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Henry Flakes, eine Schwergewichtshoffnung der 40er Jahre
Henry Flakes war ein Schwergewichtler, dem man Ende der 1940er Jahren zutraute, ganz nach oben zu kommen. Die Presse feierte ihn als zukünftigen Weltmeister und als besten jungen Schwergewichtler in den USA. Er hatte Potential. Er hatte eine gute Technik, schnelle Beine und einen harten Punch. Kurz: er hatte alles, um den Weltmeisterschaftsthron zu besteigen, aber stattdessen bestieg er den Elektrischen Stuhl.
Am 27.02.1927 wurde Henry David Flakes in Opelika, einer Kleinstadt in Alabama geboren. Aufgewachsen ist er in Chattanooga, Tennessee. Das Boxen lernte er von und mit seinem Vater. Weil sie sich keine Handschuhe leisten konnten, nahmen sie stattdessen mit Lumpen gefüllte Säcke, die sie mit Seilen an den Handgelenken zuschnürten. Der Boxunterricht endete, als Flakes Senior nach einem rechten Cross zehn Minuten ohne Bewusstsein auf dem Boden lag. Flakes log über sein wahres Alter und trat in die Navy ein. Eine Narbe auf seiner Nase erhielt er beim Absturz eines japanischen Flugzeuges auf den Flugzeugträger „Nassau“ bei Pearl Harbor. Flakes sagte später: „das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich KO ging.“
Er kam nach New York, um zu boxen. In seinen ersten Kampf, am 21.01.1947, knockte er den Journeyman Al Rogers in der ersten Runde aus. Da war er noch keine 20 Jahre alt. Er boxte weiter und gewann weiter. Um fürs Publikum interessant zu sein, gewann er auch genug Kämpfe durch KO. Er kämpfte überall in New York State, in New Jersey, in Newark, und war regelmäßig Hauptkämpfer im Memorial Auditorium in Buffalo. Am 04.02.1948 traf er im Armory in Akron, Ohio auf Pat Comiskey, einen Top Ten Boxer. Flakes hatte bis dahin von seinen 19 Kämpfen zwei verloren, einen vorzeitig – er hatte sich das Knie verdreht – und seinen letzten durch eine Punktniederlage. Dieser letzte Kampf, der auch im Armory stattgefunden hatte, war quasi Flakes Eintrittskarte für seinen Kampf gegen Comiskey. Comiskey wurde von The Ring 1947 auf Position vier geführt. Um es kurz zu machen: Flakes besiegte Comiskey einstimmig nach Punkten. Auch den Rückkampf, zwei Wochen später, konnte er für sich entscheiden. Diesmal gewann er durch TKO in Runde 5, nach 2:34 Minuten. Der einzige Boxer, dem es bis dahin gelungen war, Comiskey auch vorzeitig zu besiegen, war Max Baer.
Flakes war kurz vor dem Durchbruch. Am 11.05.1948 bekam er es erneut mit einem Top Ten Boxer zu tun. Er besiegte Lee Oma nach Punkten. Auch den Rückkampf, knapp zwei Wochen später, am 21.05.1948 im Madison Square Garden in New York, gewann er nach Punkten. Oma wurde von The Ring 1949 immerhin auf Platz zwei geführt.
Flakes war mit seinen 21 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere, exakt nach einem Jahr und vier Monaten als Profi. Ein WM Kampf gegen Joe Louis war in die Nähe gerückt. Aber der Auftritt im Madison Square Garden sollte „Snow“ Flakes letzter Kampf gewesen sein. Sein Kampfrekord: 27 Kämpfe, 24 Siege, 13 durch KO, 2 Niederlagen. 1 durch KO, 1 Unentschieden
Flakes hatte ein gesundheitliches Problem. Er hatte Katarakte, also eine Trübung der Augenlinsen, welche auch grauer Star genannt wird. Er war gezwungen das Boxen aufzugeben. Er schlug sich mit schlecht bezahlten Jobs durch, um sich über Wasser zu halten. Er verlor das Augenlicht auf seinem rechten Auge. Die nötige Operation konnte er sich schlicht nicht leisten. Dem Autopsiereport zufolge hatte man ihm seinen Blinddarm entfernt und Haut transplantiert. Operrationen sind und waren in den USA sehr teuer und waren oft verbunden mit der Verabreichung großer Mengen von Drogen. Aber dies sind nur Mutmaßungen darüber, wieso Flakes drogensüchtig wurde. Zwischenzeitlich soll er auch als Automechaniker gearbeitet haben. Das ist das aber nicht verbürgt. Sicher ist nur seine Drogensucht.
Er brauchte Geld und Drogen bzw. Geld für Drogen. Mit einem Partner, Walter Green, überfiel er am 07.11.1958 einen Herrenausstatter in Lackawanna, New York. Ihr Fluchtfahrer Dewitt R. Lee Jr. wartete draußen, mit seiner Freundin, der ehemaligen Lehrerin Beatrice Beckman, die später jedwede Mitwisserschaft abbestritt und als Hauptzeugin der Anklage auftrat. Sie erbeuteten 96 Dollar, was heute ungefähr das Zehnfache wert ist. Zurück blieb der Besitzer Joseph Friedmann. Er war von Flakes erschossen worden.
Alle drei Täter wurden gefasst. Lee, der im Auto gesessen hatte, wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Am 06.März 1959 wurden Flakes and Green zum Tode durch den Elektrischen Stuhl verurteilt. Am nächsten Tag wurden beide nach Sing Sing gebracht. Für den 19. Mai 1960 war die Exekution angesetzt. Sie orderten ihre Henkersmalzeiten. Sie duschten. Dann wurden ihnen Kopf und Beine rasiert. Ihnen wurden schwarze Hosen, schwarze Socken, ein weißes T-Shirt und Duschschuhe als Kleidung gegeben. Während ihnen die Haare rasiert wurden, testete der „State Electrician”, also der Henker Dow Hover, den Elektrischen Stuhl.
In Sing Sing fanden die Hinrichtungen traditionell an einem Donnerstag um 11 nachts statt, weswegen diese Tage dann „Black Thursday“ genannt wurden. Flakes orderte für seine Henkersmalzeiten viel und er aß mit sehr großem Appetit. Sein Mittagessen bestand aus: Barbecuehähnchen mit Sauce, Pommes Frites, Salat, Brötchen, Butter, Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, 4 Packungen Zigaretten, Kaffee, Milch und Zucker. Zum Abendbrot gab es: Hummer, Salat, Butter, Brötchen, Eiscreme, eine Schachtel Pralinen, vier Zigarren, zwei Gläser Cola, Kaffee, Milch und Zucker.
Flakes ging die „letzte Meile“ lächelnd mit Gefängnispfarrer Father McKinney. Er lächelte alle Zeugen an, schüttelte McKinney die Hand und sagte einfach „thanks…“. Dann setzte er sich, wurde angeschnallt und durch Strom getötet. Die Geschichte, er sei im Kampfmantel zur Hinrichtung gegangen, dürfte eine Legende sein, wenn auch eine schöne. Er war der 608te Insasse von Sing Sing, der auf dem Elektrischen Stuhl sein Leben ließ. Einen Tag später informierte Flakes Familie den Wärter Wilfred Denno, sie hätten nicht das Geld, ihn zu beerdigen. Daher fand Henry Flakes seine letzte Ruhe auf dem „Potter´s Field”, dem Friedhof von Sing Sing.
© Uwe Betker
Über Nummerngirls
Nummerngirls sind immer wieder ein Thema hier. Manchmal wird betont, dass sie besonders ansehnlich sind, manchmal auch, dass sie fehlen, dass sie wieselflink durch den Ring sprinten, dass sie die Karten so halten, dass die Zahl nicht zu lesen ist oder so, dass man sie gar nicht erst sieht. Nummerngirls sind hier ein Running Gag, über den offensichtlich doch einige schmunzeln können. Schreibe ich über Nummerngirls, werde ich immer kurz danach darauf angesprochen. Ein Promoter stellte mich mal neben seine Nummerngirls und ließ uns photographieren. „Ich will nicht, dass du behautest ich hätte hier keine Nummerngirls gehabt.“ Es ist sogar schon einmal vorgekommen, dass ein Offizieller – den Namen habe ich vergessen – eines Verbandes, der mir jetzt nicht einfallen will, mich glaubte abkanzeln zu können, indem er sich über mein Schreiben über die Damen mit den Schildern ausließ. Tatsächlich gefiel ihm aber vermutlich nicht, was ich über die Aktivitäten seines Verbandes geschrieben hatte. – Nun ist es an der Zeit, sich mal ernsthaft über ein so wichtiges Thema wie Nummerngirls Gedanken zu machen.
Bei Wikipedia gibt es bis auf eine Definition kaum weitere Informationen. „Nummerngirl ist der aus der Umgangssprache stammende Name für diejenige Dame, welche zwischen den Runden von Kampfsportarten, wie z. B. Boxen, Kickboxen oder Mixed Martial Arts, den Ring betritt und dem Publikum ein Schild mit der Nummer der folgenden Runde hochhält. Nummerngirls tragen meistens einen Badeanzug oder einen Bikini und sollen das Publikum während der Kampfpause unterhalten.
Der Begriff stammt ursprünglich vom Revuetheater und vom Zirkus her, bei denen traditionell jede Einzeldarbietung („Nummer“) von einem Nummerngirl angekündigt wurde oder wird.“ Als Quelle wird Sat1 angeben.
Das Magazin „The Ring“ veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom Mai/Juni 1965 das Foto eines Nummerngirls. Dieses wurde bei einer Boxveranstaltung im Hacienda Hotel in Las Vegas aufgenommen. Die 1965 abgebildete Dame, in der für heutige Verhältnisse züchtigen Korsage, war wohl eines der ersten Nummerngirls, dessen Foto publiziert wurde. Die Bildunterschrift lautet: „If something like this caught on around the country, gates receipts automatically would fatten.” Auf halbwegs gut Deutsch: „Wenn so etwas wie dies sich im ganzen Land durchsetzt, würden die Einnahmen an der Abendkasse automatisch fetter werden.“ – Nummerngirls setzten sich nicht nur in den USA durch, sondern weltweit. Kaum eine größere Veranstaltung will inzwischen auf sie verzichten.
Die genaue Geburtsstunde der Nummerngirls liegt im Dunkel der Boxgeschichte. Aber vermutlich ist die Dame aus „The Ring“ eine der ersten überhaupt gewesen. Mitte der 60er Jahre wurde Las Vegas mehr und mehr ein Zentrum des Profiboxens. Las Vegas steht in den USA für Unterhaltung, und Nummerngirls werteten die Profiboxveranstaltungen auf; sie unterhielten und unterhalten das Publikum in den Rundenpausen.
Auch was die Vorgänger der Nummerngirls anbelangt, so breitet sich das Dunkel der Boxgeschichte darüber aus. In den 30er Jahren jedenfalls waren Männer im Anzug zu sehen, die zum Teil Zigarre rauchten, die die Karten mit den Nummern in die Höhe hielten. Ich selbst kann mich an eine Filmaufnahme aus den 40er Jahren erinnern, wo ein Mann im Anzug einen flatternden Lappen mit einer Nummer drauf, der an eine Startnummer in der Leichtathletik erinnerte, vor sich hertrug. Es gibt aber insgesamt kaum filmische oder photographische Dokumente von diesen Herren. Sie waren schlicht nicht attraktiv und unterhaltsam genug.
Obwohl doch die Vorgänger der Nummerngirls Nummernmen waren, tat sich das Boxpublikum mit Nummernboys schwer. Auch deren Geburtsstunde liegt im Dunkel. Ich kann mich aber noch daran erinnern, wann und wo ich selbst den ersten in Deutschland gesehen habe. Das war bei der Veranstaltung von Universum Box-Promotion am 13.05.2000 in den Satory Sälen in Köln. Es war auch die erste reine Frauenboxveranstaltung. Es boxten Heidi Hartman, Silke Weikenmeier, Daisy Lang, Marischa Sjauw, Regina Halmich und Michel Aboro. Beim Hauptkampf des Abends, den Michel Aboro bestritt, gab es Nummernboys, also gut gebaute junge Männer mit freiem Oberkörper. Damals kamen die bei einem großen Teil des Publikums, das ja den Anblick von Männern mit nacktem Oberkörper schließlich gewohnt gewesen sollten, nicht gut an. Es gab auch Pfiffe.
Heute gehen boxaffine Zuschauer sehr viel entspannter mit Nummernboys um. Es gibt Promoter, die bei Boxkämpfen von Männern Nummerngirls und Kämpfen von Frauen Nummernboys auftreten lassen. Inzwischen gibt es dafür keine Pfiffe mehr. Offensichtlich fühlen sich die Zuschauerinnen durch Nummernboys unterhalten. Und das ist doch wohl die Hauptaufgabe von Nummerngirls wie Nummernboys, neben ihrem Job, eben die Rundennummern anzuzeigen.
© Uwe Betker
Und noch mal: Der BDB und die Regeln
In der September Ausgabe von “The Ring” findet sich ein schöner Artikel über Daniel Geale (31 Kämpfe, 29 Siege, 15 durch KO, 2 Niederlagen) mit dem Titel “Admirable Champion” (auf Deutsch: “Ein zu bewundernder Champion”). Geale kam nach Deutschland und boxte am 01.09.2012 gegen Felix Sturm. Er nahm Sturm den “Super Champion” Titel der WBA weg, den er ja bekanntlich nach deren Statuten gar nicht tragen durfte. Er gewann den Kampf durch Mehrheitsentscheidung. Da zwar für den “Super Champion” Sturm immer ein Gürtel hochgehalten wurde, der Titel jedoch praktisch nicht existierte, bekam Geale dann folglich auch keinen Titel von der World Boxing Association. So weit, so gut.
Interessant an dem Artikel war, was Geale dem Autor Daniel Lane dann noch erzählte, nämlich, dass er die deutsche Boxkommission alarmierte, weil er beim Abkleben der Schnürung der Handschuhe bemerkt hatte, dass man ihm 8 statt 10 Unzen Handschuhe gegeben hatte. Geale, ganz fairer Sportsmann, wollte diesen Vorteil für sich nicht nutzen. Womit wir wieder beim BDB, dem Bund Deutscher Berufsboxer sind, der Aufsicht führte.
Nach dem Wiegen findet das sogenannte Rules Meeting, das Regeltreffen, statt. Die Offiziellen und Vertreter der Boxer treffen sich, um noch einmal die wichtigsten Regeln eines Titelkampfes zu besprechen. Auf einem Tisch liegen die Handschuhe, zwei Paar für jeden Boxer. Ein Vertreter des Aufsicht führenden Verbandes, im Falle von Sturm vs. Geale der BDB, kontrolliert die Handschuhe. Hiernach sucht die Seite des Titelverteidigers ein Paar aus, dann der Herausforderer. Der Vertreter des Verbandes markiert die Handschuhe und nimmt sie dann an sich. Dies sind die Handschuhe für den Titelkampf. Danach gibt es einen weiteren Durchlauf, der die Ersatzhandschuhe festlegt.
Nun frage ich mich, was eigentlich daran so schwierig sein soll, Handschuhe zu kontrollieren? Man muss doch nur mit der Hand hineinschlüpfen, um zu kontrollieren ob die Dämpfung vorhanden ist. Man muss darauf achten, dass keine Nähte offen sind oder etwas anderes da ist, das zu Verletzungen führen kann. Und dann muss man noch, im Falle von Sturm vs. Geale, zwei Kreise übereinander, die eine 8 darstellen, von einem Strich mit einem größeren Kreis, der 10, unterscheiden.
Sollte die Geschichte von Geale wahr sein, dann kann man sich mehrere Möglichkeiten vorstellen, was hier passiert sein könnte. Entweder kann der Vertreter des Verbandes keine 8 von einer 10 unterscheiden. Oder er wusste nicht, welches Gewicht die Handschuhe haben müssen. Hier könnte man natürlich fragen, warum er sich nicht vorab im Regelwerk informiert hat. Oder dem Herrn sind die Regeln einfach vollkommen egal, weil man sich sowieso nur nach Lust und Laune an die Regeln hält. – Hier möchte ich daran erinnern, dass der BDB eine Deutsche Meisterschaft sanktionierte, bei der der Herausforderer noch von der EBU, der European Boxing Union, gesperrt war. – Oder der Vertreter ist überfordert mit der Vielzahl seiner Aufgaben. Oder er schafft es einfach nicht, das Wenige, was da zu tun ist, ordentlich zu machen. Oder, oder, oder …
Wer sich Fotos anschaut vom Kampf Sturm vs. Geale wird auf dem Klebeband, das die Schnürung verklebt, die drei Buchstaben BDB lesen können. Die Buchstaben sind schön groß, deutlich und schwarz. Hier hat sich offenbar jemand Mühe gegeben. Schön.
(C) Uwe Betker
Ein wahrer Champion braucht keinen Weltmeistergürtel (3)
Pimentel konnte, nachdem seine Sperre endlich aufgehoben worden war, nach Los Angeles zurückkehren, um dort am 06.12.1965 auf einen weiteren harten Brocken zu treffen, Joe Medel aus Mexiko. Pimentel konnte zwar sein Gegenüber früh niederschlagen, ging dann aber selber zweimal in der neunten Runde zu Boden. Die harte Schlussrunde konnte Medel nur mit viel Geschick und Glück durchstehen. „Der Medel-Kampf machte mich erst richtig bekannt. Meine Leute akzeptierten mich von nun an wirklich, obwohl ich durch eine Mehrheitsentscheidung verlor. Obwohl er kein ausgesprochener Puncher war, war er der einzige Gegner in meiner Boxkarriere, der mir wirklich in einem Kampf Schmerzen zufügte. Er war der einzige Boxer, dessen Schläge ich wirklich spürte. Alle Medien gaben mir den Sieg, nur die Punktrichter nicht.“ Diese Entscheidung der Punktrichter ist für ihn bis heute die schmerzhafteste Erinnerung an seine Zeit als Boxer, zumal Medel ihm keinen Rückkampf gab. Das Boxmagazin „The Ring“ kürte den Kampf zum viertbesten des Jahres.
Im folgenden Jahr, 1966, stieg er sechsmal in den Ring und gewann immer durch KO. Unter seinen Opfern waren Boxer, die zur Spitzenklasse zählten: Kackie Burke aus Kanada und der Japaner Katsuo Saito. Beide schlug er KO.
Am 11. Juni 1967 verlor Pimentel wieder einen Kampf. Sein Bezwinger in San Antonio war Yoshio Nakano aus Japan. „Yoshio Nakano – ein schwierig zu boxender Kämpfer. Bis heute weiß oder verstehe ich nicht, wie er mich geschlagen hat. Ich erinnere mich ganz deutlich, wie der Ringrichter, ein sehr ehrenwerter Offizieller, in unsere Ecke kam und meinem Manager sagte, dass er mich klar nach Punkten vorne hat. Und was war? Er war einer derjenigen, die den Kampf Nakano gaben.“
Der nächste Gegner war Mimoun Ben Ali aus Spanien, auf den er am 26.07.1967 traf. Ali war zu diesem Zeitpunkt zum dritten Mal Europameister. Er war von 1958 bis 1962 im Fliegengewicht und von 1963 bis 1967 im Bantamgewicht unter den besten zehn der Welt. In seinen bisherigen 62 Kämpfen war er niemals KO gegangen. Pimentel bezeichnet ihn gerne als seinen zähesten Gegner. Der Kampf wurde verbissen und hart geführt. Pimentel lag nach der achten Runde nach Punkten hinten. In der neunten zählte dann aber die Boxlegende Archie Moore, der als Ringrichter fungierte, Ali aus. Diese Begegnung wurde 1999 zum größten Kampf von San Antonio gewählt.
Mitte 1968 verlor der Boxstern Pimentel Zusehens an Leuchtkraft. Am 14.06.1968 traf er in Los Angeles auf Chucho Castillo, den amtierenden mexikanischen Meister im Bantamgewicht, der zwei Jahre später gegen Ruben Olivares Weltmeister werden sollte. Pimentel unterlag klar nach Punkten. „Chucho kämpfte diese Nacht den Kampf seines Lebens. Er führte einen sehr-sehr cleveren Kampf. Er flog wie eine Fliege und stach wie eine Biene – wie Cassius Clay zu sagen pflegte. Ich persönlich hatte viele Probleme gegen technische Boxer und besonders in dieser Nacht. Chucho Castillo kämpfte gegen mich, wie er es später gegen Ruben Olivares tat. Er war sehr anmutig und clever. Ich ziehe meinen Hut vor ihm.“ Pimentel verschweigt, dass er sich während des Kampfes seine Schlaghand mehrfach brach.
Nach der Niederlage gegen Castillo erwog Pimentel, sein Handwerk dranzugeben, zumal auch Castillo ihm keine Revanche geben wollte. Aber noch immer lockte das große Ziel: die Weltmeisterschaft. Pimentel boxte weiter. Am 10.03.1969 folgte wieder eine Niederlage. Kazuyoshi Kanazawa, der vierte der Weltrangliste „boxte mir die Ohren ab“. In diesem Kampf, der in der Korakuen Hall in Tokio stattfand, musste Pimentel viel einstecken. In der dritten Runde erlitt er eine Cutverletzung an der rechten Augenbraue, in der fünften kam ein weiterer Cut an der anderen Braue hinzu. In der neunten Runde stoppte der Ringrichter den Kampf wegen der stark blutenden Platzwunden.
Nach diesen Niederlagen fing sich Pimentel wieder, und es folgten 15 Siege mit 13 KOs in Folge. Unter seinen Opfern war auch der starke Kanadier Billy McGrandle, den er am 17.12.1969 in der siebten Runde KO schlug („er konnte meine Körpertreffer nicht nehmen“). Dieser Sieg brachte ihm den Titel des nordamerikanischen Meisters ein. „Der Sieg war eine große Befriedigung für mich. Obwohl es nicht der Weltmeistertitel war, hatte ich nun den schönsten Gürtel für meinen Trophäenschrank.“
Den Titel verteidigte er zweimal erfolgreich. Kuniaki Shimad schlug er am 01.07.1970 und Ushiwakamaru Harada am 14.09.1970 KO. Trotz dieser beeindruckenden Siege war Pimentel schon lange nicht mehr der Boxer, der er einst gewesen war. Es war offensichtlich, dass er sich dem Ende seiner Karriere näherte. Nun erst, am Ende seiner Laufbahn als Preisboxer und nach sieben Jahren des Wartens, bekam er schließlich doch noch die Chance, um die Weltmeisterschaft zu boxen.
Sein Gegner am 14.12.1971 in Los Angeles war der große Ruben Olivares. „Ich wollte, als ich gegen Ruben Olivares antrat, nicht meine Karriere mit einer Niederlage beenden, wie die meisten Boxer es tun. Aber als ich gegen Ruben Olivares kämpfte, wusste ich, dass meine Karriere zu Ende ist. Ich spürte die Schläge, denen ich früher so einfach ausweichen konnte. Nun spürte ich sie, und ich konnte ihnen nicht ausweichen.“
Olivares und Pimentel, die hier aufeinander trafen, hatten eine erschreckende KO-Bilanz. Zusammen verbuchten sie 134 KOs. Olivares war jünger, größer und hatte einen Reichweitenvorteil. Pimentel hatte dafür ein Mehr an Erfahrung und das Herz eines wahren Kriegers: Es war eine der großen Ringschlachten der Boxgeschichte.
„Als ich gegen Ruben kämpfte, war ich schon 32 Jahre alt und auf dem absteigenden Ast. Aber ich gab ihm trotzdem eine Hölle an Kampf.“ Die amerikanische „Boxing Illustrated“ schrieb, im Vergleich zu diesem Krieg sei der erste Kampf Ali gegen Frazier ein Langeweiler-Kampf gewesen.
Bereits in der ersten Runde hatten beide Kontrahenten ihren Kampfrhythmus gefunden. Olivares kam immer wieder mit seinen gefürchteten linken Haken durch und konnte Rechts-Links-Rechts-Kombinationen zum Körper und zum Kopf anbringen. Pimentel ließ den Kopf seines Gegenübers immer wieder mit seinem harten Jab zurückschnappen und landete krachende Rechte an den Kopf. Beide gingen ein mörderisches Tempo.
Die zweite Runde folgte diesem Muster, und es war nur eine Frage der Zeit, wann der erste zu Boden gehen würde. Am Ende des dritten Durchgangs zog sich Olivares nach einem Zusammenstoß mit den Köpfen eine große und stark blutende Platzwunde über dem linken Auge zu. Heute würde eine solche Verletzung automatisch zum Abbruch führen. Aber hier führte sie nur dazu, dass sich das Tempo des Kampfes noch verschärfte. Die fünfte Runde war ein einziger Schlagabtausch. Pimentel kam wieder mit einer harten Links-Rechts-Links-Kombination durch, die Olivares beeindruckte. Es folgten ein Jab – ein rechter Haken zum Kinn. Der Weltmeister war schwer angeschlagen. Plötzlich kam dann aber Olivares mit einem rechten Cross durch, und Pimentel ging zu Boden. Er kam wieder hoch und schenkte Olivares in den folgenden Runden nichts. Aber Olivares war auf der Siegerstraße. Systematisch bearbeitete er Körper und Kopf seines Gegners. Lediglich die achte Runde konnte Pimentel noch für sich entscheiden. Als Pimentel am Ende der zehnten Runde in seine Ecke ging, war sein Gesicht verschwollen und sein Körper übersät mit blauen Flecken. „Ich sagte meinem Manager: Harry, ich fühle meine Beine nicht mehr. Er sagte zu mir: Geh raus in die nächste Runde, und wenn du ihn nicht KO haust, stoppe ich den Kampf – was er dann auch tat.“ Pimentel hatte seinen einzigen Titelkampf verloren. Noch im Ring erklärte er seinen Rücktritt vom Boxen.
„Ich bin mir sehr sicher, dass ich Ruben Olivares und Eder Jofre hätte KO schlagen können. Ich wünschte mir, ich hätte früher gegen Ruben kämpfen können. Ich wünschte mir, ich hätte Eder boxen können. Ich hätte ein Champion werden können.“ Selbst Parnassus, der dieses Aufeinandertreffen veranstaltet hatte, sagte nach dem Kampf zur Presse, dass, hätte der Kampf nur zwei Jahre früher stattgefunden, Pimentel wohl durch KO gewonnen hätte. Dieser Kampf war so schwer und kostete auch seinen Sieger soviel Substanz, dass Olivares bereits in seinem nächsten Kampf den Titel wieder verlor.
Nach dem Ende seiner Karriere als Preiskämpfer veranstaltete Pimentel zusammen mit seinem ehemaligen Manager Kabakoff Boxkämpfe in Mexiko. Heute betreibt er eine Firma für Garten- und Landschaftsbau in Northridge/Kalifornien. Dem Boxen ist er immer noch verbunden – als Trainer im Northridge Athletic Club.
Pimentel ist mit seiner Jugendliebe Maria Elena verheiratet („Ich war in meinem ganzen Leben noch nie ein Playboy“). Er hat zwei Söhne, Jesus Jr. und Melville (benannt nach seinem Manager), sowie zwei Töchter Deborah und Esenia.
Obwohl es Jesus Pimentel nicht vergönnt war, einen Weltmeistergürtel zu erringen, so ist er aber doch ein wahrer Champion. In seinem Haus hat er einen Gürtel, der mehr aussagt als einer der protzigen Weltmeistergürtel, die heute so freigiebig verteilt werden. Auf diesem Gürtel steht „The Greatest Knockout Punching Bantamweight In Boxing History“. Er wurde ihm von Nat Fleischer, dem Gründer und Herausgeber des Ring Magazin, der wichtigsten Boxzeitschrift der Welt, überreicht.
© Uwe Betker
Nachdenken über ein Denkmal
„Ein Denkmal (Mehrzahl: Denkmäler oder Denkmale) ist ein Objekt, dem im Rahmen der Erinnerungskultur ein besonderer Wert zugesprochen wird. Es steht für ein Ereignis, eine Person oder einen Zustand der Vergangenheit.“ Also: Ein Denkmal erinnert an etwas Vergangenes – so jedenfalls habe ich es immer verstanden. Und wenn ein Denkmal an eine Person erinnert, ist diese Person normalerweise schon ziemlich lange tot – dachte ich.
Da staunte ich nicht schlecht, als ich unlängst in „The Ring“, das immer noch für sich in Anspruch nimmt „The Bible Of Boxing“ zu sein, obwohl es heute dem ehemaligen Profiboxer und heutigen Boxpromoter Oskar de la Hoya gehört, eine Anzeige las, in der ein Larry Holmes Denkmal angekündigt wird. Oder besser gesagt, die Leser werden aufgefordert, „ein Teil der Geschichte zu werden“. Dazu muss man sich nur finanziell an den Kosten beteiligten.
Der kleinste Ziegelstein mit Namen, für den Boden und die Einfassung rund um die Statue kostet $ 125 und ein größer $ 275. Man kann aber auch für $ 2.500, $ 3.500, $ 5.000, $ 10.000 oder $ 25.000 Sponsor werden. Damit rückt man mit seinem Namen dann auch näher an die Statue als die Ziegelsteine, denn man bekommt einen Platz auf dem Sockel. Die Statue soll in Easton/Pennsylvania, der Heimatstadt von Larry Holmes, am Flussufer errichtet werden. Es ist vermutlich kein Zufall, dass sich gegenüber das Büro und das Restaurant von Larry Holmes befinden. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass erstaunlich viele Menschen mit dem Namen Holmes in irgendwelchen Funktionen in den beteiligten Firmen und Organisationen an der Errichtung des Denkmals beteiligt sind.
Mich irritiert es schon, wenn einem lebenden Menschen ein Denkmal errichtet wird. Ich hoffe aufrichtig, dass hierzulande keinem lebenden Boxer ein Denkmal errichtet wird.
© Uwe Betker