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Mehr als nur ein Ersatzgegner
Als Gbenga Oloukun als Ersatzgegner für den kurzfristig ausgefallenen Yakup Saglam einsprang, um gegen Konstantin Airich zu boxen, ahnte wohl keiner, der am Ring saß, wie dieser Kampf ausgehen würde. Normalerweise stellt der Ersatzgegner einen schlechten Ersatz dar für den Gegner, für den er einspringt. Ersatzgegner sind meist schlechter trainiert und schlechter vorbereitet, einfach aufgrund der Tatsache, dass sie ja nicht vorher wussten, dass sie boxen würden.
Am 12. November sollte es nun zu einem stallinternen Duell zwischen den Schwergewichtlern Konstantin Airich (20 Kämpfe, 16 Siege, 13 durch KO, 2 Niederlagen und 2 Unentschieden) und Yakup Saglam in Stralsund kommen. Dabei sollte es um den vakanten PABA-Titel im Schwergewicht, bzw. um einen Platz unter den Top 15 in der WBA-Weltrangliste gehen sowie schließlich um die berufliche Zukunft der beiden bei ihrem Veranstalter Arena Boxpromotion. Dieser Tatsache war sich Airich durchaus bewusst, denn beim „Walk in“ zum Ring trug er ein schwarzes T-Shirt, auf dem seine zwei Kindern und die Worte zu sehen waren: Du musst gewinnen.
Gbenga Oloukun Kariere schien eigentlich schon am Ende. Der in Oyo, Nigeria, geborene Boxer war 2005 von Spotlight Boxing, der Boxpromotion Firma von Dietmar Poszwa, dem Schwiegersohn von Klaus-Peter Kohl, unter Vertrag genommen worden. Oloukun (24 Kämpfe, 18 Siege, 11 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO) gewann seine ersten 16 Kämpfe in Folge gegen Aufbaugegner. Nach seiner ersten Niederlage (25.04.2009) in einem stallinternen Duell gegen den Syrer Mahmoud Charr (KO in Runde 7) musste er sich einen neuen Veranstalter suchen. Von Steven Küchler betreut, schaffte er eine riesige Überraschung und besiegte in seinem nächsten Kampf (29.08.2009) den früheren WBO-Weltmeister Lamon Brewster nach Punkten.
Es folgten drei Punktniederlagen nacheinander, u. a. gegen René Dettweiler (17.10.2009) und Robert Helenius (26.03.2010). Dann kamen wieder mal ein Sieg und erneut zwei Niederlagen, wobei die letzte sogar ein TKO war. Es sah also alles danach aus, als ob „Bang Bang“ Oloukun zu einem Aufbaugegner für andere würde – bis zu seinem Kampf am 12. November 2010 gegen Konstantin Airich.
Airich fand nie wirklich seinen Rhythmus und der TKO, Airichs Trainer warf das Handtuch, bewahrte ihn vor einem KO, denn er war vorher schon nach einer brutalen Linken zum Kinn schwer zu Boden gegangen. Mit diesem Sieg gab Oloukun seiner Karriere neuen Schwung. Schon auf der Veranstaltung in Stralsund tauchte das Gerücht auf, dass Gbenga Oloukun demnächst gegen einen weiteren Arena Boxer, Steffen Kretschmann (17 Kämpfe, 15 Sieg, 14 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO), boxen soll. Eine solche Ansetzung würde tatsächlich auch Sinn machen, weil auch hinter Kretschmanns Zukunft, seit seiner zweiten desaströsen TKO-Niederlage gegen Denis Bakhtov (27.03.2009), die life auf SAT1 zu sehen war, ein dickes Fragezeichen steht.
Was aus Airich wird, ist ungewiss. Sportlich hat er wohl seinen Zenit schon überschritten. Ich bin mir nach der Fülle von harten Kopftreffern, die er in seinem letzten Kampf nehmen musste, nicht mal sicher, ob ich ihn überhaupt noch einmal im Ring sehen möchte. So weitgehend langweilig und überraschungsarm, wie es an der Spitze des Schwergewichts aussieht, so interessant ist es im Mittelfeld, wo gute und auch überraschende Kämpfe ausgetragen werden.
© Uwe Betker
Susianna Kentikians Fähigkeit zur Selbstkritik (1)
Alles deutete darauf hin, dass Susianna Kentikian die Nachfolgerin von Regina Halmich werden könnte. Die schwierige Lebensgeschichte der in Armenien geborenen Boxerin wurde gerne und ausführlich von den Medien kolportiert. Ihre Flucht von Armenien nach Berlin, dann nach Moldawien, endete schließlich in Hamburg. Der Rest ihrer Geschichte wird gerne zusammengefasst unter der Überschrift „Boxen fürs Bleiberecht“. Nach ein paar Jahren als Amateurin nahm sie der größte und einflussreichste Veranstalter von Frauenboxkämpfen, Universum Box-Promotion/Spotlight Boxing, unter Vertrag. In der Folge war wohl kein Klischee abgeschmackt genug, um es auf sie anzuwenden. So wurde sie mit dem „Million Dollar Baby“ verglichen. Dann wurde sie kurzerhand zur „kleinsten Profiboxerin Deutschlands“ erklärt, was vermutlich, wie fast immer, wenn Superlative verwendet werden, auch nicht wahr ist. Der WDR drehte eine Dokumentation über sie. Sie durfte auch Stefan Raab auf seinen Rückkampf mit Regina Halmich vorbereiten. Sie nahm an der Wok-Weltmeisterschaf 2007 teil und gewann sogar den Wettbewerb im Vierer-Wok. Kentikians Aufstieg schien unaufhaltsam.
Ihr leicht, ich nenne es mal quietschiges Jungmädchen-Gehabe kam gut an. Der TV-Sender ProSieben machte mit seiner so genannten „ProSieben Fight Night“ eine Zeitlang auch in Boxen und Kentikian trat mehrmals bei TV total auf. Der Flüchtling aus Armenien hatte es geschafft. Sie bekam einen Werbevertrag und wirbt seitdem für „Milch-Schnitte“. Sie durfte sogar die Laudatio auf Michael Wendler halten bei der Preisverleihung zur Krone der Volksmusik. Dann ist aber da noch das Boxen …
© Uwe Betker