Posts Tagged ‘ZDF’
Regina Halmich schlägt Tyron Zeuge
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Verbandes Deutscher Sportjournalisten „sportjournalist“ widmet sich ein Artikel von Ulf Zimmermann dem Boxsport bzw. dem Profiboxen in Deutschland. Er unternimmt eine Bestandsaufnahme der Medien- bzw. TV-Präsens von Boxen in Deutschland.
Der Titel „Boxen am Boden“ nimmt das Ergebnis der Untersuchung vorweg. Mit der Niederlage von Wladimir Klitschko am 29. April 2017 gegen Anthony Joshua und seinem anschließenden Rücktritt am 03. August ging eine Ära zu Ende. Nicht nur Klitschko hat sich vom Boxen verabschiedet, sondern auch sein TV-Partner RTL. Zumindest macht RTL nun eine Pause, nachdem der auserkorene Klitschkonachfolger Marco Huck zwei Niederlagen in drei Kämpfen kassiert hat.
Zu Recht wird bemerkt, dass die Klitschko-Ära bei RTL den schleichenden Niedergang des Boxens verschleiert hat. Das ZDF stieg schon 2010 bei Universum Box-Promotion aus und verabschiedete sich damit vom Boxen. Die ARD folgte 2014 und beendete die Zusammenarbeit mit Sauerland. Das Interesse an den damaligen Protagonisten Arthur Abraham und Felix Sturm waren rapide gesunken. Hinzu kamen Widerstände innerhalb der ARD gegen das Boxen.
Sieht man mal vom Internet ab, bleiben nur Sat. 1 und MDR zurück. Der MDR überträgt die Veranstaltungen des SES-Boxstalls aus Magdeburg. In diesen Fällen sind wohl beide Seiten mit der Zusammenarbeit zufrieden. Sat. 1 zeigt manchmal noch Boxer aus dem Team Sauerland, das im Augenblick allerdings nur einen Weltmeister, nämlich Tyron Zeuge, hat.
Schaut man sich dann noch die Einschaltquoten an, dann sieht man, wie sehr das Boxen in Deutschland in die Knie gegangen ist.
Zur Hochzeit des Boxens erreichten Axel Schulz vs. Frans Botha (RTL, 9.12.1995) 18,03 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von 68 % entspricht, Henry Maske vs. Graciano Rocchigiani II (RTL, 14.10.1995) 17,59 Millionen, gleich 73,2% und Henry Maske vs. Virgil Hill I (RTL, 23.11.1996) 17,52 Millionen, gleich 59,6%.
Die Gebrüder Klitschkos kamen dem noch mal sehr nahe. Wladimir Klitschko vs. David Haye (RTL, 2.7.2011) sahen 15,50 Millionen, Vitali Klitschko vs. Shannon Briggs (RTL, 16.10.2010) sahen 13,29 Millionen und Wladimir Klitschko vs. Ray Austin (RTL, 10.3.2007) sahen 12,89 Millionen.
Alle, die als Nachfolger von Henry Maske gehandelt wurden, erreichten niedrigere Quoten. Thomas Ulrich vs. Cleveland Nelson (Sat.1, 1.4.2000) erreichte 8,04 Millionen, Dariusz Michalczewski vs. Fabrice Tiozzo (ZDF, 25.2.2005) 7,87 Millionen und Luan Krasniqi vs. Lamon Brewster (ZDF, 28.9.2005) 7,62 Millionen.
In ähnlichen Regionen bewegte sich auch Regina Halmich. Halmich vs. Shmoulefeld Finer (ZDF, 30.11.2007) sahen 8,80 Millionen, Halmich vs. Elena Reid II (ZDF, 3.12.2005) sahen 6,49 Millionen und Halmich vs. Reka Krempf (ZDF, 13.1.2007) sahen 6,33 Millionen.
Tyron Zeuge verliert selbst im direkten Vergleich zu Regina Halmich. Zeuge vs. Paul Smith (Sat.1, 17.6.2017) interessierten 1,43 Millionen, Zeuge vs. lsaak Ekpo (Sat.1, 25.3.2017) 1,57 Millionen und Zeuge vs. Giovanni de Carolis (Sat.1, 5.11.2016) 1,72 Millionen.
Sat.1 Hauptkämpfer Tyron Zeuges Quoten jedenfalls bleiben weit hinter denen von Regina Halmich zurück. Er ist keine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Er ist eher bescheiden im Auftreten. Für seinen letzten Kampf gegen Paul Smith blieben 1,43 Millionen Menschen zur späten Abendstunde vor ihren Bildschirmen sitzen.
Sat. 1-Sportchef Alexander Rösner, der boxaffin betont: „Jede Sportart braucht nationale Identifikationsfiguren, so auch das Boxen.“ Die Frage aber, die sich dann automatisch stellte, lautete: Kommen denn neue Boxer, die in die Fußstapfen von Henry Maske, oder zumindest von Thomas Ulrich, Dariusz Michalczewski, Felix Sturm und Arthur Abraham treten können, ohne darin zu versinken.
Rösner und Team Sauerland verweisen auf den Supermittelgewichtler Leon Bauer (13 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO, 1 Unentschieden). Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer und ein Sportler allein hält eine Sportart noch nicht am Leben. Matthias Bolhöfer, der RTL Sprecher, formulierte es so: „Es muss jemand sein, der hier eine hohe Akzeptanz hat. Die Zuschauer wollen Identifikation“.
„Nationale Identifikationsfiguren“ mit boxerischem Können, davon bin ich persönlich überzeugt, gibt es in Deutschland genug; und sie könnten auch eine „hohe Akzeptanz“ bei den Zuschauern erreichen. Das Problem ist nur, diese Boxer werden wohl noch einige Zeit brauchen, um zu reifen.
© Uwe Betker
Erinnerung an ein Telefongespräch
Damals, einen Tag, bevor in einer Zeitung (Süddeutsche Zeitung oder Frankfurter Allgemeine Zeitung) die Meldung erschien, dass das ZDF den Vertrag mit Universum Box
Promotion nicht verlängert, bekam ich von einem der führenden Mitarbeiter von Sauerland Event eine SMS. In ihr stand, dass besagte Meldung am nächsten Tag erscheinen würde. Wiederum einen Tag später rief mich dieser Mitarbeiter an, um mit mir über die nun veränderte Situation zu plaudern.
Der Herr erläuterte mir die großen Pläne seines Arbeitgebers. Erst wollten sie sich die besten Boxer von Universum heraussuchen. Er erwähnte dabei auch, wie viele Boxer, Trainer und sonstiges Personal von Universum ihn schon angerufen und um einen Vertrag gebeten hätten. Er erzählte sogar von einem Boxer, der auch bereit wäre, unentgeltlich für Sauerland zu boxen. Überhaut könnten sie die Preise nun allein bestimmen.
Die Euphorie konnte ich seinerzeit nicht ganz teilen. Ich gab zu bedenken, dass Sauerland doch erst durch die Konkurrenz zu Universum zu dem geworden ist, was er damals war. Diese Bedenken stießen allerdings auf taube Ohren. Ich sagte jenem Herrn von Sauerland, dass sie, meiner Meinung nach, nun eher Probleme bekommen würden. Bis dahin hatte es schließlich gereicht, einfach besser zu sein als die Konkurrenz. Nun aber waren sie die Einzigen, d.h. alle würden nun ganz genau und nur auf sie schauen. Ich persönlich hielt daher damals einen Strategiewechsel für unbedingt notwendig. Nun ja, meine Worte stießen auf taube Ohren und das Verhältnis zu dem Herrn wurde dann auch merklich kühler. Er ruft mich inzwischen nicht mehr an, um mit mir übers Boxen zu plaudern.
(C) Uwe Betker
Gedanken zu einem möglichen Vertragsausstieg der ARD
Die Gerüchte verdichten sich, dass die ARD erwägt ihren Vertrag mit Sauerland Event nicht zu verlängern. Es kursieren weiterhin Gerüchte, Hagen Döring, Moritz Klatten und Henry Maske hätten bei der ARD mit einem Profiboxkonzept vorgesprochen. Auch Arthur Abraham und Marco Huck hätten beide, unabhängig voneinander, bei TV Sendern eine Plattform für sich gesucht. Soweit die Gerüchteküche.
Interessant ist, abgesehen vom Wahrheitsgehalt, dass nicht wenige Boxfans in Internetforen sich über diese vermeintliche Entwicklung freuen. Immer wieder wird dabei auf die zum Teil grotesken Fehlurteile verwiesen und darauf, dass es bei Sauerland Veranstaltungen es schon wiederholt zu umstrittenen Punkturteilen kam.
Ich persönlich halte Schadenfreude nicht für angebracht. Die Lücke, die dadurch entstanden ist, dass das ZDF aus dem Boxen ausgestiegen ist, ist bis heute nicht ausgefüllt. Wenn nun auch noch die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland aussteigt, gerät das Boxen in Gefahr, komplett zur Randsportart zu verkommen. Selbst wenn andere Sender dann neu ins Boxen einsteigen sollten, bleibt am Ende wohl ein Weniger an Boxen übrig. Sicher ließ die Berichterstattung der ARD häufig professionelle Distanz vermissen. Es ist aber m.E. nicht davon auszugehen, dass mögliche Privatfernsehsender das besser machen. Hier sei nur an Werbung in den Rundenpausen erinnert.
Um es ganz deutlich zu sagen: Wilfried Sauerland hat in Deutschland das Profiboxen gefördert und geprägt wie keine anderer vor ihm. Ein Großteil der Kritik, die heute an Sauerland Event geübt wird, trifft ihn auch nicht persönlich. Er hat sich inzwischen wohl weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und seine Mitstreiter der ersten zwei Jahrzehnte, sind auch schon lange nicht mehr dabei.
Vermutlich spielt auch viel Neid und Missgunst mit eine Rolle und das zeigt sich auch an der Kritik an Sauerland Event. Aber der Berliner Veranstalter hat sich letztlich durch viele Entscheidungen auch selber in die Situation gebracht, dass massiv Kritik geübt wird. Wenn ich nun formulieren müsste, ob ich denn für eine Verlängerung des Vertrages wäre, müsste ich mit einem klaren Jein antworten. Natürlich bin ich dafür, dass im Fernsehen Profiboxen gezeigt wird. Aber vieles, was uns in den letzten Jahren so geboten wurde, und damit meine ich sowohl Kampfansetzungen als auch Kampfausgänge, möchte ich auf keinen Fall mehr sehen.
© Uwe Betker
Gedanken zur Niederlage von Felix Sturm (1)
Am 01.09.2012 verlor Felix Sturm (42 Kämpfe, 37 Siege, 16 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) in Oberhausen gegen den Australier Daniel Geale (29 Kämpfe, 28 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage). Damit verlor er seinen Titel „Super Champion“ der WBA (World Boxing Association), den er nach den Regularien des Verbandes gar nicht hätte tragen dürfen. Sein Bezwinger Geale war und ist Weltmeister der IBF (International Boxing Federation) im Mittelgewicht.
Sicher, eine Niederlage ist erst einmal nichts Besonderes. Schließlich verliert ja in fast allen Boxkämpfen einer der beiden Kontrahenten den Kampf. Dennoch, die Niederlage von Sturm verdient doch eine nähere Betrachtung.
Zunächst einmal ist positiv zu vermerken, dass Geale in Deutschland überhaupt einen deutschen Boxer besiegen konnte. Schließlich hat sich Deutschland bzw. haben sich die deutschen Veranstalter international über Jahre hinweg den Ruf erarbeitet, dass man hierzulande als Herausforderer eines Deutschen nicht nach Punkten gewinnen kann. Die Wertungen der Punktrichter Stanley Christodoulou und Dave Parris mit jeweils 112:116 für Geale, sind zwar wohl zu hoch, gehen aber von der Tendenz her in Ordnung. Weshalb Eugene Grant 116:112 für Sturm wertete, ist dagegen für mich nicht nachvollziehbar. Geales Sieg ist gut für den Ruf des deutschen Profiboxens, wenn er auch schlecht ist für den schwächelnden Sport.
Die Niederlage Sturms trifft das deutsche Boxen schwer. Zwar überträgt die ARD noch die Veranstaltungen von Sauerland Event. Aber wenn man die neuerdings immer wieder eingestreuten kritischen Bemerkungen über den Boxsport im Allgemeinen als Indiz ansieht, dann geht der Sender wohl zunehmend auf Distanz zum Boxen. Hinzu kommen die Gerüchte, dass die ARD den Vertrag nicht über 2015 hinaus verlängern will. Wenn aber doch, so soll er jedenfalls nicht mehr den gleichen Umfang haben. Der andere öffentlich rechtliche Sender, ZDF, hat wohl immer noch genug vom Boxen – nach all den Erfahrungen, die er mit Universum Box-Promotion gemacht hat.
RTL zeigt einzig und alleine Kämpfe von Wladimir Klitschko (61 Kämpfe, 58 Siege, 51 durch KO, 3 Niederlagen, 3 durch KO) und Vitali Klitschko (46 Kämpfe, 44 Siege, 40 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO). Mir klingt da zwar noch im Ohr, dass sowohl RTL als auch die Gebrüder Klitschko einmal ankündigten, sie wollten einen richtigen Boxstall aufbauen. Sie haben dann aber keinen Schritt in diese Richtung getan. RTL zeigt Klitschko und nichts anderes. Und wenn denn einmal kein Klitschko mehr boxt, dann wird es wohl auch kein Boxen mehr auf RTL zu sehen geben.
SES, Sport Events Steinforth und EC Boxing mühen sich redlich, Boxen zu zeigen, aber bis jetzt konnten sie leider nur im Spartenkanal Eurosport ihre Veranstaltungen unterbringen. Ob Arena Box-Promotion noch in ein paar Monaten bestehen wird, wird sich zeigen.
Dementsprechend ist die Niederlage von Felix Sturm ein harter Schlag für das Profiboxen in Deutschland. Sturms Haussender SAT1 konzentrierte sich nur auf Felix Sturm. SAT1 kann nur Felix Sturm zeigen, denn Sturm Box-Promotion besteht faktisch nur aus Felix Sturm. Zwar haben Syuzanna Kentikyan bzw. Susi Kentikian (31 Kämpfe, 29 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage), Fliegengewicht, Maurice Weber (18 Kämpfe, 16 Siege, 5 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden), Junior Mittelgewicht, Mike Keta (14 Kämpfe, 12 Siege, 11 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO), Mittelgewicht und Patrick Dobroschi (16 Kämpfe, 12 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 3 Unentschieden), Super Mittelgewicht, einen Vertrag bei Sturm, aber keiner von ihnen kann derzeit einen Hauptkampf bestreiten. Wenn also Sturm es nicht mehr schafft, einen attraktiven Kampf zu bekommen, wird SAT1 wohl kein Boxen mehr zeigen.
Die Niederlage von Felix Sturm ist ein harter Rückschlag für den Patienten Profiboxen in Deutschland.
© Uwe Betker
Der schleichende Niedergang von Sauerland Event (2)
Sauerland Event nahm wohl den Ausstieg des ZDFs aus dem Vertrag mit Universum Box-Promotion nicht zum Anlass über die eigenen Veranstaltungen und den generellen Umgang mit dem Boxen und dem Publikum nachzudenken. Das Verharren im Status Quo war zwar verständlich, schließlich hatte der berliner Veranstalter als einziger noch einen lukrativen Vertrag mit einem öffentlich-rechtlichen Sender, aber man kann es dennoch als einen gravierenden Fehler ansehen.
Sauerland war nun nahezu der unumschränkte Herrscher über das Boxen in Deutschland. Es gab keine direkte Konkurrenz mehr. Es gibt zwar noch Felix Sturm auf SAT 1 und Wladimir und Vitali Klitschko auf RTL, aber die sind keine Veranstalter im eigentlichen Sinne, sondern eher nur Selbstvermarkter. Sie haben keinen eigenen Boxstall und sie bauen auch keine anderen Boxer systematisch auf. Aber wie so häufig wenn es keinen Wettbewerb mehr gibt, wird der Übriggebliebene träge und behäbig. Sauerland machte einfach so weiter, wie zuvor.
Wenn man sozusagen der größte und alles beherrschende deutsche Promoter ist, schauen alle einem ganz genau auf die Finger. Was die Zuschauer von der ARD im Groben zu sehen bekamen, war folgendes: Der einst als nahezu unschlagbar geltende Arthur Abraham musste sich ein ums andere Mal gegen bessere Boxer geschlagen geben. Dabei musste er diese Niederlagen alle in einem Turnier hinnehmen, das Sauerland sogar selbst ins Leben gerufen hatte. Sie sahen weiter, wie der russische Riese Nikolai Valuev, der auch vorher schon nicht immer sehr überzeugt hatte, erst gegen David Haye verlor und seither verletzungsbedingt nicht wieder boxte. Ob und wann Valuev wieder in den Ring steigt, steht wohl in den Sternen.
Weil Abraham verlor und Valuev nicht mehr boxte, wurden die Weltmeister der – wenn man so will – zweiten Reihe umso wichtiger für Sauerland als Hauptkämpfer. So bekam Muamer Hukic alias Marco Huck, der Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO, mehr Aufmerksamkeit. Dieses Mehr, auch an medialer Aufmerksamkeit nutzte er vor seinem Kampf gegen Denis Lebedev dazu, seinen Herausforderer übel zu beleidigen. Wohl noch angestachelt vom Echo in den Medien, legte er verbal dann später sogar noch einmal nach. Diese verbalen Kraftakte, blieben dann auch seine stärkste Leistung 2010. Im Kampf mit den Fäusten konnte Huck jedenfalls nur sehr knapp durch Mehrheitsentscheidung seinen Titel behalten, weil zwei Punktrichter den Kampfverlauf wohl nicht durch ihr Punkten wiedergeben konnten oder wollten. Die Folge: Ein, wie ich finde skandalöses Fehlurteil.
Das Selbstbewusstsein des Herrn Hukic war nach seinem Sieg nicht gerade angekratzt. Er sah sich nach dem Kampf als klaren Sieger, beglückwünschte sich zu seiner Leistung und dankte vor allem Gott – und nicht den Punktrichtern. Das offensichtliche Nichtanbieten eines Rückkampfes und das sehr zögerliche in Aussichtstellen einer Teilnahme an einem möglichen Super-Six-Turniers im Cruisergewicht durch Sauerland Event danach machte die ganze Sache auch nicht gerade erfreulicher. Dann setzte man Huck einen Gegner (Denis Lebedev) vor, von dem man absolut sicher sein konnte, dass er dem amtierenden Weltmeister niemals irgendwelche Schwierigkeiten machen würde.
Sebastian Sylvester konnte nur Mittelgewichtsweltmeister der IBF werden, weil Arthur Abraham diesen Titel aufgegeben hatte. Er gewann seinen Titel durch einen knappen Punktsieg mit Mehrheitsentscheidung gegen den nicht sehr starken Giovanni Lorenzo (19.09.2009). Danach verteidigte er seinen Titel durch einen TKO-Sieg gegen einen eher mittelmäßigen Boxer namens Billy Lyell (30.01.2010), der exakt ein Viertel seiner Profikämpfe verloren hatte. Dann folgte eine Pflichtverteidigung gegen Roman Karmazin (05.06.2010). Gegen ihn erreichte er nur mit Müh und Not ein nicht unumstrittenes Unentschieden. Natürlich, wir kennen das Muster schon: Es gab keinen Rückkampf, dafür aber einen leichteren Gegner (Mahir Oral). In der nächsten Pflichtverteidigung bekam er es dann mit Daniel Geale zu tun. Diesmal verlor er knapp nach Punkten
© Uwe Betker
Quo vadis Herr Kohl?
Eigentlich ist Klaus-Peter Kohl den Boxfans in Deutschland noch eine Erklärung schuldig. Vor Monaten, oder besser gesagt, vor mehr als einem dreiviertel Jahr (31.07.2010), veranstaltete Universum Box-Promotion das letzte Mal eine Show, die von einem deutschen Fernsehsender, dem ZDF, übertragen wurde. Damals sagte Kohl, dass er sich später zu den Zukunftsplänen und Perspektiven seines Boxstalls äußern würde. Soweit ich das mitbekommen habe, hat Kohl eine solche Erklärung bis heute nicht abgegeben.
Vielmehr scheint der einstmals größte Veranstalter Europas seinen Betrieb weitestgehend eingestellt zu haben. Zwei (?) Kleinringveranstaltung im hauseigenen Gym in Hamburg mit Übertragung im Internet, sind die einzigen Veranstaltungen, an die ich mich erinnern kann. Für einen hanseatischen Kaufmann wie Herrn Klaus-Peter Kohl wäre es, so finde ich, schon angemessen, zu seinem Wort zu stehen und die versprochene Erklärung abzugeben.
© Uwe Betker
Verlierer – überall Verlierer
Robert Stieglitz (42 Kämpfe, 40 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) ist weiterhin Weltmeister der WBO im Super Mittelgewicht. Der Fernsehsender SAT1 hat seinen zweiten Box-Weltmeister und damit seinen zweiten Hauptkämpfer gefunden, der eine gute Quote bringt. Stieglitz Kampf gegen Khoren Gevor (37 Kämpfe, 31 Siege, 16 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO) stellte über weite Strecken ein intensiv geführtes Gefecht dar und war dann dementsprechend unterhaltsam. Dennoch sehe ich, wohin sich mein Blick auch immer wendet, nur Verlierer.
Im Vorfeld der Übertragung waren von Seiten des TV-Senders SAT1 seltsame Töne zu hören. Da ließ man Stieglitz in einem Trailer martialisch verkünden: „Ich kann jeden vernichten.“ Ich persönlich halte die Verwendung von solchen Begriffen wie „vernichten“ und „Vernichtung“ im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung mit einem anderen Menschen und als Ankündigung für einen – hoffentlich fairen – sportlichen Kampf schlicht für schlechten Stil. Es kann ja sein, dass ich hier überempfindlich reagiere, aber ich kann es einfach nicht gut finden, wenn ein Mensch ankündigt einen anderen vernichten zu wollen.
In dem schon angesprochen Werbespot hat mir außerdem noch missfallen, dass der Herausforderer als der „gebürtige Armenier Khoren Gevor“ bezeichnet wird, der Weltmeister aber lediglich mit seinem Namen vorgestellt wurde, ohne Nennung zusätzlicher Attribute. Man hätte dann z.B. auch erwähnen können, dass Robert Stieglitz als Sergey Shtikhlits in Jeisk in der Sowjetunion, dem heutigen Russland, geboren wurde.
Der Kommentator am Ring, Wolff-Christoph Fuss, scheint sein Handwerk beim ZDF gelernt und bei SAT1 zur Vollendung gebracht zu haben. Nach meiner Erinnerung kam kein einziges kritisches Wort gegen Stieglitz über seine Lippen. Selbst wenn er einen harten Kopftreffer nehmen musste, was auch tatsächlich immer mal vorkam, wurde darüber einfach hinweggegangen. Mir scheint, SAT1 will das ZDF an Schönrednerei ihrer Boxveranstaltungen noch übertreffen. Ihrer Glaubwürdigkeit dürfte das allerdings nicht gut tun.
Der Ringrichter Manfred Küchler agierte mehr als nur unglücklich. Als er Gevor disqualifizierte, hatte er nach meinem Dafürhalten dafür keinen Grund. Wenn der Kopfstoß, den er dafür zum Anlass nahm, wirklich absichtlich erfolgt war, so hätte er genauso gut auch eine Verwarnung mit Punktabzug aussprechen können. Damit hätte er dann auch angezeigt, dass der Cut von Stieglitz durch ein absichtliches Foul entstanden war, so dass er nicht kampfentscheidend hätte werden können. Allerdings glaube ich persönlich, der Cut ist bei dem anschließenden Gerangel entstanden, bei dem beide gemeinsam zu Boden gegangen sind.
Manfred Küchler sah nicht etwa ein grobes Foul, das er dann bestrafte. Nein, dann hätte er nicht beide Boxer erst aufstehen lassen, um den Cut persönlich zu begutachten. Danach schickte er Gevor erst in die neutrale Ecke und holte eine zweite Meinung, die des Ringarztes, über die Schwere der Verletzung ein. Erst jetzt ging er hin und disqualifizierte Gevor, u. z. mehr als eine Minute nach dem Foul. Mit dieser ganzen Aktion erweckte Küchler bei mir den Eindruck, dass er dem Veranstalter mit seiner Entscheidung einen Gefallen tun wollte.
Zur sportlichen Auseinandersetzung ist zu sagen: Robert Stieglitz zeigte eine solide Leistung. Glänzen er konnte aber nicht. Er war bei weitem nicht so dominant wie es uns Herr Fuss weismachen will. Er ist zurzeit die Nummer 6 der unabhängigen Weltrangliste und was er im Kampf gezeigt hat, lässt diese Platzierung berechtigt erscheinen. Er ist ein wirklich guter Super-Mittelgewichtler – mehr aber auch nicht. Ob seine Leistung nun wirklich weltmeisterlich war, kann ja jeder selber entscheiden.
Das Verhalten von Khoren Gevor vor, im und nach dem Kampf kann man allerdings auch zumindest kontrovers diskutieren. Den Trainer von Stieglitz und dann anschließend noch den Ringrichter Küchler anzugreifen, geht für mich ganz und gar nicht. Egal was passiert ist, ein Profiboxer muss sich soweit unter Kontrolle haben, dass ihm dergleichen nicht passiert. Damit hat er sich in meinen Augen diskreditiert.
Wohin ich sehe, ich sehe nur Verlierer.
© Uwe Betker
PS: Ich hatte ursprünglich geschrieben, dass Robert Stieglitz Geburtsname Sergei Stieglitz und nicht Sergey Shtikhlits ist.
Mit zweierlei Maß messen
Wenn man über jemanden sagt, er messe mit zweierlei Maß, dann wirft man ihm vor, dass er allgemeingültige, z. T. moralische Standards aus politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen, zumeist egoistischen Erwägungen heraus, nicht auf alle gleichermaßen anwendet.
Ich plädiere nun dafür, mit zweierlei Maß zu messen, jedenfalls bei der Beurteilung von Kampfansetzungen.
Was man auf Boxveranstaltungen so hört oder in Foren liest, so geben die Kampfansetzungen immer wieder Anlass zu harscher Kritik und sind Ausgangspunkt erbitterter Diskussionen. Häufig genug habe ich hier selber schon Kritik geübt. Daher möchte ich nun aber auch mal um Nachsicht bitten für Paarungen von Kämpfern, die unter sportlichen Gesichtspunkten einfach nur als grauenerregend bezeichnet werden können. Den frühen Aufbau eines Boxers möchte ich dabei noch explizit ausnehmen.
Bevor man ein Urteil über das Matchmaking fällt, sollte man sich erst mal ansehen, wer hier überhaupt Veranstalter ist. Im Boxen scheint es nämlich eine Drei-Klassen-Gesellschaft von Veranstaltern zu geben. In der ersten Klasse sind Universum-Box-Promotion, Sauerland Event und die Klitschkos, Felix Sturm und eventuell bald noch Luan Krasniqi. In der zweiten Klasse sind dann das SES-Boxing, Wiking Box-Team und Arena Boxpromotion anzutreffen. In der dritten Klasse tummelt sich schließlich der ganze Rest. Die Einteilung in die Klassen ergibt sich aus den zur Verfügung stehenden Geldmitteln, TV-Verträgen und der sonstigen Medienpräsenz.
Jeder, der mit offenen Augen zu Klein- und Kleinstveranstaltungen geht, wird bemerken, mit wie wenig Kapital hier gearbeitet wird. Zum Teil entscheidet der Verkauf von 5 bis 10 Kästen Getränken bereits über den finanziellen Erfolg oder Misserfolg einer Veranstaltung. Wenn man sich das vor Augen hält, kann man sich auch vorstellen, wie knapp dann bei den Börsen für Gegner kalkuliert werden muss. Zu bedenken ist außerdem, dass die kleinen Veranstalter die gleichen Gebühren an den Bund Deutscher Berufsboxer zahlen müssen wie die großen. Für mich heißt das nichts Anderes als, dass die kleinen die großen Veranstalter subventionieren. Im Gegenzug schrauben die Veranstalter aus der 1. Klasse dadurch, dass es kaum noch Events unterhalb von WM-Kämpfen gibt, die Erwartungshaltung der Zuschauer unerreichbar hoch für die Kleinen.
Daher plädiere ich für das Messen mit zweierlei Maß. Wer sehr viel Geld für Veranstaltungen, die von ARD, ZDF, RTL und SAT 1 übertragen werden sollen, bekommt, der hat auch eine entsprechende Qualität abzuliefern. Ein Weltmeister, der sagen wir einmal 4 Mal im Jahr boxt, hat einmal im Jahr seine Pflichtverteidigung zu absolvieren; es sollte doch wohl eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass er gegen einen Mann aus den Top 15 der unabhängigen Rangliste kämpft. Dann hat er immer noch genug Zeit, mit zwei leichteren Kämpfen aktiv zu bleiben und natürlich auch Geld zu verdienen.
Für mich sind das Mindestanforderungen an Veranstalter, die zu den erfolgreichsten und wohlhabensten in der Welt gehören. Gefühlt sind die deutschen Veranstalter aus der ersten Klasse im letzten Jahr erheblich hinter diesen Anforderungen zurück geblieben. Daher stehen sie auch zu Recht in der Kritik der Boxfans.
Für die Veranstalter aus der dritten Klasse aber, wünsche ich mir mehr Nachsicht. Denn jeder Klein- und Kleinstveranstalter geht ein nicht unerhebliches Risiko ein, wenn er eine Veranstaltung auf die Beine stellt. Als Zuschauer bekommt man das wofür man zahlt, nämlich eine kleine Veranstaltung. Mit den Promotern in der 2. Klasse ist es schwieriger. Man muss hier von Fall zu Fall entscheiden. Wo mir persönlich der Spaß vergeht und wo meine Nachsicht dann auch aufhört, das ist, wenn ich von einem Veranstalter Weltklasse versprochen aber nur Mittelmaß geboten bekomme – etwas, was leider mehr und mehr zur Regel wird.
© Uwe Betker