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Ein lauer Sommerabend in Euskirchen

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Benny Blinder ging ein Risiko ein. Er organisierte eine Oper Air Boxveranstaltung. Und dieser Mut wurde belohnt. Das Wetter war schon mal ideal. Und der Austragungsort, das schöne Erftstadion, war gut gewählt. Der überdachte Ring war vor der Tribüne aufgebaut. Links und rechts waren VIP Tische und dahinter noch zusätzliche Stuhlreihen und Stehtische aufgestellt. Es kamen schätzungsweise 2.000 bis 2.500 Zuschauer. Zu sehen gab es insgesamt 11 Kämpfe, davon fünf Profiboxkämpfe.
Den Anfang machten bei den Profis Hayk Harutyunyan (7 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO, 2 Niederlagen) und Nazar Thiaka (3 Kämpfe, 1 Sieg, 2 Niederlagen) mit einem Vierrunder im Mittelgewicht. Harutyunyan besetzte die Ringmitte und begann die Jagd. Er schob sich hinter seiner Doppeldeckung an Thiaka heran und deckte ihn, wenn er die Möglichkeit sah, mit Kombinationen ein. Dabei waren seine Körperhaken besonders schön. Thiaka lief an den Seilen entlang und hielt manchmal dagegen. Harutyunyan suchte den KO und Thiaka versuchte zu punkten. Es sah so aus, als würde sich die Angelegenheit eindeutig und einseitig entwickeln. Aber weit gefehlt. Ab der zweiten Runde brachte Thiaka mehr Hände ins Ziel, während die Powerpunches von Harutyunyan ihr Ziel nicht fanden. In der dritten Runde erhöhte Thiaka das Tempo und Harutyunyan machte noch weniger. In der vierten Runde versuchte nun Harutyunyan den Kampf zu drehen. Er machte aber zu wenig und verließ sich darauf, mit seinen Haken zum Kopf den Kampf vorzeitig entscheiden zu können. Aber die trafen ihr Ziel nicht. Einstimmiger Punktsieger (37:39, 37:39 und 37:39): Nazar Thiaka – eine Überraschung.
Im Schwergewicht trafen Andy Höschler (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Samuel Zade (8 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen. 6 durch KO). Die beiden Kontrahenten tasteten sich zunächst gegenseitig ab. Es war aber schon nach wenigen Sekunden klar, dass Höschler der bessere Techniker war. Er boxte abgeklärt und systematisch. Zade versuchte, aus dem Gefahrenbereich raus zu kommen und mit Schwingern zu beeindrucken. Am Ende der Runde ging Zade nach einer Schlagkombination zu Boden und der umsichtig agierende GBA Ringrichter Mike Wissenbach zählte bis acht. Nur wenige Sekunden später war die Runde zu Ende und damit auch der Kampf. Zur nächsten Runde trat Zade nämlich nicht mehr an. Er hatte sich die rechte Hand verletzt. Sieger durch TKO in Runde 2: Andy Höschler.

(C) Dominique Tabatabaei


Simon Krebs und Michael Klempert (26 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 21 Niederlagen, 15 durch KO, 3 Unentschieden) bestritten im Halbschwergewicht einen Vierrunder. Krebs, der Debütant, machte seine Sache zunächst gut. Er boxte ruhig und locker an. Wenn er mit seiner Schlaghand durchkam, überhastete er nichts, sondern boxte ruhig weiter. In der ersten Runde gab es insgesamt nur wenige Aktionen. In der zweiten Runde erhöhten beide Boxer das Tempo, wodurch es zu mehr Schlagabtäuschen kam. Die meisten von ihnen konnte Krebs für sich entscheiden. Hinzu kamen Junikäfer, Verwandte der Maikäfer, die vom Licht angelockt, die Boxer ein wenig irritierten. In der dritten Runde machte Klempert mehr Druck und stellte Krebs immer wieder. Der bekam denn auch mehr und mehr Schwierigkeiten. Der Ringrichter Timo Hoffmann hatte praktisch nichts zu tun gehabt. Die vierte Runde dann dominierte Klempert. Am Ende stand eine einstimmiges und gerechtes Unentschieden (38:38, 38:38 und 38:38).
Es folgte ein Achtrunder im Schwergewicht, in dem sich Hussein David Mohammed (12 Kämpfe, 12 Siege 11 durch KO) und Hasan Kurnaz (11 Kämpfe, 5 Siege, 5 durch KO, 6 Niederlagen, 6 durch KO) ihre Kräfte und ihr Können miteinander maßen. Die Junikäfer hatten inzwischen, unter Zurücklassung von knapp einem Dutzend zertretener Artgenossen, fast alle den Rückzug angetreten. Mohammed boxte überlegen, machte aber wenig. Er nutzte seinen Reichweitenvorteil und spielte mit seinem Gegner. Zur zweiten Runde wollte Kurnaz, aufgrund einer Verletzung, nicht mehr antreten. Sieger durch TKO in Runde 2: Hussein David Mohammed.

(C) Dominique Tabatabaei


Den Hauptkampf des Abend bestritt der Veranstalter Benjamin Blindert (11 Kämpfe, 11 Siege, 9 durch KO). Er traf auf Vito Vendetta (21 Kämpfe, 13 Siege, 8 durch KO, 7 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden). Es ging um den vakanten Intercontinental Titel im Halbschwergewicht der GBC. Blindert beherrschte die Ringmitte und trug Vendetta den Kampf an. Dabei zeigte er eine sehr schöne schnelle lange Führhand, mit der er punktete. Vendetta machte sich klein, wich aus und versuchte es mit Überfällen. Nach einer verhaltenen ersten Runde nahm der Kampf im zweiten Durchgang etwas an Fahrt auf. Blindert kam mehrfach mit seiner Rechten durch und Vendetta versuchte, mehr zum Körper zu gehen. In der dritten Runde gelangen Vendetta zwei Aktionen, bei denen er Blindert jeweils mit einem Schlaghagel überraschen konnte. Die nächste Runde dominierte wieder Blindert. Zweimal kam er schön mit dem rechten Cross durch. Zu Anfang der fünften Runde machte Blindert Vendetta stark, indem er in der Halbdistanz blieb. Auch den Rest der Runde konnte er nicht dominieren. In der folgenden Runde wurde der Kampf härter und Ringrichter Arno Pockrandt bekam mehr zu tun. Beide Boxer waren nicht mehr so frisch wie anfangs. Die Abtauche wurden verbissener. Am Ende der siebten Runde nahm Blindert eine Rechte zum Kinn und es sah so aus, als hätte es in seinem Kopf geblitzt. In der achten Runde wurde es noch mal härter. Vendetta hatte seine Momente, wenn er es schaffte, die Distanz zu verkürzen und mit Haken und Schwingern zu punkten. Blindert hatte seine Aktionen, wenn er mit der Führhand seinen Gegner stellte und mit seiner Schlaghand zum Kopf oder Körper nachzog. Mitte der neunten Runde fand sich Vendetta, nach einer Rechten zum Kopf, dann am Boden wieder. Vendetta kam stürmisch zurück in den Kampf, wurde aber immer wieder abgekontert. Auch in der zehnten und letzten Runde suchte Vendetta den KO, fand ihn aber nicht, weil Blindert zu gut boxte. De Punkrichter werteten: 99:90, 98:91 und 97:91. Einstimmiger Punktsieger: Benjamin Blindert.
Benny Blindert hat den Zuschauern in Euskirchen an einem lauen Sommerabend eine schöne Abendunterhaltung geboten. Man kann nur hoffen, dass es bald wieder einen solchen Abend geben wird.
© Uwe Betker

Ein großer Abend in Essen

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Am 03.03.2018 war die Sporthalle am Hallo in Essen Austragungsort einer bemerkenswert guten Profiboxveranstaltung mit neun Profikämpfen. Der Promoter Björn Sothmann stellte seine zweite Veranstaltung auf die Beine.
Den Auftakt machten im Mittelgewicht Alexey Vib und Jalal El-Zein mit einem Vierrunder. Beide waren Debütanten; aber nur Vib sah man das auch an. El-Zein beherrschte die Ringmitte und trieb seinen Gegner vor sich her. Er hatte größte Schwierigkeiten, sich seiner Haut zu erwehren. Bald wurde er denn auch an den Seilen gestellt und ging nach einem Leberhaken runter. GBA Ringrichter Kornelius Bernds zählte ihn aus. Sieger durch KO in Runde 1, nach 1:50 Minute: Jalal El-Zein.
Im Super Mittelgewicht trafen sodann für einen Sechsrunder Azad Dogru (17 Kämpfe, 17 Niederlagen, 17 durch KO) und Vincenco Gualtieri (9 Kämpfe, 9 Siege, 4 durch KO) aufeinander. Gualtieri, der ein Jahr nicht geboxt hatte, spielte mit seinem Gegner nach Belieben. Er trieb ihn vor sich her und beschäftigte ihn mit der Führhand. Nur selten ließ er seine Schlaghand aufblitzen. Am Ende der Runde holte er ihn mit einem linken Körperhaken runter. Ringrichter Thomas Hackenberg zählte bis acht. Kurze Zeit später musste Dogru dann wieder nach einem Körperhaken runter. Dogru erreichte zwar noch mal die Rundenpause, trat aber zur nächsten Runde nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 2: Vincenco Gualtieri.
Danach stiegen Sebastian Tlatlik (13 Kämpfe, 13 Siege, 12 durch KO; 1 Niederlage, 1 durch KO) und Sergej Vib (19 Kämpfe, 10 Siege, 7 durch KO, 9 Niederlagen, 7 durch KO) für einen Zehnrunder in den Ring. Es ging um die Internationale Deutsche Meisterschaft der GBA im Leichtgewicht. Der Herausforderer Tlatlik machte den Kampf. Er trieb Vib vor sich her und bestimmte mit seiner Führhand den Rhythmus. Nur selten schlug er eine Rechte, die vor allem zum Körper ging und die meist ihr Ziel traf. Am Ende der zweiten Runde ging Vib zu Boden und wurde von Ringrichter Arno Pockrandt angezählt, nachdem er eine Rechte zum Hals nehmen musste, etwas, was nur sehr selten zu sehen ist. In der nächsten Runde erhöhte Tlatlik den Druck. Schon nach kurzer Zeit, hatte er Vib in dessen eigenen Ecke gestellt und kam mit einer Rechten zum Kinn durch, die Vib zu Boden brachte. Er kam zwar noch mal hoch, wackelte aber nach, so dass es nur richtig war, dass Pockrandt ihn auszählte. Sieger durch KO in Runde 3, 1:05 Minuten: Sebastian Tlatlik.
Im Halbschwergewicht maßen Mirko Figge und Michael Erdinc (3 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden) in einem Vierrunder ihre Kräfte. Erdinc stand vier Jahren nicht mehr im Ring. Trotzdem dominierte er den Kampf. Er trieb mit seinen harten Schlägen seinen Gegner, eine Debütanten, vor sich her, der sich kaum seiner Haut erwehren konnte. In der zweiten Runde machte Erdinc noch mehr Druck. Eine Rechte zur Schläfe zwang Figge in seiner Ecke zu Boden. Ringrichter Roman Morawiec zählte bis acht. In der dritten Runde musste Figge erneut nach einer Rechten zur Schläfe zu Boden. Diese Szene wiederholte sich wenig später noch mal. Figge gab auf. Sieger durch TKO in Runde 3: Michael Erdinc.
Den fünften Kampf des Abend bestritten Mesud Guenay (9 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 8 Niederlagen, 2 durch KO) und René Oeffner (12 Kämpfe, 11 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage) im Super Mittelgewicht. Oeffner dominierte den Kampf. Er boxte eng und ließ seine rechte Führhand herausfliegen. In der zweiten Runde machte er dann mehr, zeigte aber nur selten seine Schlaghand. Ab der dritten Runde nahm Oeffner dann seine Schlaghand mit und stellte Guenay mehrfach in einer Ecke. In der fünften Runde fing Guenay an zu nehmen. Immer wieder wurde er in einer Ecke gestellt und nahm. Oeffner verteilte gut. In der sechsten Runde ging Oeffner auf KO, der aber nicht kam. Einstimmiger Punktsieger: René Oeffner.

(C) Ania Pospiech

Hiernach stiegen Oleg Harder (4 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO) und Akmal Gertsen (8 Kämpfe, 7 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) für einen Vierrunder im Mittelgewicht in den Ring. Gertsen machte von der ersten Sekunde an Druck und trieb Harder vor sich her. Ein KO lag in der Luft. In der zweiten Runde gab es mehr Schlagabtäusche, wobei Gertsen ein bis zwei Hände mehr ins Ziel brachte. In der dritten Runde wollte Gertsen den KO zu sehr und verlor dadurch ein wenig die boxerische Linie. In der vierten Runde versuchte Harder nun den Kampf zu machen. Dadurch wurde der Kampf munterer. Beide Boxer zeigten gutes Boxen. Einstimmiger Sieger nach Punkten: Akmal Gertsen.
Im Schwergewicht stiegen Shelkim Ademaj (2 Kämpfe, 2 Niederlagen) und Paul Zummach (2 Kämpfe, 2 Siege) für einen Vierrunder in den Ring. Der Kampf war ausgesprochen munter und wogte hin und her. Es gab viele Schlagabtäusche. Beide schenkten sich nichts. Zummach versuchte lang zu boxen, um dann seine Treffer zu landen. Ademaj konterte und schlug Haken. Einstimmiger Sieger nach Punkten: Paul Zummach.
Der letzte Kampf vor dem Hauptkampf war auf sechs Runden angesetzt. Er wurde von Endrit Morina (3 Kämpfe, 3 Niederlagen, 3 durch KO) und Timo Rost (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO) im Super Mittelgewicht bestritten. Rost machte den Kampf und er wollte den KO. Kontinuierlich erhöhte er den Druck. Immer wieder kam er mit harten Treffern zu Körper und Kopf durch. In der zweiten Runde konnte Morina dem Druck kaum noch etwas entgegen setzten und nahm mehr und mehr Schläge. Dann flog ein Handtuch in den Ring: Sieger durch TKO in Runde 2 nach 45 Sekunden: Timo Rost.
Als Showact trat der lokale Rapper Pedaz auf, der ein Lied für Patrick Korte geschrieben hatte, das an diesem Abend seine Premiere hatte. Patrick Korte (13 Kämpfe, 12 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) bestritt auch den Hauptkampf, u.z. gegen Andrei Mazanik (21 Kämpfe, 13 Siege, 10 durch KO; 9 Niederlagen, 8 durch KO). Der auf zehn Runden angesetzte Kampf wurde als Internationale Deutsche Meisterschaft im Schwergewicht GBA angesetzt. Mazanik, der in seinem letzten Kampf gegen Manuel Charr sieben Runde durchgehalten hatte, sollte der erste harte Prüfstein für Korte sein. Der Kampf wurde von der ersten Sekunde an sehr intensiv geführt. Korte ging ein extrem hohes Tempo und versuchte seinen Gegner zu überrollen. Immer wieder kam er mit seinen rechten Haken zum Kopf durch. Das Publikum glaubte an einen vorzeitigen Sieg seines Helden. In der zweiten Runde konterte Mazanik dann aber den ausgepowerten Korte ab. Korte nahm Schlag um Schlag und sank in einer neutralen Ecke zu Boden. Ringrichter Pockrandt zählte bis acht und gab den Kampf wieder frei. Mazanik ließ Korte keine Chance. Kurze Zeit später ging er erneut zu Boden. Sieger durch KO in der Runde 2, nach 1:35 Minuten: Andrei Mazanik.
Die Zuschauer in der Sporthalle am Hallo in Essen sahen eine gute Profiboxveranstaltung, sie sahen aber nicht ihren Lokalmatadoren Patrick Korte gewinnen. Korte ging ganz einfach zu überhastet ans Werk. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung von Korte weiter geht.
(C) Uwe Betker

Rezension: Der Film „Herbert“ von Thomas Stuber – ein großartiger Film

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Es gilt hier ohne Wenn und Aber einen Film zu loben, einen deutschen Film, den Film „Herbert“ von Thomas Stuber. Die wenigsten dürften „Herbert“ im Kino gesehen haben. Also müssen sie sich nun die DVD, die gerade erschienen ist, kaufen. „Herbert“ ist ein grandioser Film. Einen Film von solcher Qualität und Tiefe und mit zudem einem Hauptdarsteller, der eine solche schauspielerische Leistung darbietet, bekommt man nur alle Jubeljahre mal zu sehen.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Das Genre des Boxerfilms ist ja nun weitestgehend durchdekliniert. Die mythischen Geschichten von Sieg und Niederlage, von Aufstieg, Kampf und Fall, sind vermutlich schon hundertfach erzählt worden. – Geschichten über einen Boxer, der Schwierigkeiten überwindet, der durch harte Kämpfe geht, die ihn leiden und bluten lassen, und der schließlich sein Ziel erreicht oder aber scheitert. Oder Boxerfilme, die sich am Aufstieg und Fall von realen Boxern orientieren. Garniert wird das alles immer mit Kampfszenen. Wie gesagt, alles schon ein paar Dutzend Male gesehen und seit Jahren dabei nichts Neues entdeckt.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

„Herbert“ ist eine ganz andere Art von Boxerfilm. Er ist härter, ungeschönter, realistischer als die meisten. „Herbert“ ist wahrhaftig.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Held des Films ist, wie könnte es anders sein, Herbert, ein Brocken, ein Berg von einem Mann. Er ist zwar nicht mehr der jüngste, aber seine Fäuste, seine Muskeln und seine abgebrühte Brutalität sind noch immer sein Kapital. Er verdingt als Geldeintreiber, Türsteher und, wenn es denn der Job erfordert, auch schon mal als Knochenbrecher. Nebenbei trainiert er einen jungen aufstrebenden Amateurboxer, den er auf seinen ersten Titelkampf vorbereitet.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Herbert ist jemand, der niemanden emotional an sich heranlässt. Weder seine Freundin, die er immer wieder wegstößt, noch seinen Boxer noch auch seine schon lange erwachsene Tochter, die er seit ihrem sechsten Lebensjahr nicht mehr gesehen hat, kommen ihm sonderlich nahe. Nur zu seinem Auftraggeber, für den er Schulden mit Wucherzinsen eintreibt, scheint er ein etwas tieferes Gefühl zu entwickeln.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Wir beobachten, wie Herbert, der Mann, der sich immer über seine Physis definiert hat, vor unseren Augen auseinanderfällt und zergeht. Er verliert buchstäblich die Kontrolle über seinen Körper und damit über sein gesamtes Leben. Er hat ALS, eine Erkrankung des Nervensystems, die zu Muskelzucken, Muskelschwund, Schwächung der Sprach-, Kau- und Schluckmuskulatur usw. führt.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Der Film zeigt den schmerzhaften letzten Kampf, den Herbert zu bestreiten hat. Er versucht, die verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen. Er versucht, Gefühle zuzulassen. Den Rest der Handlung verschweige ich hier. Nur das eine sei noch gesagt: Dem Zuschauer wird kein nettes zuckersüßes Happy End vorgesetzt. Es gibt keine Erlösung.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Herbert“ wurde in Leipzig und Halle gedreht. Es handelt sich um das Spielfilmdebüt des Regisseurs und Co-Drehbuchautor Thomas Stuber. Der war Gewinner des Studenten-Oscars und des Deutschen Drehbuchpreises. Und Stuber ist außerdem ein ausgewiesener Kenner der ostdeutschen Boxszene.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Sehr positiv ist, dass Regisseur und Drehbuchautor, Clemens Meyer, den Zuschauern nicht alles erklären. Es wird nicht gesagt, warum Herbert eigentlich so ist, wie er ist. Nur einen Hinweis bekommen wir, der auf den Rücken von Herbert tätowiert ist: Torgau. Der Zuschauer muss hier allerdings schon wissen, wer oder was Torgau nun ist, oder er muss sich eben erkundigen. Der Film jedenfalls bietet keine Erklärung, wie sie dem Zuschauer sonst so häufig aufgezwungen wird, weil viele Macher von Filmen ihren Bildern und ihren Zuschauern nicht trauen mögen.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

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Ein paar Worte über den Schauspieler Peter Kurth. Kurth wurde 2014 als „Schauspieler des Jahres“ ausgezeichnet. Dies ist der wichtigste Preis des deutschen Theaters. Für „Herbert“ bekam er den deutschen Filmpreis 2016 als bester Hauptdarsteller, und das nun wirklich zu Recht. Er spielt geradezu beängstigend gut. Auf der Leinwand bzw. auf dem Bildschirm strahlt er eine unglaubliche Präsenz aus.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Auf die Rolle hat Kurth sich ein halbes Jahr vorbereitet. Er begann mit dem Boxtraining und nahm 14 Kg an Körpergewicht zu. Da der Film chronologisch gedreht wurde, sehen wir, wie Kurth als Herbert im Film immer mehr an Gewicht verlieren.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

Nochmals: Der Film „Herbert“ von Thomas Stuber ist einfach großartig. Er bereichert das Genre Boxerfilm um eine ganz neue Fassette. Den Film muss man gesehen haben.

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

(C) Wild Bunch Germany

(C) Uwe Betker

Freitagnacht in der Diskothek: 10 Profiboxkämpfe incl. einer dicken Überraschung und einer Beinahetragödie

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Nun bin ich schon zum zweiten Mal nach Essen gefahren, um dort in die Diskothek Essence zu gehen. Nicht die Musik und die Go-Go-Tänzerinnen lockten mich, die dort immer zu finden sind, sondern 10 Profiboxkämpfe der zweiten M.A.S. Fight Night. Wie sonst auch bei einer richtigen Nacht in einer Diskothek, wurde der Abend mit zunehmender Dauer immer heißer und interessanter – sogar richtig dramatisch.
Es begann mit einem Amateurkampf, sozusagen als Aufwärmer. Es folgten vier Profikämpfe, die alle sehr kurzrundig waren. Im ersten von ihnen trafen im Halbweltergewicht Rotjar Bilgetekin und Mahir Celik aufeinander. Die Begegnung wirkte etwas seltsam. Bilgetekin begann verhalten, um nicht zu sagen passiv. Celik, der aufgrund seines Alters eigentlich der erfahrenere Mann hätte sein sollen, war aktiver und startete immer wieder kleinere Aktionen, die aber keine Wirkung erzielten. Dann plötzlich wurde Bilgetekin aktiver. Er traf mit einem Körperhaken und sein Gegenüber ging zu Boden. Er kam dann zwar wieder hoch, aber bereits die nächste Aktion zwang ihn wieder zu Boden. Der Ringrichter hatte genug gesehen und brach den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1 nach 2:16 Minuten: Rotjar Bilgetekin.
Der folgende Kampf war nur unerheblich länger. Im Mittelgewicht traten Kasimir Gashi und Azad Dogan gegeneinander an. Gashi der aufreizend lässig ohne Deckung boxte, studierte seinen Gegner am Anfang in Ruhe. Er wirkte sehr überlegen und abgeklärt. Dogan suchte sein Heil in Überfällen, die Gashi locker auspendelte. Dann, ohne Vorbereitung, schlug Gashi eine wunderschöne Rechte zur Schläfe, die Dogan dann auch fällte. Dogan wurde mit dem Rücken auf dem Boden liegend ausgezählt. Sieger durch KO in Runde 1, nach 2:29 Minuten: Kasimir Gashi.
Hiernach kam ein kleiner Showact mit Sprechgesang und dann der Auftritt von Granit Shala (6 Kämpfe, 6 Siege, 6 durch KO). Das passte, denn Shala ist ein Boxer, der seinen Fans eine Show bietet. Allein schon sein Einmarsch ist immer sehenswert. Er traf im Leichtgewicht auf Yilmaz Carder. Shala deckte seinen Gegner von Anfang an mit Schlagkombinationen ein. Immer wieder ging er zum Körper, um die Deckung herunter zu ziehen. Dann stellte er Carder in dessen Ecke und ließ ihn nicht mehr heraus. Ein rechter Kopfhaken zwang Carder zu Boden. Er kam nicht mehr rechtzeitig hoch und wurde ausgezählt. KO Sieg in Runde 1, nach 1:21 Minuten: Granit Shala.
Der vierte Kampf war der kürzeste des Abends. Der Super Mittelgewichtler René Oeffner (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO)traf auf Pierre Kerstan (6 Kämpfe, 6 Niederlagen, 5 durch KO). Oeffner erzielte bereits mit seiner ersten Aktion Wirkung. Eine linke Grade zum Kopf, dann eine linke Grade zum Körper, die nächste linke Grade zum Kopf – und das war auch schon das Ende des Kampfes. Die folgenden zwei, drei Haken zum Kopf des Torkelnden waren dann nur noch Makulatur. Kerstan ging zu Boden und wurde ausgezählt. Sieger durch KO in Runde 1, nach 38 Sekunden René Oeffner.
Dann folgte der einzige Frauboxkampf des Abends. Im Leichtgewicht standen sich Beke Bas, die ihr Profidebüt gab, und Cagla Acar (4 Kämpfe, 4 Niederlagen, 1 durch KO) gegenüber. Um es gleich vorweg zu sagen, der Kampf den beiden Frauen war, in meinen Augen, regelrecht eine Werbung fürs Frauenboxen. Bas, die kleiner ist als ihre Gegnerin, war die aggressivere Boxerin. Sie ging vier Runden nach vorne. Acar, die vom Kickboxen kommt, hielt dagegen. Immer wieder kam es zum Schlagabtausch, wobei meist Bas die Oberhand behielt. Aber sie musste auch einige Schläge einstecken, weil Acar bis zur letzten Sekunde mitkämpfte. Punktsiegerin nach 4 Runden: Beke Bas.
Im nächsten Kampf traten Super Mittelgewicht David Sardic (5 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO)und Cemal Gülsen (3 Kämpfe, 1 Sieg, 2 Niederlagen, 2 durch KO) gegeneinander an. Sardic, der größere von beiden, boxte schön lang. Gülsen suchte den Erfolg mit Schwingern zu erzwingen, die aber ihr Ziel nicht fanden. Sardic verteilte seine Schläge gut. In der zweiten Runde deckte Sardic seinen Gegner mit Körperhaken ein, die ihn zweimal zu Boden zwangen. Der Trainer warf das Handtuch, um seinen Schützling vor Schlimmerem zu bewahren. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 40 Sekunden: David Sardic.
Mohamed Bekdasch (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO)bestritt seinen zweiten Profikampf. Er trat im Cruisergewicht gegen den schlaksigen Timur Octatürk an. Bekdasch dominierte die erste Runde mit seinen Graden, die er durch die Mitte zum Kopf schlug. Jedoch war er nach diesen Aktionen offen und nahm deshalb auch immer wieder die Konter von Octatürk. Bekdasch erhöhte in der folgenden Runde den Druck. Er kam mit zwei Körperhaken durch, die seinen Gegner in Schwierigkeiten brachten. Bekdasch setzte nach und drängte ihn an die Seile. Octatürk versuchte auszuweichen, fand sich aber nur in der neutralen Ecke wieder wo ihn Bekdasch nicht mehr herausließ. Nachdem Octatürk dort geschätzte zwei dutzend Schläge genommen hatte, während er selber keinen einzigen Schlag versucht hatte, nahm der Ringrichter ihn aus dem Kampf. Octatürk und seine Ecke beschwerten sich dann über diese Entscheidung, aber sie war absolut regelkonform und daher korrekt. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 1:59 Minuten: Mohamed Bekdasch.
Der folgende achte Kampf, sollte einer der Höhepunkte des Abends werden. In ihm trafen Nawid Hakimsadeh (6 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO)und Ziya Koklap, der sein Profidebüt gab, aufeinander. Was auf dem Papier wie eine einfache Sache für Hakimsadeh aussah, entwickelte sich zu einer geradezu epischen Ringschlacht. Was die beiden Krieger, denn es war ein Krieg, den die beiden ausfochten, zeigten, war einer der besten Vierrunder, die ich je gesehen habe.
Von der ersten bis zur letzten Sekunde suchte Hakimsadeh den KO-Erfolg. Er griff seinen Gegner nahezu ununterbrochen an. Der aber fightetet mit. Hakimsadeh war der klar bessere Boxer, aber er ging immer und immer wieder relativ offen in den Schlagabtausch. Zwar behielt er dabei so gut wie immer die Oberhand, aber er musste auch viele sehr harte Kopftreffer nehmen, die ihr Ziel durch die Deckung von Hakimsadeh fanden. In der dritten Runde wurde ihm ein Punkt abgezogen, weil er seit der zweiten Runde viermal seinen Mundschutz verloren hatte. Der unglaublich intensiv geführte Kampf endete mit einem klaren und eindeutigen Punktsieg für Nawid Hakimsadeh.
Nach dem Kampf verzögerte sich dann der Fortgang der Veranstaltung. Hakimsadeh war in seiner Kabine zusammengebrochen. Es wurde kolportiert, er habe hyperventiliert. Andere behaupteten, er habe gekrampft. Die am Ring sitzenden Rettungssanitäter, die sofort reagierten, schafften ihn jedenfalls mit dem vor der Halle stehenden Krankenwagen in ein Krankenhaus. Hakimsadehs Trainer Youssef Ramadan teilte später via Facebook mit, es ginge ihm inzwischen besser. Hakimsadeh ist wohl noch immer im Krankenhaus. Für seinen großartigen Kampf zahlt er einen hohen Preis. Wir können nur hoffen, dass Hakimsadeh vollständig genesen wird.
Im vorletzte Kampf des Abends maßen im Super Mittelgewicht Tiran Metz alias Tiran Mkrtschjan (16 Kämpfe, 11 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage, 4 Unentschieden)und Moris Markowitsch (3 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 2 Niederlagen, 1 Unentschieden) ihre Kräfte. Der Kampf ging über die angesetzten vier Runden und war relativ knapp. Metz war zwar der bessere Boxer, aber Markowitsch hatte auch seine Momente. Er bekam in der zweiten Runde einen Cut im Haaransatz, der aber den Kampfverlauf nicht beeinflusste. Am Ende des hart geführten Kampfes gab es einen Sieger nach Punkten: Tiran Mkrtschjan.
Im Hauptkampf kämpften schließlich Christian Pawlak (30 Kämpfe, 21 Siege, 12 durch KO, 8 Niederlagen. 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Yesilat Berkta (20 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO, 17 Niederlagen, 7 durch KO) im Super Mittelgewicht gegeneinander. Hier erlebte das Publikum nun eine faustdicke Überraschung. Irgendwann nach nicht einmal einer Minute stand Pawlak an den Ringseilen und kam nicht mehr weg. Offensichtlich hatte der krasse Außenseiter Berkta ihn hart getroffen – ein Schlag, den ich aber nicht so gesehen habe. Pawlak jedenfalls stand in den Seilen und kam einfach nicht mehr weg. Er versuchte zwar durch Wegschupsen des Gegners noch mal raus zu kommen, aber Berkta machte seine Sache gut. Schlagkombination auf Schlagkombination prasselte auf Pawlak ein. Da konnte die Ecke von Pawlak noch so laut schreien, er kam einfach von den Seilen nicht weg. Mittlerweile hatte sich unter seiner rechten Braue auch ein tiefer Cut geöffnete, der stark blutete. Immer weniger Gegenwehr konnte er leisten. Als er dann in der neutralen Ecke gestellt wurde und nur noch nahm, ging der Ringrichter schließlich dazwischen. Er zählte ihn im Stehen an. Dann rief er den Ringarzt, der sich die Platzwunde ansah und zum Abbruch riet. Der Ringrichter beendete den Kampf. Sieger durch TKO in Runde 1, nach 1:50 Minute: Yesilat Berkta.
Diskothek Essence ist ein guter Ort für Profiboxen, und M.A.S. Boxpromotion hat eine wirklich gute Veranstaltung auf die Beine gestellt. Es waren Talente zu sehen, denen eventuell die Zukunft gehört. Es wurden gute, sehr gute und sogar richtig dramatische Kämpfe geboten – und das ist schließlich mehr, als man von den meisten Veranstaltungen sagen kann. Es bleibt nur noch zu hoffen, dass Nawid Hakimsadeh als gesunder Mann das Krankenhaus wieder verlassen kann.
© Uwe Betker