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Die ultimativ subjektive Liste 2017

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Boxer des Jahres
Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) stieg am 29.04.2017 im Wembley Stadion in London zum letzten Mal in den Ring. Er verlor gegen Anthony Joshua. Es hätte vermutlich keiner vorher ernsthaft erwartet, dass Klitschko im Herbst seiner Karriere noch einmal zu einer solchen Leistung fähig wäre.

Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Alexander Mengis und Eduard Gutknecht zahlen einen hohen Preis für ihre Liebe zum Boxen.

Boxerin des Jahres
2017 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.

KO des Jahres
Im Viertelfinale der World Boxing Super Series, im Turnier im Cruisergewicht, knockte der Kubaner Yunier Dorticos (22 Kämpfe, 22 Siege, 21 durch KO) den Russen Dmitry Kudryashov (23 Kämpfe, 21 Siege, 21 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) in der zweiten Runde durch eine perfekte Rechte zur Schläfe aus.

Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben und bei denen Boxer um den Sieg betrogen wurden.

Rookie des Jahres
Sherif Morina (6 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO) ist seit eineinhalb Jahren Profi. Er boxt im Weltergewicht und boxt mit hohem Risiko, sowohl was seinen Kampfstil als auch was die Auswahl seiner Gegner anbelangt.

Überschätzter Boxer des Jahres
Christian Hammer (27 Kämpfe, 22 Siege, 12 durch KO, 5 Niederlagen, 2 durch KO) alias Cristian Ciocan boxte am 15. Dezember 2017 um den WBO International Titel im Schwergewicht gegen Alexander Povetkin (34 Kämpfe, 33 Siege, 23 durch KO, 1 Niederlage). Auf meinem Punktzettel gewann er keine Runde.

Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.

Punktrichter des Jahres
Urs Schneider (BDB), ein Punktrichter der in seiner ganzen Karriere noch kein einziges Fehlurteil gefällt hat: Hinzu kommt ein vorbildlicher Auftritt als Supervisor.

Ringrichter des Jahres
Jens-Uwe Baum (GBA) agiert unauffällig und unaufgeregt, auch wenn es im Ring hektisch wird.

Absteiger des Jahres (männlich)
Der am 22.12.2014 verstorbene Erfolgstrainer Fritz Sdunek war so etwas wie der Säulenheilige des deutschen Boxens. Eine Reportage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigte, dass er wohl doch so heilig nicht war.

Absteiger des Jahres (weiblich)
Gab es sie?

Aussteiger des Jahres
Der Wuppertaler Schwergewichtler und Kultboxer Werner Kreiskott (46 Kämpfe, 25 Siege, 17 durch KO, 19 Niederlagen, 8 durch KO, 2 Unentschieden) machte im Oktober seinen letzten Kampf. Er war ein Boxer, der seine Kämpfe gewann, der aber auch verlor und beides machte er mit Würde. Viele werden ihn im Ring vermissen. Alle aber sind, wie ich, froh, dass er den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt gewählt hat.

Veranstalter des Jahres
Die 15-jährige Ranee Schröder dürfte wahrscheinlich immer noch die jüngste Promoterin der Welt sein. Sie war Veranstalterin des WBF WM-Kampfes im Cruisergewicht zwischen Serdar Sahin und Javier Sanabria auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“ am 18. November 2017 in der Messe Essen.

Veranstaltung des Jahres
Die GBA ging am 18. November 2017 neue Wege, um Werbung für das Profiboxen in Deutschland zu machen: Sie veranstaltete selber eine Profiboxveranstaltung, und zwar in der Messehalle Halle 7 der Messe Essen. Auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“, einer Verbrauchermesse, gab es Profiboxen zu sehen und die Zuschauer waren die Messebesucher, die vorbei kamen.

Boxevent des Jahres
Da findet eine Schwergewichtsweltmeisterschaft in Deutschland statt und die Halle ist nicht ausverkauft. Da wird jemand, der seit ewiger Zeit in Deutschland lebt, Weltmeister im Schwergewicht und ein Teil der Presse fragt nach seinem Pass. In der Arena Oberhausen fand am 15.11.2017 eines der seltsamsten Boxevents aller Zeiten statt: Manuel Charr vs. Alexander Ustinov.

Fehlentscheidung des Jahres
Am 04. März 2017 gab Araik Marutjan sein Profidebüt gegen Serhii Ksendzov. Sauerlands neuer Mittelgewichtler Marutjan dominierte den Kampf. Dann erlitt er einen Achillessehnen-Abriss und konnte nicht weiter boxen. Im Ring wurde offenbar ein “No Contest“ verkündet. Später wandelte der BDB das Urteil in einen Sieg für Marutjan um.

Trainer des Jahres
Habe ich nicht gesehen.

Entgleisung des Jahres
Malte Müller-Michaelis und Gerhard Pfeil schrieben in „Der Spiegel“: „Die Promoter witterten das schnelle Geld. Statt Talente ordentlich auszubilden, schickten sie unfertige Athleten ins Feuer. Durchschnittsboxer wie Sven Ottke oder Markus Beyer wurden zu Weltmeistern hochgejazzt.“

Boxkampf des Jahres (männlich)
Im Wembley Stadion in London versuchte Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) am 29.04.2017 gegen Anthony Joshua noch mal Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Vorher hatte kaum jemand geglaubt, dass der einundvierzigjährige Herausforderer Klitschko zu einer solchen Leistung, wie er sie dann zeigte, nochmal fähig sein würde. Womöglich hätte er den Kampf sogar gewinnen können, hätte er in den Kunstpausen von Joshua nur konsequent angegriffen. Seine Ecke aber, allen voran sein Bruder Vitali, verhinderten dies.

Boxkampf des Jahres (weiblich)
Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) besiegte am 05.08.2017 in Essen auf sehr beeindruckende Weise Sandy Coget (16 Kämpfe, 8 Siege, 7 Niederlagen, 1 Unentschieden). Durch einen technisch sehr gut und hart geführten Kampf verteidigte Sahin ihren UBO Weltmeister- und ihren WBF Interconti-Titel.

Comeback des Jahres (männlich)
Habe ich übersehen.

Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.

Bester Show Act des Jahres
Der Ringsprecher Dave Kaufmann sang bei der Freiluftveranstaltung in Gelsenkirchen am 08. Juli 2017 „New York, New York“ – großartig.

Ringsprecher des Jahres
Thomas Bielefeld ist die Stimme des Profiboxens in Deutschland.

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Leichtgewichtler Gabor Veto (31 Kämpfe, 31 Siege, 23 durch KO) hat 2017 nicht geboxt. Dennoch verdient er einen WM Kampf. Er sitzt in einer Falle: Er lebt in der Schweiz, ist Ungar und ist zu stark, um ohne Not eine Chance auf einen Titelkampf zu bekommem.

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Leichtgewichtlerin Beke Bas (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) dürfte reif für eine WM sein. Sie eine Kriegerin, die nach vorne geht und den Sieg erkämpfen will.

Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (männlich)
Der in Kanada lebende Kolumbianer Oscar Rivas (22 Kämpfe, 22 Siege, 16 durch KO) wird nie genannt, wenn es um einen WM Kampf geht. Der 22-jährige ist einer denen, die im Schwergewicht ganz weit oben mitmischen könnten.

Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (weiblich)
Verena Kaiser (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) ist Weltmeisterin der WIBF und GBU im Weltergewicht.

Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (männlich)
Irgendwelche Come-Back-Kämpfe von Boxern, die durch sind und nur noch einmal Kasse machen wollen, obwohl sie schon genug Geld verdient haben.

Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (weiblich)
Alle schlechten.

Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (männlich)
Einen Kampf von Agit Kabayel (17 Kämpfe, 17 Siege, 12 durch KO) gegen einen Top-Ten Mann im Schwergewicht.

Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (weiblich)
Ein Aufeinandertreffer der beiden deutschen Minimumgewichtlerinnen Tina Rupprecht (7 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO) und Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) wäre einer der besten Frauenboxkämpfe, die 2018 weltweit möglich wären.
© Uwe Betker

Written by betker

31. Dezember 2017 at 23:59

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Foto: Punktzettel

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(C) Uwe Betker

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3. Dezember 2017 at 23:59

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Leitet die vom BDB vorgenommene Urteilsänderung beim Profidebüt von Araik Marutj einen Wandel im Profiboxen ein?

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Profiboxen ist archaisch und brutal. Dabei stehen sich zwei Personen gegenüber, die mit ihren Fäusten aufeinander einschlagen. Die Regeln sind weitestgehend selbsterklärend. Wer KO geschlagen wird, hat verloren. Wer aufgibt, hat verloren. Wer nicht weiter machen kann, hat verloren. Wer weniger Runden für sich entscheiden kann, hat verloren. Mehr oder weniger so war es schon von alters her. Jedenfalls war es so bis zum 04. März 2017. An diesem Tag nämlich geschah etwas entweder Einzigartiges oder etwas, das das Boxen verändern wird.
Was also passierte am 04. März 2017? An diesem besagten Tag, einem Samstag, bestritt Araik Marutjan in Wangen im Allgäu sein Profidebüt. Marutjan, der Bronzemedaillengewinner der Amateurweltmeisterschaften und Silbermedaillengewinner der Europameisterschaften der Amateure 2013 im Weltergewicht, hatte von Team Sauerland einen Profivertrag bekommen. Angedacht war wohl auch, den in Armenien geborenen Marutjan unter dem Künstlernamen Rayko Löwe boxen zu lassen. Davon habe ich aber seither nichts mehr weiter gehört.
Bei seinem Profidebüt bekam Marutjan es mit Serhii Ksendzov zu tun. Der in der Ukraine geborene und in Köln lebende Ksendzov bestritt bis zu der besagten Begegnung drei Kämpfe. Den ersten konnte er gewinnen, die folgenden zwei aber verlor er. Im Januar 2016 stand er zum letzten Mal im Ring.
Soweit zu lesen war, dominierte Sauerlands neuer Mittelgewichtler Marutjan den Kampf. Es schien alles danach auszusehen, als würde er seinen Gegner in der vierten Runde KO schlagen. M.a.W. sah es so aus, als würde der Kampf genauso ausgehen, wie das Management von Marutjan es wünschte. Dann jedoch passierte das Unerwartete: Marutjan erlitt einen Achillessehnen-Abriss.
Nun sollte man annehmen, dass dies genau die Folgen haben sollte, die so etwas schon seit ungefähr 3.000 Jahren beim Boxen nun mal hat. Das bedeutet aber nichts anderes als, dass derjenige, der nicht weiterboxen kann und aufgibt, eben zum Verlierer erklärt wird und derjenige, der weiterkämpfen kann und will, zum Sieger. Wir sprechen natürlich nur von Fällen, in denen Verletzungen nicht durch Fouls und sonstige Dinge zu Stande gekommen sind. Es wäre demnach also zu erwarten gewesen, dass man Ksendzov zum Sieger und Marutjan zum Verlierer erklärt hätte.
Ich möchte nun allerdings vorab bemerken, dass ich leider kein Jurist bin und auch an keiner Schulung für Regelkunde eines deutschen Boxverbandes teilgenommen habe. Alle Aussagen hier im Text sind somit lediglich Meinungsäußerungen eines Laien, der schon die eine oder andere Boxveranstaltung besucht hat und versucht, die Angelegenheit mit etwas gesundem Menschenverstand zu betrachten.
Zurück zum Kampf von Araik Marutjan. Berichten zufolge, die im Internet publiziert wurden, lautete das Urteil, das im Ring verkündet wurde, No Contest. Das zieht dann natürlich die Frage nach sich, warum, also aufgrund welcher Regeln, das Kampfgericht des Bundes Deutscher Berufsboxer so entscheiden konnte. Laut boxrec waren Bernd Hupfer der Ringrichter, Irene Kostenko und Jürgen Langos die Punktrichter und Alexander Walter Delegierter.
Offensichtlich aber hat aber der älteste Berufsboxerverband Deutschlands das No Contest nachträglich noch mal geändert. Später hieß es nämlich in einer Pressemeldung von Team Sauerland: „Sauerlands Mittelgewichtler Araik Marutjan siegt nach seinem verletzungsbedingten Abbruch durch technischen Punktsieg gegen den Ukrainer Serhii Ksendzov.“ Für den einfachen Boxzuschauer wird das ja nun noch unverständlicher als der No Contest. Wie kann denn jemand, der den Kampf doch offenbar aufgegeben hat, zum Punktsieger erklärt werden?

(C) Wycisk/go4boxing.com

Exkurs: Stellen wir uns für einen Moment vor, der Kampf wäre anders verlaufen. Der Debütant von Team Sauerland, Araik Marutjan, hätte nicht in den Kampf gefunden und Serhii Ksendzov ihn dermaßen vorgeführt, eventuell auch mit Niederschlägen, dass die Punkrichter nicht umhin gekonnt hätten, Ksendzov die ersten drei Runden zu geben. Dann, in der vierten Runde, hätte Marutjan den Kampf gedreht, so dass es nur noch als eine Frage der Zeit erschienen wäre, wann er seinen Gegner KO schlägt. Dann das abrupte Ende, Ksendzov reißt die Achillessehne und er muss aufgeben. Und nun versuchen wir uns vorzustellen, das Kampfgericht des BDB hätte erst den Kampf als No Contest gewertet und später Serhii Ksendzov zum Punktsieger erklärt. – Also ich komme einfach nicht weiter.
Die Urteilsänderung wurde in besagter Meldung durch die Satzung des BDB, Artikel 21, Absatz 4, gerechtfertigt, in der von unfallbedingter oder durch höhere Gewalt verursachter Verletzung die Rede ist. Da Marutjan bis zum Zeitpunkt des Abbruchs auf „allen Punktzetteln deutlich vorne lag“ wurde das Urteil in einen „technischen Punktsieg“ umgewandelt. Um die Urteilsänderung zu erklären, wurde in der besagten Pressemeldung der Originalwortlaut aus den „sportliche Regeln“ des BDB zitiert:
„Falls ein Boxer sich unfallbedingt oder durch höhere Gewalt verletzt, so
dass der Kampf nicht fortgesetzt werden kann, muss bis Ende der 3. Runde das
Urteil“ ohne Entscheidung“ lauten. Die Runde ist mit dem Gongschlag beendet.
Die daran anschließende Pause zählt schon zur nächsten Runde. Die
angefangene Runde ist zu bewerten. Hat keine Aktion stattgefunden ist die
Runde mit 10:10 zu bewerten. Bei Damenkämpfen muss bis Ende der 3. Runde das Urteil „ohne Entscheidung“ lauten.
Ringrichter, Punktrichter und der Delegierte müssen sich vor Bekanntgabe des
Urteils beraten. Nach Beginn der 4. Runde hat eine Punktwertung zu erfolgen.
Das Urteil lautet dann „technischer Punktsieg“ oder „technisches
Unentschieden“.“
Soweit der Wortlaut der sportlichen Regeln des BDB, Artikel 21, Absatz 4. Nun steht aber vor (!) dem zitierten 4. Absatz, nämlich in Absatz 2 folgendes:
„Der KO-Sieg wird erklärt bei einer Kampfunfähigkeit des Gegners durch Niederschlag von 10 Sekunden Dauer und im Falle des § 23 Abs. 7 der „Sportlichen Regeln“ sowie, wenn die Schwere des Niederschlages einen Abbruch des Kampfes ohne Auszählen rechtfertigt.

Der technische KO-Sieg wird erklärt bei:

# Abbruch des Kampfes durch den Ringrichter wegen zu großer Überlegenheit eines Boxers
# Aufgabe durch den Chefsekundanten eines Boxers durch das Werfen von Schwamm oder Handtuch.
# durch Aufgabe des Boxers selbst
Zum Sieger durch Aufgabe wird der Boxer erklärt, dessen Gegner den Kampf selbst aufgibt.
Zum Sieger durch Abbruch wegen Verletzung wird der Boxer erklärt, dessen Gegner wegen Verletzung vom Ringrichter aus dem Ring genommen wird. Dies gilt nicht bei Verletzungen eines Boxers durch unkorrekte Kampfhandlungen des Gegners.“

(C) Wycisk/go4boxing.com

Wie gesagt, leider bin ich kein Jurist und leider habe ich auch an keinen Schulungen des Bundes Deutscher Berufsboxer über Regelkunde teilgenommen. Daher kann ich hier nur versuchen, mit gesundem Menschenverstand und mit Erfahrungswerten an die Sache heranzugehen. Danach aber hat der Boxer, der sich verletzt und nicht weiter boxen kann, automatisch verloren, es sei denn die Verletzung entstand durch ein Foul. Punkt. Nach meinem Verständnis der Regeln des BDB hat Araik Marutjan durch TKO verloren.
Soweit ich das verstehe, bezieht sich die Regelung für unfallbedingte Verletzungen und die Verletzung durch höhere Gewalt in Artikel 21, Absatz 4 der Satzung des BDB auf Fälle, die sich etwa dadurch ergeben, dass der Ring zusammenbricht, die Beleuchtung oder Fallschirmspringer herunterkommen oder was Ähnliches.
Hinzu kommt, dass Gesetze und Verordnungen doch gewöhnlich hierarchisch geordnet sind – wenn ich da richtig informiert bin. D.h. das Wichtigste steht vorne. So liest sich Artikel 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland so:
„(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“
Mir sagt das, dies ist das Wichtigste und steht dementsprechend über und vor anderen Regeln, weil es allen anderen Regeln übergeordnet ist. Auf das Regelwerk des BDB bezogen, heißt das, dass Artikel 21, Absatz 2 nicht nur geographisch vor Artikel 21, Absatz 4 steht, sondern auch aufgrund seiner Bedeutung.
Der Trainer von Araik Marutjan, Jürgen Brähmer, schrieb: „Es ist wohl das Schlimmste, was einem jungen Sportler bei seinem Profidebüt passieren kann. Eine so schwere Verletzung wie ein Achillessehnenriss, ausgerechnet im ersten Kampf, den man bis dato klar dominiert hat.“ – Das ist absolut richtig. Ich bin mir sicher, dass jeder Boxfan in Deutschland Araik Marutjan eine baldige Genesung und viele sportlichen Erfolge wünscht.
Nichtsdestotrotz steht der BDB in der Pflicht zu erklären, wieso Marutjan trotz seiner wohl verletzungsbedingten Aufgabe zum Sieger des Kampfes erklärt wurde. Das ist wichtig für jeden Boxer, der bei einer Veranstaltung, die vom Bund Deutscher Berufsboxer sanktioniert wird, auftritt. Im Augenblick sieht alles danach aus, als hätte der BDB einen Präzedenzfall geschaffen, so dass in Zukunft verletzungsbedingt abgebrochene Kämpfe anders gewertet werden könnten als bislang üblich. Wieso sollte denn Alexander Walter, der Delegierte des BDB, sonst ein Urteil ändern.
© Uwe Betker

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26. März 2017 at 23:59

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Foto: Punktzettel

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(C) Uwe Betker

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14. Juni 2016 at 23:59

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Ein guter Abend im „Generation“ in Moers

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In Moers, im „Generation“, gab Hani El-Jarie eine kleine aber feine Freitagabendveranstaltung mit neun Profikämpfen. Davon waren sieben Vierrunder, einer ein Sechsrunder und einer ein Achtrunder. Matchmaker war Sebastian Tlatlik. Das „Generation“ ist eine Diskothek und war an diesem Abend wahrscheinlich zum ersten Mal auch Veranstaltungsort für Profiboxen. Und ich muss sagen, es ist ein guter Ort fürs Boxen. Er bietet Emporen, von denen man in den Ring gucken kann, Reihenbestuhlung, Sitzecken und eine Theke mit Ringblick. Hoffen wir, dass im „Generation“ noch viele Boxshows zu sehen sein werden.
Im ersten Kampf des Abends trafen im Leichtgewicht Abdessamad Gaabouri (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Khalid Schenweri aufeinander. Schenweri gab sein Profidebüt. Der Kampf war kurz, intensiv und ein wenig hektisch. Beide schenkten sich nichts. Der Rechtsausleger Gaabouri kam mehrfach mit seinen rechten Kopfhaken durch. Allerdings musste er selber auch Rechte zum Kopf nehmen. Einmal schien es, als ob er nach einem Treffer leicht einknickte. Aber kurze Zeit später kam er schon wieder mit einer Rechten zum Kopf durch. Schenweri blieb wie angewurzelt stehen und versuchte zu überleben, während Gaabouri ihn mit Schlagkombinationen eindeckte, bei denen einige Fäuste ihr Ziel fanden. Irgendwann, ungefähr nach 25 bis 30 Schlägen, auf die Schenweri nicht antwortete, brach Ringrichter Thomas Hackenberg den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1 nach 2:51: Abdessamad Gaabouri.
Schenweri und seine Ecke meinten, der Abbruch sei unberechtigt gewesen oder zu früh gekommen. Der Manager von Gaabouri, Christoph Jan Jaszczuk, sicherte ihnen einen baldigen Rückkampf zu.
Der folgende Kampf zwischen Sandro Lütke Bordewick (10 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO, 5 Niederlagen 4 durch KO) und Mohamet John Karemi (2 Kämpfe, 2 Niederlagen, 1 durch KO) im Super Federgewicht war sogar noch kürzer als der vorangegangene. Er begann mit einem Sprint. Bei dem obligatorischen Griff in die Weichteile, der Tiefschutzkontrolle, stellte Ringrichter Kornelius Bernds fest, dass Karemi seinen Tiefschutz nicht anhatte. Er musste daher zurück in die Umkleide sprinten. Der vergessene Tiefschutz stellte sich dann im Verlauf des Kampfes auch als schlechtes Omen für ihn heraus. Was folgte, war für mich nämlich eine faustdicke Überraschung. Zunächst begann es eigentlich gut für Karemi. Er kam gleich zu Anfang der Runde mit einer schönen Rechten zum Kopf durch. Daraus entwickelte sich ein munterer Schlagabtausch. Irgendwann ging Karemi dann nach einem harten Treffer runter und der Ringrichter winkte den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1 nach 2:30: Sandro Lütke Bordewick.
Den dritten Kampf bestritten im Weltergewicht Andreas Maier (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Mirko Sikora (4 Kämpfe, 4 Niederlagen, 4 durch KO). Maier boxte schön ruhig, gelassen und ökonomisch. Er überhastete nicht, sondern arbeitete systematisch. Dabei startete er nur wenige Aktionen, die er aber überlegt ansetzte und durchführte. Zwischendurch hatte ich fast das Gefühl, er wollte jede Schlagkombination einmal ausprobieren, um zu sehen, wie sein Gegner darauf reagiert. Sikora traf nicht.
In der zweiten Runde erhöhte Maier das Tempo, wodurch der Kampf munter wurde. Zwei Schläge zum Kopf brachten Sikora dann zu Boden. Er stellte sich zwar noch mal zum Kampf, aber Maier wollte den KO Erfolg. Er jagte und erlegte Sikora. Eine knackige Rechte zur Schläfe zwang Sikora erneut zu Boden. Mit dem Schlussgong winkte der Ringrichter Kornelius Bernds den Kampf ab. Da lag Sikora noch auf dem Boden. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 3:00: Andreas Maier.
Der dann folgende Kampf ging über die angesetzten vier Runden und war sehr amüsant. In ihm trafen im Mittelgewicht Dominik Tietz (7 Kämpfe, 5 Siege, 3 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) und Dogan Kurnaz (4 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) aufeinander. Der sehr viel größere Tietz fand nie die richtige Distanz für seine Führhand und kam daher nie richtig in den Kampf. Er tat sich sehr schwer mit seinem Gegner. Kurnaz wechselte immer wieder die Auslage, machte Faxen und versuchte es mit überfallartigen Angriffen, mit denen er manchmal sogar durch kam. So konnte er, auf meinem Punktzettel, die erste Runde dann auch für sich entscheiden.
Ab der zweiten Runde baute Kurnaz konditionell ab. Er atmete schwer. Aber er hatte offensichtlich beschlossen, bis zum Ende durchzuhalten und Tietz das Leben schwer zu machen. Immer wenn Tietz seine Führhand konsequent nutzte, was er jedoch nur selten tat, punktete er. Sein Punktsieg war schließlich auch nie in Gefahr, aber den KO schaffte nicht, was für Kurnaz schon ein Triumph war. Sieger nach Punkten: Dominik Tietz.
Hiernach stieg das Leichgewichtstalent Marek Jedrzejewski (8 Kämpfe, 8 Siege, 8 durch KO) in den Ring und traf dort auf Ziya Goekalp (5 Kämpfe, 5 Niederlagen, 3 durch KO). Es war eine Demonstration der boxerischen Klasse von Jedrzejewski. Er boxte überlegen und abgeklärt. Mitte der ersten Runde schickte er mit einem schönen Leberhaken seinen Gegner zu Boden. Der kam wieder hoch und musste nun die nicht überhasteten Angriffe von Jedrzejewski über sich ergehen lassen. Am Ende der Runde nahm Goekalp dann eine harte linke Grade zum Kopf. Die Seile verhinderten, dass er zu Boden ging, und der Gong rettete ihn vor noch mehr Schlägen. Zur zweiten Runde trat er dann aber nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 2: Marek Jedrzejewski.
Im Super Mittelgewicht boxte John Rene (9 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 2 Unentschieden) gegen Deniz Polat (2 Kämpfe, 2 Niederlagen, 2 durch KO). Boxen ist hier eigentlich der falsche Begriff. Rene nennt sich selbst „Captain Caveman“ – und genau so boxt er auch. Er steigt in den Ring, um seinen Gegner niederzuwalzen: Er drischt so lange auf seine Gegner ein mit seinen Haken, bis sie zu Boden gehen. Und so war es auch diesmal. Sieger durch TKO in Runde 1, nach 1:30 Minuten: John Rene.
Im nächsten Kampf trafen im Mittelgewicht zwei Debütanten aufeinander, der Lokalmatador Sahan Albay und Leonardo Loandriz. Albay, wohl inspiriert durch die Vorkämpfe, wollte den KO Erfolg. Er schob sich, hinter seiner Doppeldeckung verschanzt, an seinen Gegner heran und versuchte dann mit harten Schlägen durchzukommen. Loandriz zeigte eine gute Beinarbeit und gute Reflexe. Seine Schläge waren meist Schwinger, die nur selten ihr Ziel trafen. Albay hatte mehr von dem gut anzusehenden Kampf. Sieger nach Punkten: Sahan Albay.
Im vorletzten Kampf des Abend maßen Roman Alesin (12 Kämpfe, 8 Siege, 3 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden) und Fadil Pasalic (11 Kämpfe, 1 Sieg, 10 Niederlagen, 5 durch KO) im Super Mittelgewicht ihre Kräfte. Es war ein ausgeglichenes Kräftemessen. Es gab viel Fintieren, aber nur sehr wenige Aktionen und sehr wenige Schlagabtäusche. Man konnte eher von einem Fechten mit der Faust sprechen. Ich persönlich habe den Kampf Unentschieden gewertet, das Kampfgericht gab Roman Alesin mit 2 zu 1 Richterstimmen den Kampf, was für das Kampfgericht spricht.
Der letzte Kampf des Abends war ein Schwergewichtskampf. Es war weniger ein Hauptkampf als ein Rausfeger, denn nach dem Auftritt des Lokalmatadoren Sahan Albay hatten sich die Zuschauerreihen schon zusehens gelichtet. Rojhat Bilgetekin (7 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO; 2 Niederlagen, 2 durch KO) traf auf Aldin Avdic (6 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 5 Niederlagen, 5 durch KO). Es war ein seltsamer Kampf. Der kleinere Bilgetekin schien nicht zu wissen, wie er an seinen Gegner ran kommen sollte. Seine Schläge sahen auch nicht gefährlich aus. Avdic machte nur das Nötigste, wenn er überhaupt etwas machte. Die Zuschauer wurden immer weniger und die verbliebenen, waren mit ihren Gesprächen beschäftigt. Der Kampf plätscherte so dahin. Nach der zweiten Runde rief die Ecke von Avdic nach dem Ringarzt. Avdic habe sich die Schulter verletzt. Sieger durch TKO in Runde 3: Rojhat Bilgetekin,
Der Freitagabend im „Generation“ in Moers, am 29.04.2016, war für mich ein guter Abend. Es gab zum Teil gute Kämpfe zu sehen und ich könnte mir vorstellen, dass einige von denen, die dort geboxt haben, auch ihren Weg im Profiboxen gehen werden. Bleibt mir nur zu hoffen, dass ich dort bald wieder Boxen zu sehen bekomme.
© Uwe Betker

Von Boxsportjournalisten, Punktrichtern, Ringrichtern – und vom BDB

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Einer der bekanntesten amerikanischen Boxsportjournalisten antwortete einmal auf die Frage, wie er denn zum Boxen gekommen wäre, er hätte angefangen, übers Boxen zu schreiben, weil es ihm das Einfachste schien. Man müsse nur aufschreiben, was man im Ring sieht. Natürlich hat er Recht. Trotzdem muss ich eine Einschränkung machen: es ist doch – leider – etwas schwieriger. Denn es kommt auch darauf an, dass man verständlich und fehlerfrei schreibt. Beides ist nicht immer so einfach, was ich immer wieder schmerzlich bei meinen eigenen Arbeiten feststellen muss. Der beste aller Kollegen sagte sogar einmal: „Meine Rechtschreibung ist (…) etwas wackelig. Sie ist eine gute Rechtschreibung, aber sie wackelt, und die Buchstaben geraten an den falschen Ort.“
Die Tätigkeit eines Punktrichters ist da im Vergleich zu der eines Journalisten doch sehr viel einfacher. Erstmal sollte er einen dunklen oder schwarzen Anzug mit weißem Oberhemd tragen. Damit sind einige Offizielle schon überfordert. Dann soll er den Verlauf eines Kampfes durch eine Punktwertung wiedergeben. Der Gewinner einer Runde bekommt 10 Punkte, der Verlierer einen Punkt weniger. Das erfordert schon die Fähigkeit, eine Subtraktionsaufgabe auf dem Niveau eines Kindergartenkindes oder Erstklässlers durchzuführen. Das hört sich erst mal ganz einfach an – ist es auch. Allerdings müsste man bzw. der Punktrichter auch willens sein, genau das zu tun. Zwei weitere intellektuelle Probleme kommen noch hinzu. Erstens muss man auf den Punktzetteln, auf denen sowohl die Farben der Ecken als auch die Namen der Boxer angegeben sind, die entsprechende Ziffer in die richtige Spalte bzw. das richtige Kästchen eintragen. An dieser Aufgabe ist schon so mancher Punktrichter gescheitert. Das zweite Problem ist ein eher mathematisches. Wenn nämlich ein Boxer angezählt wird oder ihm ein Punkt abgezogen wird, dann muss der Punktrichter die mathematische Aufgabe lösen, jeweils einen Punkt abzuziehen.
Zusammenfassend kann man feststellen: Ein guter Punktrichter muss 1. einen Anzug und ein weißes Oberhemd haben – auch tragen -, 2. von 10 in Einerschritten subtrahieren können und 3. fähig und willens sein, ein Kampfgeschehen wiederzugeben.
Die Anforderungen an einen Ringrichter sind da schon etwas höher. Er sollte eine schwarze Anzughose und ein weißes Hemd tragen. Er sollte, während er im Ring agiert, sein Mobiltelefon nicht benutzen. – Schon absurd, dass man dies wirklich hier schreiben muss. – Er sollte den Boxern nicht im Weg stehen. Ansonsten hat er nur die Aufgabe, darauf zu achten, dass die wenigen Regeln, die es beim Boxen gibt, auch eingehalten werden. Das hört sich einfach an, ist aber nicht immer ganz so einfach. Ringrichter sind meist auch Punktrichter und umgekehrt.
Weshalb aber schreibe ich hier solche Selbstverständlichkeiten auf? – Vor kurzem kam ich nämlich an einem Samstagabend von einer Veranstaltung. Ich schaltete meinen Fernseher an und es lief eine Boxveranstaltung, die ich nur unkonzentriert verfolgte. Dann wurde ein Punkturteil verkündet – und ich bekam eine Angstattacke, fing an zu hyperventilieren. Der Ringsprecher hatte die Punktwertung von Manfred Küchler verkündet.
Manfred Küchler ist vermutlich der berühmteste Punkt- und Ringrichter der Welt. Es gibt vermutlich keinen anderen Offiziellen auf der Welt, der es als Ringrichter geschafft hat, gleich zwei wichtige Kämpfe zu zerstören, deren Ergebnis in sein Gegenteil zu verkehren und den Ruf des Profiboxens in Deutschland in aller Welt nachhaltig zu beschädigen. Der BDB Mann Küchler ist eine Legende! Weltweit!
Wir erinnern uns noch mit Grausen an die beiden skandalösen Auftritte, die ihn unsterblich machten. Am 14.10.2011 disqualifizierte Manfred Küchler den Schwergewichtler Cisse Salif für imaginäre Tiefschläge. Es ging um den vakanten WBA International Titel. Damals trat Salif gegen Alexander Petkovic an und wagte es, den Heimboxer zu schlagen bzw. niederzuschlagen – und das gleich mehrfach. Küchler, darin ganz Küchler, zog daraufhin Salif für einen sauberen und regelkonformen Körperhaken einen Punkt ab. Er wertete den Haken als Tiefschlag. Salif wagte es sodann, Petkovic erneut zu schlagen und mit linken Haken zum Kopf wieder zu Boden zu bringen. Das nahm Küchler dann zum Anlass, ihm erneut für einen imaginären Tiefschlag einen Punkt abzuziehen. Salif wollte die Autorität von Küchler partout nicht akzeptieren und wagte es noch mal, Petkovic aufs Kinn zu schlagen. Dafür wurde er dann ermahnt und mit Disqualifikation gedroht. Salif, die Großartigkeit von Küchler nicht akzeptierend, erdreistete sich dennoch, seinen Gegner erneut zu Boden zu schlagen, was dann für Küchler folgerichtig bei der nächsten Gelegenheit – nämlich einem linken Körperhaken und einem rechten Kopfhaken – zur Disqualifikation führte. Dieser Kampf machte Küchler weltweit berühmt.
Zur Legende wurde er dann am 26.07.2014 im Kampf zwischen Christina Hammer und Anne Sophie Mathis. In diesem Kampf sollte Hammer Weltmeisterin der WBO und WBF im Junior Mittelgewicht werden. Der World Boxing Organization Titel war vakant, und der World Boxing Federation Titel wurde von Anne Sophie Mathis gehalten. Hammer fand nicht in den Kampf und versuchte den Infight durch Klammern zu unterbinden. Mehrfach klemmte Hammer die Führhand ihrer Gegnerin ein, was zur Folge hatte, dass diese ihr mit der Rechten gegen den Kopf schlug. Das passierte auch in der fünften Runde. Hammer klemmte die Führhand von Mathis ein und diese schlug, vollkommen regelkonform, mit ihrer freien Rechten so lange zu, bis der berühmteste Ringrichter der Welt „Stopp!“ rief. Fünfmal traf die Rechte von Mathis die linke Schläfe von Hammer, die zu Boden sank.
Küchler, wohl im Bewusstsein, dass sich nun für ihn die einmalige Chance bot, weltberühmt und unsterblich zu werden, handelte sofort. Kaum war Hammer zu Boden gegangen, signalisierte er mit seinen Händen: Kein Niederschlag, ein Ausrutscher. Als dann Hammer auf sein Zeichen aufzustehen hin nicht reagierte, versuchte er ihr vergeblich aufzuhelfen. Daraufhin hielt er erst mal die Zeit an und ging etwas im Ring spazieren. Als Hammer bei dem Versuch aufzustehen dann doch wieder zu Boden ging, zeigte Küchler einen Schlag auf den Hinterkopf an. Auf Vorschlag von Hammers Trainer, Dimitri Kirnos, zeigte er dann einen Ellenbogenschlag an und disqualifizierte Mathis in geradezu weltmännischer Manier.
Küchler ist ein Wiederholungstäter. Es dürfte keinen anderen Ringrichter geben, der gleich zweimal so skandalös in einem Boxring agiert hat. Er ist wohl der berühmteste und der berüchtigtste Ringrichter der Welt. Mir fallen hier sogar noch ein paar andere Superlative für Küchler ein. Allein die Nennung von Küchlers Namen im Fernsehen, an dem besagten Abend, löste bei mir eine Angstattacke aus. Schlagartig wurde mir bewusst, dass der Bund Deutscher Berufsboxer weiter in unverbrüchlicher Treue zu ihrem Manfred Küchler, dem wohl schlechtesten Ringrichter der Welt, steht.
Wieso aber steht der BDB in solcher Nibelungentreue – oder nennt man das Stalingradtreue? – zu Küchler? Wieso setzt der BDB eigentlich den wohl schlechten Ringrichter der Welt weiter bei seinen Boxveranstaltungen ein? Wieso also? Ich kann mir nun nicht denken, dass Thomas Pütz, der Präsident vom BDB, das Profiboxen einfach hasst und versucht, es zu zerstören. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass man an Küchler festhält, weil man die Zuschauer für abgrundtief dumm hält und sie verachtet. Die einzig vernünftige und nachvollziehbare Antwort, die mir einfällt, lautet: Aus purer Not!
Der Bund Deutscher Berufsboxer hat schlicht nicht genug Punkt- und Ringrichter. Volker Grill, der Vizepräsident Sport, wird, nach meinen Informationen, nicht müde zu betonen, er setze auf die junge Garde und den Nachwuchs. Das heißt doch aber wohl, der BDB hat einfach keine anderen Punktrichter. So kann dann auch ein Manfred Küchler – und das inzwischen schon viermal – nach seinem Hammer-Auftritt wieder vom BDB auf Veranstaltungen eingesetzt werden.
Seit ich mir nun klargemacht habe, dass der Bund Deutscher Berufsboxer Manfred Küchler nicht aus Bös- oder Mutwilligkeit einsetzt, sondern aus einer Notlage heraus, geht auch meine Atmung wieder viel ruhiger.
© Uwe Betker

Written by betker

6. Dezember 2015 at 23:59

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27. Juni 2011 at 23:59

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