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Rezension: “Henry Cooper’s Book of boxing”
Vorab möchte ich schon mal klarstellen: Das 1982 erschienene Buch von Henry Cooper (55 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 14 Niederlagen, 8 durch KO, 1 Unentschieden) ist vermutlich das beste und intelligenteste Buch, das je ein Boxer übers Boxen geschrieben hat. Zwar steht auf der Rückseite neben dem Preis, es handele sich um eine Autobiographie. Tatsächlich aber ist es doch mehr ein Sachbuch übers Boxen.
Anekdoten hat der große Henry Cooper natürlich auch beizutragen. Immerhin hatte er Muhammad Ali am Boden und am Rand einer Niederlage. Der konnte dann nur noch gewinnen, weil dessen Trainer Angelo Dundee ganz-ganz tief in die Trickkiste, u. z. die schmutzige, griff. Henry Cooper war Britischer Meister, Commonwealth Meister und Europameister im Schwergewicht – und dann sind da natürlich auch noch seine zwei Kämpfe gegen Muhammad Ali.
Aber Cooper ist viel zu uneitel und viel zu sehr Gentleman, um in einem Buch übers Boxen sich selbst in den Vordergrund zu stellen.
Cooper beleuchtet viele Aspekte des Amateur- und Profiboxens (Ausrüstung, Geld, Manager, Matchmaker, Medien, Promoter, Ringrichter, Trainer, Sekundanten, Verbände, Zeitnehmer und vieles mehr. Und gegenüber allem vertritt er eine dezidierte Meinung. So spricht er sich für einen Pensionsfonds für Boxer und für eine Zusammenarbeit von Profis und Amateuren aus.
Wer einen Eindruck bekommen möchte, wieso Henry Cooper noch immer so populär ist in Großbritannien und von Königin Elisabeth II. im Jahr 2000 sogar in den Ritterstand erhoben worden ist, der sollte dieses Buch lesen. Wer etwas über Profiboxen lernen und besser verstehen möchte, wie es funktioniert, der sollte dieses Buch lesen. Aber auch der, der einfach nur gut unterhalten werden möchte, sollte das Buch lesen.
© Uwe Betker
Vom Schreiben übers Boxen
Beim Profiboxen ist es wie bei anderen Sportarten auch. Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler möchten von der Presse wahrgenommen werden. Sie möchten, dass über sie berichtet wird. Vor allem möchte sie natürlich, dass positiv über sie berichtet wird. Den Verbänden, Vereinen, Veranstaltern und selbst den Sportlern geht es nämlich häufig nicht um den Sport, sondern vielmehr ums Geld. Man kann den Begriff Geld auch z.B. ersetzen durch TV-Verträge, Werbeverträge, Sponsoren usw. Und wenn es nicht ums Geld geht, dann geht es um Posten, Einfluss und Wichtigkeit. Dementsprechend wollen alle eine positive Berichterstattung.
Die Sportredaktionen sind voll von Kollegen, die Fußballspezialisten und Allrounder sind. Aufgrund der Struktur der Medien können Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler recht sicher sein vor einer kritischen Berichterstattung. Einige Kollegen schrecken, nicht nur aus zeitökonomischen Gründen, vor „heißen Themen“, mit denen man sich unbeliebt machen kann, zurück. Wer unangenehm auffällt, könnte nämlich eventuell seinen Platz am Ring verlieren, nicht mehr das gewünschte exklusive Interview oder die Einladung zur After-Show-Party bekommen.
Es gibt die etwas zynische Definition des Sportjournalisten als eines Fans, der es auf die andere Seite des Zauns geschafft hat. Diejenigen, die es auf besagte andere Seite des Zauns geschafft haben, sind denjenigen, die mit Sport Geld verdienen, die liebsten. Fans sind nämlich häufig unkritisch. Fans haben über eine längere Zeit eine leidenschaftliche und emotionale Beziehung zu ihren Fanobjekten. Fans möchten in der Regel eine Berichterstattung, die ihrer Heldenverehrung Nahrung gibt. Fans möchten nicht, dass ihre Helden schaden nehmen. Und so kommt es, dass, wie beim Fußball, auch beim Boxen kaum jemand etwas von der Seuche Doping wissen will.
Beim Boxen sind die Sitten etwas rauer, als bei anderen Sportarten. So lauern schon mal irgendwelche Schläger Journalisten auf, um diese dann zu bedrohen. Ein Kopfgeld ist auch schon mal auf einen unliebsamen Journalisten ausgesetzt worden. Da sind dann Drohanrufe, die Verweigerung der Akkreditierung, Hausverbote oder die Streichung aus dem Presseverteiler noch zivilisierte Arten, mit Kritik umzugehen.
Hinzu kommen Kommentare in den sozialen Netzwerken von Personen, die sich berufen fühlen, etwas oder jemanden vor Kritikern zu schützen. Reaktionen dieser Art sind meist wie monosynaptische Reflexe. Es wird über den „Schreiberling“ gelästert, es wird ihm dann mangelnde Kompetenz oder fehlende Information vorgeworfen. Konkret wird nur selten auf Kritik geantwortet. Meist reicht den Verteidigern der Verweis auf mangelnde Detailkenntnisse oder noch besser, schwebende Verfahren, über die man sich nicht äußern könne.
Genau dies trifft den Zeitgeist. In den sozialen Medien werden Menschen von anderen, die sich oft hinter Pseudonymen verstecken, beleidigt und bedroht. Gerne fällt auch mal das Wort „Lügenpresse“. Denen, die dieses Wort so gerne benutzen, ist es dabei offensichtlich egal, dass dies ein Lieblingswort der Nationalsozialisten war, mit dem sie gegen Demokraten, Juden und Kommunisten hetzten.
Es gibt sie aber auch: die Intelligenten und die Vernünftigen. Damit meine ich diejenigen, die verstehen, dass, wenn hier Kritik geübt wird, es um die gemeinsame Sache geht, nämlich um den Boxsport. So ist es mir auch schon wiederholt passiert, dass Personen, die ich kritisiert hatte, später Freunde wurden. Denn es gibt ein gemeinsames Ziel: ein gutes Profiboxen.
Journalismus wird oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, weil er zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Damit ist auch gesagt, dass es nicht die Aufgabe des Journalisten ist, Verbänden, Veranstaltern und Sportlern nach dem Mund zu reden, deren PR-Abteilung zu sein und dafür zu sorgen, dass sie wohlhabender werden und sich wohl fühlen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, durch eine kritische Berichterstattung zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
© Uwe Betker
Ein Plädoyer für Mindeststandards von Boxverbänden
Die Glaubwürdigkeit des deutschen Profiboxens nimmt rasant ab. Mal werden positive Dopingergebnisse gar nicht gemeldet, mal werden überführte Doper nur so lange gesperrt, dass es einem unaufmerksamen Zuschauer gar nicht erst auffällt und dann werden Ergebnisse von Punktrichterentscheidungen ein paar Monate später mal eben einfach geändert. Manchmal habe ich das Gefühl, jeden Monat gibt es einen neuen Skandal und alle werden ausgesessen und es ändert sich nichts. Lediglich die Glaubwürdigkeit nimmt immer weiter ab.
Da Profiboxverbände keiner staatlichen und kaum einer publizistischen Kontrolle unterliegen, können sie im Prinzip schalten und walten wie sie möchten. Werden sie mal verklagt, vertrauen sie darauf, dass die Richter sich der Tragweite der Ungeheuerlichkeiten, die da passieren, überhaupt gar nicht bewusst werden, nicht verstehen können oder wollen. Juristisch sind die ganzen Skandale kaum aufzuarbeiten. Das liegt nicht zuletzt an der Tatsache, dass die Verbände eingetragene Vereine sind. Das nämlich erlaubt es den Verbänden, sich zu verhalten, wie sie es eben tun. Und der deutsche Staat ist nun mal leider nicht willens, die Sportverbände zu kontrollieren. So haben wir denn dieses immer größer werdende Problem des Glaubwürdigkeitsschwundes.
Dabei gäbe es ein simples Mittel, dem entgegenzutreten und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Die Boxverbände müssten nur einfache Mindeststandards einhalten. Sicher, es ist geradezu peinlich, Mindeststandards einzufordern, denn die müssten doch wohl selbstverständlich sein. Sind sie aber nicht. Die nachfolgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber wären diese Mindeststandards eingehalten worden, wäre die Glaubwürdigkeit des Profiboxens nicht so massiv ramponiert worden.
– Der Verband hält sich an die eigenen Regeln.
– Der Verband hält sich an die internationalen Regeln.
– Der Verband sieht sich als Vertreter aller Mitglieder, unabhängig davon wie viel Geld sie für den Verband generieren.
– Der Verband vertritt im gleichermaße die Interessen ausländischer Boxer.
– Der Verband sieht sich nicht als Interessensvertreter oder als Exekutive einzelner nationaler Veranstalter.
– Alle Vertreter und Offiziellen sind frei von finanziellen Interessen, die mit dem Boxsport zu tun haben. Das heißt, wer als Veranstalter, Matchmaker, Manager, Trainer, Securityanbieter oder sonst wie als Dienstleister im Bereich Profiboxen tätig ist, darf keine offizielle Position im Verband innehaben.
– Die Titelsituation wird transparent gemacht. Der Verband veröffentlicht für jeden einsehbar, welcher nationale Titel von wem gehalten wird und welche Titel vakant sind.
– Zu jedem Kampf wird die Punktwertung transparent gemacht. Bei jedem Punkturteil wird die Punktwertung verkündet. Es wird transparent gemacht, welcher Punktrichter wie gewertet hat und das wird dann auch bei boxrec eingetragen.
– Tatsachenentscheidungen von Kampfgerichten werden prinzipiell nicht geändert.
– Werden Punkturteile geändert, werden die Gründe transparent gemacht und öffentlich genannt. Alle Beteiligten (Boxer, Trainer, Manager, nationale und internationale Verbände und auch die Öffentlichkeit) werden über die Änderung eines Urteils und deren Gründe informiert.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter werden nicht mehr eingesetzt. Wenn ein Punkt- oder Ringrichter den Beweis erbracht hat, dass er unfähig, unwillig oder indisponiert ist, wird er gesperrt, damit er genug Zeit für Nachschulungen hat. Die Sperre wird öffentlich gemacht.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter werden auch dann gesperrt, wenn sie angeblich psychisch labil sind und mit Selbstmord drohen.
– Unfähige Punkt- und Ringrichter, die nach einer Sperre ihr Handwerk immer noch nicht beherrschen, werden von allen offiziellen Funktionen im nationalen Verband sowie internationalen Verbänden ausgeschlossen.
– Kämpfe von Boxerinnen und Boxern, die von anderen nationalen und internationalen Verbänden gesperrt sind, dürfen nicht sanktioniert werden.
– Doping wird bestraft. Doping muss bestraft werden, und die Strafe muss für den Doper, der nichts anderes als ein Betrüger ist, spürbar und empfindlich sein.
– Doping wird veröffentlicht. Jedes Doping wird transparent gemacht. Jede Dopingstrafe veröffentlicht (Suspension List).
– Doping wird kontrolliert, und zwar nicht nur nach Titelkämpfen. Will man ernsthaft gegen das Doping vorgehen, so muss es auch unangemeldete Kontrollen gegen.
Wie schon gesagt, dies sind einfache Mindeststandards und man sollte eigentlich erwarten können, dass die Boxverbände sie auch einhalten. Wenn mich nicht die Realität im Profiboxen eines Besseren belehrt hätte, würde ich mich nicht der Peinlichkeit aussetzten, solche Selbstverständlichkeiten hier noch aufzuschreiben. Aber diese Selbstverständlichen sind eben nicht selbstverständlich. Daher ist es auch notwendig, Mindeststandards einzufordern.
(C) Uwe Betker
Die tödliche Krankheit des Profiboxens: Doping
Eine Krankheit breitet sich in rasendem Tempo aus. Sie birgt das Potential in sich, das Profiboxen in Deutschland zu töten. Zwar kann man das Profiboxen nicht direkt töten – es sei denn, der Staat entschließt sich, es zu verbieten. Aber es kann in die Bedeutungslosigkeit absinken. Die Gefahr ist bekannt, denn diese tödliche Krankheit hat bereits einen Sport auf dem Gewissen. Dennoch ist offensichtlich kaum jemand willens, etwas gegen diese Krankheit zu tun.
Die Krankheit heißt Doping. Und Doping hat das einst medial groß vertretene Radrennen fast zum Verschwinden gebracht. Jeder Radrennfahrer muss heute, d.h. nach Jan Ullrich und Lance Armstrong, erst einmal versichern, dass er nicht dopt. Eigentlich gehen wohl alle Zuschauer mittlerweile davon aus, dass Radrennfahrer grundsätzlich gedopt sind. Dass es soweit gekommen ist, dazu haben viele beigetragen: Veranstalter, Sponsoren, Verbände und TV-Sender. Alle haben jedenfalls gegen Doper, die doch nichts anderes als Betrüger sind, nichts getan. Und genau das scheint im deutschen Profiboxen oder im Boxen allgemein auch zu passieren.
Hier eine kleine Liste der Dopingfälle – dabei ist noch anzumerken, dass einige dieser „Fälle“ später offiziell als so etwas wie eine lässliche Sünde oder ein unbedeutendes Fehlverhalten eingestuft wurden:
– Erkan Teper war am 13.06.2014, in seinem Kampf gegen Newfel Ouatah gedopt – dabei ging es um den EBU-EU (European Union) Schwergewichtstitel. Teper gab wohl sein Doping zu.
– Zwischen Februar und März 2015 sollen bei Tyson Fury bei einer Dopingprobe erhöhte Werte des anabolen Steroids Nandrolon nachgewiesen worden sein.
– Erkan Teper war am 17.07.2015 in seinem Kampf gegen David Price vermutlich erneut gedopt – es ging um den EBU Schwergewichtstitel. Diesmal argumentierte sein Management dahingehend, dass es sich bei der Auswertung der A-Probe nicht um Mess-, sondern um Schätzwerte handele, es also „keine aussagekräftige Analyse“ sei und sich das Ergebnis auch noch in einem Bereich befinde, in dem ohnehin „nur Abschätzungen getroffen werden können, welche keine (insbesondere juristische) Verwertbarkeit haben“.
– Alexander Povetkin wurde Anfang des Jahres positiv auf Meldonium getestet. Meldonium ist ein in Osteuropa verbreitetes Herzmittel (!).
– Felix Sturm war am 20.02.2016, in seinem Kampf gegen Fjodor Tschudinow vermutlich gedopt – dabei ging es um den Titel des Super Champion der WBA im Super Mittelgewicht. In seiner A-Probe fanden sich anabole Steroide.
– Lucas Browne war am 05.03.2016 in seinem Kampf gegen Ruslan Chagaev gedopt, bei dem es um den WM Titel im Schwergewicht nach Version WBA ging.
– Igor Mikhalkin war am 12.03.2016 in seinem Kampf gegen Patrick Bois positiv auf Meldonium getestet worden – es ging um die Europameisterschaft im Halbschwergewicht. Da fragt man sich doch, ob ein Profiboxer tatsächlich so herzkrank sein kann, dass er auf der einen Seite medikamentiert werden muss und auf der anderen Seite aber gleichzeitig Hochleistungssport treiben kann.
In dieser Liste sind nur die Fälle aufgelistet, die mir auffielen. Man kann also getrost davon ausgehen, dass es noch viel mehr Dopingfälle im Profiboxen waren. Schließlich meine ich mich doch daran zu erinnern, dass es nationale Verbände geben soll, die die internationalen Verbände nicht über positive Dopingergebnisse informiert und Doping auch nicht öffentlich gemacht haben. Bei Strafen von wenigen Monaten fallen überführte Doper auch nicht weiter auf.
Doping ist Betrug. Aber es will irgendwie keiner etwas dagegen machen. Die Strafen für Doping sind lächerlich. Ich habe den bösen Verdacht, dass die Beteiligten selbst dann nichts ändern wollen, wenn es einen zweiten Fall Jupp Elze gibt. Zu sehr hängt die Existenz der Verbände, Veranstalter und Manager am Erfolg ihrer Boxer.
Für mich stellt sich hier aber die Frage: Wie werden nun die deutschen TV Sender mit Dopingfällen umgehen? Werden sie das Thema einfach ignorieren und totschweigen – nach dem Motto: „The show must go on“? Werden sie die Kämpfe von Dopern weiter übertragen und damit Betrüger belohnen? – Wir werden es sehen.
© Uwe Betker
Eine Frau in einer Männerwelt: Die Boxmanagerin Eva Dzepina
Profiboxen ist eine Männerwelt, auch wenn es ein paar Frauen gibt, die in den Ring klettern und dort kämpfen. Die Trainer sind Männer. Die Veranstalter sind in der Regel auch Männer. Die Manager von den Boxern sind Männer. Fast allen Frauen, die man in Deutschland wahrgenommen hat sind Verwandte bzw. Ehefrauen von männlichen Profiboxern. Die bekanntesten dürften Christine Rocchigiani, die (Ex-)Frau von Graciano Rocchigiani und Daniela Haak, die (Ex-)Ehefrau von Markus Beyer gewesen sein.
Die Rechtsanwältin Eva Dzepina wird mehr und mehr zu einer festen Größe in der deutschen Profiboxszene. Einige ihre Mandanten sind oder waren Profiboxer und diese hat sie in verschieden Rechtstreits vertreten. Mittlerweile ist die Managerin von Özlem Sahin, der Ex-Weltmeisterin im Minimumgewicht.
Frage: Sie sind Rechtsanwältin, unter anderem für Marken-, Kunst- und Wettbewerbsrecht und Partnerin einer mittelständischen Wirtschaftskanzlei. Was haben Sie im Profiboxen zu suchen?
Antwort: Zufall. Als aktive und begeisterte Boxsportlerin habe ich auch viele Profis kennen gelernt und mit ihnen trainieren dürfen. Mit Özlem Sahin bin ich privat gut befreundet und eigentlich Ende letzten Jahres nur so in das Management reingerutscht, weil jemand gebraucht wurde, der Ordnung in die Kampf-Organisation brachte und mal auf den Tisch haut. Seitdem hänge ich drin, und das sehr gerne.
Frage: Wie sehen Sie als Rechtsanwältin die Realitäten des Profiboxens? Sie sind bestimmt eher geordnete Strukturen gewohnt.
Antwort: Es hat einige Zeit gebraucht, hinter das System und die Rolle der verschiedenen Verbände und insbesondere des Boxrec-Rankings zu steigen. Letzteres erscheint mir immer noch gelinde gesagt schleierhaft und häufig willkürlich. Mit klassischer anwaltlicher Arbeit hat das Profiboxen weniger zu tun. Das ist dagegen wilder Westen. Aber es hilft, ein charmantes Auftreten und Flexibilität zu haben. Es hat nach meiner bisherigen Erfahrung auch wenig Sinn, auf vermeintliche Rechte zu pochen. Das funktioniert nicht, wie man bereits häufig gesehen hat. Vielmehr geht es um individuelle Absprachen und praktische Lösungen.
Frage: Sehen Sie als Frau Ihre Rolle im Boxmanagement als schwieriger an? Das Frauenboxen ist ja nicht so populär wie das Männerboxen.
Antwort: Ich habe bisher nur gute Erfahrungen im Umgang mit den Verbänden und anderen Managern gemacht. Ich nehme den Boxsport sehr ernst und ich denke, dass merkt man. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass wenig verbindlich ist und alles regelmäßig und mehrfach absichern. Es ist unerlässlich, Sponsoren zu haben. Vielleicht ist es auch ein Vorteil, dass ich als Frau keinen Hahnenkampf durchführen muss wie oft bei Männern der Fall. Dann geht alles entspannter zu. Mein Beruf als Rechtsanwältin hilft aber definitiv. Ich gehe strukturiert an die Sachen heran und wundere mich eigentlich sowieso schon über nichts mehr (lacht).
Frage: Werden Sie noch tiefer in das Boxmanagement einsteigen?
Antwort: Das kann durchaus passieren. Ich werde demnächst auch einen jungen Boxer, der nach einer beachtlichen Amateurkarriere ins Profigeschäft wechseln möchte, mit Managementaufgaben unterstützen. Und mit Özlem haben wir dieses Jahr noch Einiges vor, wir wollen um WM-Gürtel weiterer Verbände kämpfen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir hier eine gute Medienpräsenz erhalten.
Frage: Was haben Sie bisher vom Profiboxgeschäft gelernt?
Antwort: Habe immer einen Plan B, C und D. Und: Keine Schnellschüsse. Manchmal hilft einfach nur entspanntes Abwarten.
© Uwe Betker
Der Boxer als Objekt in der bildenden Kunst
Geht man durch die verschiedenen Museen, so fällt auf, dass in der bildenden Kunst Sport nur sehr selten zum Gegenstand wird. Mehr und mehr Menschen gucken Fußball. Überall ist Fußball präsent. Fußballer machen Werbung für Wasser, Sportartikel, Mobiltelefonanbieter, Salzgebäck, Banken und vieles mehr. Wohin man auch blickt, allerorten trifft man auf Fußball und seine Protagonisten. Nicht so in der Kunst. Oder kennt irgendjemand ein Kunstwerk, das mit Fußball zu tun hat?
Besonders aufgefallen ist mir das in der National Portrait Gallery in London, jenem Ort, an dem die Portraits der national bedeutendsten Persönlichkeiten aus allen Bereichen versammelt sind. Hier findet sich, wenn ich niemanden übersehen habe, lediglich ein einziger Fußballspieler, nämlich David Beckham. Sam Taylor-Wood schuf 2004 den Digitalfilm, mit dem Titel David, der auf einen Plasmamonitor gezeigt wird. Da sieht man den Kopf und den nackten Oberkörper des schlafenden Beckham in einem Bett. Entstanden ist das Werk, das die entspannten Gesichtszüge des Fußballstars zeigt, in Madrid nach einem Training. Das mag jetzt seltsam klingen, aber ich finde, der Film ist ein gutes Portrait.
Diesem einen Fußballer steht mindestens die doppelte Anzahl an Boxern gegenüber. Da ist einmal das Ölbild von Thomas Burke „Len Harvey“, das um 1938 gemalt wurde. Man sieht Len Harvey (141 Kämpfe, 117 Siege, 55 durch KO, 14 Niederlagen, 2 durch KO, 10 Unentschieden), oder vollständig: Leonard Austen Harvey. Harvey war ein Megastar in der Zwischenkriegszeit. Bereits mit 12 Jahren begann er professionell zu boxen und er hörte 24 Jahre später wieder auf. Er war ein guter Techniker und Defensivboxer. Im Laufe seiner Karriere wurde er Britischer Meister im Mittel-, im Halbschwer- und im Schwergewicht und British Empire Championchip im Halbschwer- und Schwergewicht. Zwischen 1939 und 1942 galt er auch in Großbritannien als Weltmeister im Halbschwergewicht.
Auf dem relativ großen Portrait (1112 mm x 865 mm) schaut ein sitzender Boxer im geöffneten Samtbademantel, ein weißes Handtuch lässig im Nacken, zur Seite. Seine Linke ruht flach auf seinem Knie, die Rechte, zur Faust geballt, liegt auf seinem Oberschenkel. – Ein beeindruckendes Portrait von einem Volkshelden.
Sofern ich mich richtig erinnere, war bei meinem vorletzten Besuch auch noch eine Bronzebüste von Sir Henry Cooper (55 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 14 Niederlagen, 8 durch KO, 1 Unentschieden), dem großen englischen Schwergewichtler zu sehen. Beim letzten Mal habe ich „Sir Henry“ aber nicht mehr gefunden.
Mein absolutes Lieblingsbild aber ist das Portrait von John (Jack) Broughton des großartigen William Hogarth. Das Bild entstand 1730. Hogarth gilt zusammen mit Thomas Gainsborough und Joshua Reynolds zu den bedeutendsten englischen Malern des 18. Jahrhunderts.
John ‚Jack‘ Broughton gilt als Vater des Boxens in England. Er war von 1729 (einige sagen von 1738) bis 1750 Champion. Auf heutige Verhältnisse übertragen wäre er so etwas wie der Champion aller Verbände in allen Gewichtsklassen. Er führte die ersten Boxregeln ein. Außerdem etablierte er ein Viereck als Kampffläche, eine Pause nach einem Niederschlag und Handschuhe.
Das Portrait ist relativ klein (434 mm x 308 mm). Auf ihm sieht man Broughton nicht etwa in Boxpose, sondern auf einem Weg durch eine ländliche Gegend gehen. Er tänzelt geradezu leichtfüßig dahin und vollführt so was wie einen Tanzschritt. Er trägt Alltagskleidung, d.h. eine graue Jacke und Kniebundhosen, ein weißes offenes Hemd und gleichfarbige Strümpfe sowie schwarze Schnallenschuhe dazu. In der rechten Hand hält er einen dicken langen Stock. Lediglich sein kahl rasierter Schädel kann als Hinweis darauf betrachtet werden, dass Broughton Boxer war. Zu jener Zeit nämlich stieg ein Boxer ohne Perücke und mit rasiertem Kopf in den Ring. An Haaren kann man ja schließlich ziehen.
Was das Portrait so bemerkenswert macht – nach meiner Meinung ist es eines der besten Portraits überhaupt – ist der Gesichtsausdruck von Broughton. Er hat den Kopf zur linken Seite geneigt und schaut den Betrachter direkt an. Ein leicht ironisch amüsiertes Lächeln umspielt seine Lippen. Er sieht keck und leicht verwegen aus. Seinen Gesichtsausdruck kann ich nicht abschließend deuten. Aber jedes mal wenn ich in London bin, gehe ich ihn besuchen.
Natürlich ist die Anzahl von Kunstwerken, die sich mit einer bestimmten Sportart beschäftigen, noch kein Indikator für deren gesellschaftliche Bedeutung. Aber erstens gibt es ja auch Photos und zweitens scheint Boxen zumindest noch immer für mehr Künstler interessant zu sein in der künstlerischen Auseinandersetzung als Fußball.
(C) Uwe Betker
Gastbeitrag von Andreas Grunwald: Warum der stagnierende Boxsport dringend frischen Wind braucht
Aus der ehemals glänzenden Gelddruck-Maschine „Profiboxen“ ist ein schwächelndes Motörchen geworden, welchem langsam der Sprit ausgeht. Während noch vor 30 Jahren eine Weltmeisterschaft im Schwergewicht von der halben Welt zu den unmöglichsten Uhrzeiten am TV verfolgt wurde, locken heutzutage selbst hochkarätige Box-Events nur noch ein paar schlappe Millionen Zuschauer vor die Glotze.
Die Boxwelt ist aufgerieben in einige große und viele kleine Verbände. In jeder Gewichtsklasse gibt es eine Unzahl an Weltmeistern, Super-Weltmeistern, Interims-Weltmeistern und darüber hinaus noch etliche geradezu lächerliche Titel, die dem Hirn eines billigen Fantasy-Roman-Autors entsprungen sein könnten.
Die Zuschauer fühlen sich anhand von dubiosen Punktrichter-Urteilen, von handverlesenen und medial zu Hochkarätern aufgepuschten Schwachmaten als Gegner für alteingesessene Weltmeister, von Weltmeistern, die ernsthaften Konkurrenten um ihre Titel mit den abstrusesten Strategien aus dem Weg gehen und der undurchschaubaren „Politik“ der großen Verbände und Veranstalter für dumm verkauft und genießen die Fernseh-Prime-Time lieber bei „Wetten Dass“ oder dem Tatort, als sich den 25. „Kampf des Jahres“ innerhalb eines
Jahres anzusehen.
Die Strukturen sind verkrustet, der mediale Rummel für die Vermarktung der immer uninteressanter werdenden Kämpfe verschlingt Unmengen an Geld, welches die Veranstalter an anderer Stelle wieder einsparen müssen, und das Interesse der großen Sendeanstalten lässt proportional mit der sinkenden Einschaltquote immer mehr nach, wodurch dem schwächelnden Markt noch mehr Geld entzogen wird.
Einer der Ersten, der die Zeichen der Zeit erkannt hat, war Kalle Sauerland. So kam ihm 2009 die brilliante Idee, ein Turnier der besten Supermittelgewichtler aus allen Verbänden, das „Super Six“ ins Leben zu rufen, weil das quotenbringende (und damit geldbringende) Zuschauervolk kein Kirmesboxen mehr sehen will, sondern stattdessen wirklich die Besten gegen die Besten.
Der organisatorische Aufwand, dieses Turnier zu stemmen, die Boxer, die Veranstalter und die Verbände vertraglich unter einen Hut zu bringen und dabei auch die Interessen der übertragenden Sendeanstalten sowie die Beschaffung und Verteilung der erforderlichen Geldmittel mit allen Beteiligten abzustimmen und juristisch dingfest zu machen, war wahrscheinlich DIE Managerleistung der Boxgeschichte.
In der praktischen Umsetzung erwies sich das Super-Six-Turnier dann allerdings als ein unberechenbarer Popans. Einige Boxer stiegen mitten im Turnier ohne Begründung einfach aus, andere verletzten sich und konnten nicht mehr antreten, und es musste mit so vielen Unwägbarkeiten gekämpft werden, dass sich die ganze Schose wie zäher Honig über zwei Jahre in die Länge zog und am Ende trotz eines hochklassigen Finals nur noch als eine Karikatur seiner selbst einen Abschluss fand.
Dennoch ist der von Sauerland eingeschlagene Weg der richtige. Das Boxen braucht drei Dinge: Einschaltquote, Einschaltquote und Einschaltquote! Und der Weg dahin kann nur über neue Ideen führen, die dem Zuschauer und Quotenbringer ein Höchstmaß an Spektakel und echtem Weltklasse-gegen-Weltklasse-Boxen garantiert!
Nehmen wir einmal die Sauerland-Idee „Super-Six“ als Initialzündung und spinnen den guten Ursprungsgedanken zu einer neuen Idee weiter: Statt eines Turniers, aus welchem nach Monaten oder Jahren nur ein einziger Kämpfer als Sieger hervorgeht, könnte man auch an einem einzigen Abend zur Prime-Time ein fünf- bis sechsstündiges TV-Event anbieten, in welchem die vier oder fünf besten Boxer einer Gewichtsklasse aus Europa gegen die vier oder fünf besten Boxer vom amerikanischen Kontinent antreten. Es finden also vier oder fünf Kämpfe an einem Abend statt, wobei die jeweiligen Paarungen erst frühestens am Abend vor dem Event live im TV ausgelost werden.
Welcher Kontinent am Kampfabend dann die meisten Siege errungen hat, hat gewonnen. Selbstverständlich gibt es für jeden Kampf der Kontinente auch einen Rückkampf; die eingeladenen Boxer können sich durch interessante Ausscheidungskämpfe qualifizieren, kein Boxer muss seinen persönlichen Titel aufs Spiel setzen, die Zuschauer bekommen endlich das, was sie sehen wollen, und die Kohle fließt für alle Beteiligten wieder in Strömen. Diese Länder- oder Kontinentalkämpfe können so durchaus eine ständige Institution werden (wie es ja auch beispielsweise im Golfsport jedes Jahr einen Team-Cup Europa gegen Amerika gibt) und würden auch immer interessant bleiben, weil sich immer neue Leute an die Spitze ihrer jeweiligen Kontinente boxen, so dass sich die Besetzungen der jeweiligen Teams ständig verändern werden.
Die Vorstellung, im Cruisergewicht kämpfen so erbitterte Rivalen wie Marco Huck, Denis Lebedew, Ola Afolabi und Firat Arslan abendfüllend Seite an Seite in einem Europa-Team gegen das Team Amerika mit Joan Pablo Hernandez, Steve Cunningham, Antonio Tarver und Guillermo Jones, ist einfach nur elektrisierend.
Und die halbe Welt würde auch wieder vor dem Fernseher sitzen.Verehrte Deutsche Promoter, es gibt viel zu tun. Packt es an!
Herzlichst, Euer Andreas Grunwald, Ringfotograf (Sportfotodienst Stuttgart)
(C) Andreas Grunwald