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Profiboxen in Voerendaal – Quintessens des Boxens
Die Veranstaltungen von Patrick Driessen sind immer eine Reise wert. Hier gibt es immer gutes Boxen zu sehen. Diesmal war jedoch etwas anders. Diesmal nämlich waren im Zaalencentrum in De Borenburg in Voerendaal bei Heerlen 17 Amateurkämpfe und nur 2 Profikämpfe zu sehen. Diese beiden Profikämpfe waren allerdings so etwas wie die Quintessenz des Boxens: eine brutale Ringschlacht und ein Fechten mit der Faust.
Den Anfang bei den Profis machten im Weltergewicht Bo Delbressine, der sein Profidebüt gab, und Bryan Nisia (2 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO) mit einem Vierrunder. Von der ersten Sekunde an war es eine harte Ringschlacht, bei der sich die Kontrahenten nichts schenkten, vor allem keine Ruhe. Nisia boxte unorthodox. Er verzichtete weitestgehend auf seine Deckung, schlug aus allen Positionen und verließ sich auf seine Reflexe und Meidbewegungen. Delbressine boxte hinter einer Doppeldeckung, suchte aber auch den Schlagabtausch. Und davon gab es dann auch wirklich viel zu sehen. In der zweiten Runde kam Nisia immer häufiger mit seinen Schlägen durch. Delbressine nahm viele und harte Treffer. Es sah auch schon danach aus, als würde er runter gehen, er machte es aber nicht. Stattdessen kam er selbst mit harten Treffern durch, die Nisia erschütterten. Zu Anfang der dritten Runde konnte Delbressine mehrfach Körperhaken anbringen. Es sah sogar schon danach aus, dass er den Kampf für sich entscheiden könnte. Dann aber kam wieder Nisia. Er erhöhte den Druck und Delbressine musste wieder mehr und mehr nehmen. Schließlich traf ihn eine harte Linke zur Schläfe und er drehte sich wie eine Schraube, während er zu Boden sank. Er wurde angezählt, kam schwankend wieder hoch. Der gute Ringrichter Gerard Steifzand nahm ihn jedoch aus dem Kampf, weil er Delbressine nicht mehr als kampffähig einschätzte.
Sieger durch TKO in Runde 3 nach 2:25 Minuten: Bryan Nisia.
Der Hauptkampf des Abends war die Beneluxmeisterschaft im Cruisergewicht zwischen Ricardo Snijders (11 Kämpfe, 11 Siege, 2 durch KO) und Erik Nazaryan (48 Kämpfe, 24 Siege, 18 durch KO, 19 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden). Beide Kontrahenten zeigten gutes technisches Boxen, allerdings in unterschiedlicher Ausführung. Snijders war erheblich größer als Nazaryan und hatte dementsprechend mehr Reichweite. Er boxte überlegt und kreiste langsam um seinen Gegner herum. Er agierte hinter einer kompakten Doppeldeckung und versuchte, seine Führhand zu etablieren, um seinen Reichweitenvorteil zu nutzen. Nazaryan versuchte, an Snijders heranzukommen, um dann seine Haken ins Ziel zu bringen. Seine Deckung war auch gut. In der zweiten Runde wurde der Kampf etwas munterer. Snijders verteilte gut, was Nazaryan dazu verleitete, gestenreich darauf hinzuweisen, dass die Schläge ihm nichts anhaben könnten. Er forderte Snijders auf, ihn doch anzugreifen. Snijders reagierte auf die Provokationen nicht – nur Ringrichter Toni Tiberi. Der ermahnte Nazaryan, die Faxen zu lassen. In der dritten Runde trieb Snijders Nazaryan kontrolliert vor sich her, ohne zu überhasten. In der vierten Runde erhöhte Snijders den Druck und trieb Nazaryan an den Seilen entlang. Dann öffnete sich ein böser Cut unter der linken Braue, auf dem Lid, von Nazaryan und der Kampf wurde gestoppt. Sieger durch TKO in Runde 4, nach 1:45 Minuten: Ricardo Snijders. – Eine bemerkenswert souveräne Leistung.
Die Veranstaltung in Heerlen war klein, aber fein. Sie stellte einen tollen Start in die neue Boxsaison dar. Es gab zwar nur zwei Profiboxkämpfe zu sehen, nachdem sich geplante Kämpfe zerschlagen hatten, weil sich die Boxer verletzt hatten. Zum Ausgleich boten gerade diese beiden Kämpfe aber die komplette Spannbreite des Boxens.
© Uwe Betker
Die Mischung macht ’s
Theoretisch ist es ganz einfach eine Profiboxveranstaltung auf die Beine zu stellen. Man nehme Geld und Zeit, suche sich einen Veranstaltungsort, stelle ein paar Kampfpaarungen zusammen, nehme sich ein Kampfgericht, gebe ein noch ein paar Extras hinzu und mische alles gut durch. Schon hat man eine Show. Die Frage ist nur, ob sie auch gut ist. Ob sie nun gut ist oder nicht, liegt zum Teil an den persönlichen Vorlieben des Zuschauers, aber zum größten Teil liegt es am Mischungsverhältnis.
Am Samstag, dem 08. November fand in Voerendaal bei Heerlen eine Boxveranstaltung statt, u.z. in einem theaterähnlichen Saal, der an ein Restaurant angegliedert war. Der Saal hatte eine Bühne, auf der dann der Ring stand. An drei Seiten um den Ring standen Stühle und Tische für die Offiziellen. Vor der Bühne waren im vorderen Bereich Tische mit Stühlen, dahinter Stuhlreihen und wieder da hinter Stehplätze mit Stehtischen aufgestellt. Von überall hatte man eine gute Sicht auf den Ring. Am anderen Kopfende des Saales war eine lange Bar. Der Saal von De Borenburg ist wirklich ein guter Ort für Boxveranstaltungen.
Den Anfang machten die Amateure. Es gab insgesamt 11 Amateurkämpfe, die durch die Bank weg gut waren, und es gab auch noch einen Sparringskampf zu sehen. Ich finde, es ist eine gute Sache, Profis und Amateure gemeinsam auf einer Veranstaltung boxen zu lassen. In Deutschland ist das aber wohl zurzeit leider nicht möglich. Amateurboxen ist eine Zutat, die nicht überall erhältlich, wenn nicht gar verboten ist.
Schon bei den Amateurkämpfen nahmen die Nummerngirls ihren Dienst auf, was ich persönlich zu schätzen wusste. Später kamen noch Gogo-Tänzerinnen hinzu. Sie tanzten in den Rundenpausen auf kleinen Bühnen links und rechts neben dem Ring. Als die Profis in den Ring stiegen, zeigten sie dann ein anderes Outfit. Es gibt viel zu selten Gogo-Tänzerinnen bei Boxveranstaltungen! Ich persönlich kann diese Zutat jedem Veranstalter nur wärmstens empfehlen.
Den ersten Profiboxkampf des Abends bestritten Melvin Wassing (5 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Kemal Faik Mevlida (5 Kämpfe, 5 Niederlagen 5 durch KO) im Weltergewicht. Mit der ersten Aktion ging Mevlida auch schon zu Boden und wurde ausgezählt. Wassing hatte mit seinem Jab das linke Auge seines Gegners getroffen. Der Kampf hatte gerade einmal 12 Sekunden gedauert. Mevlida ist nun allerdings ein Boxer, der noch nie die zweite Runde erreicht hat. Wassing musste aber in seinem letzten Kampf eine TKO Niederlage hinnehmen. Daher ist eine solche Kampfansetzung verständlich. Gleichwohl muss man bei einer solchen Zutat für eine Veranstaltung sehr vorsichtig sein.
Hiernach gab es einen semiprofessionellen Kampf über 3 mal 3 Minuten. Später folgte noch einer über 3 mal 2 Minuten. Ich persönlich fand sie eigentlich insgesamt nicht schlecht. Semiprofikämpfe sind eine Zutat, die nicht in allen Ländern verfügbar ist.
Im zweiten Profikampf boxten Somay Bilal (4 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO) und Goncalo Pimenta (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 1 Niederlage) ebenfalls im Weltergewicht gegeneinander. Der Portugiese Pimenta hatte Melvin Wassing in seinem letzten Kampf die besagte TKO Niederlage zugefügt. Bilal umkreiste in der ersten Runde seinen Gegner. Er zeigte gute Beine und eine variable Führhand. Er ging von Anfang an ein hohes Tempo, das er auch sehr lange hielt. Ab der zweiten Runde beherrschte er die Ringmitte und trieb Pimenta vor sich her. Immer wieder stellte er ihn in den Seilen, wo er ihn mit Schlägen eindeckte. Bereits jetzt bildete sich eine Schwellung unter dem rechten Auge von Pimenta. Nach diesem Muster verliefen auch die folgenden Runden. Pimenta km dabei kaum einmal durch. Bilal pendelte Schläge zum Kopf meist aus.
Zwischenzeitlich sah es auch danach aus, als könnte Bilal vorzeitig gewinnen. In der letzten Minute der fünften Runde kam dann aber Pimenta auf. Man konnte schon fast den Eindruck gewinnen, er könnte er den Kampf noch drehen. Er kam mit Schlägen durch und trieb sein Gegenüber vor sich her. Er stellte ihn an den Seilen und ließ ihn lange nicht weg. Schließlich aber konnte Bilal sich doch befreien. In der letzten Runde beherrschte er dann wieder das Geschehen. Am Ende der sechs Runden stand ein einstimmiger und deutlicher Punktsieg (58:56, 58:56 und 58:56) für Bilal. Dass Bilal nicht vorzeitig gewinnen konnte, könnte eventuell daran gelegen haben, dass er eigentlich im Super Feder oder im Leichtgewicht und nicht im Weltergewicht zu Hause ist.
Hier noch ein Wort zu den Kampf- und Punktrichtern (Mufadel Elghazaoui, Robert Verwijs und Gerhard Stufzand). Alle haben ihre Aufgabe sehr gut erledigt. Es gab keine Fehlurteile, was dann auch dazu geführt hat, dass auch Heimboxer ihre Kämpfe verloren haben. – Gute Ring- und Punktrichter sind eine sehr wichtige Zutat für eine gelungene Veranstaltung.
Im folgenden Profikampf trafen im Super Mittelgewicht Radwan Boeka (4 Kämpfe 3 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Bai-Thaimko Conteh (4 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 1 Niederlage) aufeinander. Boeka, der Mann aus Heerlen, war von Anfang an in Schwierigkeiten. Der Aachener Conteh war einfach der bessere Mann. Dabei machte er sich das Leben sogar selber noch schwerer als nötig. Immer wenn er einfach nur 1-2 schlug, also eine grade Führhand gefolgt von einer Schlaghand, brachte er Boeka in Schwierigkeiten. Der schien mehrfach durch Schläge beeindruckt zu sein. Leider verlor Conteh dann die boxerische Linie. Am Ende eines kurzweiligen Vierrunders stand der einstimmige und sehr deutliche Punktsieg (36:40, 36:40 und 37:40) von Conteh, der von Mario Guedes trainiert wird.
Der Abschlusskampf im Mittelgewicht war nicht nur kurzweilig sondern auch sehr kurz, nämlich 74 Sekunden lang. Der Rechtsausleger Zacky Derouich (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) traf auf Goekhan Kaya (14 Kämpfe, 14 Niederlagen, 8 durch KO). Schon nach wenigen Sekunden stellte Derouich Kaya in einer neutralen Ecke und ließ ihn nicht mehr heraus. Ein Schlaghagel prasselte auf ihn nieder, unter dem Kaya dann zusammenbrach und auf dem Boden kniend ausgezählt wurde. Als der schwankende Mann aus Essen dann aufgerichtet wurde, sah man einen tiefen Cut über seinem rechten Auge.
Eigentlich ist es also doch ganz einfach, eine gute Profiboxveranstaltung auf die Beine zu stellen. Patrick Driessen hat eindrucksvoll demonstriert, wie es geht. Der Boxabend in Voerendaal war gelungen und hat sehr viel Spaß gemacht. Der einzige Wermutstropfen für mich war, dass ich leider so mit meinen Notizen beschäftigt war, dass ich die „leckere meisjes“, also die Gogo-Tänzerinnen, nicht gebührend würdigen konnte. Hartstikke bedank für die Show!
© Uwe Betker