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Vom Schreiben übers Boxen
Beim Profiboxen ist es wie bei anderen Sportarten auch. Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler möchten von der Presse wahrgenommen werden. Sie möchten, dass über sie berichtet wird. Vor allem möchte sie natürlich, dass positiv über sie berichtet wird. Den Verbänden, Vereinen, Veranstaltern und selbst den Sportlern geht es nämlich häufig nicht um den Sport, sondern vielmehr ums Geld. Man kann den Begriff Geld auch z.B. ersetzen durch TV-Verträge, Werbeverträge, Sponsoren usw. Und wenn es nicht ums Geld geht, dann geht es um Posten, Einfluss und Wichtigkeit. Dementsprechend wollen alle eine positive Berichterstattung.
Die Sportredaktionen sind voll von Kollegen, die Fußballspezialisten und Allrounder sind. Aufgrund der Struktur der Medien können Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler recht sicher sein vor einer kritischen Berichterstattung. Einige Kollegen schrecken, nicht nur aus zeitökonomischen Gründen, vor „heißen Themen“, mit denen man sich unbeliebt machen kann, zurück. Wer unangenehm auffällt, könnte nämlich eventuell seinen Platz am Ring verlieren, nicht mehr das gewünschte exklusive Interview oder die Einladung zur After-Show-Party bekommen.
Es gibt die etwas zynische Definition des Sportjournalisten als eines Fans, der es auf die andere Seite des Zauns geschafft hat. Diejenigen, die es auf besagte andere Seite des Zauns geschafft haben, sind denjenigen, die mit Sport Geld verdienen, die liebsten. Fans sind nämlich häufig unkritisch. Fans haben über eine längere Zeit eine leidenschaftliche und emotionale Beziehung zu ihren Fanobjekten. Fans möchten in der Regel eine Berichterstattung, die ihrer Heldenverehrung Nahrung gibt. Fans möchten nicht, dass ihre Helden schaden nehmen. Und so kommt es, dass, wie beim Fußball, auch beim Boxen kaum jemand etwas von der Seuche Doping wissen will.
Beim Boxen sind die Sitten etwas rauer, als bei anderen Sportarten. So lauern schon mal irgendwelche Schläger Journalisten auf, um diese dann zu bedrohen. Ein Kopfgeld ist auch schon mal auf einen unliebsamen Journalisten ausgesetzt worden. Da sind dann Drohanrufe, die Verweigerung der Akkreditierung, Hausverbote oder die Streichung aus dem Presseverteiler noch zivilisierte Arten, mit Kritik umzugehen.
Hinzu kommen Kommentare in den sozialen Netzwerken von Personen, die sich berufen fühlen, etwas oder jemanden vor Kritikern zu schützen. Reaktionen dieser Art sind meist wie monosynaptische Reflexe. Es wird über den „Schreiberling“ gelästert, es wird ihm dann mangelnde Kompetenz oder fehlende Information vorgeworfen. Konkret wird nur selten auf Kritik geantwortet. Meist reicht den Verteidigern der Verweis auf mangelnde Detailkenntnisse oder noch besser, schwebende Verfahren, über die man sich nicht äußern könne.
Genau dies trifft den Zeitgeist. In den sozialen Medien werden Menschen von anderen, die sich oft hinter Pseudonymen verstecken, beleidigt und bedroht. Gerne fällt auch mal das Wort „Lügenpresse“. Denen, die dieses Wort so gerne benutzen, ist es dabei offensichtlich egal, dass dies ein Lieblingswort der Nationalsozialisten war, mit dem sie gegen Demokraten, Juden und Kommunisten hetzten.
Es gibt sie aber auch: die Intelligenten und die Vernünftigen. Damit meine ich diejenigen, die verstehen, dass, wenn hier Kritik geübt wird, es um die gemeinsame Sache geht, nämlich um den Boxsport. So ist es mir auch schon wiederholt passiert, dass Personen, die ich kritisiert hatte, später Freunde wurden. Denn es gibt ein gemeinsames Ziel: ein gutes Profiboxen.
Journalismus wird oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, weil er zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Damit ist auch gesagt, dass es nicht die Aufgabe des Journalisten ist, Verbänden, Veranstaltern und Sportlern nach dem Mund zu reden, deren PR-Abteilung zu sein und dafür zu sorgen, dass sie wohlhabender werden und sich wohl fühlen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, durch eine kritische Berichterstattung zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
© Uwe Betker
Die ARD, die Rundfunkgebühren und das Boxen (2)
5. Punkturteile, die den Ruf des Athleten, des Senders, des Veranstalters und des Sports beschädigen, sollten nicht akzeptiert werden. Verschieben Punktrichter Kämpfe zugunsten des „Heimboxers“, kann man einen sofortigen oder baldigen Rückkampf ansetzen.
6. Punktrichter, die offensichtlich Dinge wie „Heimvorteil“ und „Weltmeisterbonus“ – Dinge, die die Regelwerke ja auch gar nicht vorsehen – in ihre Wertung einfließen lassen oder die versuchen durch vorauseilenden Gehorsam sich dem Veranstalter anzudienen, könnte man ja auch für drei Jahre die Möglichkeit geben, erst mal auf anderen Veranstaltungen ihr Handwerk neu zu erlernen. Oder, um es anders auszudrücken: Ich finde, dass Punktrichter, die sich diskreditiert haben, drei Jahre lang nicht mehr bei Sauerland Veranstaltungen, die schließlich mit Rundfunkgebühren bezahlt werden, eingesetzt werden dürften. Damit wird das Boxen sauberer, und es bekommt mittelfristig auch einen besseren und seriöseren Ruf, was im Interesse aller Beteiligten sein dürfte.
7. Im Vorprogramm kann man auch ausgewählte und sehr gute Weltmeisterschaften im Frauenboxen zeigen. Halten diese Kämpfe das, was man sich von ihnen versprochen hat, kann man sie nach dem Hauptkampf zeigen. Es ist nicht so, als gäbe es keine sehr guten Frauenboxkämpfe, sondern es gibt nur zu viele zu schlechte Matchmaker und dann auch zu viele Veranstalter und TV-Sender, die keine Ahnung von Frauenboxen haben. Gerade hier ist es möglich, großen Sport für relativ wenig Geld zu zeigen. Die Einschaltquoten von Regina Halmich haben seinerzeit doch bewiesen, dass es eine prinzipielle Akzeptanz beim Publikum für diesen Sport gibt.
8. Für mich gibt es auch keinen Grund, warum die ARD Boxkämpfe der unteren Gewichtsklassen ausschließt. Unterhalb des Mittegewichts gibt es durchaus sehr gutes Boxen, das bis jetzt nur nicht gezeigt wird. Mir scheint, es gibt bei den unteren Gewichtsklassen aber ein Vermittlungsproblem. Die Kommentatoren am Ring wären nämlich gezwungen, mehr Fachwissen einzubringen, weil in den unteren Gewichtsklassen das Boxen einfach um ein Vielfaches schneller, technischer und für ungeübte Augen schlechter zu sehen ist.
9. Die Kommentatoren von Boxkämpfen sollten sich primär und verstärkt wieder als Journalisten definieren, die über ein Sportereignis berichten, und nicht als Teil des Doppel-Teams Sauerland-ARD auftreten. Eine schlechte Leistung ist eine schlechte Leistung und muss auch so benannt werden und ein Betrug ist ein Betrug. Keiner will Verrenkungen mit „Heimvorteil“ und „Weltmeisterbonus“. Eine der Stärken der ARD ist doch der Journalismus! Wieso gibt es den dann nicht beim Boxen?
10. Die Kommentatoren sollten ihre Informationen zum jeweiligen Boxkampf nicht nur von den Trainern, Boxern und Angestellten von Sauerland beziehen, sondern auch unabhängige Informationsquellen nutzen.
11. Die so genannten Experten, zumeist ehemalige Boxer, könnten, meiner Meinung nach, auch ruhig etwas ehrlicher und härter analysieren und dafür weniger charmant plaudern. Wenn dann auch mal Meinungen aufeinanderprallen, können die Zuschauer das schon aushalten, wenn nicht sogar genießen.
12. Entscheidungsträger der ARD sollten prinzipiell keinen Urlaub bei Herrn Sauerland in Südafrika machen.
Es wäre vielleicht hilfreich, wenn die ARD einen Boxfachmann abstellen oder engagieren würde, der sich um die Einhaltung der oben aufgeführten Punkte kümmern könnte und die Interessen der ARD und der Gebührenzahler auch offensiv gegenüber Sauerland vertreten würde. Auch wäre es wünschenswert, wenn dieser Fachmann bereits frühzeitig bei der Planung von Veranstaltungen einbezogen wäre um frühzeitig Kontrollen und Einfluss ausüben zu können.
Es hört sich vielleicht naiv an, aber ich bin nun mal der Überzeugung, dass derjenige, der zahlt, auch die Musik bestimmt. Wieso übernimmt die ARD nicht Verantwortung und zeigt ihren Zuschauern besseres und saubereres Boxen. Sie hat auf jeden Fall dafür alle Möglichkeiten. Nun ist nur die Frage, ob sie auch den Mut und den Willen hat, es zu tun.
© Uwe Betker
Die ARD, die Rundfunkgebühren und das Boxen (1)
Bis vor kurzem sah es so aus, als sei es eine reine Formsache, dass die ARD ihren Vertrag mit Sauerland Event um drei Jahre verlängert. In den Medien wurde eine Gesamtsumme von 54 Millionen Euro bzw. 1,5 Millionen Euro pro Veranstaltung kolportiert, was allerdings vom Geschäftsführer von Sauerland, Christian Meyer, dementiert wurde. Nun haben die Gremien der ARD den Vertrag nicht abgenickt, sondern blockiert. Es sieht so aus, als würden die Intendanten der einzelnen Sendeanstalten ihren gegenseitigen Animositäten und persönlichen Eitelkeiten über die Medien freien Lauf lassen. Das Profiboxen ist hier nur Spielwiese.
Die Quoten sprechen fürs Boxen, auch wenn einige Intendanten Radfahren oder Rhythmische Sportgymnastik vorziehen mögen. Aber einige Vertreter von Sendeanstalten bezweifeln „die Verhältnismäßigkeit des Millionendeals, und ob Boxkämpfe überhaupt ins öffentlich-rechtliche Programm passen.“ Über das Passen des Boxens kann man wohl getrost hinweggehen, denn das scheinen mir eher Pseudo-Bedenken zu sein. Wenn Boxen nicht ins öffentlich-rechtliche Programm passt, dann passt überhaupt kein Sport ins Programm, auch und vor allem kein Fußball. Denn alles, was man dem Boxen zum Vorwurf machen kann, kann man auch über den Fußball sagen. Über die Verhältnismäßigkeit aber, lohnt es sich schon nachzudenken.
Ein langfristiges und finanziell starkes Engagement von der ARD bei Sauerland Event halte ich für richtig und wichtig. Gleichzeitig sollte die ARD sich aber ihrer Verantwortung gegenüber den Zuschauern und dem Sport stärker bewusst werden und ihre Zusammenarbeit mit Sauerland anders gestalten. Wenn Rundfunkgebühren, die von jedem Haushalt in Deutschland entrichtet werden müssen, dazu verwendet werden, die Übertragung von Boxveranstaltungen zu bezahlen, muss die ARD es auch als ihre Pflicht ansehen, darauf zu achten, dass diese Gelder in einer, nenne ich es mal, ethischen Weise ausgegeben werden. Will die ARD nicht den gleichen Weg gehen wie das ZDF und ihren sowie den Ruf des Boxens ruinieren, dann muss die ARD auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Für mich stellt sich hier allerdings die Frage, ob die ARD das auch wirklich will. Ich jedenfalls habe manchmal schon den Eindruck, dass sie es nicht will.
Wenn die ARD sich jedoch mit dem Juwel Boxen langfristig weiter schmücken und gute Einschaltquoten erzielen will, ohne sich und den Sport zu beschädigen, dann muss sie wohl etwas ändern. Hier ein paar Vorschläge:
1. Die ARD gibt nicht allein dem berliner Veranstalter das ganze Geld, das sie für Boxen zur Verfügung hat. Es käme ja vermutlich auch kein deutscher TV-Sender auf die Idee, nur die Fußballspiele des aktuellen Deutschen Meisters Borussia Dortmund zu übertragen und alle anderen zu ignorieren. Dementsprechend macht es auch keinen Sinn so zu tun, als ob Boxen in Deutschland nur aus dem besteht, was Sauerland Event anbietet. Sinnvoll wäre es also, Sauerland nur einen Anteil von dem Geld zu garantieren. Damit hätten beide, Veranstalter und Sender, eine Planungssicherheit. Gleichzeitig aber hätte man dann noch die Möglichkeit, weitere Kämpfe oder Veranstaltungen hinzuzukaufen. Von den besten 25 Boxern der Welt, boxt nur Steve Cunningham (Position 17) bei der ARD – und dann auch noch nur im Vorprogramm. Hier sitzt also der Zuschauer nicht in der ersten Reihe, sondern eher hinter der Säule.
2. Zugekauft werden könnten dann die Megafights weltweit. Es könnte dann auch die Sauerland Veranstaltung auf den gleichen Abend gelegt werden, wie z.B. die Kämpfe von Manny Pacquiao. Der Fernsehzuschauer hätte dann die Möglichkeit erst die deutsche Veranstaltung zu sehen und anschließend noch einen großen Kampf aus dem Ausland.
3. Zugekauft werden könnten außerdem noch besonders interessante oder viel versprechende Kämpfe mit deutscher Beteiligung, wo die Boxer bei Veranstaltern unter Vertrag sind, die keine TV-Verträge haben. Und warum sollten diese Kämpfe dann nicht sogar auch im Rahmen der Sauerland-Shows oder in Kooperation von zwei Promotern stattfinden?
4. Die Qualität der Kämpfe müsste einfach stärker kontrolliert werden. Es ist ja so, dass ein Weltmeister z.B. einmal im Jahr seinen Titel gegen einen Pflichtherausforderer verteidigen muss. Mindestens bei einer der freiwilligen Titelverteidigungen sollte der Herausforderer ein Top Ten Mann sein. Warum sollte dann die ARD dabei dann einen Gegner akzeptieren, der schlechter als auf Position 35 der unabhängigen Weltrangliste steht?
© Uwe Betker