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Ein Abgesang aufs Profiboxen

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Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 18. Oktober 2017 unter der Rubrik „Sport im TV“ einen Kommentar mit dem Titel „Im Boxen wurde zu lange getrickst“. Dieser Kommentar stellt nicht nur einen Abgesang auf das Profiboxen in Deutschland dar, sondern liefert außerdem eine sehr zutreffende Analyse der Ursachen für diesen Niedergang.
Grundannahme des Kommentars ist, dass Boxen eigentlich ein idealer Fernsehsport ist, nicht zuletzt weil die Regeln einfach zu verstehen sind. Es stehen sich in einem Ring zwei Frauen oder Männer gegenüber, die sich ausschließlich mit ihren Händen und nur oberhalb der Gürtellinie schlagen dürfen. Wer häufiger oder stärker trifft, hat am Ende gewonnen.
Gleichwohl ist Boxen inzwischen nicht mehr „deutsche TV-Sportart Nummer drei hinter dem Fußball und der Formel 1“. Durch den Wechsel der Übertragungsrechte für die Veranstaltungen des Sauerland-Teams von Sat1 zu Sport1, ist das Boxen aus den großen Fernsehsendern sogar ganz verschwunden. Dabei bietet Boxen eine Geschichte, die die Fernsehzuschauer als Samstagabendunterhaltung doch sehen wollen. Es geht im Grunde um Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg einer Person. Nun ist es aber genau dieses Drama, das den Zuschauern von den Veranstaltern vorenthalten worden ist. Die haben nämlich ihre Boxer „geschützt…, durch die Auswahl eines harmlosen Gegners oder, viel dramatischer, durch Unterstützung der Punktrichter.“ Die Macher des Profiboxens dachten lange Zeit, „dass all die kleinen und großen Trickserein keinem auffallen würden.“ Hinzu kommt, dass Ankündigungen von Kämpfen einfach nicht hielten, was sie versprochen hatten. Das hatte schließlich zum Resultat, dass die Fernsehzuschauer ausschalteten, bzw. eben nicht mehr einschalteten.
Als, wenn auch vielleicht etwas schaler, Trost mag dienen, dass man den Wechsel zu Sport1 für das deutsche Boxen auch als Chance betrachten kann. Die Kampfabende werden nämlich nun in einem Sparten- bzw. Sportsender übertragen werden. Das lässt doch immerhin erwarten, dass nun auch Sport gezeigt werden sollte. Und muss man denn nicht sagen, dass nur so sowohl die Zuschauer zurückerobert werden als „auch der angekündigte Aufbau der nächsten Generation gelingen“ kann. „Er kann aber nur gelingen, wenn Sauerland und überhaupt der Boxsport wieder den ernst nimmt, der all den Sport und all das Getöse darum finanziert: den Fernsehzuschauer.“
Der Kommentar von Benedikt Warmbrunn in der SZ belegt, dass die Sportredaktionen der Tageszeitungen durchaus unzufrieden mit dem waren, was sie als Profiboxen geboten bekommen haben. Die „Trickserein“ sind aufgefallen. Das alles macht es nun möglichen neuen Boxern und Veranstaltern sehr schwer, überhaupt noch mal in die Zeitungen zu kommen. Landauf und landab dürfte das Misstrauen in den Sportredaktionen inzwischen ziemlich groß sein.
All diejenigen, die sich gegen eine Kritik an den Missständen im Profiboxen mit der Begründung verwahrt haben, dem Boxen dienen zu wollen, haben dem Boxen tatsächlich einen Bärendienst erwiesen. Sie haben nicht, wie sie vorgaben, das Boxen in Deutschland geschützt, sondern sie haben es schwer beschädigt. In Wirklichkeit haben sie doch wohl eher die finanziellen Einzelinteressen ganz weniger in der Branche über die des Sports gestellt.
© Uwe Betker

Vom Schreiben übers Boxen

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Beim Profiboxen ist es wie bei anderen Sportarten auch. Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler möchten von der Presse wahrgenommen werden. Sie möchten, dass über sie berichtet wird. Vor allem möchte sie natürlich, dass positiv über sie berichtet wird. Den Verbänden, Vereinen, Veranstaltern und selbst den Sportlern geht es nämlich häufig nicht um den Sport, sondern vielmehr ums Geld. Man kann den Begriff Geld auch z.B. ersetzen durch TV-Verträge, Werbeverträge, Sponsoren usw. Und wenn es nicht ums Geld geht, dann geht es um Posten, Einfluss und Wichtigkeit. Dementsprechend wollen alle eine positive Berichterstattung.
Die Sportredaktionen sind voll von Kollegen, die Fußballspezialisten und Allrounder sind. Aufgrund der Struktur der Medien können Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler recht sicher sein vor einer kritischen Berichterstattung. Einige Kollegen schrecken, nicht nur aus zeitökonomischen Gründen, vor „heißen Themen“, mit denen man sich unbeliebt machen kann, zurück. Wer unangenehm auffällt, könnte nämlich eventuell seinen Platz am Ring verlieren, nicht mehr das gewünschte exklusive Interview oder die Einladung zur After-Show-Party bekommen.
Es gibt die etwas zynische Definition des Sportjournalisten als eines Fans, der es auf die andere Seite des Zauns geschafft hat. Diejenigen, die es auf besagte andere Seite des Zauns geschafft haben, sind denjenigen, die mit Sport Geld verdienen, die liebsten. Fans sind nämlich häufig unkritisch. Fans haben über eine längere Zeit eine leidenschaftliche und emotionale Beziehung zu ihren Fanobjekten. Fans möchten in der Regel eine Berichterstattung, die ihrer Heldenverehrung Nahrung gibt. Fans möchten nicht, dass ihre Helden schaden nehmen. Und so kommt es, dass, wie beim Fußball, auch beim Boxen kaum jemand etwas von der Seuche Doping wissen will.
Beim Boxen sind die Sitten etwas rauer, als bei anderen Sportarten. So lauern schon mal irgendwelche Schläger Journalisten auf, um diese dann zu bedrohen. Ein Kopfgeld ist auch schon mal auf einen unliebsamen Journalisten ausgesetzt worden. Da sind dann Drohanrufe, die Verweigerung der Akkreditierung, Hausverbote oder die Streichung aus dem Presseverteiler noch zivilisierte Arten, mit Kritik umzugehen.
Hinzu kommen Kommentare in den sozialen Netzwerken von Personen, die sich berufen fühlen, etwas oder jemanden vor Kritikern zu schützen. Reaktionen dieser Art sind meist wie monosynaptische Reflexe. Es wird über den „Schreiberling“ gelästert, es wird ihm dann mangelnde Kompetenz oder fehlende Information vorgeworfen. Konkret wird nur selten auf Kritik geantwortet. Meist reicht den Verteidigern der Verweis auf mangelnde Detailkenntnisse oder noch besser, schwebende Verfahren, über die man sich nicht äußern könne.
Genau dies trifft den Zeitgeist. In den sozialen Medien werden Menschen von anderen, die sich oft hinter Pseudonymen verstecken, beleidigt und bedroht. Gerne fällt auch mal das Wort „Lügenpresse“. Denen, die dieses Wort so gerne benutzen, ist es dabei offensichtlich egal, dass dies ein Lieblingswort der Nationalsozialisten war, mit dem sie gegen Demokraten, Juden und Kommunisten hetzten.
Es gibt sie aber auch: die Intelligenten und die Vernünftigen. Damit meine ich diejenigen, die verstehen, dass, wenn hier Kritik geübt wird, es um die gemeinsame Sache geht, nämlich um den Boxsport. So ist es mir auch schon wiederholt passiert, dass Personen, die ich kritisiert hatte, später Freunde wurden. Denn es gibt ein gemeinsames Ziel: ein gutes Profiboxen.
Journalismus wird oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, weil er zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Damit ist auch gesagt, dass es nicht die Aufgabe des Journalisten ist, Verbänden, Veranstaltern und Sportlern nach dem Mund zu reden, deren PR-Abteilung zu sein und dafür zu sorgen, dass sie wohlhabender werden und sich wohl fühlen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, durch eine kritische Berichterstattung zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
© Uwe Betker