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Rezension: „The Hurt Business“ von George Kimball und John Schulian
Sind sie gut, dann finden sich in Sammlungen von Artikeln über Boxen immer die gleichen Autoren. Da sind einmal die Klassiker: unter anderem Jack London, W.C. Heinz, John Lardener, A.J. Liebing, George Plimpton, Norman Mailer, Leonard Gardener, Budd Schulberg, Thomas Hauser, Joyce Caroll Oates … – alles Autoren, auf die man eben in gut sortierten Bibliotheken von Boxbüchern so stößt. Natürlich sind sie auch in dem Reader von George Kimball und John Schulian zu finden.
Gleichwohl stellt die Sammlung „The Hurt Business“ auch für den gut sortierten Bibliotheksbesitzer eine Bereicherung dar. Erstmal gefällt mir, dass jedem Artikel eine kurze, durchaus instruktive, biographische Notiz zum Autor vorangestellt ist. Dann sind in diesem Buch aber auch noch außerordentlich lesenswerte Artikel von „Edelfedern“ us-amerikanischer Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, die sich nicht so häufig mit dem Profiboxen beschäftigt haben. Wir haben hier also Reportagen, die sich in besagten Bibliotheken sonst eben nicht finden. Insgesamt enthält das Buch 50 Reportagen.
Es fällt dabei auf, dass diese „Edelfedern“ nicht nur exzellent schreiben können, sondern sie verfügen tatsächlich auch über ein großes Fachwissen. Ein Mehr an solchem Fachwissen würde man auch Redakteuren deutscher Zeitschriften wünschen. Auch kann man wieder einmal feststellen, dass es im englischen und us-amerikanischen Journalismus eine Form der Berichterstattung übers Profiboxen gibt, die Hierzulande kaum oder gar nicht gepflegt wird. Was es dafür nämlich einfach braucht, ist: Fachwissen, guter Stil, Sympathie und gleichzeitig Distanz zum Gegenstand, die Fähigkeit, eine eigene Meinung auszudrücken, sowie die Fähigkeit und der Wille zur Kritik.
Am meisten hat mich ein Artikel von James Baldwin (The Fight: Liston vs. Patterson) überrascht, zum einen, weil Baldwin definitiv noch nie ein Lieblingsschriftsteller von mir war und zum anderen, weil er auch sicher kein Boxfachmann ist. Dennoch fand ich den Baldwin-Artikel über Floyd Patterson und Sonny Liston absolut großartig geschrieben. – Was ich sagen will: Das Buch ist ganz besonders lesenswert und eine Bereicherung für jede Bibliothek.
(C) Uwe Betker
Gastbeitrag von Jean-Marcel Nartz: Die Klasse aller Klassen
Seit 1892 gab es stets in der Klasse aller Klassen Ausnahmeboxer, die die Szene beherrschten. Es gab immer einen Superstar, der als unbesiegbar galt, was allerdings nicht immer stimmte, denn so manch unbekannter Herausforderer sorgte mit einen Schlag für eine Sensation. Das ist das, was das zahlende Publikum so liebt am Schwergewichtsboxen.
Kommen wir zu einigen Stars, die als unschlagbar galten, aber alle dann doch, außer Rocky Marciano, irgendwann mal verloren. Es begann 1899 mit dem Amerikaner James J. Jeffries, der bis 1904 sechsmal den Titel verteidigte. Damals gab es noch keine Rundenzahlen. Es ging immer bis zur Dunkelheit – immer bis zur totalen Entscheidung. 25 Runden waren damals nicht unüblich und wenn es Flutlicht gegeben hätte, dann wäre es auch länger gegangen!
Später war es dann von 1919 bis 1923 Jack Dempsey, der fünfmal den Titel verteidigte und dann sensationell gegen Gene Tunney verlor. Dann kam Max Schmeling, der einmal den Titel verteidigte und dann wechselte alles nach jeden Kampf, bis 1937 Joe Louis kam, der bis 1948 25 (!) mal den Titel verteidigte. Dann kam der einzige Schwergewichtsweltmeister, der ungeschlagen abtrat, Rocky Marciano, der von 1952 bis 1955 sechsmal den Titel verteidigte.
Zu bedenken ist bis 1962, dass es immer nur einen Verband gab und nicht 17 wie heute! 1964 kam Cassius Clay (später Muhammad Ali), der Liston stoppte und bis zu seiner Verhaftung wegen Fahnenflucht 1967 achtmal seinen WBC-Titel verteidigte und erst 1974 wieder Champion wurde, wo er bis 1978 neunmal den Titel verteidigte. Er war und ist der Größte aller Zeiten! In Abwesenheit von Ali dominierte der Strassenfighter Joe Frazier von 1969 bis 1973 als Titelträger mit acht Titelverteidigungen. Es folgte George Foreman von 1973-1974 mit zwei Titelverteidigungen, bevor in den Kampf gegen Ali antrat und vorzeitig verlor.V on 1978 bis 1985 war Larry Holmes der neue Superweltmeister, der zwanzigmal den Titel verteidigte, ehe ihn Michael Spinks über 15(!) Runden auspunktete. 1986 kam, sah und siegte nur noch der damals jüngste Weltmeister aller Zeiten im Schwergewicht, Mike Tyson, der bis 1990 zehnmal den Titel verteidigte. Evander Holyfield verteidigte bis 1994 dreimal den Titel, den er dann an Michael Moorer verlor, diesen sich 1996 von WBA-Weltmeister Tyson wieder holte und 1999 nach drei Titelverteidigungen an Lennox Lewis wieder verlor. Lewis war mit kurzer Unterbrechung von 1993 bis 2003 WBC-Weltmeister und hat den Titel 22 mal verteidigt.
WBO-Weltmeister war Vitali Klitschko von 1999 bis 2000 und verteidigte zweimal den Titel. Dann wurde er von 2004-2014 WBC-Weltmeister mit 11 Titelverteidigungen.Von 2000 bis 2003 war dann Wladimir Klitschko WBO-Weltmeister mit 5 Titelverteidigungen.2006 holte er sich den IBF-Titel. Es folgten bis zum heutigen Tag den Titelgewinne von WBA-und-WBO und insgesamt 15 Titelverteidigungen. Der achtunddreißigjährige Klitschko hat die Weltranglisten rauf und runter geboxt und außer Überheblichkeit und Unachtsamkeit kann ihn keiner stoppen.
(C) Jean-Marcel Nartz
Notizen zu Willi Besmanoff (2.)
Es gibt Kampfrekorde, die flößen mir schlicht Ehrfurcht ein. Eventuell liegt es daran, dass ich etwas altmodisch bin, aber es sind nur selten welche von heutigen Boxern. Das hat zum Teil damit zu tun, dass heute Boxer durch die Macht von einflussreichen Veranstaltern sehr viel mehr beschützt werden als Boxer es in früheren Zeiten wurden.
Einer von jenen Kampfrekorden, die mir Ehrfurcht einflößen, ist der von Willi Besmanoff. Der in München geborene (04.10.1932) Besmanoff wurde 1952 im Alter von 19 Jahren Profi. Seinen ersten Kampf (15.08.1952) verlor er direkt durch KO in Runde 4 gegen eine gewissen Heinz Schreiber. Die ersten vier Jahre seinen Karriere boxte er, abgesehen von Abstechern nach Luxemburg und Mailand, ausschließlich in Deutschland. Am Ende dieser ersten vier Jahre standen 48 Kämpfe, 35 Siege, 15 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO, und 7 Unentschieden sowie ein missglückter Versuch, gegen Willi Hoepner (25.11.1955) deutscher Meister im Halbschwergewicht zu werden, in seinem Kampfpass. Heute würden nicht wenige Boxer bei einem solchen Kampfrekord ihre Handschuhe an den Nagel hängen. Aber die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren anders.
Willi Besmanoffs Karriere fing jetzt erst richtig an. Er ging in die USA. Hier boxte er gegen alles, was Rang und Namen hatte zwischen Halbschwergewicht und Schwergewicht: Yvon Durelle (25.09.1957, L 10), Willie Pastrano (27.11.1957, L 10), Archie Moore (02.05.1958, L 10 und 25.05.1960, L TKO 10), Zora Folley (07.04.1959 L 10 und 16.09.1960, L 10), Eddie Machen (16.09.1959, L 10), Sonny Liston (09.12.1959, L TKO 7), Pete Rademacher (13.12.1960, L 10), George Chuvalo (27.06.1961, L TKO 4, 04.04.1973, L TKO 3 und 27.05.1967, L TKO 3), Muhammad Ali (29.11.1961, L TKO 7) und Bob Foster (11.12.1963, L KO 3), um nur die namhaftesten seiner Gegner zu nennen. Schaut man auf die oben aufgeführten Ergebnisse, so kann man sich vorstellen, dass es keine leichte Art war, sein Geld zu verdienen. Am 01.08.1967 bestritt er seinen letzten Kampf. Er stand 15 Jahre als Profi im Ring. Heute lebt er in einem Pflegeheim.
Willi Besmanoff:
93 Kämpfe
51 Siege davon 19 durch KO
34 Niederlagen davon 11 durch KO
8 Unentschieden
688 geboxte Runden
Ich würde gerne sehr viel mehr über ihn wissen.
© Uwe Betker