Posts Tagged ‘Rheinstadion’
Ein sprachliche Entgleisung – oder mehr: Über Wladimir Klitschkos Hitler Vergleich
Wenn die griechische, die polnische, die türkische oder irgendeine andere Presse Angela Merkel mit Hitler vergleicht, dann finden wir das geschmacklos. Eigentlich weiß jeder in Deutschland, dass man niemanden mit Hitler vergleichen sollte. Und jeder weiß auch, dass jemand, der davon nichts wissen will und es trotzdem macht, immer schlecht dasteht. Trotzdem hat Wladimir Klitschko unlängst Tyson Fury mit Adolf Hitler verglichen.
Am 9. Juli sollten Wladimir Klitschko (68 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO 4 Niederlagen, 3 durch KO) und Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO) eigentlich ihren Rückkampf in Manchester bestreiten. Dann, bei einem Medientermin im österreichischen Going, wo Klitschko sich, wie schon so oft, im „Stanglwirt“, dem Fünf Sterne Biohotel, auf den Kampf vorbereitet hatte, passierte es: Der promovierte Akademiker Klitschko sagte in die Mikrofone und Kameras, die er gerufen hatte, Fury „klang wie Hitler“. Anlass waren Äußerungen des Schwergewichtsweltmeisters in einem YouTube-Video, in dem er sexistische, antisemitische und homophobe Ansichten zum Besten gab. Und er bezeichnete außerdem seinen Herausforderer als bisexuell.
Immer wenn Fury und Klitschko außerhalb des Ringes aufeinander trafen, wurde es für anwesende Journalisten kurzweilig. Fury redete viel, war dabei amüsant bis lustig. Er war immer für eine Überraschung gut und oft machte er Dinge, die man nicht erwartete. Er verkleidete sich als Batman, um Klitschko vor einem Joker zu retten. Er versprach Klitschko, für ihn ein Lied zu singen und machte es dann auch. Klitschko reagierte seinerseits immer souverän und konterte mit Ironie. Das hat sich nun offensichtlich geändert. Jetzt reagierte er auf ein Video aus dem Internet, bei dem er nicht einmal Hauptgegenstand der verbalen Ausfälle von Fury war.
Klitschko sagte: „Ich war schockiert über seine Aussagen zu Frauen und die Homosexuellen-Gemeinschaft. Aber als er über Juden sprach, klang er wie Hitler.“ Und weiter: „Ich kämpfe gegen einen Typen, der seinen Mund nicht halten kann. Er ist wirklich ein Idiot. Wir haben einen Dummkopf als Schwergewichts-Champion.“ Später bezeichnet er ihn als einen „geisteskranken Schwachmaten“. „Statt wie Muhammad Ali das Boxen glänzen zu lassen, sind seine Aussagen nur peinlich. Dass er diese Bühne hat, das passt nicht in meinen Kopf. Er wirbt für die falsche Seite.“ In Erinnerung aber bleibt der Hitlervergleich.
Die Klitschkos betreiben seit Oktober 2007 eine eigene Vermarktungsagentur „Klitschko Management Group GmbH“ (KMG). Als Service bietet die KMG u. a. Consulting im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit und Personality Branding mit Personality Analyse, Personal Profiling, Short Term Strategy, Long Term Strategy und Vermarktung an. Wenn man noch die Hunderte von Pressekonferenzen und vermutlich Tausende von Interviews hinzurechnet, dann erscheint einem Klitschko schon als ein abgebrühter Medienvollprofi. Aber nahezu jeder weiß doch, dass man keinen mit Hitler vergleicht.
Man kann nun nur darüber spekulieren, was den sonst immer so abgeklärten und ruhigen promovierten Sportwissenschaftler, der wohl seinen Doktortitel 2001 an der Universität Hryhory Skovoroda in Perejaslaw-Chmelnyzkyj bei Kiew gemacht hat, so aus der Reserve gelockt hat. – Ich kann mir jedenfalls schlicht nicht vorstellen, dass das dumme Gelaber von Fury, gespeist aus dessen Frauenfeindlichkeit, Homophobie, latentem Judenhass und seinen wahrscheinlichen intellektuellen Defiziten, Klitschko so in Rage gebracht haben könnte.
Klitschko sagte auch. „Fury ist schwachsinnig. Ernsthaft. Ich war geschockt von seinen Äußerungen über Frauen, die Schwulenszene. Und wenn er über Juden redet, hört er sich an wie Hitler.“ Und: „Bei all der Dummheit, die bei ihm herauskommt, ist eine Stufe erreicht, die ich nicht akzeptieren kann. Speziell in dieser verrückt gewordenen Welt sehen wir doch, wohin es führt, wenn über Juden Hass ausgeschüttet wird.“ Klitschko wiederholt: „Ja, er hört sich an wie Hitler, wie schon gesagt. Fury ist psychisch krank.“
Womöglich geht es Wladimir Klitschko aber gar nicht um die Verteidigung von Frauen, Homosexuellen, Juden sowie von moralischen und intellektuellen Standards. Eventuell geht es nur darum, dass er Fury für psychisch krank hält. Klitschko hat das schon einmal, nämlich bei der ersten Pressekonferenz vor dem Kampf im Rheinstadion in Düsseldorf, gesagt. Damals aber hatte er es als Scherz gesagt und ergänzt, dass er ihn im Ring therapieren wolle. Der Ausgang des Kampfes ist bekannt.
Wenn Klitschko ihn für psychisch krank oder für verrückt hält, dann hat Klitschko ein Problem. Ein psychisch Kranker oder ein Verrückter hat nämlich vermutlich keine Angst vor ihm. Was aber noch viel schlimmer ist, er ist auch nicht berechenbar. Er macht Dinge, die keiner von ihm erwartet. Fury hat Klitschko nicht nur geschlagen, er hat ihn regelrecht vorgeführt. Womöglich steckt genau das dahinter, wenn Wladimir Klitschko seine Nonchalance verliert.
© Uwe Betker
Eine perfekte Inszenierung: Die erste PK zu Wladimir Klitschko vs. Tyson Fury
Am 24. Oktober 2015 sollen Wladimir Klitschko (67 Kämpfe, 64 Siege, 3 Niederlagen, 3 durch KO) und Tyson Fury (24 Kämpfe, 24 Siege, 18 durch KO) im ehemaligen Rheinstadion in Düsseldorf gegeneinander boxen. Also in 3 Monaten geht es um die WM Titel der IBF, WBO im Schwergewicht und um den Super Champion Titel der WBA, den zwar Klitschko verlieren, aber allerdings Fury nicht gewinnen kann. Wie gesagt, der Kampf findet in drei Monaten statt. Aber es gab bereits am 21. Juli die erste Pressekonferenz.
Pressekonferenzen, besonders wenn sie lange vor dem angesetzten Termin für die Veranstaltung stattfinden, sind in der Regel relativ lahm und überraschungsarm. Eine Spannung muss sich erst aufbauen und jeder der Anwesenden weiß, dass es hier darum geht, die PR-Welle allererst anzuschieben. Aber diesmal war es doch etwas anders. Und das lag vor allem an der perfekten Inszenierung der PK.
Ort des Geschehens war der VIP Bereich des Rheinstadions. Auf der Terrasse war ein kleines Buffet mit Currywurst, Brötchen und Kanapees hergerichtet. In der Ecke stand ein Kühlschrank mit einem alkoholfreien Bier und auf den Stehtischen standen Etageren mit Spanschiffchen, die zwei Minifrikadellen mit Senf und Kartoffelsalat enthielten. Kellner brachten auf Wunsch Kaffee und Erfrischungsgetränke. Eine leichte Brise wehte durch das Stadion. Man stand im Schatten und schaute auf das satte Grün des Rasens inmitten des großen Ovals, man unterhielt sich und wurde verköstigt. Was will man als Journalist mehr?
Ein halbe Stunde vor Beginn setze dann ein wummerndes, wie ich finde, nerviges, Geräusch ein, einem Herzschlag nicht unähnlich.
Dann ging man in den vorbereiteten Raum im VIP-Bereich. Dort fand sich am Kopfende eine Reihe mit Tischen, auf denen fünf Weltmeistergürtel standen, dahinter eine Reihe Stühle für Klitschko und Co. und davor fünf Stuhlreihen für die Journalisten. An den Seiten war je ein großer Monitor angebracht. An einer Seite gab es noch Stehtische mit Hockern. Geschätzte 100 Journalisten aus dem In- und Ausland waren gekommen. Einer von ihnen war der ehemalige Weltmeister im Cruisergewicht Johnny Nelson.
Es wurden quasi gleich zwei Pressekonferenzen abgehalten, eine auf Deutsch, ohne Tyson Fury, der erst später dazukam und dann noch eine mit ihm gemeinsam. Die erste von diesen beiden Pressekonferenzen begann mit einem Video über das „unschlagbare Team“ RTL und Klitschko, das auf den beiden Monitoren eingespielt wurde. Da wurde vor allem stolz auf die Zahlen verwiesen. „Im Durchschnitt sahen 8,94 Millionen Zuschauer die bislang 18 Kämpfe von Wladimir Klitschko bei RTL, der Marktanteil liegt bei herausragenden 48,3 Prozent.“ Dann verkündete Frank Hoffmann, Geschäftsführer und Programmdirektor von RTL, dass Klitschko für weitere fünf Kämpfe bei RTL unterschrieben hat. Hoffmann und Bernd Bönte, der Geschäftsführer und Mitinhaber der „Klitschko Management Group GmbH“ und Manager von Klitschko und Klitschko, der eine bewundernswerte Eloquenz demonstrierte, zeigten sich dann noch hoch zufrieden mit ihrer Zusammenarbeit und der Vertragsverlängerung.
In der zweiten Pressekonferenz, die zweisprachig, in Deutsch und Englisch, geführt wurde, ging es dann um den bevorstehen Kampf in drei Monaten. Als erster trat Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, ans Pult und betonte die Bedeutung der Veranstaltungen von Klitschko für den BDB. Ihm auf dem Fuß folgte Bernd Bönte, der Klitschko in eine Reihe mit Joe Luis, Larry Holmes und Muhammad Ali stellte und vor allem Werbung für die Veranstaltung machte. Er sagte, es sei ein Showact der Extraklasse geplant und werde bald angekündigt. Die Eintrittskarten sollen zwischen 29 und 890 Euro kosten. In über 150 Länder soll übertragen werden; HBO überträgt in den USA, mit vier britischen TV-Stationen werde noch verhandelt. Und überhaupt sei der Kampf gegen Fury das Beste, was zur Zeit möglich sei.
Es folgten Mike Hennessy, der Manager, und Peter Fury, der Trainer von Fury, am Rednerpult. Hennessy führte aus, dass der bevorstehende Kampf die Erfüllung eines Traumes sei. „Tyson Fury ist vorherbestimmt, Weltmeister zu werden.“ Sein Schützling sei einer der besten Schwergewichtler aller Zeiten. Mike Fury, der Tysons Vater ist, machte deutlich, sein Sohn komme zum Gewinnen und nicht, um sich auf die Matte zu legen.
Es folgte ein weiterer Einspieler, diesmal über Tyson Fury, der dann auch selbst ans Pult trat. Gut gelaunt begrüßte er die Anwesenden auf Deutsch. Dann witzelte er, nach seinem Sieg über Klitschko auch bereit zu sein, den TV Vertrag mit RTL zu übernehmen. Dann betonte er noch, er sei einzigartig und einen Boxer wie ihn, gäbe es nur alle 1.000 Jahre mal.
Wieder gab es einen Einspieler, diesmal über Wladimir Klitschko, der dann zum zweiten Mal ans Pult trat. Er reagierte souverän und witzig auf eine Äußerung von Fury über sein Alter und lobte ihn als Boxer und als Entertainer. Er nehme den Herausforderer Fury sehr ernst, und er verspreche, 100% vorbereitet zu sein. Nebenbei bemerkt, brauchte Klitschko keinen Übersetzter. Er übersetze sich selbst.
Sodann durften die Pressevertreter ihre Fragen stellen. Wie üblich, taten das aber nur wenige Kollegen. Klitschko nahm das zum Anlass einzugreifen: „Ihr müsst euch Fragen überlegen und fragen!“ Also stellte er eben selber eine Frage an Fury, oder besser: Er drückte auf den richtigen Knopf und Fury reagierte genau so, wie er es haben wollte. Fury wurde emotional – und dabei war er sehr unterhaltsam. Er beteuerte, die Welt von diesem Langeweiler Klitschko befreien zu wollen. Klitschko sei doch ein alter Mann und er werden ihn KO schlagen.Er prahlte: Er sei unberechenbar. Er sei der Beste. … Klitschko warf zwischendurch einen Satz ein und Fury reagierte prompt darauf. Wladimir Klitschko hatte alles unter Kontrolle.
Zum Abschluss dann das übliche chaotische Staredown für die Photographen und später noch die Möglichkeit, die beiden Boxer im Stadion zu fotografieren.
Die erste Pressekonferenz zu Klitschko vs. Fury war eine perfekte Inszenierung. Was dabei auffiel, war, dass Wladimir Klitschko nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Regisseur der PK war.
© Uwe Betker