum aufzuarbeiten. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Verbände eingetragene Vereine sind. Das nämlich erlaubt es den Verbänden, sich zu verhalten, wie sie es eben tun. Und der deutsche Staat ist nun mal leider nicht willens, die Sportverbände zu kontrollieren. So haben wir denn dieses immer größer werdende Problem des Glaubwürdigkeitsschwundes.
Dabei gäbe es ein simples Mittel, dem entgegenzutreten und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Die Boxverbände müssten nur einfache Mindeststandards einhalten. Sicher, es ist geradezu peinlich, Mindeststandards einzufordern, denn die müssten doch wohl selbstverständlich sein. Sind sie aber nicht. Die nachfolgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber wären diese Mindeststandards eingehalten worden, wäre die Glaubwürdigkeit des Profiboxens nicht so massiv ramponiert worden.
– Der Verband hält sich an die eigenen Regeln.
– Der Verband hält sich an die internationalen Regeln.
– Der Verband sieht sich als Vertreter aller Mitglieder, unabhängig davon wie viel Geld sie für den Verband generieren.
– Der Verband vertritt im gleichermaße die Interessen ausländischer Boxer.
– Der Verband sieht sich nicht als Interessensvertreter oder als Exekutive einzelner nationaler Veranstalter.
– Alle Vertreter und Offiziellen sind frei von finanziellen Interessen, die mit dem Boxsport zu tun haben. Das heißt, wer als Veranstalter, Matchmaker, Manager, Trainer, Securityanbieter oder sonst wie als Dienstleister im Bereich Profiboxen tätig ist, darf keine offizielle Position im Verband innehaben.
– Die Titelsituation wird transparent gemacht. Der Verband veröffentlicht für jeden einsehbar, welcher nationale Titel von wem gehalten wird und welche Titel vakant sind.
– Zu jedem Kampf wird die Punktwertung transparent gemacht. Bei jedem Punkturteil wird die Punktwertung verkündet. Es wird transparent gemacht, welcher Punktrichter wie gewertet hat und das wird dann auch bei boxrec eingetragen.
– Tatsachenentscheidungen von Kampfgerichten werden prinzipiell nicht geändert.
– Werden Punkturteile geändert, werden die Gründe transparent gemacht und öffentlich genannt. Alle Beteiligten (Boxer, Trainer, Manager, nationale und internationale Verbände und auch die Öffentlichkeit) werden über die Änderung eines Urteils und deren Gründe informiert.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter werden nicht mehr eingesetzt. Wenn ein Punkt- oder Ringrichter den Beweis erbracht hat, dass er unfähig, unwillig oder indisponiert ist, wird er gesperrt, damit er genug Zeit für Nachschulungen hat. Die Sperre wird öffentlich gemacht.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter werden auch dann gesperrt, wenn sie angeblich psychisch labil sind und mit Selbstmord drohen.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter, die nach einer Sperre ihr Handwerk immer noch nicht beherrschen, werden von allen offiziellen Funktionen im nationalen Verband sowie internationalen Verbänden ausgeschlossen.
– Kämpfe von Boxerinnen und Boxern, die von anderen nationalen und internationalen Verbänden gesperrt sind, dürfen nicht sanktioniert werden.
– Doping wird bestraft. Doping muss bestraft werden, und die Strafe muss für den Doper, der nichts anderes als ein Betrüger ist, spürbar und empfindlich sein.
– Doping wird veröffentlicht. Jedes Doping wird transparent gemacht. Jede Dopingstrafe veröffentlicht (Suspension List).
– Doping wird kontrolliert, und zwar nicht nur nach Titelkämpfen. Will man ernsthaft gegen das Doping vorgehen, so muss es auch unangemeldete Kontrollen gegen.
Wie schon gesagt, dies sind einfache Mindeststandards und man sollte eigentlich erwarten können, dass die Boxverbände sie auch einhalten. Wenn mich nicht die Realität im Profiboxen eines Besseren belehrt hätte, würde ich mich nicht der Peinlichkeit aussetzten, solche Selbstverständlichkeiten hier noch aufzuschreiben. Aber diese Selbstverständlichen sind eben nicht selbstverständlich. Daher ist es auch notwendig, Mindeststandards einzufordern.
(C) Uwe Betker
Istvan Szili boxt um die EU Meisterschaft in Italien
Istvan Szili (18 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 1 Unentschieden) boxt am 02. Mai in Gatteo in Italien um den vakanten EU Titel der EBU im Mittelgewicht, das ist sozusagen der kleine Bruder des Europameistertitels der European Boxing Union. Sein Gegner ist Matteo Signani (26 Kämpfe, 20 Siege, 6 durch KO, 4 Niederlagen 1 durch KO, 2 Unentschieden).
Das Szili überhaupt nach Italien reisen muss, um zu boxen, ist zum großen Teil dem BDB geschuldet. In seinem letzten Kampf, am 23.08.2013, boxte er gegen Goekalp Özekler. Dieser Kampf bekam von mir die Ehrung „Fehlentscheidung des Jahres“ in meiner „ultimativ subjektiven Liste 2013“. Diese Punktrichterentscheidungen war eine jener Entscheidungen, die ich dafür verantwortlich mache, dass der Ruf des Profiboxens in Deutschland so schlecht ist. Die beiden Vereinsmitglieder und Punktrichter Frank Michael Maass (114:114) und Holger Wiemann (113:115) vom Bund Deutscher Berufsboxer e.V. retteten für Özekler ein Unentschieden. Auch der Hamburger Veranstalter EC Boxpromotion tat seinen Teil. Erol Ceylan, ganz im Stile der großen Promoter in Deutschland, hatte nicht den Mut, Szili einen Rückkampf anzubieten.
Szili ist nun gezwungen, nach Italien zu fahren, um dort zu boxen, was nicht ohne Risiko ist. Auch Italien hat nämlich den Ruf, dass es dort sehr schwer ist zu gewinnen. Immerhin, für die Möglichkeit eines Punktsiegs von Szili spricht, dass kein Punktrichter aus Italien kommt und auch der BDB keinen der seinen hinschickt. Die Punktrichter sind: Jean-Francois Toupin (Frankreich), Beat Hausammann (Schweiz) und Zvonko Rukavina (Kroatien). Der Ringrichter ist Christophe Fernandez (Frankreich).
Man kann dem in Ungarn geborenen und in der Schweiz lebenden Istvan Szili nur wünschen, dass er den Kampf gewinnt. Er ist einer der besten Mittelgewichtler der Welt, dem ich es auch zutraue, innerhalb kurzer Zeit um eine WM boxen und vor allem auch gewinnen zu können. Umso unverständlicher ist es mir, dass die großen hiesigen Veranstalter ihn nicht unter Vertrag nehmen. Warum nun aber die meisten deutschen Veranstalter in den letzten Jahren konsequent auf die falschen Boxer gesetzt haben und die wenigen wirklich guten Boxer dann auch noch falsch aufgebaut haben, das ist eine andere Frage.
Viel Glück Istvan Szili!
© Uwe Betker