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Der Tanz um das goldene Kalb

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Es gibt ein goldenes Kalb im Profiboxen in Deutschland, um dass alle herumtanzen. Das goldene Kalb ist bekanntlich, laut biblischer Überlieferung, ein Götzenbild, das die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten schufen, während Moses auf dem Berg Sinai war, wo er die zehn Gebote erhielt.
Im deutschen Profiboxen ist das Götzenbild nicht aus Gold, vielmehr besteht das, was so viele in diesem Bereich anbeten, aus drei Großbuchstaben oder aus drei Großbuchstaben, einem Satzzeichen und einer Zahl. Alles dreht sich um RTL und SAT.1, die beiden TV Sender, die Profiboxen zeigen. Zu bemerken ist dabei allerdings, dass RTL ja eigentlich nur die Klitschkos zeigt und SAT.1 zum führenden Boxsender in Deutschland geworden ist. Für den Sender aus Unterföhring boxen die Sauerland Event GmbH, SES Sport Events Steinforth GmbH und Sturm Box-Promotion, also die drei Veranstalter, die das Glück hatten, einen Fernsehvertrag bekommen zu haben.
Die Konzentration auf einen Sender eröffnet nun Perspektiven, die es vorher nicht gab. Noch vor kurzem war es beispielsweise kaum denkbar, dass ein Hauptkämpfer des einen deutschen Veranstalters gegen den eines anderen antritt. Jetzt aber konnte eine Boulevardzeitungen titeln „Box-Sensation: Abraham gegen Sturm schon im Juni?“ Auch geisterte schon etwas von einem Turnier im Super Mittelgewicht durch die Presse mit Arthur Abraham (45 Kämpfe, 41 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO), Felix Sturm (47 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden), Robert Stieglitz (52 Kämpfe, 47 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlage, 2 durch KO, 1 Unentschieden), Jürgen Brähmer (47 Kämpfe, 45 Siege, 33 durch KO, 2 Niederlagen) sowie Tyron Zeuge (16 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO) und Vincent Feigenbutz (19 Siege, 18 Siege, 17 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Ich persönlich bin dabei allerdings der Meinung, dass wenn man schon Zeuge und Feigenbutz bei dem Turnier mitmachen lässt, dann sollte man auch Jürgen Doberstein (19 Kämpfe, 17 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) mit einladen, auch wenn er nicht bei einem der drei Veranstalter unter Vertrag ist.
Wenn nun der Boxfan Glück hat und der Götze SAT.1 es so will, dann werden viele Kämpfe zu sehen sein, auf die viele lange vergeblich gewartet haben. Dann ist auch Schluss mit so Ausflüchten, wie „X ist viel zu schwach für mich“ und „Y will sich nur auf meine Kosten profilieren“.
Der Tanz um das goldene Kalb hatte für der Israeliten jedoch böse Folgen. Moses zerschlug nicht nur nach seiner Rückkehr den Götzen, sondern es wurden von den abgefallenen Anhängern auch gleich 3.000 Menschen erschlagen. Auch für die vier Hauptprotagonisten ist ein solches Turnier nicht ohne erhebliche Risiken. Avetik Abrahamyan ist 34, Adnan Catic ist 36, Sergey Shtikhlits ist 33 und Jürgen Brähmer ist 36 Jahre alt. Alle vier Boxer stehen also weitgehend am Ende ihrer Karriere. Nach einer schweren KO Niederlage dürfte keiner von ihnen noch mal im Fernsehen zu sehen sein. Es macht auch keinen Sinn vier bzw. sechs Boxer in einer Gewichtsklasse gleichzeitig als die besten und stärksten zu vermarkten. Es wird also eine Auslese getroffen.
SAT.1 hat das Profiboxen im deutschen Fernsehen praktisch monopolisiert – Klitschko TV, Spartenfernseh- und Regionalsender lassen wir hier mal außen vor. Dementsprechend können sie auch die Regeln bestimmen. Bei aller Euphorie für hoffentlich spannende Kämpfe ist doch zu befürchten, dass es nur ein Tanz um einen Abgott wird, dass wir wiederum nur ein lokales Ereignis zu erwarten haben. Es steht zu befürchten, dass die angekündigten senderinternen Kämpfe die alleinigen Höhepunkte sein werden und auf längere Sicht noch weniger gute Boxer aus dem Ausland für hiesige Kämpfe gebucht werden. Es könnte also passieren, dass die Entwicklung in Richtung auf eine fortwährende umetikettierte Deutsche Meisterschaft geht.
© Uwe Betker

Sauerland Event und die Medien

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Wenn man Boxzeitschriften und Internetportale durchliest, kann man den Eindruck gewinnen, als ob die ganze Boxwelt, zumindest die deutsche, in dem Wunsch vereint wäre, Arthur Abraham (40 Kämpfe, 36 Siege, 28 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) solle so schnell wie möglich wieder gegen Robert Stieglitz (48 Kämpfe, 45 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO) boxen. Ich kann mich da aber des Verdachts nicht erwehren, dass wir hier nur Zeugen einer sehr geschickten PR Kampagne sind.
Zur Erinnerung: Am 22.08.2011 wurde Stieglitz durch ein TKO in Runde 11 über Karoly Balzsay Weltmeister der WBO, World Boxing Organization, im Super Mittelgewicht. Zur gleichen Zeit war Arthur Abraham schon über zweieinhalb Jahre Weltmeister der IBF, International Boxing Federation, im Mittelgewicht. Am 25.08.2012 verlor Stieglitz seinen Titel an Abraham durch eine Punktniederlage. Avetik Abrahamyan war eine Gewichtsklasse aufgestiegen und hatte im Super Six Turnier drei bittere Niederlagen einstecken müssen. Nachdem beide noch einen weiteren Kampf absolviert hatten, kämpften Abraham und Stieglitz dann am 23.03.2013 wieder gegeneinander. Der Ausgang ist bekannt: Abraham gab nach der dritten Runde auf und Sergey Shtikhlits war erneut Weltmeister der WBO. Der Rückkampf kam zustande, weil der Kampfvertrag zum ersten Kampf eine Rückkampfklausel enthielt.
Nun ist allerorten zu lesen, dass die Boxfans einen Rückkampf fordern. Natürlich wäre ein Rückkampf nicht schlecht. Natürlich wäre es interessant zu sehen, wie Abraham gegen den Mann boxt, gegen den er aufgegeben hatte. Wieso sollte aber Stieglitz wieder gegen Abraham boxen? Er hat seinen Rückkampf nur bekommen, weil es eine Rückkampfklausel gab.
Beide Boxer sind bei verschiedenen Veranstaltern unter Vertrag, Abraham bei Sauerland Event und Stieglitz bei SES Boxing. Durch den Sieg über Abraham hat SES einen Fernsehvertrag mit SAT1 bekommen. Dadurch bekommen die Boxinteressierten jetzt mehr Boxen im Fernsehen zu sehen. Aber kann SES nun ein Interesse daran haben, Stieglitz der Gefahr auszusetzen, seinen Titel an Abraham wieder zu verlieren und damit womöglich auch den TV Vertrag?
Wenn jetzt auf der Seite von Sauerland mit Fairness argumentiert wird, dann wird es für mich schon absurd. Profiboxen hat schließlich nur sehr wenig mit Fairness zu tun und das Profiboxen von Sauerland Event noch weniger. Hat Marco Huck Ola Afolabi einen Rückkampf gegeben, nachdem er ihm am 05.12.2009 recht umstritten den WM Titel abgenommen hatte? Hat Marco Huck Denis Lebedev einen Rückkampf gegeben, nachdem man ihm am 18.12.2010 den Sieg zugeschanzt hatte?
Damals gab es keine lauten Rufe nach einem Rückkampf. Viele Medien schwiegen damals offensichtlich aus Rücksichtnahme. Beide Rückkämpfe hätte wohl Huck nicht gewonnen, jedenfalls nicht wenn gute Punktrichter am Ring gesessen hätten. Die Öffentlichkeit schwieg. Es ging ja schließlich darum, das Boxen in Deutschland nicht zu schädigen. Dass es dabei allerdings nicht ums Boxen allgemein, sondern um das Boxen von Sauerland Event ging, verloren viele aus den Augen. Da haben sich nicht wenige doch mit den Interessen eines einzelnen Veranstalters gemein gemacht.
Wenn also heute zu lesen ist, die Öffentlichkeit fordere nun eine dritte Auflage von Abraham vs. Stieglitz, dann werde ich ganz einfach misstrauisch. Offensichtlich werden hier doch wieder nur die Sonderinteressen von Sauerland Event über die von SES Boxing gestellt.
Als Boxinteressiertem ist es mir aber doch lieber, wenn mehrere Veranstalter Fernsehverträge haben und Boxen zeigen, als wenn nur ein Veranstalter das Boxen in Deutschland monopolisiert. Natürlich wäre ein drittes Aufeinandertreffen von Abraham und Stieglitz möglich. Es kann zu dem Kampf kommen – nämlich dann, wenn Abraham weiter aktiv bleibt, wenn er dann auch wieder gegen bessere Boxer antritt und schließlich wieder Pflichtherausforderer der WBO wird.
Ich persönlich hätte es allerdings seinerzeit viel lieber gesehen, wenn Sauerland Event und Marco Huck 2010 den Mut gehabt hätten, gegen Ola Afolabi anzutreten oder sich Denis Lebedev erneut zu stellen.
Ich selbst halte es für höchst problematisch, wenn sich einzelne Journalisten und Medien nicht nur von einem Veranstalter instrumentalisieren lassen, sondern auch noch deren finanzielle Interessen vertreten. Denn machen wir uns nichts vor! Wenn Sauerland Event nach einem Rückkampf ruft, dann geht es nur in zweiter Linie um Sport. In erster Linie geht es darum, sich einen quotenträchtigen Hauptkämpfer zu erhalten, um den Vertrag mit der ARD erfüllen zu können.
© Uwe Betker

Verlierer – überall Verlierer

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Robert Stieglitz (42 Kämpfe, 40 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) ist weiterhin Weltmeister der WBO im Super Mittelgewicht. Der Fernsehsender SAT1 hat seinen zweiten Box-Weltmeister und damit seinen zweiten Hauptkämpfer gefunden, der eine gute Quote bringt. Stieglitz Kampf gegen Khoren Gevor (37 Kämpfe, 31 Siege, 16 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO) stellte über weite Strecken ein intensiv geführtes Gefecht dar und war dann dementsprechend unterhaltsam. Dennoch sehe ich, wohin sich mein Blick auch immer wendet, nur Verlierer.
Im Vorfeld der Übertragung waren von Seiten des TV-Senders SAT1 seltsame Töne zu hören. Da ließ man Stieglitz in einem Trailer martialisch verkünden: „Ich kann jeden vernichten.“ Ich persönlich halte die Verwendung von solchen Begriffen wie „vernichten“ und „Vernichtung“ im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen und als Ankündigung für einen – hoffentlich fairen – sportlichen Kampf schlicht für schlechten Stil. Es kann ja sein, dass ich hier überempfindlich reagiere, aber ich kann es einfach nicht gut finden, wenn ein Mensch ankündigt einen anderen vernichten zu wollen.
In dem schon angesprochen Werbespot hat mir außerdem noch missfallen, dass der Herausforderer als der „gebürtige Armenier Khoren Gevor“ bezeichnet wird, der Weltmeister aber lediglich mit seinem Namen vorgestellt wurde, ohne Nennung zusätzlicher Attribute. Man hätte dann z.B. auch erwähnen können, dass Robert Stieglitz als Sergey Shtikhlits in Jeisk in der Sowjetunion, dem heutigen Russland, geboren wurde.
Der Kommentator am Ring, Wolff-Christoph Fuss, scheint sein Handwerk beim ZDF gelernt und bei SAT1 zur Vollendung gebracht zu haben. Nach meiner Erinnerung kam kein einziges kritisches Wort gegen Stieglitz über seine Lippen. Selbst wenn er einen harten Kopftreffer nehmen musste, was auch tatsächlich immer mal vorkam, wurde darüber einfach hinweggegangen. Mir scheint, SAT1 will das ZDF an Schönrednerei ihrer Boxveranstaltungen noch übertreffen. Ihrer Glaubwürdigkeit dürfte das allerdings nicht gut tun.
Der Ringrichter Manfred Küchler agierte mehr als nur unglücklich. Als er Gevor disqualifizierte, hatte er nach meinem Dafürhalten dafür keinen Grund. Wenn der Kopfstoß, den er dafür zum Anlass nahm, wirklich absichtlich erfolgt war, so hätte er genauso gut auch eine Verwarnung mit Punktabzug aussprechen können. Damit hätte er dann auch angezeigt, dass der Cut von Stieglitz durch ein absichtliches Foul entstanden war, so dass er nicht kampfentscheidend hätte werden können. Allerdings glaube ich persönlich, der Cut ist bei dem anschließenden Gerangel entstanden, bei dem beide gemeinsam zu Boden gegangen sind.
Manfred Küchler sah nicht etwa ein grobes Foul, das er dann bestrafte. Nein, dann hätte er nicht beide Boxer erst aufstehen lassen, um den Cut persönlich zu begutachten. Danach schickte er Gevor erst in die neutrale Ecke und holte eine zweite Meinung, die des Ringarztes, über die Schwere der Verletzung ein. Erst jetzt ging er hin und disqualifizierte Gevor, u. z. mehr als eine Minute nach dem Foul. Mit dieser ganzen Aktion erweckte Küchler bei mir den Eindruck, dass er dem Veranstalter mit seiner Entscheidung einen Gefallen tun wollte.
Zur sportlichen Auseinandersetzung ist zu sagen: Robert Stieglitz zeigte eine solide Leistung. Glänzen er konnte aber nicht. Er war bei weitem nicht so dominant wie es uns Herr Fuss weismachen will. Er ist zurzeit die Nummer 6 der unabhängigen Weltrangliste und was er im Kampf gezeigt hat, lässt diese Platzierung berechtigt erscheinen. Er ist ein wirklich guter Super-Mittelgewichtler – mehr aber auch nicht. Ob seine Leistung nun wirklich weltmeisterlich war, kann ja jeder selber entscheiden.
Das Verhalten von Khoren Gevor vor, im und nach dem Kampf kann man allerdings auch zumindest kontrovers diskutieren. Den Trainer von Stieglitz und dann anschließend noch den Ringrichter Küchler anzugreifen, geht für mich ganz und gar nicht. Egal was passiert ist, ein Profiboxer muss sich soweit unter Kontrolle haben, dass ihm dergleichen nicht passiert. Damit hat er sich in meinen Augen diskreditiert.
Wohin ich sehe, ich sehe nur Verlierer.
© Uwe Betker

PS: Ich hatte ursprünglich geschrieben, dass Robert Stieglitz Geburtsname Sergei Stieglitz und nicht Sergey Shtikhlits ist.