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Gedanken zur Niederlage von Felix Sturm (1)

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Am 01.09.2012 verlor Felix Sturm (42 Kämpfe, 37 Siege, 16 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) in Oberhausen gegen den Australier Daniel Geale (29 Kämpfe, 28 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage). Damit verlor er seinen Titel „Super Champion“ der WBA (World Boxing Association), den er nach den Regularien des Verbandes gar nicht hätte tragen dürfen. Sein Bezwinger Geale war und ist Weltmeister der IBF (International Boxing Federation) im Mittelgewicht.
Sicher, eine Niederlage ist erst einmal nichts Besonderes. Schließlich verliert ja in fast allen Boxkämpfen einer der beiden Kontrahenten den Kampf. Dennoch, die Niederlage von Sturm verdient doch eine nähere Betrachtung.
Zunächst einmal ist positiv zu vermerken, dass Geale in Deutschland überhaupt einen deutschen Boxer besiegen konnte. Schließlich hat sich Deutschland bzw. haben sich die deutschen Veranstalter international über Jahre hinweg den Ruf erarbeitet, dass man hierzulande als Herausforderer eines Deutschen nicht nach Punkten gewinnen kann. Die Wertungen der Punktrichter Stanley Christodoulou und Dave Parris mit jeweils 112:116 für Geale, sind zwar wohl zu hoch, gehen aber von der Tendenz her in Ordnung. Weshalb Eugene Grant 116:112 für Sturm wertete, ist dagegen für mich nicht nachvollziehbar. Geales Sieg ist gut für den Ruf des deutschen Profiboxens, wenn er auch schlecht ist für den schwächelnden Sport.
Die Niederlage Sturms trifft das deutsche Boxen schwer. Zwar überträgt die ARD noch die Veranstaltungen von Sauerland Event. Aber wenn man die neuerdings immer wieder eingestreuten kritischen Bemerkungen über den Boxsport im Allgemeinen als Indiz ansieht, dann geht der Sender wohl zunehmend auf Distanz zum Boxen. Hinzu kommen die Gerüchte, dass die ARD den Vertrag nicht über 2015 hinaus verlängern will. Wenn aber doch, so soll er jedenfalls nicht mehr den gleichen Umfang haben. Der andere öffentlich rechtliche Sender, ZDF, hat wohl immer noch genug vom Boxen – nach all den Erfahrungen, die er mit Universum Box-Promotion gemacht hat.
RTL zeigt einzig und alleine Kämpfe von Wladimir Klitschko (61 Kämpfe, 58 Siege, 51 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO) und Vitali Klitschko (46 Kämpfe, 44 Siege, 40 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO). Mir klingt da zwar noch im Ohr, dass sowohl RTL als auch die Gebrüder Klitschko einmal ankündigten, sie wollten einen richtigen Boxstall aufbauen. Sie haben dann aber keinen Schritt in diese Richtung getan. RTL zeigt Klitschko und nichts anderes. Und wenn denn einmal kein Klitschko mehr boxt, dann wird es wohl auch kein Boxen mehr auf RTL zu sehen geben.
SES, Sport Events Steinforth und EC Boxing mühen sich redlich, Boxen zu zeigen, aber bis jetzt konnten sie leider nur im Spartenkanal Eurosport ihre Veranstaltungen unterbringen. Ob Arena Box-Promotion noch in ein paar Monaten bestehen wird, wird sich zeigen.
Dementsprechend ist die Niederlage von Felix Sturm ein harter Schlag für das Profiboxen in Deutschland. Sturms Haussender SAT1 konzentrierte sich nur auf Felix Sturm. SAT1 kann nur Felix Sturm zeigen, denn Sturm Box-Promotion besteht faktisch nur aus Felix Sturm. Zwar haben Syuzanna Kentikyan bzw. Susi Kentikian (31 Kämpfe, 29 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage), Fliegengewicht, Maurice Weber (18 Kämpfe, 16 Siege, 5 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden), Junior Mittelgewicht, Mike Keta (14 Kämpfe, 12 Siege, 11 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO), Mittelgewicht und Patrick Dobroschi (16 Kämpfe, 12 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 3 Unentschieden), Super Mittelgewicht, einen Vertrag bei Sturm, aber keiner von ihnen kann derzeit einen Hauptkampf bestreiten. Wenn also Sturm es nicht mehr schafft, einen attraktiven Kampf zu bekommen, wird SAT1 wohl kein Boxen mehr zeigen.
Die Niederlage von Felix Sturm ist ein harter Rückschlag für den Patienten Profiboxen in Deutschland.
© Uwe Betker

Mühe allein genügt nicht

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Wladimir Klitschko besiegte am 02. Juli David Haye in einem Fußballstadion in Hamburg. Damit erfüllte er den großen Traum seiner Familie. Nun sind alle wichtigen Schwergewichtstitel vereint im Schoße der ukrainischen Familie Klitschko. Die Klitschko Fans und der übertragende deutsche Fernsehsender RTL jubeln. Und mir drängt sich der Eindruck auf, alle hatten sich, mehr oder weniger, bemüht.
David Haye (27 Kämpfe, 25 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) verlor seinen Titel der WBA, den er Nikolay Valuev am 07.11.2009 in Nürnberg abgenommen hatte, gegen den besten Schwergewichtler des letzten Jahrzehnts. Er bemühte sich sehr erfolgreich den Schlägen von Klitschko auszuweichen und seinem Gegenüber seinen Kampf aufzuzwingen. Immer wieder versuchte er, durch Konter zu punkten oder sogar zu einem vorzeitigen Sieg zu kommen. Aber trotz aller Mühe hat es zu einem Sieg dann doch nicht gereicht.
Wladimir Klitschko (59 Kämpfe, 56 Siege, 49 durch KO, 3 Niederlagen) musste sich gegen Haye abmühen. Zu unangenehm boxte dieser und zu überraschend kamen seine Angriffe. Klitschko hatte schon seine liebe Mühe, einen Punktsieg nach Hause zu fahren. Daher war er auch nur vernünftig, dass er sich nicht die Mühe machte zu versuchen, seine vollmundige Ankündigung, Haye bestrafen zu wollen, auch umzusetzen.
Der Ringrichter Genaro Rodriguez hatte keine Mühe mit dem Kampf und zeigte eine tadellose und souveräne Leistung. Er ist, wenn ich mich recht entsinne, derjenige, der die Unart Klitschkos, sich auf den Gegner zu legen, mit einem Punktabzug bestrafte. Später zählte er Haye nach einem Wischer auch an, um ihn dafür zu bestrafen, dass er sich immer fallen ließ. Die Bemühungen von Rodriguez reichten für eine großartige Ringrichterleistung.
Die Punktrichter gaben sich in unterschiedlicher Weise Mühe. Einer der Drei, nämlich Stanley Christodoulou, gab sich Mühe, den Verlauf des Kampfes durch seine Punktwertung wiederzugeben. Er wertete 110:116. Seine zwei Kollegen Michael Pernick und Adalaide Byrd sahen den Kampf sehr viel einseitiger und sehr viel deutlicher für den in Semipalatinsk, Kasachstan geborenen Boxer. Sie werteten 108:118 und 109:117. Der RTL Kommentator Tobias Drews formulierte vor dem Kampf, dass einige Punktrichter schon mal dazu neigen, in vorauseilendem Gehorsam im Sinne des Veranstalters zu punkten. Man kann sich schon fragen, ob sich Michael Pernick und Adalaide Byrd nicht weniger Mühe geben sollten, jedenfalls darin, dem Veranstalter servile zu Diensten zu sein.
Der schon angesprochene Tobias Drews gab sich die ersten zwei Drittel des Kampfes über redlich Mühe, den Kampf weitestgehend objektiv zu werten und zu kommentieren. Dann, als ob er über den Punktestand informiert worden sei, nahm er einen Teil des vorher Gesagten zurück und lobte nur noch Klitschko. Schade, ich hätte mir hier doch ein wenig mehr an Streben nach Unabhängigkeit gewünscht.
Sein Kollege, der RTL Reporter Kai Ebel, gab sich am wenigsten Mühe. Er machte nicht einmal den Versuch, seine Verärgerung darüber, dass sich irgendwelche Personen ins Bild drängelten, zu verbergen. Er raunzte irgendeinen, wohl ein Klitschko Fan, der seinen Weg in den Ring gefunden hatte, vor laufender Kamera an.
RTL sprach davon, dass der Kampf zwischen Wladimir Klitschko und David Haye der beste Schwergewichtskampf der letzten Jahre gewesen sei. Das ist unbestritten richtig. Aber trotz aller Mühe der vielen Beteiligten ist der Kampf auch nicht mehr als eben halt der beste Schwergewichtskampf der letzten Jahre. Dies wiederum wirft letztlich nur ein sehr grelles Licht auf den Zustand der Schwergewichtsszene. Oder, um es noch mal mit den Worten des Werbespruchs eines großen Kafferösters der Mitte der 70er Jahre zu sagen: „Mühe allein genügt nicht.“ – Das, was zählt, was den Geschmack am Boxen zu einem Genuss machen könnte, fehlt leider noch immer.
© Uwe Betker