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Die Krise ist da
Die Krise ist da. Lange wurde das Herannahen der Krise im deutschen Profiboxen von den Beteiligten übersehen, ignoriert und verleugnet. Aber nun ist die Krise da, und jetzt kann sie nicht mehr übersehen werden. Spätestens seit Marco Hucks letzter Niederlage hat sich der allgemeine Blick aufs Profiboxen geändert. Man hört und liest kritische Töne allüberall. Selbst Funktionäre von deutschen Verbänden fangen an, in der Öffentlichkeit ein realistisches Bild zu zeichnen. Unlängst kritisierte sogar ein Funktionär einen Kampf, der auf einer Veranstaltung des eigenen Verbandes stattgefunden hatte. BILD fand die griffige Überschrift: „Nur noch ein Weltmeister – Darum steht das deutsche Boxen vor dem K.o.“.
Wirklich sieht die Situation auch nicht gut aus. Fangen wir mit dem Schwergewicht an. Christian Lewandowski (11 Kämpfe, 9 Siege, 9 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) und Erkan Teper (18 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 2 Niederlagen) verloren ihre letzten zwei Kämpfe. Dennis Lewandowski (12 Kämpfe, 11 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) verlor Mitte letzten Jahres gegen Tom Schwarz. Adrian Grant (15 Kämpfe, 14 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) ging in seinem letzten Kampf KO. Da haben wir gleich vier deutsche oder in Deutschland boxende Schwergewichtler, die fette Rückschläge einstecken mussten.
Gerüchten zufolge will sich Z! Promotion, deren Zugpferde Erkan Teper und Christian Lewandowski sind, aus dem Geschäft zurückziehen, bzw. ihr Engagement deutlich runter fahren. Wie gesagt, es ist nur ein Gerücht.
Das letzte Mal, als ich hier ein Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist, widergegeben habe, erfuhr ich viel Häme. Damals kursierte das Gerücht, der TV Sender Sat.1 wolle „nur noch drei bis vier Boxveranstaltungen, und zwar Weltmeisterschaften“ im Jahr übertragen. Es folgte eine Pressemeldung, die verkündete, Sat.1 und Sauerland hätten ihren Vertrag verlängert – und dann viel Häme. Wenn ich dann aber nachzähle, stelle ich fest, dass Sat.1 in diesem Jahr erst eine Veranstaltung übertragen hat.
Zudem ist die Zukunft einiger Hauptkämpfer ungewiss. Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO), der ehemalige König des Schwergewichts, steht mit seinen 41 Jahren und seinen letzten beiden Niederlagen gegen Tyson Fury und Anthony Joshua im Herbst seiner Karriere. Der ehemalige Cruisergewichtsweltmeister Marco Huck (45 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) ist zwar erst 32 Jahre alt, wirkte aber in seinem letzten Kampf sehr viel älter.
Jürgen Brähmer (51 Kämpfe, 48 Siege, 35 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO) verlor in seinem letzten Kampf seinen WM Titel im Halbschwergewicht.
Arthur Abraham (51 Kämpfe, 46 Siege, 30 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO) ist schon sein eineinhalb Jahren seinen WM Titel im Supermittelgewicht los.
Robert Stieglitz (57 Kämpfe, 50 Siege, 29 durch KO; 5 Niederlagen, 3 durch KO, 2 Unentschieden) hat seinen Rücktritt erklärt und Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Niederlagen, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) ist seit mehr als einen Jahr inaktiv. Damit dürfte er eine mögliche Dopingsperre schon abgegolten haben.
Mit der obigen Liste erhebe ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Was ich zu verdeutlichen versuche, ist, dass es dem Profiboxen in Deutschland an TV-tauglichen Hauptkämpfern mangelt. Damit soll nicht gesagt werden, dass es keine Kandidaten hierfür gäbe. Sie sind nur noch nicht so weit, dass ein großer TV-Sender damit eine entsprechende Einschalquote erzielen könnte.
Durch die Niederlagen von Klitschko und Huck ist es fraglich geworden, ob und wann RTL überhaupt wieder Boxen zeigen wird. Der MDR hält weiter zu SES-Boxing, zumal die Quoten gut sind. Der ehemalige Boxsender Sat.1 zeigt nur noch sehr selten Boxen. Die Veranstaltungen von Sauerland sind nun zumeist im Internet oder in Spartensendern zu sehen.
Das Grundproblem von Profiboxen und großen TV Sendern ist, dass die Letzteren diesen Sport nur dann zeigen können und wollen, wenn die Einschaltquote stimmt. Das bedeutet aber nun nichts anderes, als dass Boxen Hauptkämpfer braucht, die auch eine entsprechende Zuschauerzahl an die TV-Geräte locken, nämlich auch solche, die Boxen sonst nicht gucken. Einige Veranstalter haben hier auf die falschen Boxer und auch auf die falschen Berater gesetzt. Und natürlich haben TV-Sender zum Teil auch das falsche Produkt von den Veranstaltern gekauft.
Auch die angekündigte Zusammenarbeit zwischen einem der deutschen Profiverbände, BDB, mit dem Amateurverband DBV dürfte dieses Problem nicht lösen. Allein durch eine Zusammenarbeit der beiden Verbände werden ihre Produkte, nämlich Profi- und Amateurboxen, noch keineswegs attraktiver.
Die Krise ist da, und es ist gut, dass man sie jetzt nicht mehr verleugnet. In Deutschland gibt es genug talentierte Boxer, die das Zeug dazu hätten, genug Zuschauer für TV-Sender zu mobilisieren. Aber die brauchen noch Zeit. Außerdem ist auch vorstellbar, dass schon bald jemand ein neues Konzept für die Vermarktung von Profiboxen ausarbeitet.
© Uwe Betker
Die ultimativ subjektive Liste 2016
Boxer des Jahres
Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO) boxte 2016 nicht. Er hatte mit psychischen Problemen, Drogen, Alkohol und einem positiven Dopingtest zu tun. Der Weltmeister der WBO und Super Champion der WBA verlor kampflos seine Titel. Aber immer war er in den Medien präsent. Wir dürfen gespannt sein, ob er den Weg zurück in den Ring findet.
Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Die Liste der Boxer, die einen zu hohen Preis für ihr Tun bezahlen, wird immer länger. Erst war es Alexander Mengis, der nach seinem Kampf am 23. Mai 2013 in Berlin ins Koma fiel. Nun kam am 18. November 2016 Eduard Gutknecht hinzu. Boxfans, Manager, Veranstalter und Journalisten vergessen gerne, dass Boxen gefährlich ist. Alexander Mengis und Eduard Gutknecht sind die Boxer des Jahres 2016 ehrenhalber.
Boxerin des Jahres
2016 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.
KO des Jahres
Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) boxte am 05.11.2016 in Plettenberg um den Titel des GBU Europameisters im Super Federgewicht. Dabei traf er auf Manuel Buchheit (9 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Jedrzejewski boxte überlegt und kontrolliert bis in die letzte Runde. Dann stellte Jedrzejewski Buchheit an den Seilen und deckte ihn mit Links-rechts-Kombinationen zum Kopf ein. Buchheit stürzte KO durch die Seile auf den Tisch der Offiziellen.
Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben.
Feiglinge des Jahres
Zwei Schläger bedrohten im Rahmen der Veranstaltung am 04. Dezember in Hamburg den renommierten Boxsportjournalisten Per Ake Persson. Ein Boxer oder eine Boxerin fühlte sich wohl von Persson nicht nett genug behandelt. Der Boxer oder die Boxerin hat erst einmal ein intellektuelles Problem, weil er oder sie meint, Journalisten hätten Hofberichterstatter zu sein. Zum anderen scheint er oder sie auch feige zu sein, weil er oder sie nicht das Gespräch gesucht hat.
Rookie des Jahres
Ein 32-jähriger Boxer soll ein Rookie sein? Ja. Der Schwergewichtler Patrick Korte hat bis jetzt nur 8 Profikämpfe bestritten. Er ist ein Spätberufener. Aber als Typ ist er interessant und als Boxer viel versprechend. Den Rest wird die Zukunft zeigen.
Überschätzter Boxer des Jahres
Erkan Teper (17 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage) hat am 15.10.2016 in Christian Hammer seinen Meister gefunden. Der Schwergewichtler war und ist die Hoffung von Z!-Promotion. Inwieweit Teper die in ihn gesetzten Hoffnungen aber erfüllen kann, wird sich zeigen.
Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.
Ringrichter des Jahres
Drei Ringrichter sind mir sehr positiv aufgefallen: Goran Filipovic vom BDB, Thomas Hackenberg von der GBA und Alexander Plumanns von dem FVA.
Absteiger des Jahres (männlich)
Alexander Zastrow und Boris Zastrow, die Besitzer von Z!-Promotion wollten von Deutschland aus das Schwergewichtsboxen erobern. Sie holten sich Hagen Döring als Mastermind, Oktay Urkal als Trainer und drei Schwergewichtler, Erkan Teper, Christian Lewandowski und Franz Rill. Die Dopingskandale um Erkan Teper wurden ausgesessen. Dann kam aber noch der 15.10.2016 und alle drei Schwergewichtler verloren. Lewandowski und Urkal verloren wohl sogar ihren Vertrag. Unbeschädigt blieb nur ein Nicht-Schwergewichtler, nämlich der Weltergewichtler Timo Schwarzkopf (17 Kämpfe, 16 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage).
Absteiger des Jahres (weiblich)
Maria Lindberg (19 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 2 Unentschieden) ist die Nummer sechs im Super Weltergewicht. Dennoch boxte sie in ihrem letzten Kampf am 04. Dezember in Hamburg gegen eine Debütantin, Selma Music aus Kroatien.
Aufsteiger des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) ist aufgestiegen in den Sportolymp, u. z. in den, in dem schon die Großen Lance Armstrong, Ben Johnson und Jan Ullrich sind. Wie vermutlich bei all den oben Genannten enthielten auch die Körperausscheidungen von Sturm Substanzen, die dort nicht hinein gehören.
Aussteiger des Jahres
Der BDB ist zum zweiten Mal von der EBU in ihrer Mitgliedschaft herabgestuft worden. Grund war wohl jeweils der Umgang des BDBs mit Doping. Man könnte die Informationspolitik des BDB gegenüber der EBU als Ausstieg aus der EBU verstehen.
Veranstalter des Jahres
Der Veranstalter des Jahres ist eine Frau, um es noch präziser zu sagen, eine sehr junge Frau. Die erst 14 Jahre alte Ranee Schröder, stellte am 18.12.2016 in Bielefeld einen Box-Frühschoppen auf die Beine. Und es war eine richtig gute Veranstaltung. Ranee Schröder ist wohl der/die jüngste Boxpromoter/in der Welt sein. Hoffen wir, dass sie weiter macht.
Veranstaltung des Jahres
Christoph Jan Jaszczuk (First Punch Boxpromotion) stellte am 05.11.2016 in Plettenberg eine großartige Veranstaltung auf die Beine. Es gab einfach nur richtig gutes Boxen zu sehen. Im Hauptkampf des Abends wurde Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) GBU Europameister im Super Federgewicht.
Boxevent des Jahres
Gab es überhaupt ein gutes großes Boxevent 2016?
Fehlentscheidung des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) gewann am 20.09.2016 seinen Rückkampf gegen Fedor Chudinov (15 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage). Das wenigstens sahen die Punktrichter Jean-Louis Legland (115:113), Giuseppe Quartarone (115:113) und Ignacio Robles (114:114). Die meisten Boxfans allerdings, sofern sie nicht gerade Felix Sturm Fans waren, sahen das wohl anders.
Trainer des Jahres
Kai Gutmann aus Lemgo hat mit zwei Boxerinnen das Frauenboxen in Deutschland aufgemischt und bereichert: Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) und Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden).
Entgleisung des Jahres
Doping fängt an, das Profiboxen in Deutschland zu zerstören. Erkan Teper, Felix Sturm und Alexander Povetkin sind 2016 im Zusammenhang mit Doping in Erscheinung getreten. Aber das interessiert offenbar keinen, am wenigsten die Verbände, deren Strafen für Doping nach wie vor geradezu lächerlich sind.
Boxkampf des Jahres (männlich)
Der Kampf zwischen Milos Janjanin und Atilla Kayabasi um den WBU International Titel im Super Leichtgewicht am 21.05.2016 in Dorsten, im Rahmen der zweiten Assassin Fighting Championship. Beide gingen von der ersten Sekunde an ein unglaublich hohes Tempo. Ein Schlagabtausch folgte auf den nächsten. In der sechsten Runde zog sich Kayabasi einen stark blutenden Cut über dem rechten Auge zu. Danach verwandelte sich der klasse Kampf in eine geradezu epische Ringschlacht, die Atilla Kayabasi schließlich nach Punkten für sich entscheiden konnte.
Boxkampf des Jahres (weiblich)
Es fand kein wirklich großer in Deutschland statt, oder ich habe weder von ihm gehört noch habe ich ihn gesehen.
Comeback des Jahres (männlich)
Markus Bott ist wieder da. Der ehemalige Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO trainiert seit kurzem Vincent Feigenbutz.
Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.
Bester Show Act des Jahres
Troy Afflick, ein unglaublich guter Soulsänger, sang mehrfach beim Box-Frühschoppen von Ranee Schröder in Bielefeld. – Eine super Stimme.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Cruisergewichtler Noel Gevor (22 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO) ist vermutlich der Boxer von Sauerland Event mit dem größten Potential. Er ist WBO International Champion und die Nummer 22 der unabhängigen Weltrangliste.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Super Federgewichtlerin Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden) dürfte reif für eine WM sein. Sie hat zwar keinen richtigen Punch, dafür hat sie aber eine gute boxerische Grundausbildung. Mit ihren 24 Jahren hat sie noch viele Jahre vor sich.
Boxer, der zu Unrecht übersehen wird
Der Schwede Adrian Grant (14 Kämpfe, 14 Siege, 13 durch KO) ist zurzeit der vielversprechendste unter den in Deutschland boxenden Schwergewichtlern. Und er ist erst 25 Jahre alt. D.h. für einen Schwergewichtler ist er noch richtig jung. In der unabhängigen Weltrangliste wird er bereits auf Position 27 geführt.
Boxerin, die zu Unrecht übersehen wird
Die erst 22 Jahre alte Leichtgewichtlerin Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) ist eine Kriegerin und so boxt sie auch.
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (männlich)
Laut Internet-Gerüchteküche ist ein Aufeinandertreffen von Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) und Arthur Abraham (50 Kämpfe, 45 Siege, 30 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO) geplant. Vor fünf Jahren wäre das ein Weltklassefight gewesen, jetzt, fürchte ich, ginge es nur noch ums Kasse-Machen. Außerdem stellt sich noch eine moralische Frage: Soll man Boxer, die doch wohl des Dopings überführt sind, auch noch mit einer vermutlichen Millionenbörse belohnen?
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (weiblich)
Es soll da eine Boxerin in Deutschland geben, eine Weltmeisterin, die angeblich in ihren letzten sechs Titelkämpfen, in den letzten drei Jahren, keine Frau mit einem positiven Kampfrekord geboxt hat.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (männlich)
Wladimir Klitschko (68 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO) vs. Anthony Joshua (18 Kämpfe, 18 Siege,18 durch KO) – Eventuell werden wir den Kampf auch zu sehen bekommen, den wir wollen. Der Gewinner dürfte dann der neue oder der alte Herrscher über das Schwergewicht sein.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (weiblich)
Bis jetzt kam es immer noch nicht zum Rückkampf zwischen Christina Hammer (21 Kämpfe, 20 Siege, 9 durch KO) und Anne Sophie Mathis (33 Kämpfe, 27 Siege, 23 durch KO, 4 Niederlagen, 12 durch KO). Wir erinnern uns noch mit Entsetzen an Ringrichter Manfred Küchler und daran, dass Hammer den Kampf nicht durch KO verlor. Nun wird es langsam Zeit, denn Mathis ist bereits 39 Jahre alt und sie hat ihren letzten Kampf gegen Cecilia Braekhus durch TKO in Runde 2 verloren.
© Uwe Betker
Ein sprachliche Entgleisung – oder mehr: Über Wladimir Klitschkos Hitler Vergleich
Wenn die griechische, die polnische, die türkische oder irgendeine andere Presse Angela Merkel mit Hitler vergleicht, dann finden wir das geschmacklos. Eigentlich weiß jeder in Deutschland, dass man niemanden mit Hitler vergleichen sollte. Und jeder weiß auch, dass jemand, der davon nichts wissen will und es trotzdem macht, immer schlecht dasteht. Trotzdem hat Wladimir Klitschko unlängst Tyson Fury mit Adolf Hitler verglichen.
Am 9. Juli sollten Wladimir Klitschko (68 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO 4 Niederlagen, 3 durch KO) und Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO) eigentlich ihren Rückkampf in Manchester bestreiten. Dann, bei einem Medientermin im österreichischen Going, wo Klitschko sich, wie schon so oft, im „Stanglwirt“, dem Fünf Sterne Biohotel, auf den Kampf vorbereitet hatte, passierte es: Der promovierte Akademiker Klitschko sagte in die Mikrofone und Kameras, die er gerufen hatte, Fury „klang wie Hitler“. Anlass waren Äußerungen des Schwergewichtsweltmeisters in einem YouTube-Video, in dem er sexistische, antisemitische und homophobe Ansichten zum Besten gab. Und er bezeichnete außerdem seinen Herausforderer als bisexuell.
Immer wenn Fury und Klitschko außerhalb des Ringes aufeinander trafen, wurde es für anwesende Journalisten kurzweilig. Fury redete viel, war dabei amüsant bis lustig. Er war immer für eine Überraschung gut und oft machte er Dinge, die man nicht erwartete. Er verkleidete sich als Batman, um Klitschko vor einem Joker zu retten. Er versprach Klitschko, für ihn ein Lied zu singen und machte es dann auch. Klitschko reagierte seinerseits immer souverän und konterte mit Ironie. Das hat sich nun offensichtlich geändert. Jetzt reagierte er auf ein Video aus dem Internet, bei dem er nicht einmal Hauptgegenstand der verbalen Ausfälle von Fury war.
Klitschko sagte: „Ich war schockiert über seine Aussagen zu Frauen und die Homosexuellen-Gemeinschaft. Aber als er über Juden sprach, klang er wie Hitler.“ Und weiter: „Ich kämpfe gegen einen Typen, der seinen Mund nicht halten kann. Er ist wirklich ein Idiot. Wir haben einen Dummkopf als Schwergewichts-Champion.“ Später bezeichnet er ihn als einen „geisteskranken Schwachmaten“. „Statt wie Muhammad Ali das Boxen glänzen zu lassen, sind seine Aussagen nur peinlich. Dass er diese Bühne hat, das passt nicht in meinen Kopf. Er wirbt für die falsche Seite.“ In Erinnerung aber bleibt der Hitlervergleich.
Die Klitschkos betreiben seit Oktober 2007 eine eigene Vermarktungsagentur „Klitschko Management Group GmbH“ (KMG). Als Service bietet die KMG u. a. Consulting im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit und Personality Branding mit Personality Analyse, Personal Profiling, Short Term Strategy, Long Term Strategy und Vermarktung an. Wenn man noch die Hunderte von Pressekonferenzen und vermutlich Tausende von Interviews hinzurechnet, dann erscheint einem Klitschko schon als ein abgebrühter Medienvollprofi. Aber nahezu jeder weiß doch, dass man keinen mit Hitler vergleicht.
Man kann nun nur darüber spekulieren, was den sonst immer so abgeklärten und ruhigen promovierten Sportwissenschaftler, der wohl seinen Doktortitel 2001 an der Universität Hryhory Skovoroda in Perejaslaw-Chmelnyzkyj bei Kiew gemacht hat, so aus der Reserve gelockt hat. – Ich kann mir jedenfalls schlicht nicht vorstellen, dass das dumme Gelaber von Fury, gespeist aus dessen Frauenfeindlichkeit, Homophobie, latentem Judenhass und seinen wahrscheinlichen intellektuellen Defiziten, Klitschko so in Rage gebracht haben könnte.
Klitschko sagte auch. „Fury ist schwachsinnig. Ernsthaft. Ich war geschockt von seinen Äußerungen über Frauen, die Schwulenszene. Und wenn er über Juden redet, hört er sich an wie Hitler.“ Und: „Bei all der Dummheit, die bei ihm herauskommt, ist eine Stufe erreicht, die ich nicht akzeptieren kann. Speziell in dieser verrückt gewordenen Welt sehen wir doch, wohin es führt, wenn über Juden Hass ausgeschüttet wird.“ Klitschko wiederholt: „Ja, er hört sich an wie Hitler, wie schon gesagt. Fury ist psychisch krank.“
Womöglich geht es Wladimir Klitschko aber gar nicht um die Verteidigung von Frauen, Homosexuellen, Juden sowie von moralischen und intellektuellen Standards. Eventuell geht es nur darum, dass er Fury für psychisch krank hält. Klitschko hat das schon einmal, nämlich bei der ersten Pressekonferenz vor dem Kampf im Rheinstadion in Düsseldorf, gesagt. Damals aber hatte er es als Scherz gesagt und ergänzt, dass er ihn im Ring therapieren wolle. Der Ausgang des Kampfes ist bekannt.
Wenn Klitschko ihn für psychisch krank oder für verrückt hält, dann hat Klitschko ein Problem. Ein psychisch Kranker oder ein Verrückter hat nämlich vermutlich keine Angst vor ihm. Was aber noch viel schlimmer ist, er ist auch nicht berechenbar. Er macht Dinge, die keiner von ihm erwartet. Fury hat Klitschko nicht nur geschlagen, er hat ihn regelrecht vorgeführt. Womöglich steckt genau das dahinter, wenn Wladimir Klitschko seine Nonchalance verliert.
© Uwe Betker
Die tödliche Krankheit des Profiboxens: Doping
Eine Krankheit breitet sich in rasendem Tempo aus. Sie birgt das Potential in sich, das Profiboxen in Deutschland zu töten. Zwar kann man das Profiboxen nicht direkt töten – es sei denn, der Staat entschließt sich, es zu verbieten. Aber es kann in die Bedeutungslosigkeit absinken. Die Gefahr ist bekannt, denn diese tödliche Krankheit hat bereits einen Sport auf dem Gewissen. Dennoch ist offensichtlich kaum jemand willens, etwas gegen diese Krankheit zu tun.
Die Krankheit heißt Doping. Und Doping hat das einst medial groß vertretene Radrennen fast zum Verschwinden gebracht. Jeder Radrennfahrer muss heute, d.h. nach Jan Ullrich und Lance Armstrong, erst einmal versichern, dass er nicht dopt. Eigentlich gehen wohl alle Zuschauer mittlerweile davon aus, dass Radrennfahrer grundsätzlich gedopt sind. Dass es soweit gekommen ist, dazu haben viele beigetragen: Veranstalter, Sponsoren, Verbände und TV-Sender. Alle haben jedenfalls gegen Doper, die doch nichts anderes als Betrüger sind, nichts getan. Und genau das scheint im deutschen Profiboxen oder im Boxen allgemein auch zu passieren.
Hier eine kleine Liste der Dopingfälle – dabei ist noch anzumerken, dass einige dieser „Fälle“ später offiziell als so etwas wie eine lässliche Sünde oder ein unbedeutendes Fehlverhalten eingestuft wurden:
– Erkan Teper war am 13.06.2014, in seinem Kampf gegen Newfel Ouatah gedopt – dabei ging es um den EBU-EU (European Union) Schwergewichtstitel. Teper gab wohl sein Doping zu.
– Zwischen Februar und März 2015 sollen bei Tyson Fury bei einer Dopingprobe erhöhte Werte des anabolen Steroids Nandrolon nachgewiesen worden sein.
– Erkan Teper war am 17.07.2015 in seinem Kampf gegen David Price vermutlich erneut gedopt – es ging um den EBU Schwergewichtstitel. Diesmal argumentierte sein Management dahingehend, dass es sich bei der Auswertung der A-Probe nicht um Mess-, sondern um Schätzwerte handele, es also „keine aussagekräftige Analyse“ sei und sich das Ergebnis auch noch in einem Bereich befinde, in dem ohnehin „nur Abschätzungen getroffen werden können, welche keine (insbesondere juristische) Verwertbarkeit haben“.
– Alexander Povetkin wurde Anfang des Jahres positiv auf Meldonium getestet. Meldonium ist ein in Osteuropa verbreitetes Herzmittel (!).
– Felix Sturm war am 20.02.2016, in seinem Kampf gegen Fjodor Tschudinow vermutlich gedopt – dabei ging es um den Titel des Super Champion der WBA im Super Mittelgewicht. In seiner A-Probe fanden sich anabole Steroide.
– Lucas Browne war am 05.03.2016 in seinem Kampf gegen Ruslan Chagaev gedopt, bei dem es um den WM Titel im Schwergewicht nach Version WBA ging.
– Igor Mikhalkin war am 12.03.2016 in seinem Kampf gegen Patrick Bois positiv auf Meldonium getestet worden – es ging um die Europameisterschaft im Halbschwergewicht. Da fragt man sich doch, ob ein Profiboxer tatsächlich so herzkrank sein kann, dass er auf der einen Seite medikamentiert werden muss und auf der anderen Seite aber gleichzeitig Hochleistungssport treiben kann.
In dieser Liste sind nur die Fälle aufgelistet, die mir auffielen. Man kann also getrost davon ausgehen, dass es noch viel mehr Dopingfälle im Profiboxen waren. Schließlich meine ich mich doch daran zu erinnern, dass es nationale Verbände geben soll, die die internationalen Verbände nicht über positive Dopingergebnisse informiert und Doping auch nicht öffentlich gemacht haben. Bei Strafen von wenigen Monaten fallen überführte Doper auch nicht weiter auf.
Doping ist Betrug. Aber es will irgendwie keiner etwas dagegen machen. Die Strafen für Doping sind lächerlich. Ich habe den bösen Verdacht, dass die Beteiligten selbst dann nichts ändern wollen, wenn es einen zweiten Fall Jupp Elze gibt. Zu sehr hängt die Existenz der Verbände, Veranstalter und Manager am Erfolg ihrer Boxer.
Für mich stellt sich hier aber die Frage: Wie werden nun die deutschen TV Sender mit Dopingfällen umgehen? Werden sie das Thema einfach ignorieren und totschweigen – nach dem Motto: „The show must go on“? Werden sie die Kämpfe von Dopern weiter übertragen und damit Betrüger belohnen? – Wir werden es sehen.
© Uwe Betker
Wladimir Klitschko boxt gegen Arthur Abraham, oder gegen irgendeinen anderen
Unlängst verschickte die Klitschko Management Group GmbH eine Pressemeldung mit dem Titel. „Pressemitteilung Cecilia Brækhus vs. Ramona Kühne“. In der Meldung heißt es: „Die gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt, Cecilia Brækhus (27-0-0, 7 KOs), startet in ihre Zusammenarbeit mit K2 Promotions und KMG mit einem Paukenschlag: Die ungeschlagene WBC-, WBA-, WBO-, IBO- und IBF-Boxweltmeisterin im Weltergewicht trifft im Vorprogramm des Weltmeisterschaftskampfes von Wladimir Klitschko und Tyson Fury am 24. Oktober 2015 in der Düsseldorfer ESPRIT Arena auf WBO-, WIBF- und WBF-Weltmeisterin im Super-Federgewicht, Ramona „Wild Dragon“ Kühne (23-1-0, 8 KOs). Brækhus, „First Lady des Boxens“, feiert mit diesem Kampf nach elfmonatiger Verletzungspause ihr Comeback. Im vergangenen November verteidigte sie ihre Gürtel gegen IBO-Champion Jennifer Retzke durch Punkturteil.
„Der Kampf gegen Ramona Kühne ist für mich eine große Herausforderung nach meiner langen Verletzungspause“, so Brækhus. „Es wird für uns beide ein einzigartiger Kampf. Sie ist eine sehr gut ausgebildete Boxerin und verdammt schnell. Das motiviert mich enorm. Doch ich bin stärker. Fest steht, dass sie am Ende in großen Schwierigkeiten stecken wird.“
Kühne stand zuletzt am 1. August 2015 im Ring und gewann ihren Kampf durch Punkturteil gegen die Österreicherin Doris Köhler. Die 13 Titelverteidigungen ihrer Karriere bestritt sie im Halbweltergewicht, Leichtgewicht und Super-Federgewicht. Jetzt stellt sie sich der gewichtsklassenübergreifend besten Frauenboxerin der Welt.“
Die Ansetzung: Cecilia Brækhus gegen Ramona Kühne finde ich schon etwas seltsam. Da ernannte die Presseabteilung der Klitschko Management Group GmbH Braekhus zu der „gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt“. – Trommeln gehört zum Geschäft. Wieso aber sollte die angeblich „gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt“ nicht eine Gegnerin boxen, die zumindest halbwegs in ihrer Gewichtsklasse ist? Braekhus ist Weltmeisterin im Weltergewicht. Kühne ist Weltmeisterin im Super Federgewicht. Nach dem Super Federgewicht kommt das Leichtgewicht. Auf das Leichtgewicht folgt das Super Leichtgewicht und hiernach kommt erst das Weltergewicht. Kühne würde also ganze drei Gewichtsklassen hoch gehen, um gegen Braekhus anzutreten.
Die angeblich „gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt“ will offebar nicht gegen eine Boxerin antreten, die auch nur in der Nähe ihrer Gewichtsklasse beheimatet ist. Eigentlich waren drei andere Gegnerinnen erwartet worden. Da war z.B. die Argentinierin Erica Anabella Farias (23 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage), WBC Weltmeisterin im Halbweltergewicht, also nur eine Gewichtsklasse unter ihr, im Gespräch gewesen. Farias ist auch die beste Halbweltergewichtlerin der Welt. Das wäre schon eine sehr gute Kampfansetzung gewesen. Braekhus wird wohl auch nicht gegen die Belgierin Delphine Persoon (34 Kämpfe, 33 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage), die WBC Weltmeisterin im Leichtgewicht, antreten. Auch Persoon ist die Beste ihrer Gewichtsklasse, und sie ist zwei Gewichtsklassen unter Braekhus beheimatet. Auch die Amerikanerin Layla Eveleen McCarter (54 Kämpfe, 36 Siege, 8 durch KO, 13 Niederlagen), die WBA Weltmeisterin im Super Weltergewicht, wurde immer wieder als Gegnerin genannt. Sie ist immerhin die Drittbeste ihrer Gewichtsklasse und boxt nur eine Gewichtsklasse über Braekhus.
Die Ansetzung Brækhus gegen Kühne könnte dennoch wirklich interessant sein, wenn die angeblich „gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt“ nicht alle Vorteile für sich behalten würde. Es wäre etwa denkbar ein Catch Weight Kampf bei dem sich beide Boxerinnen gewichtsklassenmäßig entgegenkämen. Kühne könnte dann ein oder zwei Gewichtsklassen höher boxen und Brækhus ein oder zwei Gewichtsklassen niedriger. So würde dann auch der PR Titel „gewichtsklassenübergreifend beste Frauenboxerin der Welt“ einen Sinn bekommen.
Um es noch mal zu verdeutlichen, was ich meine: Stellen wir uns doch mal eine Pressemeldung vor, in der folgendes zu lesen ist: „Der gewichtsklassenübergreifend beste Boxer der Welt, Wladimir Klitschko (67 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO), beendet das Jahr mit einem Paukenschlag: Der amtierende Weltmeister der IBF, WBO und Super Champion der WBA im Schwergewicht trifft am 24. Dezember 2015 im Düsseldorfer Rheinstadion auf den WBO Weltmeister im Super Mittelgewicht, Arthur Abraham (47 Kämpfe, 43 Siege, 29 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO).
Die Pressemeldung der Klitschko Management Group GmbH ist nun allerdings nichts anderes als elektronische Makulatur. Vor kurzem wurde bekannt, dass es den Kampf zwischen Cecilia Brækhus und Ramona Kühne gar nicht geben wird. Man konnte sich vertraglich nicht einigen. Das heißt ja wohl, dass man sich nicht über die Börse einigen konnte. – Soweit, so üblich. Ungewöhnlich ist nur, dass die PR-Abteilung von Klitschko überhaupt eine Pressemeldung über eine Kampfansetzung verbreitet, für die die Vertragsverhandlungen noch gar nicht abgeschlossen sind. Die entsprechende Pressemeldung müsste dann doch wohl eher heißen: „Der gewichtsklassenübergreifend beste Boxer der Welt, Wladimir Klitschko boxt gegen Arthur Abraham oder aber gegen irgendeinen anderen.
© Uwe Betker
Eine perfekte Inszenierung: Die erste PK zu Wladimir Klitschko vs. Tyson Fury
Am 24. Oktober 2015 sollen Wladimir Klitschko (67 Kämpfe, 64 Siege, 3 Niederlagen, 3 durch KO) und Tyson Fury (24 Kämpfe, 24 Siege, 18 durch KO) im ehemaligen Rheinstadion in Düsseldorf gegeneinander boxen. Also in 3 Monaten geht es um die WM Titel der IBF, WBO im Schwergewicht und um den Super Champion Titel der WBA, den zwar Klitschko verlieren, aber allerdings Fury nicht gewinnen kann. Wie gesagt, der Kampf findet in drei Monaten statt. Aber es gab bereits am 21. Juli die erste Pressekonferenz.
Pressekonferenzen, besonders wenn sie lange vor dem angesetzten Termin für die Veranstaltung stattfinden, sind in der Regel relativ lahm und überraschungsarm. Eine Spannung muss sich erst aufbauen und jeder der Anwesenden weiß, dass es hier darum geht, die PR-Welle allererst anzuschieben. Aber diesmal war es doch etwas anders. Und das lag vor allem an der perfekten Inszenierung der PK.
Ort des Geschehens war der VIP Bereich des Rheinstadions. Auf der Terrasse war ein kleines Buffet mit Currywurst, Brötchen und Kanapees hergerichtet. In der Ecke stand ein Kühlschrank mit einem alkoholfreien Bier und auf den Stehtischen standen Etageren mit Spanschiffchen, die zwei Minifrikadellen mit Senf und Kartoffelsalat enthielten. Kellner brachten auf Wunsch Kaffee und Erfrischungsgetränke. Eine leichte Brise wehte durch das Stadion. Man stand im Schatten und schaute auf das satte Grün des Rasens inmitten des großen Ovals, man unterhielt sich und wurde verköstigt. Was will man als Journalist mehr?
Ein halbe Stunde vor Beginn setze dann ein wummerndes, wie ich finde, nerviges, Geräusch ein, einem Herzschlag nicht unähnlich.
Dann ging man in den vorbereiteten Raum im VIP-Bereich. Dort fand sich am Kopfende eine Reihe mit Tischen, auf denen fünf Weltmeistergürtel standen, dahinter eine Reihe Stühle für Klitschko und Co. und davor fünf Stuhlreihen für die Journalisten. An den Seiten war je ein großer Monitor angebracht. An einer Seite gab es noch Stehtische mit Hockern. Geschätzte 100 Journalisten aus dem In- und Ausland waren gekommen. Einer von ihnen war der ehemalige Weltmeister im Cruisergewicht Johnny Nelson.
Es wurden quasi gleich zwei Pressekonferenzen abgehalten, eine auf Deutsch, ohne Tyson Fury, der erst später dazukam und dann noch eine mit ihm gemeinsam. Die erste von diesen beiden Pressekonferenzen begann mit einem Video über das „unschlagbare Team“ RTL und Klitschko, das auf den beiden Monitoren eingespielt wurde. Da wurde vor allem stolz auf die Zahlen verwiesen. „Im Durchschnitt sahen 8,94 Millionen Zuschauer die bislang 18 Kämpfe von Wladimir Klitschko bei RTL, der Marktanteil liegt bei herausragenden 48,3 Prozent.“ Dann verkündete Frank Hoffmann, Geschäftsführer und Programmdirektor von RTL, dass Klitschko für weitere fünf Kämpfe bei RTL unterschrieben hat. Hoffmann und Bernd Bönte, der Geschäftsführer und Mitinhaber der „Klitschko Management Group GmbH“ und Manager von Klitschko und Klitschko, der eine bewundernswerte Eloquenz demonstrierte, zeigten sich dann noch hoch zufrieden mit ihrer Zusammenarbeit und der Vertragsverlängerung.
In der zweiten Pressekonferenz, die zweisprachig, in Deutsch und Englisch, geführt wurde, ging es dann um den bevorstehen Kampf in drei Monaten. Als erster trat Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, ans Pult und betonte die Bedeutung der Veranstaltungen von Klitschko für den BDB. Ihm auf dem Fuß folgte Bernd Bönte, der Klitschko in eine Reihe mit Joe Luis, Larry Holmes und Muhammad Ali stellte und vor allem Werbung für die Veranstaltung machte. Er sagte, es sei ein Showact der Extraklasse geplant und werde bald angekündigt. Die Eintrittskarten sollen zwischen 29 und 890 Euro kosten. In über 150 Länder soll übertragen werden; HBO überträgt in den USA, mit vier britischen TV-Stationen werde noch verhandelt. Und überhaupt sei der Kampf gegen Fury das Beste, was zur Zeit möglich sei.
Es folgten Mike Hennessy, der Manager, und Peter Fury, der Trainer von Fury, am Rednerpult. Hennessy führte aus, dass der bevorstehende Kampf die Erfüllung eines Traumes sei. „Tyson Fury ist vorherbestimmt, Weltmeister zu werden.“ Sein Schützling sei einer der besten Schwergewichtler aller Zeiten. Mike Fury, der Tysons Vater ist, machte deutlich, sein Sohn komme zum Gewinnen und nicht, um sich auf die Matte zu legen.
Es folgte ein weiterer Einspieler, diesmal über Tyson Fury, der dann auch selbst ans Pult trat. Gut gelaunt begrüßte er die Anwesenden auf Deutsch. Dann witzelte er, nach seinem Sieg über Klitschko auch bereit zu sein, den TV Vertrag mit RTL zu übernehmen. Dann betonte er noch, er sei einzigartig und einen Boxer wie ihn, gäbe es nur alle 1.000 Jahre mal.
Wieder gab es einen Einspieler, diesmal über Wladimir Klitschko, der dann zum zweiten Mal ans Pult trat. Er reagierte souverän und witzig auf eine Äußerung von Fury über sein Alter und lobte ihn als Boxer und als Entertainer. Er nehme den Herausforderer Fury sehr ernst, und er verspreche, 100% vorbereitet zu sein. Nebenbei bemerkt, brauchte Klitschko keinen Übersetzter. Er übersetze sich selbst.
Sodann durften die Pressevertreter ihre Fragen stellen. Wie üblich, taten das aber nur wenige Kollegen. Klitschko nahm das zum Anlass einzugreifen: „Ihr müsst euch Fragen überlegen und fragen!“ Also stellte er eben selber eine Frage an Fury, oder besser: Er drückte auf den richtigen Knopf und Fury reagierte genau so, wie er es haben wollte. Fury wurde emotional – und dabei war er sehr unterhaltsam. Er beteuerte, die Welt von diesem Langeweiler Klitschko befreien zu wollen. Klitschko sei doch ein alter Mann und er werden ihn KO schlagen.Er prahlte: Er sei unberechenbar. Er sei der Beste. … Klitschko warf zwischendurch einen Satz ein und Fury reagierte prompt darauf. Wladimir Klitschko hatte alles unter Kontrolle.
Zum Abschluss dann das übliche chaotische Staredown für die Photographen und später noch die Möglichkeit, die beiden Boxer im Stadion zu fotografieren.
Die erste Pressekonferenz zu Klitschko vs. Fury war eine perfekte Inszenierung. Was dabei auffiel, war, dass Wladimir Klitschko nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Regisseur der PK war.
© Uwe Betker
Ein harter Tag im Büro: Wladimir Klitschko vs. Alex Leapai
Man kann sich vorstellen, wie Wladimir Klitschko (64 Kämpfe, 61 Siege, 51 KO, 3 Niederlagen, 3 KO) am frühen Morgen des 27.04.2014 sein Hotelzimmer betritt. Eine Frau liegt im Bett und fragt im Halbschlaf: „Schatz, wie war dein Tag?“ Er antwortet: „Es war wieder ein harter Tag im Büro.“ So oder so ähnlich könnte sich eine idyllische häusliche Szene abspielen, nachdem Klitschko seine Schwergewichtstitel der IBF, WBO und WBA in der Arena Oberhausen verteidigt haben wird.
Sein Gegner heißt Alex Leapai (37 Kämpfe, 30 Siege, 24 KO, 4 Niederlagen, 2 KO, 3 Unentschieden). Er ist der zweitbeste Schwergewichtler in Australien und er hat am 23.11.2013 gegen Dennis Boytsov nach Punkten gewonnen. Beides hat ihn, wohl in dieser Reihenfolge dafür qualifiziert, gegen den zurzeit besten Schwergewichtler der Welt zu boxen.
Leapai wird in der unabhängigen Weltrangliste auf Position 29 geführt. Also 27 Boxer sind vermutlich besser als er und haben größere Chancen gegen Wladimir Klitschko als er. Also wären diese wohl als Gegner besser und damit für die Zuschauer auch interessanter:
Alexander Ustinov (30 Kämpfe, 29 Siege, 21 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO)
Steve Cunningham (32 Kämpfe, 26 Siege, 12 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO)
Seth Mitchell (30 Kämpfe, 26 Siege, 19 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unetschiden)
Ruslan Chagaev (35 Kämpfe, 32 Siege, 20 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden)
Manuel Charr (26 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO)
Francesco Pianeta (31 Kämpfe, 29 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden)
Amir Mansour (20 Kämpfe, 20 Siege, 15 durch KO)
Lucas Browne (19 Kämpfe, 19 Siege, 17 durch KO)
Carlos Takam (31 Kämpfe, 29 Siege, 23 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden)
Johnathon Banks (32 Kämpfe, 29 Siege, 19 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden)
Andy Ruiz Jr. (21 Kämpfe, 21 Siege, 15 durch KO)
Erkan Teper (12 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO)
Mike Perez (20 Kämpfe, 20 Siege, 12 Durch KO)
Christian Hammer (18 Kämpfe, 15 Siege, 10 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO)
Bryant Jennings (18 Kämpfe, 18 Siege, 10 durch KO)
Odlanier Solis (21 Kämpfe, 20 Siege, 13 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO)
Tomasz Adamek (52 Kämpfe, 49 Siege, 29 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO)
Tony Thompson (42 Kämpfe, 38 Siege, 26 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO)
Alexander Povetkin (27 Kämpfe, 26 Siege, 18 durch KO, 1 Niederlage)
Bermane Stiverne (25 Kämpfe, 23 Siege, 20 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden)
Deontay Wilder (31 Kämpfe, 31 Siege, 31 durch KO)
Chris Arreola (39 Kämpfe, 36 Siege, 31 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO)
Dereck Chisora (24 Kämpfe, 20 Sieg, 13 durch KO, 4 Niederlagen, 1durch KO)
Robert Helenius (19 Kämpfe, 19 Siege, 11 durch KO)
Vyacheslav Glazkov (18 Kämpfe, 17 Siege, 11 durch KO, 1 Unentschieden)
Tyson Fury (22 Kämpfe, 22 Siege, 16 durch KO)
und
Kubrat Pulev (19 Kämpfe, 19 Siege, 10 durch KO)
Wladimir Klitschko vs. Alex Leapai – Wie schon gesagt: Ein harter Tag im Büro.
(C) Uwe Betker