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Rezension: „Ali. Tribut an eine Legende“ von Alan Jewell und Bertram Job – ein Buch, das man haben muss

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Muhammad Ali starb am 03. Juni 2016 in Scottsdale, Arizona. Das ist für Buchverlage Anlass genug, Ali-Bücher auf den Markt zu schmeißen. Die meisten Verlage bringen Neuauflagen von alt Bewährtem, maximal mit einem neuen Vorwort versehen. Es erwartet natürlich keiner, dass in absehbarer Zeit ein Buch erscheinen könnte, das uns Ali in einem ganz neuen Licht zeigt. Aber, was da insgesamt von den Verlagen so auf den Markt geschmissen wurde, ist doch schon recht mager.
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Nur eins der neuen Bücher möchte ich hiervon ausdrücklich ausnehmen und loben. Der Verlag Die Werkstatt hat tatsächlich ein neues und sehr gelungenes Ali-Buch produziert. Dafür nahm der Verlag die schöne Sonderausgabe der englischen Tageszeitung Daily Mirror und gab sie einem Autor, der wirklich etwas vom Boxen versteht, Bertram Job, in die Hand. Der übersetzte die Texte, überarbeitete, kürzte und ergänzte sie. Vor allem eliminierte er den sehr britischen Blick und ersetzte ihn durch einen deutschen. Und das heißt auch, dass natürlich in einem deutschen Buch über Ali auch nicht die Kämpfe gegen Karl Mildenberger und Jürgen Blin fehlen dürfen. Und weil Job ein Autor mit Sachverstand ist, schrieb er auch noch über den leider nahezu vergessenen Willi Besmanoff – sozusagen der dritte deutsche Gegner von Ali.
„Ali. Tribut an eine Legende“ ist auch ein Bilderbuch. Die Bilder, von denen einige bisher noch nie veröffentlicht wurden, dominieren den Text. Es ist ein Buch zum blättern, schauen, lesen und wieder blättern, ein Buch, das man immer wieder in die Hand nimmt, einfach ein richtig schönes Buch. Es wäre auch ein ideales Weihnachtsgeschenk für jeden Boxfan. Man kann es sich aber auch selber schenken. Oder man schenkt es Nicht-Boxfans. „Ali. Tribut an eine Legende“ von Alan Jewell und Bertram Job ist, kurz gesagt, ein Buch, das man eben haben muss.
© Uwe Betker

Über ignorante und regelunkundige Boxfans

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Es ist schon interessant zu sehen, wie der Veranstalter Sauerland Event mit der immer lauter werdenden Kritik an Urteilen, die auf seinen Veranstaltungen zustande kamen, umgeht. Einige Urteile, die ich persönlich für krasse Fehlurteile halte, wurden einfach ausgesessen, so z.B. das beim Kampf von Marco Huck gegen Denis Lebedev am 18.12.2010. Seit aber das böse B-Wort, nämlich Betrug, ausgesprochen wurde und Waldemar Hartmann sich zu nachtschlafender Zeit genötigt sah, sich gegen die Unterstellung zu verwahren, die ARD könnte an Betrügereien beteiligt sein, ist die Häufung von Fehlurteilen jetzt zu einem Thema in den Medien geworden.
In einem Interview in der Zeitung „Die Welt“ holte der Juniorchef des Profistalls Sauerland Event, Kalle Sauerland, zum Gegenschlag aus. Auf Fehlurteile und mögliches Protegieren durch Weltverbände angesprochen, sagte er:
„Eher das Gegenteil ist der Fall. Jedes Urteil in Deutschland wird mittlerweile kritisch beäugt und ausführlichst diskutiert. Ich mag das Wort Fehlurteil nicht, denn oft werden solche Aussagen unter der Ignoranz oder Unkenntnis des Regelwerks getroffen. Wenn ein Boxer vier Runden klar gewinnt und den Gegner vorführt, ist er in der Gunst des Publikums oft der Sieger. Dass er die anderen acht Runden knapp verliert und damit auch den Kampf, sehen viele nicht mehr.“
Das ist schon eine interessante Taktik, nämlich die, unzufriedenen Kunden einfach mal Ignoranz vorzuwerfen bzw. mangelnde Regelkundigkeit. Abgesehen davon, dass diese Erklärung schon einen sehr originellen Umgang mit Kunden impliziert – denn die Boxfans, die in die Hallen kommen und die Fernsehzuschauer sind ja Kunden, von denen Sauerland Event schließlich gar nicht so schlecht lebt -, so beinhaltet diese Äußerung noch weitere interessante Unterstellungen. Denkt man nämlich mal über das Beispiel von Herrn Kalle Sauerland etwas genauer nach und folgt seiner Argumentation, dann könnte man nämlich auf die Idee kommen, er wollte sagen, das Publikum bekäme eher nur die groben Aktionen mit und hätte keinen Sinn für technische Finesse. Wie konnte es dann aber passieren, dass Henry Maske und Sven Ottke zu Stars wurden? Maske, der doch kaum spektakuläre Erfolge erzielen konnte, wurde sogar von einigen Pressevertretern geradezu zu einer „Lichtgestalt“ verklärt. Oder nehmen wir Sven Ottke als Beispiel, der berühmt dafür war, dass er Runden durch wenige Aktionen für sich endschied – und dafür wurde er gefeiert -, dann muss das deutsche Boxpublikum in den letzten 9 Jahren ja enorm an Sachverstand verloren haben.
Kalle Sauerland wurde dann auch noch auf den von Fernsehkommentatoren gerne herangezogenen Begriff des „Heimvorteils“ angesprochen. Dazu erklärte er:
„In welchem Sport gibt es keinen Heimvorteil? Wenn man die Fans auf seiner Seite hat, gibt das immer zusätzliche Kraft und Motivation. Warum zählen in Ballsportarten Auswärtstore doppelt?“ Ja, tun sie das? Ich glaube an dieser Stelle muss ich mich wohl outen: Ich habe einfach keine Ahnung! Jetzt ist es raus, und ich fühle mich sehr viel besser! Ich habe zwar die Regelwerke von BDB, GBA, EBU, IBF, WBC, WBA und WBO gelesen, zum Teil habe ich sie in einer Schublade in meinem Schreibtisch, oder ich weiß, wo ich sie im Internet finden kann. Aber was heißt das schon! Und das Regelwerk der Ballsportarten, bzw. die allgemeine Regel des Heimvorteils, kenne ich natürlich schon gar nicht, jedenfalls bei weitem nicht so gut wie Herr Kalle Sauerland, Fan der Tottenham Hotspurs. Sonst hätte ich doch nicht jahrzehntelang übersehen können, dass bei Fußball, Handball, Basketball und allen anderen Ballsportarten die Auswärtstore doppelt zählen?
Ok, ich bekenne es offen: Ich bin ignorant und habe keinen blassen Schimmer vom Regelwerk.
© Uwe Betker