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Die Abschiedsshow von Sauerland Event bei der ARD
Als der berliner Veranstalter Sauerland Event noch um die Vertragsverlängerung bei der ARD kämpfte, verkündete der Chef, Kalle Sauerland, immer wieder, er wolle „Kämpfe auf Augenhöhe“ sehen. Nun hat er aber die Vertragsverlängerung nicht bekommen und wechselt zu SAT.1. Am 06. Dezember 2014 findet in Oldenburg die letzte Show von Sauerland für die ARD statt. Dies ist noch mal eine Möglichkeit, den von Kalle Sauerland formulierten Anspruch auch an der realisierten Veranstaltung zu messen.
Den Hauptkampf bestreitet der WBA Halbschwergewichtsweltmeister Jürgen Brähmer (46 Kämpfe, 44 Siege, 32 durch KO, 2 Niederlagen). Er boxt gegen Pawel Glazewski (25 Kämpfe, 23 Siege, 5 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO). Der Veranstalter schreibt in einer Pressemeldung: „Der Schlagkraft Glazewskis fiel mit Roy Jones Jr. sogar schon eine Legende des Boxsports zum Opfer, der sich nach einem Niederschlag nur knapp über die Zeit retten konnte.“ Diese Sätze kann man aber getrost als Beschönigung betrachten. Der Herausforderer hat nämlich nur eine KO Rate von 20%, während Brähmer immerhin 69,57% aufzuweisen hat. Glazewski ist, was die Schlagkraft angeht, also hoffnungslos unterlegen.
Glazewski ist auch nur die Nummer 41 in der unabhängigen Weltrangliste. Ein Karo Murat (28 Kämpfe, 25 Siege, 15 Siege, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden), der schließlich seinen letzten Kampf verloren hat, ist auf Position 33 und damit besser platziert. Glazewski ist noch nicht einmal der beste polnische Boxer in seiner Gewichtsklasse. Das ist nämlich Andrzej Fonfara (29 Kämpfe, 25 Siege, 15 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO), der auch an Position 12 in der Welt ist. Positiv ausgedrückt: Jürgen Brähmer boxt gegen den zweitbesten polnischen Boxer im Halbschwergewicht. Negativ ausgedrückt: Brähmer boxt gegen einen Mann, der keine Chance gegen ihn haben dürfte. Alles andere als eine KO Sieg für ihn wäre eine Sensation.
Natürlich kann man sich unzählige Szenarien vorstellen, die Glazewski eine Chance eröffnen könnten, als Sieger den Ring zu verlassen. Brähmer könnte z.B. im Ring ausrutschen und sich ein Bein brechen. Oder, Brähmer könnte ausrutschen und sich eine Hand brechen. Oder, er könnte sich das Knie verrenken. Also es gibt unzählige Möglichkeiten. Aber wenn man sich nur die Kampfpaarung anschaut, dann muss man feststellen: Pawel Glazewski hat keine Chance und diese Ansetzung ist definitiv kein Kampf auf Augenhöhe. Sauerland Event bietet der ARD mit anderen Worten zum Abschied eine der Veranstaltungen an, für die sie immer wieder, auch von Boxfans, kritisiert wurden.
Zu groß ist wohl die Angst in Berlin, Brähmer einen Gegner auf Augenhöhe, also einen gleichstarken Gegner, zuzumuten. Die Personaldecke für Hauptkämpfer ist ja nun auch mit dem Weggang von Marco Huck (41 Kämpfe, 39 Siege, 26 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden), dem Weltmeister der WBO im Cruisergewicht, deutlich dünner geworden. Und Brähmer ist nun auch bereits 36 Jahre alt; seine Tage als Weltmeister sind dementsprechend gezählt.
Auch wenn man viel Verständnis für Sauerland Event aufbringen will, so ist doch nicht zu verstehen, warum man für die letzte ARD Show noch mal einen so schwachen Gegner aussucht. Soll die Show als Visitenkarte für Veranstaltungen, die zukünftig bei SAT.1 zu erwarten sind, anzusehen sein, dann kann einem schon das Grauen kommen. Wieso boxt Brähmer eigentlich nicht gegen Zsolt Erdei (35 Kämpfe, 34 Siege, 18 durch KO, 1 Niederlage)? Erdei war von 2004 bis 2009 Weltmeister der WBO im Halbschwergewicht. Dann bestimmte seinerzeit die Stallregie von Universum Box-Promotion, er soll hoch gehen ins Cruisergewicht, damit Brähmer um einen WM Titel boxen kann. Allein aus dieser Tatsache ergäbe sich schon genug Spannung für einen guten Kampf. Brähmer dürfte zwar bei dieser Paarung Favorit sein, aber Erdei wäre bestimmt nicht hoffnungslos unterlegen – wie jetzt der Herr aus Polen, der ihn boxen darf. Ein Kampf zwischen Brähmer und Erdei ist auch, wie ich finde, schon lange überfällig. Gut, natürlich kann es sein, dass Brähmers Management seinem Schützling nicht zutraut, gegen Erdei gewinnen zu können. Das kann dann aber nur heißen, dass wir auf SAT.1 Brähmer nur gegen handverlesene Gegner zu sehen bekommen, nämlich solche in der Preisklasse von Pawel Glazewski.
Zur Ehrenrettung von Sauerland Event muss allerdings ergänzt werden, dass bei der Veranstaltung auch Yoan Pablo Hernandez (30 Kämpfe, 29 Siege, 14 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) gegen Ola Afolabi (28 Kämpfe, 21 Siege, 10 durch KO, 3 Niederlagen, 4 Unentschieden) im Cruisergewicht seinen IBF Titel verteidigen soll. Das ist nun schon eine richtig gute Kampfansetzung – aber nur als Vorkampf zu Brähmer.
© Uwe Betker
Die letzten Zwölf (4)
Universum Box-Promotion ist mit Alexander Dimitrenko (32 Kämpfe, 31 Siege, 21 durch KO, 1 Niederlage) und Ruslan Chagaev (29 Kampfe, 27 Siege, 17 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO, 1 Unentschieden) im Schwergewicht gut vertreten. Ich glaube zwar nicht, dass einer von ihnen im Moment eine Chance hätte im Kampf gegen einen der Klitschkos. Aber vielleicht will Klaus-Peter Kohl ja auch noch eine Weile warten.
In den anderen Gewichtsklassen sieht es nicht so gut aus. Gennady Golovkin (20 Kämpfe, 20 Siege, 17 durch KO), der Weltmeister der WBA im Mittelgewicht, ist wohl der Beste der verbliebenen Zwölf. Er ist aber auch derjenige, der nicht mehr für Klaus-Peter Kohl Boxen will.
Es wäre schon interessant zu wissen, nach welchen Kriterien Kohl das Personal seines Boxstalls reduziert hat. Mir leuchtet es z.B. nicht ein, warum er den Vertrag mit dem langjährigen Weltmeister der WBO im Halbschwergewicht, Zsolt Erdei (33 Kämpfe, 33 Sieg, 18 durch KO), nicht verlängert hat. Erdei war doch ein Garant für sportliche Erfolge.
Auch kann ich nicht verstehen, wieso man so wenig Wert darauf legte, den Vertrag mit Markus Tomala (9 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO, 2 Niederlagen) zu verlängern. Tomala ist schließlich einer der letzten deutschen Schwergewichtler mit Perspektive. Wenn ich richtig informiert bin, hat Universum schlicht die Frist für die Vertragsverlängerung verschlafen, bzw. die Mitteilung, die Vertragsverlängerungsoption wahrnehmen zu wollen, zu spät abgeschickt.
Noch unverständlicher ist es, dass Jack Culcay (8 Kämpfe, 8 Siege, 5 durch KO) an Ulf Steinforth abgegeben wurde. Das Riesentalent im Junior Mittelgewicht war doch vermutlich gut zu vermarkten. Nun, wir werden wohl nie erfahren, aufgrund welcher Überlegungen die einen Boxer behalten und andere auf die Straße gesetzt wurden.
© Uwe Betker
Die letzten Zwölf (2)
Gennady Golovkin (20 Kämpfe, 20 Siege, 17 durch KO) will nicht mehr für Universum boxen. Der Rechtstreit zwischen dem hamburger Promoter und dem kasachischen WBA Mittelgewichtsweltmeister zieht sich schon eine geraume Zeit hin. Golovkin geht davon aus, ab November 2011 ein „free agent“ zu sein. Klaus-Peter Kohl will natürlich keinen amtierenden Weltmeister ziehen lassen, zumal es Golovkin offensichtlich nichts ausmacht, überall auf der Welt zu boxen. So trat er zuletzt in Kiel, Panama City und Astana in Kasachstan auf. Am 17.06.2011 boxt er erneut in Panama City. Dort trifft er auf Kassim Ouma (36 Kämpfe, 27 Siege, 17 durch KO, 7 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden). Kohl geht davon aus, dass sein Vertrag mit Golovkin bis 2012 gültig ist.
Der Super Mittelgewichtler Karoly Balzsay (25 Kämpfe, 23 Siege, 17 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) musste 2009 zwei Niederlagen in Folge hinnehmen. Erst verlor er am 22.08.2009 gegen Robert Stieglitz seinen WBO Weltmeistergürtel durch TKO in Runde 11. Dann musste er sich auch noch am 04.12.2009 seinem damaligen Stallkollegen Eduard Gutknecht nach Punkten geschlagen geben. 2010 boxte er dann nur zweimal gegen eher schwache klassische Aufbaugegner. Seine boxerische Zukunft sieht m. E. eher trübe aus.
Der ehemalige WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht Jürgen Brähmer (38 Kämpfe, 36 Siege, davon 29 durch KO und 2 Niederlagen) wurde einst als Jahrhunderttalent gehandelt. Heute wird er gerne vom Boulevard als Knastboxer bezeichnet. Zuletzt wurde er kampflos Weltmeister, weil der langjährige Titelinhaber Zsolt Erdei – angeblich hatte er es selber so gewollt – für einen einzigen WM Kampf eine Gewichtsklasse höher ging, wodurch sein Titel vakant wurde. Genauso kampflos wurde Brähmer seinen Titel dann auch wieder los. Er wurde zum zweiten Mal hintereinander krank, bzw. verletzte sich, als er im Ausland boxen sollte. Anfang des Jahres flog er nach Kasachstan, wo er starken Durchfall mit Erbrechen bekam. Vor kurzem flog er nicht nach England, weil, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ein Handtuch eine alte Verletzung wieder aufriss. Im Augenblick kann ich mir nicht vorstellen, dass Brähmer überhaupt noch mal wieder in den Ring steigt, vor allem nicht außerhalb von Deutschland.
Rachim Tschachkijew oder Rakhim Ruslanovich Chakhkiev (10 Kämpfe, 10 Siege, 8 durch KO) siegte bei den olympischen Spiele 2008 im Schwergewicht und startet jetzt als Profi im Cruisergewicht. Er, dem man auch den netten Kampfnamen „The Mashine“ gab, steht noch am Anfang seiner Karriere. Natürlich lassen seine Amateurerfolge Großes erwarten, aber man kann nie wissen, ob solche Erwartungen auch in Erfüllung gehen.
© Uwe Betker
Der Feuervogel sucht die Herausforderung in den USA
Er kann in seiner Heimat nicht über die Straße gehen, ohne erkannt, angesprochen und um ein Autogramm gebeten zu werden. Er ist ein Volksheld. Er ist ungeschlagen und er könnte wohl in den nächsten Jahren die größten Hallen und Stadien füllen. Und dafür bräuchte er nur irgendwelche Taxi fahrenden Semiprofis verprügeln. Aber das will Zsolt Erdei (32 Kämpfe, 32 Sieg, 17 durch KO) nicht. Der auch hierzulande sehr bekannte Ungar sucht die Herausforderung.
Nach einer langen und erfolgreichen Amateurkarriere (232 Kämpfe, 212 Siege, Weltmeister 1997, 1998 und 2000 Europameister, Bronzemedaille bei dem olympischen Spielen 2000) wurde er bei Universum Box-Promotion in Hamburg Profi. Er wurde durch einen Punktsieg über Julio Cesar Gonzalez (17.01.2004) Weltmeister und besiegte damit den Bezwinger von Dariusz Michalczewski.
Wenn ich mir nun anschaue, wen Klaus-Peter Kohl noch behalten hat, so kann ich mich nur wundern. Es ist mir völlig unverständlich, warum Universum Box-Promotion den Vertrag von Erdei einfach auslaufen ließ. Der Boxer mit dem poetischen Kampfnamen Feuervogel wurde Anfang 2004, am 17.01.2004 gegen Julio Cesar Gonzalez, durch einen einstimmigen Punktsieg Weltmeister der WBO in Halbschwergewicht. Er verteidigte seinen Titel in den folgenden fünf Jahren 11-mal erfolgreich. Er boxte gegen jeden, den sein Veranstalter ihm in den Ring stellte. Aber sein Veranstalter griff nicht ein einziges Mal etwas tiefer in die Tasche, um einen Gegner für ihn zu bekommen, der auch international von Bedeutung war. Erdei wurde in Ungarn zu einem Star, aber in Deutschland blieb er nur einer von vielen Weltmeistern.
Warum sein Promoter Kohl nicht versucht hat, den netten und freundlichen Familienmenschen Erdei, der sogar ein Kinderbuch geschrieben hat, in der Öffentlichkeit zu positionieren, wird vermutlich für immer ein Geheimnis bleiben. Wenn ich mich recht erinnere, musste Erdei sogar als Weltmeister im Vorprogramm für Regina Halmich boxen. Selbst nach dem Zusammenbruch von Universum setzte Kohl lieber weiter auf Boxer, von denen keiner weiß, ob sie nicht schon bald wieder im Gefängnis sitzen oder ob sie überhaupt jemals wieder boxen werden, als auf ihn.
Erdei zog für sich eine ganz erstaunliche Konsequenz: In einem Alter, in dem andere Boxer in den Ruhestand gehen, fängt er noch einmal von vorne an. Er unterschrieb einen Vertrag mit dem US-Promoter Lou di Bella, der noch bis Juni 2012 laufen soll. Er will sich nun in den USA durchsetzen und dort die Besten seiner Gewichtsklasse boxen. Offensichtlich sucht er noch mal die Herausforderung.
Bereits in seinem letzten Titelkampf machte er deutlich, dass er die Herausforderung sucht und annimmt. Da kämpfte er um den WBC-Titel im Cruisergewicht. Er besiegte Giacobbe Fragomeni in einem harten Fight am 21.11.2009 nach Punkten. Erdei bestreitet es zwar, aber man konnte damals schon den Eindruck gewinnen, dass Kohl den WBO-Titel für Jürgen Brähmer haben wollte.
Erdei, die Nummer 16 der unanhängigen Weltrangliste, boxt am 04.06.2011 gegen Byron Mitchell (36 Kämpfe, 28 Siege, 21 durch KO, 7 Niederlagen, 1 Unentschieden). Mitchell steht auf Position 55 der Rangliste und war immerhin zweimaliger Weltmeister der WBA im Super Mittelgewicht. Einige erinnern sich vielleicht noch an seine sehr knappe Punktniederlage, als er am 15.03.2003 gegen Sven Ottke einen Titelvereinigungskampf bestritt. Mitchell könnte Erdeis letztes Hindernis vor einem erneuten Titelkampf sein. Bereits Erdeis letzter Kampf am 20.11.2010 im Vorprogramm des WBC- Weltmeisters im Mittegewicht Sergio Gabriel Martinez war auf HBO, dem großen amerikanischen Bezahlfernsehsender, zu sehen.
Der Feuervogel sucht die Herausforderung in den USA.
© Uwe Betker
Unschuldsvermutung
„Die Unschuldsvermutung ist eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens.“ Eine abgewandelte Form dieses Prinzips wird offenbar auch auf Boxer und Boxerinnen angewendet. Immer wenn ein Boxer oder eine Boxerin keine guten Gegner bekommt oder wenn überfällige Rückkämpfe nicht zu Stande kommen, dann ist der Boxer unschuldig. Im gleichen Atemzug mit dieser Unschuldsvermutung wird dann die Schuld dem Veranstalter zugewiesen. Dann wird erklärt: „Den Boxer lässt man keine besseren Gegner boxen“, oder „der Boxer muss tun, was der Veranstalter ihm sagt“ usw. Zum Teil kann ich dieser Argumentation folgen, aber zum Teil halte ich sie schlicht für eine faule Ausrede. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Boxer, der den Mut hat, wenn man ihn denn lässt, mit den gefährlichsten und Furcht einflößendsten Boxern seiner Gewichtsklasse in den Ring zu steigen, um mit ihm seine Kräfte zu messen, nicht den Mut hat laut seine Wünsche zu äußern. Kann man glauben, dass ein vor Selbstbewusstsein nur so strotzender Weltmeister zu einem vor Angst eingeschüchterten Kind wird, das nicht mehr wagt, den Mund aufzumachen, kaum dass ein Mitarbeiter des Managements das Gym betritt?
Was ich damit sagen will, ist, dass ich mich tatsächlich kaum an einen Boxer erinnern kann, der nur halbwegs laut und vernehmlich, einen besseren Gegner gefordert hätte. Gut, es gab Felix Sturm und Zsolt Erdei bei Universum Box-Promotion und Arthur Abraham bei Sauerland Event. Gab es aber noch andere Boxer, die öffentlich bessere Gegner oder sportlichere Herausforderungen gefordert haben?
Es steht wohl außer Frage, wer in der Beziehung zwischen Promoter und Boxer in der Regel das Sagen hat. Aber manchmal habe ich auch den Verdacht, dass die meisten Boxer sich ganz wohl fühlen in der Rolle des unterdrückten und unschuldigen Opfers. Nehmen wir als Beispiel Susi Kentikian: Da ist eine Frau, die nennt sich „Killer Queen“. Sie erzählt gerne, dass sie „sehr willensstark“ ist und „sich durchsetzen kann“. Aber wo bleibt ihr Durchsetzungsvermögen und ihre Willensstärke, wenn es um die überfälligen Rückkämpfe mit Nadia Raoui und Arely Mucino geht?
Wenn man etwas haben möchte, muss man in der Regel auch seinen Wunsch laut und deutlich artikulieren. Das ist im Restaurant so und wohl auch beim Profiboxen. Wieso können Boxer und Boxerinnen nicht einfach klar und deutlich ihre Wünsche äußern? Ich glaube nicht, dass sie es unterlassen, weil sie solch eine existenzielle Angst vor ihren Veranstaltern haben. Vielmehr äußern die meisten Boxer deshalb keine Gegner-Wünsche, weil sie mit ihren Gegnern zufrieden sind. Wieso auch sollten sie gegen Stärkere boxen wollen? Dadurch erhöht sich doch nur das Risiko zu verlieren. Ich bin gegen die Unschuldsvermutung, jedenfalls in den beschriebenen Fällen.
© Uwe Betker
Wenn nur das Wörtchen wenn nicht wär,…
Wenn nur das Wörtchen wenn nicht wär, dann wär die nächste Kampfansetzung für den amtierenden Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO vielleicht richtig gut. Muamer Hukic alias Marco Huck (32 Kämpfe, 31 Siege, 23 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) boxt am 02.04.2011 in Halle/Westfalen gegen den ehemaligen Europameister und Weltmeister der WBC im Cruisergewicht Giacobbe Fragomeni (31 Kämpfe, 27 Siege, 11 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden).
Fragomeni könnte man durchaus als würdigen Herausforderer für Huck betrachten, wenn man ihn auch für eine lösbare Aufgabe halten könnte, weil er keinen Punch hat und von seinen letzten 3 Kämpfen 2 verloren hat. Aber damit tut man ihm unrecht. Er ist immerhin die Nummer 27 der unabhängigen Weltrangliste. Er verlor seinen WM-Gürtel gegen keinen geringeren als Zsolt Erdei – und das auch nur knapp. Der Kampf, der am 21.11.2009 stattgefunden hat, war so hart, dass Erdei anschließend beschloss, wieder in seiner alten Gewichtsklasse, dem Halbschwergewicht anzutreten. Eine seiner anderen Niederlagen musste der Mann aus Mailand gegen David Haye (17.11.2006) hinnehmen. Das war jener David Haye, der jetzt Weltmeister der WBA im Schwergewicht ist.
Fragomeni wäre also schon ein guter Gegner, wenn da nicht diese unerledigte Geschichte mit Denis Lebedev vom 19.12.2010 wäre. Es hat wohl keiner, der den Kampf gesehen hat, vergessen, dass Huck nur deshalb noch Weltmeister ist, weil zwei Punkrichter (Lahcen Oumghar und Manuel Oliver Palomo, ich nenne ihre Namen immer wieder, in der schwachen Hoffnung, sie hier nie wieder zu sehen) partout nicht dem Kampfverlauf entsprechend punkten wollten und ihm dadurch den Sieg zugeschanzt haben.
Es bleibt also ein fader Beigeschmack, weil es scheint, als hätte Marco Huck nicht den Mut dazu, Denis Lebedev (22 Kämpfe, 21 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage) einen Rückkampf zu geben. Und Sauerland Event scheint seinem Weltmeister Huck auch einen Sieg gegen ihn nicht zuzutrauen. Wie kann man es sich denn sonst erklären, dass ein Kampf der förmlich nach einer Neuauflage schreit und mit Sicherheit eine gute Einschaltquote erzielen würde, nicht stattfinden soll. Das Super-Six-Turnier im Cruisergewicht ist auch keine Option. Erst unlängst, nämlich in der Pressekonferenz nach der Veranstaltung in Mülheim, wurde mitgeteilt, dass noch gar nicht feststünde, ob und wann dieses Turnier stattfinden soll. Deswegen kann ich eine Kampfansetzung Huck gegen Fragomeni auch nicht gut finden, sondern ich halte sie für schlecht. Selbst wenn Huck diesen Kampf super eindrucksvoll gewinnt, verliert er, in meinen Augen, an Reputation und sein Veranstalter Sauerland Event an Glaubwürdigkeit.
© Uwe Betker
Hat da jemand Angst vor Nathan Cleverly?
Wer erinnert sich nicht an den letzten Kampf von Nathan Cleverly gegen Karo Murat vom 18.09.2010 in Manchester? Cleverly (20 Kämpfe, 20 Sieg, 10 durch KO) sah einfach phantastisch aus. Er boxte schnell. Er boxte variabel. Er schlug hart – eine wahre Augenweide. Mit seinem TKO-Sieg über Murat, dem WM-Ausscheidungskampf der WBO im Halbschwergewicht, wurde er zum Pflichtherausforderer für den Weltmeister Jürgen Brähmer. Jürgen Brähmer (38 Kämpfe, 36 Siege, 29 durch KO, 2 Niederlagen), wir erinnern uns, wurde einst als Jahrhunderttalent tituliert, und nun spricht die Boulevardpresse von ihm nur noch als Knastboxer. Den Spitznamen Knastboxer errang er durch die Tatsache, dass seine Profikarriere von einem Gefängnisaufenthalt unterbrochen wurde und eine rechtskräftige Verurteilung zu einer weiteren Gefängnisstrafe erst unlängst erfolgte. Es geht um jenen Brähmer also, der 2009 nur deshalb um den vakanten WBO-Titel boxen konnte, weil der Veranstalter Klaus-Peter Kohl Zsolt Erdei dazu bewegte, den Titel aufzugeben und eine Gewichtsklasse höher zu boxen, weil Universum Box-Promotion unbedingt einen Titel für Brähmer haben wollte. Dabei ist noch nicht mal geklärt, ob Brähmer nicht schon bald wieder ins Gefängnis muss.
Boxfans in Deutschland hatten sich schon auf den Kampf Brähmer gegen Cleverly gefreut. Schließlich hatten sie gehofft, endlich wieder einmal einen Kampf von boxerischer Bedeutung von dem Deutschen sehen zu können. Nicht wenige seiner Gegner waren nämlich vom Matchmaker Mohamed Hedi Taouab so ausgewählt worden, dass der Sieger schon vorher feststand. Es gibt sogar böse Zungen, die behaupten, Brähmer würde gegen starke Gegner (Mario Veit 27.052006 und Hugo Hernan Garay 22.11.2008) immer verlieren. Für diese These spricht, dass Brähmer ja tatsächlich nicht aus eignener Kraft, d.h. durch einen Sieg über einen amtierenden Weltmeister, seinen Titel errang.
Dieser Kampf findet nun aber nicht statt. Stattdessen gibt es nun das Aufeinandertreffen von Cleverly und Alejandro Lakatos (38 Kämpfe, 31 Siege, 23 durch KO, 5 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden). In Deutschland ist der 36-jährige Lakatos bekannt geworden durch seine Niederlagen gegen Zsolt Erdei (11.09.2004) und Dariusz Michalczewski (05.05.2001). In seinem dritten Anlauf hofft er nun offenbar, doch noch Weltmeister bei der WBO werden zu können. Der Kampf am 11. Dezember 2010 ist nämlich als Interims Weltmeisterschaft angesetzt.
Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass Brähmers Promoter Klaus-Peter Kohl Angst davor hat, einen seiner letzten Boxer – und dann noch einen mit einem Titel – gegen einen starken Mann antreten zu lassen. Dass der WBO Universum Box-Promotion nicht zu einer Pflichtverteidigung zwingt, ist der alten Verbundenheit zwischen den Beiden geschuldet. Wer erinnert sich nicht mit Grauen daran, dass Dariusz Michalczewski kaum Pflichtverteidigungen absolvieren musste. Die Veranstalter Klaus-Peter Kohl und Frank Warren haben die WBO ja erst zu einem anerkannten Weltverband gemacht – wodurch wir hier nun eine Pattsituation haben. Ob es je zu einem Brähmer-Cleverly-Kampf kommen wird, wird sich zeigen. Das hängt wohl vor allem davon ab, ob Kohl noch lange sein „Talent“ vor starken Boxern schützen will.
© Uwe Betker
Kein Grund zum Jubeln
Wenn man den Gerüchten aus dem Ausland Glauben schenken kann, wird es bald einen Titelvereinigungskampf mit deutscher Beteiligung geben. Angeblich soll der WBA-Weltmeister im Halbschwergewicht aus Kasachstan, Beibut Shumenov (11 Kämpfe, 10 Siege, davon 6 durch KO und 1 Niederlage), gegen den WBO-Weltmeister Jürgen Brähmer (38 Kämpfe, 36 Siege, davon 29 durch KO und 2 Niederlagen) antreten. Eigentlich ist eine Titelvereinigung ein Grund zur Freude. Die will sich aber bei mir irgendwie nicht einstellen. Der Grund dafür heißt Zsolt Erdei.
Eigentlich heißt der Weltmeister der WBO im Halbschwergewicht doch Zsolt Erdei (31 Kämpfe, 31 Siege, 17 durch KO). Jedenfalls war er das von 2004 bis 2009, bis – ja bis sein damaliger Veranstalter Klaus-Peter Kohl ihn wohl gezwungen hat, seinen Titel aufzugeben, um eine Gewichtsklasse höher, im Cruisergewicht, zu boxen. Zwar wurde er direkt, durch eine Mehrheits-Punktentscheidung Weltmeister vom Verband WBC, gleichzeitig aber war unübersehbar, dass der 1,78 Meter große Erdei hier nichts zu suchen hat.
Erdei folgte der Stallregie von Universum Box-Promotion, die dem Stralsunder Brähmer unbedingt einen WM-Titel zuschanzen wollte. Brähmer war sein WBA-Titel vorher (22.11.2008) von dem Argentinier Hugo Hernan Geray abgenommen worden. Aber Kohl setzte und setzt weiter auf Brähmer – jenen Brähmer, der medial vom „Jahrhunderttalent“ zum „Knastboxer“ abstieg. Erdei, der zwölfmal um den WBO-Titel erfolgreich geboxt hat, hat sich mittlerweile einen anderen, einen amerikanischen Veranstalter gesucht.
Was hat das nun aber mit meiner Unzufriedenheit über eine Titelvereinigung zu tun?
Nun, ich kann mich halt des Eindrucks nicht erwehren, dass Brähmers Veranstalter lieber eine solche Titelvereinigung will als einen Kampf gegen den, so nenne ich ihn mal, legitimen Weltmeister Erdei. Der 27jährige Shumenov ist wohl die einfachere Aufgabe für das ehemalige „Jahrhunderttalent“. Ich hoffe, das Erdeis neuer Veranstalter Lou DiBella es seinem neuen Schützling ermöglicht, bald doch noch gegen seinen ehemaligen Stallgefährten um diesen Gürtel zu boxen. Als WBO-Super-Champion kann er jederzeit den Weltmeister herausfordern.
Ich gestehe: Ich mag diese Verschiebereien von Titeln innerhalb eines Boxstalles nicht. Titel gehören sich, nach meiner Meinung, im Ring gewonnen und verloren. Was soll das denn, dem einen eigenen Boxer den Titel wegzunehmen, um ihn dann dem anderen zuzuschanzen? – Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich die Gründe dafür in diesem Fall wirklich wissen möchte.
© Uwe Betker